Die Geschichte über Fiffi&Bello alias Kallus und Sprudel MitOhne

Es war Ende der 60 Jahre, also in der Zeit in der noch vieles improvisiert wurde. d.h. dass man sich gegenseitig half wenn Not am Mann war. Sogar mal ein Süppchen für jemand kochte oder sonst etwas für jemanden tat, weil es damals einfach nicht anders ging. Meine Eltern wohnten in einem Aussiedler Haus, an einem, recht großer Platz ca. 70 Mal 120 Meter groß, der nicht asphaltiert aber umsäumt von kleinen Fachwerkhäuser war, die man in aller Eile den vertriebenen Neuansiedlern aus den Ostgebieten nach 1945 zu Verfügung stellte. Viele dieser Familie hatten Kindern aber es gab auch Einzelgänger dessen Schicksal von der Familie durch Bomben und Tot getrennt wurden. So ein Mensch war Kallus. Von uns Kindern genannt Fiffi&Bello, weil er die Eigenschaft hatte, so, um die Mittagszeit seine Flasche Bier (Bello) im gegenüberliegenden Kiosk abzuholen, dabei zwei Fiffis (Schnäppse) einsteckte, ein Schwätzchen hielt oder sich gemütlich zu jemanden auf die Bank vor dem Haus setze, um eine seiner vielen Geschichte zum Besten zu geben. Alle waren irgendwie seine Freunde und man wandte sich keines Wegs von ihn ab, weil er mit seiner Kleidung, einem Morgenmantel, einem ausgedienten Hut und im Sommer wie Winter seine Pantoffeln trug. Ja, er war unrasiert und hatte keine Zähne mehr im Mund, rauchte viel wenn er mal eine Zigarette oder Zigarre geschenkt bekam. Er hatte sehr wahrscheinlich sonst nix vom Leben und war ein armer Kerl. Uns Kindern, wir waren so zwischen 8 – 10 Jahre, erzählte er meist immer eine Geschichte über sein Leben als Soldat und welche Auszeichnung er bekommen hätte, weil er etliche Kompanien das Leben gerettet hätte und darauf er Stolz war. Auch, dass er lange Zeit zur See gefahren ist, das ein oder andere Abenteuer erlebte, auch in den Hafenkneipen Spelunken der Welt, wo das Leben aus Suff und Weiberei bestand. In uns Kindern hatte er seine wahren Zuhörer gefunden, denn das gefiel nicht nur uns sondern ihm sehr wahrscheinlich auch. So setzte er sich meist auf eine Bank, wir saßen im gebührenden Abstand zu ihm im Gras oder auf einer Treppe im Hauseingang. Wenn er dann genug getrunken hatte wurde sein Erzählstil heftiger und er nörgelte teilweise über die damals geführte Politik. Ärgerte sich über dies und das und wies uns quasi an niemals in den Krieg zu ziehen, denn es gäbe keine Helden und wer das sagt ist verrückt im Kopf. So mußten wir alle schwören und hinter uns spucken oder sonst ein Ritual abhalten, um nicht vom Vater Staat für solche Sachen gekascht zu werden. Sein zunehmender Alkoholspiegel und gutgemeinten Ratschläge nahmen wir natürlich nicht ganz so ernst obwohl, wie man ja so sagt, immer ein Stückchen Wahrheit mitschwingt. Niemals zur Militär, erwähne er zu oft in seinen überlauten Selbstgesprächen und wir mußten alle schwören seinen Worten glauben zu schenken. Wir nickten nur still und keiner kam auf die Idee Fiffi&Bello zu widersprechen. Dann hob er den Arm und stand wie ein Prediger vor uns. Gestikulierte mit der Hand, in dem er seinen besten Freund, den Alkohol festhielt und mit der anderen richtete er gestikulierend diejenigen in lauten, ausgesprochenen Gedanken hin, die sein Vaterland verkauft und verraten hatten und sagte: Macht Euch davon ihr nervt meine Mittagsruhe! Legte sich danach auf ein Nickerchen auf seine Bank wenn er in seinem Garten war. Eines Tages war ich um Getränke holen bei Fritz im improvisiert eingerichteten Laden. Es waren nur ca. 50 Meter zu Fuß. Sie hatten so das Allernötigste was man brauchte zum Leben. Spezielles wurde einen Tag später angeliefert. So bekam man Bier, Zigaretten, losen Tabak im Beutel, den holte ich des öfteren für meinen Opa, denn er drehte sich meist die Zigaretten selber. War aber Zigarren gewöhnt, was dann aber eine Bestellung bedurfte. Weiterhin hatten sie Fruchteis und einige andere Sorten. Es war die gelbe Fruchteissorte, die an einem Stiel festgemacht auseinander brach manchmal beim Hineinbeißen die ich zur damaligen Zeit mochte. Auch Schnaps und anderer, harter Alkohol konnte man dort kaufen. Natürlich auch Süßigkeiten in riesigen Gläsern, auch Lakritze und schmucke Halsketten aus Brausebonbons. Achja, Tütenbrause gab es auch. Das war insofern wichtig, dass ich meist 2 Flaschen Sprudel ohne Kohlensäure nach Hause bringen musste, um dann dort die Tütenbrause hinein zu tun. Mit ca. 4 Jahren muss ich mich wohl unsterblich berühmt bei Fritz (Kiosk) gemacht und sie zum Wahnsinn gebracht haben. Denn ich sollte für meine Eltern Sprudel mit und ohne holen. Nur verstand man meinen Wunsch von einer Flasche Sprudel mitohne nicht. So rätselte man was das Mitohne wohl bedeutete und ging mit mir kurzerhand zu meinen Eltern, um dies zu erfahren. Tja, seit dem nannte man mich, zumindest bei Fritz, der Herr Mitohne und wenn ich wieder mal Sprudel holte als 12 Jähriger hieß es dann: Na, mitohne oder nur mit oder ganz ohne! Bei einer dieser Einkäufe hörte ich dann wie Herr Fritz fragte: Wie immer, 2 Fiffi und 2 Bello! Ich verstand nur Bahnhof aber bemerkte dann schnell was gemeint war. Mit Fiffi meinte man wohl ein kleines Schnäpschen, dass sich Kallus in die Flasche Bier tat damit es mehr Bums hatte, so verriet er uns das einmal später. So stand er an dem Tag im Morgenmantel im Laden, auf jeder Taschenseite ragten 2 Bello raus und einen hielt er in der Hand. Die Fiffis müssen sich ganz in der Nähe aufgehalten haben. Irgendwie tut er mir heute noch leid als ich ihn aus den Laden heraus gehen sah. Er trottete, wie immer, diagonal über den Platz in seinen Garten hinter dem Haus oder in seine Wohnung. Als wir nach 1976 umzogen fuhr ich später noch ein paar Mal in meine alte, kleine Heimatstadt, um einfach mal zu sehen was sich dort getan hat. Es änderte sich lange Zeit nix, sah so aus wie immer. Erst nach Grenzöffnung 1990 tat sich auch hier sehr viel und die Stadt heute kann sich sehen lassen. Kallus muß, wie man mir viel später einmal erzählte, kurz nach unserem Umzug gestorben sein. Die Beerdigung von Kallus Alias Fiffi&Bello war eine kleine Massenveranstaltung, weil dieser Mensch überall bekannt war in unserem kleinen Städtchen. So ist das manchmal! Zum Schluß bleiben nur die Erinnerungen und eine kleine Geschichte übrig über jemanden den man kaum gut kannte!


© Michael Dierl


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