Wenn ich groß bin, dann werde ich Call Center Agent

© Mara Taler

Ich stellte mir die Frage, wann und in welchem Freundschaftsbuch ich bei Berufswunsch "Call Center Agent" reingekritzelt habe und kam zu dem Ergebnis, dass wohl eher jemand der mich nicht leiden kann, eine Vodoopuppe bearbeitet haben musste!

Der Wecker klingelte und meine bessere Hälfte, der auch den Traum verwirklicht hatte Call Center Agent zu werden, stupste mich an, um mir synchron mit dem Wecker zu signalisieren, dass wir aufstehen mussten. Ich nuschelte in mein Kissen, dass ich noch fünf Minuten liegen bleiben wolle, aber mein Freund, dem ich hier einen anderen Namen gebe: Timo (er ist definitiv kein Timo), fand meinen Vorschlag nicht gut, also trollte ich mich aus der kuscheligen Umarmung meiner Decke und schlurfte dem Duft des Kaffees entgegen!
Meine bessere Hälft lernte ich in dem Unternehmen kennen, in dem ich fünf Jahre lang Telefontante spielte.
Wir arbeiteten für ein Kommunikationsunternehmen, wo bei ich mir tatsächlich noch überlegen muss, ob ich das aus datenschutzrechtlichen Gründen überhaupt erwähnen darf, denn Datenschutz wird ganz groß geschrieben!!!

Aber ich fange einfach mal vorne an:
Nachdem ich ein beschissene Zeit in meinem Leben hinter mir hatte und endlich wieder soweit war, dass mir klar wurde "Bekomm dein Leben in den Griff!", habe ich über die hinreißende Arbeitsagentur eine Job bei einer Zeitarbeitsfirma vermittelt bekommen. Da bin ich auch fein artig hin gegangen und die haben mich dann bei einer Firma untergebracht, die Gewinnspiele an alte, sehr alte Menschen verkauft haben. Im Klartext: die haben die Leute über den Tisch gezogen!

Mir war hier sehr schnell bewusst, dass ich dort nicht alt werden würde, aber erstmal hatte ich einen Job und einen geregelten Tagesablauf. Dieses Callcenter wurde direkt von dem Höllenfürsten persönlich gebaut, denn es waren keine Stifte, keine Blätter, keine Lebensmittelt, keine Getränke oder Bonbons am Arbeitsplatz erlaubt. Die Mülleimer waren ohne Tüte, bedeutet das etliche Kaugummis auf dem Plastikboden der Papierkörbe klebten. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Die Fenster wurden von den Teamleitern einmal in der Stunde für 10 Minuten geöffnet und das war es, aber das aller schlimmste überhaupt war, dass wir nicht unsere eigenen Gerätschaften hatten: Headset, Maus und Tastatur wurden morgens von den Teamleitern herausgegeben und Abends wieder eingesammelt, aber du hast immer ein anderes Headset bekommen!!!

Das war mein überaus glanzvoller Einstieg in die Branche Call Center Agent, um es netter auszudrücken: telefonische Kundenbetreuung!

Eines morgens fuhr ich wieder einmal zähneknirschend in dieses nette Etablissement, als mich ein Anruf einer anderen Zeitarbeitsfirma erreichte. Sie schlugen mir einen Arbeitsplatz in meiner Stadt vor, sie versicherten mir dass es sich nicht um Verkaufstelefonie handelte und ich nach einem halben Jahr dort fest übernommen werden würde. Ich dachte mir, alles ist besser als diese Abzocke die ich im Moment betreibe und sagte einem Telefoninterview zu!
Das Telefoninterview lief richtig gut, dafür dass ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie eines gemacht hatte, aber ich wurde zur Bewerberrunde eingeladen.
Ich brauchte unbedingt neue Klamotten, denn bei der anderen Zeitarbeitsfirma ging das alles Formlos und locker, bei dieser neuen Geschichte allerdings nicht. Ich hatte mich recht schnell für einen grauen Hosenanzug und schwarzen Absatzschuhen entschieden. Eine schwarze Bluse dazu (die gab mein Kleiderschrank tatsächlich noch her) und ab dafür.
Meine Mutter und ihr Lebenspartner drückten die Daumen und ich stürzte mich in das nächste Abenteuer!

Der Bewerbertag war ein sehr, sehr langer Tag!
Es waren 10 Leute eingeladen und ich war einer davon. Um dem Ergebnis vorzugreifen, ja alle 10 wurden dann auch tatsächlich genommen, davon ist jetzt glaube ich wenn überhaupt nur noch eine Person in dem Unternehmen, ich nenne es mal TFWAY, tätig.
Dann ging auch alles recht schnell: Nachdem ich ein Einzelgespräch mit den Personalern hatte und ich ihnen mein, damals schon in die Jahr gekommenes iPhone 3Gs gezeigt hatte, durfte ich drei Tage später anfangen.
Jetzt musste ich nur noch der anderen Zeitarbeitsfirma sagten, dass ich nicht mehr im Vorhof zur Hölle arbeiten werde!!!
An dieser Stelle muss der Lebenspartner meiner Mutter definitiv erwähnt werden, denn er hat es mir ermöglicht ohne ÖPNV meine neue Arbeitsstätte zu erreichen und kaufte mir ein Mopped.
Ich bin noch nie in meinem Leben vorher Mopped gefahren!!
Auch diese Herausforderung (ich hasse dieses Wort) meisterte ich und fuhr nun an einem Montag mit meinem Mopped zu meinem ersten Arbeitstag bei TFWAY!

Ich war gut gelaunt und motiviert (das sollte sich in den folgenden Jahren drastisch ändern), ich hatte richtig bock auf diesen neuen Start!!! Es erwartete mich eine Woche Schulung, in der ich das System, die Kollegen und die Arbeitsweise kennen lernte.
Als ich das System sah und wie es bedient werden musste, stellte ich mir doch das eine oder auch andere Mal die Frage, wie soll ich das alles in meinen Kopf bekommen. Spoiler Alarm!!! Es hat funktioniert, besser als gedacht!
Tadda, ein neuer Call Center Agent für die Telekommunikationsbranche war geboren!!!

Es war alles neu für mich: Ich hatte vorher nie im Schichtbetrieb gearbeitet oder am Wochenende, Feiertags schon gar nicht!

So wie es bei neuen Mitarbeitern nun mal ist, man bekommt erstmal nur die Spätschichten, aber mir war das egal. Mit einer Spätschicht kam ich sogar besser zurecht, als früh um 06.00 Uhr im Büro aufzuschlagen.
Mein Tag bei TFWAY: ankommen, Pause und Anwesenheit eintragen (Wichtig, damit bei Feueralarm niemand auf der Toilette vergessen wird), Arbeitsplatz herrichten, Systeme starten und der Kaffee darf nicht fehlen! Dazu eine Zigarette im Pausenraum (möge er in Frieden ruhen) und die Welt war in Ordnung.
Ich hatte es immer so gehalten, dass ich mir die Leute erst anschaue bevor ich mit diesen ein Gespräch begann. Nachteil an der Sache war, dass man mich als eine arrogante Zicke abstempelte!
Ich brauchte also so sagen wir mal 4 Wochen, um mit den Leuten warm zu werden...

Die erste Situation die mir spontan einfällt ist folgende:
Ich war wieder einmal auf der Spätschicht, mir gegenüber saßen zwei Kollegen, die ich auch schon häufiger im Raucherraum gesehen hatte. Wir unterhielten uns über ganz normales Zeug, bis das Gespräch in eine andere Richtung ging und ich mich ausklinkte, denn ich wollte mich daraus halten, wenn die beiden sich über "wer vögelt hier mit wem und wie oft" unterhielten!
Zack, arrogante Zicke!!!
Tja, und ich muss dazusagen, einer dieser beiden Kollegen ist heute meine bessere Hälfte und der andere Kollege mein bester Freund, ich verpasse ihm den Namen Pete (findet er bestimmt nicht schick!) Dazu später mehr, nein es geht nicht um GV (Geschlechtsverkehr)!!!

Die erste Hiobsbotschaft die ich nach meiner Einstellung bekommen habe war die, dass ich möglicherweise nicht nach einem halben Jahr übernommen werde, da sich TFWAY mit einem anderen Unternehmen zusammen schließen würde und da der Hase anders laufen würde.
Ich war angepisst, konnte es aber verstehen, dass durch so einen Zusammenschluss einige Abläufe geändert wurden!
Ich hätte es einfach gerne bei der Einstellung schon gewusst (Ja, es war da auch schon bekannt). Es hätte meine Entscheidung dort anzufangen nicht geändert.

Später mehr!!!


© Mara Taler


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Beschreibung des Autors zu "Wenn ich groß bin, dann werde ich Call Center Agent"

Es geht um eine wahre Begebenheit, die ich mir von der Seele schreiben möchte! Ich möchte hier niemanden verurteilen, diskriminieren, mobben oder bloßstellen!!!Die Namen der Personen und Firmen habe ich geändert, damit niemand in den Fokus gerät und ich als Verfasser auch nicht, wie gesagt ich möchte niemanden auf den Schlips treten!!!

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