Enttäuschung machte sich in dem kleinen Jungen breit, als er verstand, dass sein Vater weg war. Er hatte sich schon seit gestern gefreut seinen Vater, der oft und lange beruflich unterwegs war, zu sehn. Nur leider war es immer später geworden und seine Mutter hatte ihn und seine drei Geschwister, trotz den Versuchen sie zu überreden, ins Bett geschickt. Traurig und viel zu aufgeregt um zu schlafen lag er nach dem Zähne putzen im Bett. Er malte sich fantastische Abenteuer aus, die er am morgigen Tag mit seinem Vater erleben wollte und schlief irgendwann ein.
Ein quengeln riss ihn morgens aus seinem Schlaf. Sein kleiner Bruder, der immer im Bett neben an schlief, war schon wach und hatte wohl Hunger. Er klettert aus dem Bett und schaut nach unten in die Küche. Seine Mutter war schon auf und war gerade dabei die Milch für seinen kleinen Bruder aufzuwärmen. Da kommt plötzlich der Gedanke, Papa muss schon da sein! Mutter erzählt, Vater ist schon aus dem Haus, er ist mit seinen Freunden zum morgendlichen Kaffee verabredet gewesen. Wann er wieder kommt weiß Mama nicht.
Den ganzen Vormittag verbringt der kleine Junge vor dem Haus, er fährt mit dem Rad, schaukelt mit seinen Geschwistern, spielt mit kleinen Figuren auf der Wiese, aber immer hat er die Straße im Blick. In Erwartung seinen Vater auf dem Heimweg zu sehen und die Möglichkeit zu haben ihm entgegen zu rennen. Die Sonne steigt immer weiter auf und es wird immer wärmer. Irgendwann ruft Mama zum Mittagessen und der Junge geht ins Haus. Er ist traurig, einen Kaffee zu trinken dauert doch sonst auch nicht den ganzen Vormittag. Nach dem Essen hilft der Junge beim Abwasch und im Haushalt, er sorgt auch dafür, dass sein kleiner Bruder ein Schläfchen macht. Durch die Ablenkung ist er ganz überrascht als er eine tiefe Stimme vor dem Haus hört. Mama kommt ins Zimmer und sagt er kann ruhig vor die Tür um Papa zu grüßen, sie bleibt beim Kleinen.
„Hallo Kleiner! Ich bin nur kurz gekommen um etwas zu holen.“ hört der Junge seinen Vater auf seine Begrüßung antworten. Vater will sich mit seinen Freunden an der Bar um die Ecke treffen, der kleine Junge überredet ihn mit gehen zu dürfen.
Vor der Bar warten Papas Freunde schon, nach einigen Unterhaltungsthemen und vielen Witzen erzählt einer der Freunde er wolle heute noch ins Kino. Und schon war es eine abgemachte Sache, heute würde die Gruppe ein Film gucken gehen, auch Papa. Der Junge überlegt, er war noch nie im Kino und es wäre so toll mit Papa da hin zu gehen. Also würde er heute doch noch ein Abenteuer mit seinem Vater erleben, er hatte Recht gehabt! Papa muss ihm nur noch erlauben mit zu gehen.
Auf die Frage antwortet Papa: „Mein Sohn der Film geht ein Weilchen, später wird es kalt sein und du hast keine Jacke dabei. Geh doch nochmal ins Haus, hol dir deine Jacke und dann laufen wir los um ins Kino zu gehen.“
Überglücklich rennt der Junge nach Hause, er rennt so schnell er kann, immerhin will er seinen Papa nicht allzu lange warten lassen. Und er freut sich so sehr auf das Kino. Ob die Leinwand wirklich so groß ist wie er es von seinem besten Freund erzählt bekommen hat? Er stürmt ins Haus, rennt die Treppe hoch um in das Zimmer zu gelangen, welches er sich mit seinen Geschwistern teilt. Er zieht eine Jacke aus dem Schrank, wirft dabei den liebevoll gefalteten Stapel Hosen um. Später kann er das auch noch aufräumen, denkt er sich. Ehe sich Mama versieht ist er wieder aus dem Haus und rennt so schnell wie möglich zurück zur Bar.
Vor der Bar steht keiner mehr. Er schaut in die Bar vielleicht haben sie sich ja nochmal hingesetzt. Aber nein, weit und breit ist keiner mehr zu sehen, weder Vater, noch seine Freunde. Enttäuschung machte sich in dem kleinen Jungen breit, als er verstand, dass sein Vater weg war. Ein Mann mittleren Alters sitzt alleine an einem Tisch, „Na, da hast du dir aber einen großen Bären aufbinden lassen, ha?“hört er ihn sagen. Der Mann lacht laut, dem kleinen Jungen ist nach weinen. Der Schmerz der sich in ihm breit macht, ist noch schlimmer als die Gewissheit, den ganzen Vormittag umsonst gewartet zu haben. Eigentlich hat er seit gestern Abend umsonst gewartet, sogar seine Fantasie hat er verschwendet. Und das nur, um mit einem billigen Vorwand getäuscht und abgespeist zu werden. Der kleine Junge schämt sich, sich auch noch für Papa beeilt zu haben.
Den Tränen nahe und mit gesenkten Schultern schlurft er zu seiner Lieblingsbank. Jetzt zurück nach Hause zu gehen und Mama zu erklären was geschehen war würde ihn zu viel Kraft kosten.


© Imperatrice Ferretti


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Beschreibung des Autors zu "Prägender Schmerz"

Ich glaube daran, dass es vorprogrammiert ist im Leben eines Jeden, seine Eltern als Vorbild zu sehen. Wie die Geschichte zeigt, ist es ein Schmerzhaftes zu erfahren, dass sich manche Eltern nicht als Vorbilder eignen. Wie man damit umgeht? Hier glaube ich wird es eine Lebensaufgabe sein, zu entscheiden wie man seine Eltern sehen will wenn nicht als Vorbilder. Dass solche Ereignisse prägen, veranschaulicht die Geschichte wohl zu genüge.

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