Der Winter schien in diesem Jahr nicht enden zu wollen. Es war Mitte April und ein frostiger Nordwind peitschte durch den stillen, dunklen Abend, nur unterbrochen von dem Klacken meiner Absätze. Ich zog meinen Schal fester um den Hals und verfluchte das mein Haus abseits lag. Der Weg von der Bushaltestelle schien endlos und einsam. Ich empfand sogar eine Art Angst, die ich in der Vergangenheit nicht kannte. Die Angst verstärkte das Frösteln, welches durch meinen Körper bis zu meinen Zehen kroch.
Das leise Leuchten der hellen Fenster meines Hauses, lockte mich geisterhaft, eines Leuchtturmes gleich, in den friedlichen Hafen meines Heimes. Der Geruch verbrannten Holzes, der aus dem Kamin waberte, beschleunigte meine Schritte, soweit dieses auf den Absätzen möglich war – ich war daheim.
Wohlige Wärme umflutete meinen erkalteten Körper, als ich eintrat.
„Kenan ich bin zu Hause!“, rief ich erleichtert. Eine freudige Begrüßung, die mehr meinem Heim, als meinen Mitbewohner galt, aber in den letzten Wochen zum Ritual geriet. Früher war es mir egal gewesen, ob Kenan daheim war oder nicht. Das hatte sich geändert. Den hier in meinen vier Wänden konnte ich wieder ich sein und Kenan gehörte dazu.
„Bin im Wohnzimmer!“, lockte seine Stimme. In einer für mich spießigen Art hing ich meinen Mantel, meinen Schal und meine Mütze ordentlich in den Garderobenschrank, um dann die Wohnzimmertür zu öffnen.
Der Geruch von Moder stieß in meine Nase. Ein Geruch, den ich zuvor noch nie gerochen hatte. Es hatte den Anschein, als käme ich in ein fremdes Zimmer, obwohl es meins war. Die alten, zusammengewürfelten Möbel stießen mich ab, als würden sie meine Erscheinung missbilligen. Obwohl die warme Luft erfreuen müsste, war es mir unmöglich diesen Raum anzunehmen. Hatte ich mich geändert oder lag es daran, dass ich mit meinen Kolleginnen, oft diese Zeitschriften verschlang, indem der neuste Trend verewigt war.
Ich musste etwas ändern. Mich von diesem Studenten-Buden-Look trennen.
Erschöpft vom Tag fiel ich auf einen dieser alten Sessel und legte meine Beine auf das Sofa, auf dem Kenan, vertieft in eine Tageszeitung, saß. Kurz ließ er den Blick auf mich schweifen.
„Was hältst du davon, wenn wir und ein neues Wohnzimmer kaufen?“, begrüßte ich ihn.
Ob ich oder er mehr über meine Frage verblüfft war, lag außerhalb meiner Wahrnehmung. Er zumindest studierte wieder seine Lektüre. Es war das erste Mal gewesen, dass ich ihn zu unserem gemeinsamen Haushalt, diese Art Frage gestellt hatte.
Bis zum Zeitpunkt meiner Anstellung in Hannover hatten wir immer nebeneinander hergelebt. Wir lebten in einer Wohngemeinschaft. Punkt.
Er war richtig lieb geworden, machte den Haushalt und kaufte ein. Einen Umstand, den ich ihm hoch anrechnete. Kenan war meistens um 4 Uhr daheim und ich des Öfteren erst nach sieben Uhr. Als er dann anbot die Wäsche zu machen, lehnte ich dankend ab. Das war mir dann zu intim, wenn ich mir vorstellte, er würde meine Unterwäsche zum Trocknen aufhängen. Das sagte ich im natürlich nicht. Mit einem Schmunzeln sagte ich nur, „Kenan das ist dann doch Frauensache und ich könnte es dir nicht verzeihen, wenn du eine meiner teuren Blusen zu heiß Bügeln würdest!“. Er lachte nur, verständlicherweise.
„Du hast ja ganz kalte Füße!“, riss Kenan mich aus meinen Gedanken und ohne mich, um Erlaubnis zu fragen, ergriff er meine Füße. Seine kräftigten Hände massierten zart meine Füße, die wie aus Wunderhand zum Leben zurückkehrten.
„Laufe du in dünnen Stiefeln durch diese Kälte!“, harschte ich ihn an.
„Warum kaufst du dir keine richtigen Winterstiefel?“, hauchte er.
„Erstens, es gibt jetzt im Frühjahr keine mehr und zweitens passen diese Dinger nicht zu einem Kostüm“, schnauzte ich. „Weiß du wie schwierig es war, überhaupt noch ein Paar Stiefel zu finden!“, während ich die Massage genoss.
„Las das!“, zog ich meine Beine zurück. „Du reiß mir noch mit deinen Pranken eine Laufmasche.“
„Warum gehst du nicht hoch und lässt dir ein warmes Bad ein?“, lächelte er, „und ich mache uns was Schönes zum Abendessen!“
„Hast du den Ofen angeworfen?“, schnippte ich, denn er hatte mich schon einmal aufgefordert und dann war das Wasser kalt.
„Natürlich“, frohlockte er.

Das Wannenbad tat mir gut. Ich genoss den Schaum und die Pflege meines Körpers. Mit einem Lied auf den Lippen rasierte ich meine Beine, gleichzeitige meine schwarzen Haare verfluchten – blond wäre besser. Ich überlegte mir, ob ich wie meine Kollegien Svenja, die Haare lasern sollte; sie war sehr zufrieden. Ich nahm mir vor, sie bei passender Gelegenheit nach der Adresse zu fragen.
„Abendbrot ist fertig!“, erklang es durch das Haus. Ich trocknete mich ab, dann zog ich meinen neuen Hausanzug, den ich
an diesem Tag erworben hatte, über und genoss das weiche Gefühl auf meiner Haut.
Vergnügt und entspannt hüpfte ich ins Wohnzimmer. Kenan hatte den Wohnzimmertisch gedeckt und saß wieder auf dem Sofa.
„Wie siehst du den aus?“, prustete er entgegen.
„Ich weiß, dass mir Rosa nicht steht“, entrüstete ich mich, „aber Hellblau war in meiner Größe vergriffen!“. Ich schritt auf Kenan zu, stemmte meine Fäuste in die Taille und bäumte meinen Körper auf die gesamten 1,65m, die ich besaß, auf. „Fühle, wie weich der Anzug ist“, pustete ich. Kenan legte die Zeitung beiseite und tastete über meinen Arm. Er sprach kein Wort.
„Die gibt es auch für Männer!“. Ich schluckte bei meinen Worten, da ich jetzt sogar das Vokabular meiner Kolleginnen zu Hause benutzte. „In dunkelblau“, schob ich kleinlaut hinterher.
„Ich lache nicht wegen des Anzug“, grinste Kenan, „Rosa steht dir!“. Er betrachtete meine Füße. „Deine Schuhe“, auf die gleichen weisend.
Verlegen senkte ich den Blick und betrachtete die Puschen in Form von weißen Kaninchen. „Das sind Tanjas Pantoffeln“, schnippte ich, „und Tanja hast du nie ausgelacht!“
„Tanja ist meine Kollegin“, die Stirn runzelnd. „Eine Fremde“, schob er nach.
Mein Puls raste. „Aber mich kannst du auslachen!“, schoss es über meine Lippen.
„Ich habe dich nicht ausgelacht“, stotterte Kenan. „Ich finde …“, nach Worten suchend, „du siehst lustig aus.“ Und wäre das nicht Begründung genug, „ich bin halt immer ehrlich zu dir!“, dabei klimperte er, wie ein kleines Mädchen, mit den Wimpern.
„Blödmann!“, zischte ich und ließ mich neben ihm auf das Sofa fallen.
Wortlos genoss ich die Schnittchen, die er zubereitet hatte.
Seine Worte machten mich nachdenklich. Was wusste ich von ihm, waren wir nicht auch fremd. Seit fünf Jahren wohnten wir zusammen und ich wusste nur von ihm, dass er aus dem Iran stammte und schwul war. Ich fasste mich an mein Herz. „Warum gehst du eigentlich nicht wieder in deine Heimat?“, die Worte schon verfluchend, bevor diese aus dem Mund fielen. „Entschuldige die Frage“, stotterte ich, „vergiss es.“
„Nein!“, hauchte Kenan, meine Hand nehmend, „ich warte schon lange auf diese Frage.“ Er schaute zu Boden. „Ich hatte die Frage schon erwartete, als ich dich gefragt hatte, ob du mich heiraten willst.“
Bei seinen Worten musste ich schmunzeln. Sie klangen eher danach, dass er mit einem Blumenstrauß vor mir gekniet hatte und um meine Hand angehalten hatte. Die Erinnerung an diesen Tag kam wieder in mir hochgeschossen.

Ich saß, hier im Wohnzimmer, an meinen Computer, ich weiß nicht mehr was ich gemacht habe, nur das Kenan mit seinen Freunden das Wohnzimmer stürmte und lauthals diskutierend das Sofa und die Sessel belagerten.
„Wir müssen dir helfen“, donnerte der eine, „das ist doch ungerecht!“. „Ob es ungerecht ist oder nicht“, kam es aus einer anderen Ecke, „steht hier nicht zu Debatte. Kenan ist Exmatrikuliert und damit kein Student mehr.“ „Er studiert doch schon mehrere Jahre nicht mehr“, zirpte eine Frauenstimme. „Das kann man nicht so sagen“, trötet der Nächste, „bemüht hat er sich“. „Solange bemüht bis der Studiengang gestrichen wurde“, erklang der Erste wieder. „Kannst du nicht einfach etwas anderes Studieren?“, frohlockte die Frau. „Nein“, hüstelte Kenan, „die Bescheinigung ist schon auf dem Weg zur Ausländerbehörde.“ „Dann tauche doch unter“, stimmte eine weitere Frau ein. „Illegal in Deutschland und was ist mit meinem Job“, stöhnte Kenan, „wollt ihr für mich sammeln?“ „Es gibt nur eine Lösung“, erklang eine ruhige Stimme, „Kenan muss heiraten!“. „Aber wen?“, erschalte es im Chor. „Wie wäre es mir Sonja?“, fragte die ruhige Stimme. „Gerne, immer“, stotterte die Frau mit der piepsigen Stimme, „ich mag Kenan aber ich kann doch keinen Mann heiraten. Wir müssten zusammen leben und so, dass kann ich nicht. Tut mir leid, ich bin draußen.“ „Und du Sven?“ „Ihr wisst, wie eifersüchtig Thorben ist, der würde mich umbringen“, stotterte der, der alles für ungerecht gehalten hatte. „Wie ist es mit dir, Efi?“ „Ich, ich, gehe doch in zwei Wochen in die Staaten“, trällerte die zweite Frau, „die Chance bekomme ich nie wieder!“. „Kommen wir zu dir Linus“, triumphierte der Ruhige. „Du bist in keiner festen Bindung, hast kein Problem mit Männer und gehst auch nicht ins Ausland.“ „Ich wohne doch noch bei meinen Eltern“, schmetterte der Angesprochen. „Und?“, erklang es im Chor. Stille. „Meine Eltern ….“, druckste er, „enterben mich, wenn die erfahren, dass ich schwul bin!“ Wieder legte sich das Tuch der Stille über den Raum. „Ich bin verlobt!“, schob er hinterher. „Mit wem?“, erklang es unisono. „Mit Mathida Kleinmann“, stotterte er. „Mit Mathida Kleinmann?“, hackte die Frau, die ins Ausland gehen wollte, nach. „Mit der Mathida Kleinmann. Die Tochter der Modekette Kleinmann“, kicherte sie. „Was ist eigentlich mit dir, mein lieber Paul“, schallte der Mann mit dem eifersüchtigen Freund durch den Raum. „Du und Kenan seit doch ein Paar. Heirate, du ihn doch!“ „Ich würde meinen Liebsten zu fort heiraten“, triumphierte er, „es gibt nur ein Problem!“ „Welches?“, wollten die Anderen wissen. „Ich müsste mich erst scheiden lassen!“ „Du bist verheiratet“, fragte der verlobte Mann, „seit wann?“ „Seit acht Jahren!“. „Mit wem?“, fragten die Frauen gleichzeitig. „Kennt ihr nicht“, gab er kund, „Natascha, sollte damals auch abgeschoben werden!“
Ich hörte mir das nicht länger an. Stand auf und sprang in die Runde. „Ihr seit mir vielleicht Freund!“, donnerte ich, „jeder hat irgendwelche fadenscheinige Gründe, beruflich, Scham oder Ekel. Es geht um einen Menschen.“ Die gesamte Runde starrte mich an. „Kenan lass uns heiraten!“

Kenans drückende Hand, löste mich aus den Gedanken.
„Weiß du“, presste er seine Lippen, „ich liebe mein Land, würde gerne dort Leben aber homosexuelle Männer haben es nicht leicht im Iran.“
Eine Aussage die mich nicht verwunderte. „Im Iran gibt es bestimmt genauso viele Homosexuelle wie bei uns?“, gab ich trotzdem zu verstehen.
Kenans Kopf schwankte, „vielleicht sogar mehr als hier. Das ist ein anderes Thema“, mir in die Augen sehend. „Gesteinigt wird auch niemand mehr“, grinste er. „Man ist einfach kein Mitglied der Gesellschaft mehr“, schnalzte Kenan, „kann nichts mehr erreichen, nichts für sein Land mehr tun.“
Ich strich über seinen Arm. „Und das willst du?“, hauchte ich.
Kenan atmete durch. „Das will ich nicht nur, das tue ich“, kniff er seine Augen zusammen. „Schon seit vielen Jahren arbeite ich für das Wohl meiner Leute“, hob er seine Schulter. „Als ich noch im Iran lebte“, stöhnte er, „ich wurde zur Last für meine Leute. Zur Gefahr aufgrund meiner sexuellen Neigung. Sie schickten mich ins Exil. Und ich hatte es vergeigt.“ Er faste meine Hand fester. „Du warst der einzige Mensch, der mir geholfen hat“, lächelte er. „Und nicht nur ich, unsere ganze Organisation steht für immer in deiner Schuld.“
Seine Worte rührten mich.
„Hätte ich damals zurückgemusst“, zitterte seine Stimme, „hätten die mich gehabt. Meine Neigung hätte damals ausgereicht mich zu inhaftieren und ich bezweifle, dass ich unter der Folter den Mund gehalten hätte.“
Er legte seine Stirn in falten und wir sahen uns lange, stumm an.
„Gehörst so einer Geheimorganisation an?“, fragte ich, dass Schweigen unterbrechend.
Wieder grinste Kenan. „Nein!“, flüchtig über meine Schultern streichend, „da ist nichts Geheimes. Wir sind eine ganz normale Organisation – eine Partei, international anerkannt. Wir sind in der Exilregierung.“
Kenan ein Politiker, dachte ich. Ich konnte mir dieses kaum vorstellen.
Er schenkte Tee nach und wir nahmen jeder einen Schluck.
„Wir verhandeln mit anderen Ländern, sogar mit der iranischen Regierung“, gab er zu verstehen.
„Aber warum ist es dann für euch gefährlich?“, zirpte ich.
Seine Stirn unverständlich in Falten legend, „wir haben Verbindungsleute im Iran.“
Ich verstand. Die wollten seine Leute nicht gefährden. „Warum hast du dich darauf eingelassen?“, meine Hand auf seinen Oberschenkel legend.
„Warum?“, harschte er. „Du hast keine Ahnung“, meine Hand von seinen Bein schiebend.
Ich hatte an diesem Tag wirklich keine Ahnung, was er meinte. Politik hatte mich nie interessiert. „Dann erkläre es mir?“, wieder meine Hand auf seinen Bein platzierend.
„Wir Perser sind ein stolzes Volk, ein altes Volk, viele tausend Jahre alt. Wir hatten schon Kultur zu einer Zeit in der ihr Europäer noch auf den Bäumen rumgesprungen seit“, donnerte er mit geschwollener Brust.
Ich wollte ihm nicht widersprechen. Von Politik wusste ich nicht viel, aber in Geschichte kannte ich mich aus. Ich blickte nur in seine glühenden Augen.
„Bis wir“, schnaufte er, „von den Kolonialmächten unterdrückt wurden. Am Anfang des letzten Jahrhunderts bäumten wir uns auf. Es gab eine Verfassung, ein Rechtsstaat, Freiheit. Das währte nicht lange. Die Macht der Großmächte war zu stark. Denn wir hatten das, was sie wollten. Erdöl.“
Kenan wandte sich ab. „Ich sehe, ich langweile dich“, schoss es über seine vollen Lippen.
„Nein, nein“, meinen Kopf schütteln, log ich ihn an. Ich hatte zur Zeit andere Probleme, als das Schicksal der Perser.
„Ich fasse mich kurz“, schüttelte er. „Jedenfalls unser Stamm, ich muss dazu sagen, ist eher westlich eingestellt. Bildung ist für uns sehr wichtig, was nicht für alle Stämme im Iran gilt. Es gibt heute immer noch Familie, die der Auffassung sind, dass Frauen zum Denken nicht in der Lage sind“, erklärte er mit einer abweisenden Geste. „Meine Leute und da gehörte mein Großvater und mein Vater dazu, waren mit verantwortlich, das Khomeini ins Land kam“, sein Blick durch Wohnzimmer schweifend. „Sie hatten die Auffassung, dass einfache Volk mit Hilfe der Ayatollahs ins Boot zu nehmen“, Kenan lachte, „eine Idee, die vollkommen daneben ging.“
Mit jedem Wort, welches Kenan sprach, änderte sich meine Einstellung ihm gegenüber. Für mich war er immer ein netter und hilfsbereiter Mitbewohner, den ich – ich muss es zugeben - aus Mitleid oder Hilfsbereitschaft geheiratet hatte. Er zeigte sich mir immer, ich glaubte es, zu wissen, als ein Mensch der oberflächlich ist, dessen Hauptziel es war, welche nächste Party anstand.
Ich erahnte nicht, was er mir eigentlich sagen wollte, aber die Inbrunst, die Leidenschaft, wie er erzählte, ließen meinen Blick an seinen Lippen hängen.
„Dann kam der Krieg“, fuhr er fort. Seine Augen wurden feucht. „Mein Großvater, arbeitete in der Regierung, kein großer Politiker, trotzdem seine Ideale nicht vergessend, mein Vater als Offizier an der Front. Das Vaterland verteidigen, wie ihr in Deutschland immer sagt. Und meine Großmutter vergrub sich in die Religion. Die überzeugte Sozialistin, wandelte sich zu einer Anhängerin des Regimes, woran – daran glaube ich – mein Großvater zerbrach. Man fand ihn eines Tages an der Decke seines Büros, mit einem Strick um seinen Hals.“ Eine Träne quoll aus Kenans Auge. Bewusst der Tatsache, dass diese Situation eine von den Gelegenheiten darstellte, bei denen man einen Mitmenschen tröstend in den Arm nahm, verharrte ich in Regungslosigkeit. Ich konnte es nicht.
Als könne er meinen Gedanken lesen, wich er meinen Blick aus, kreuzte seine Arme über seinen Schoß und sah auf den Boden.
„Der Krieg war vorbei. Mein Vater der festen Überzeugung, dass sein Vater ermordet wurde, stürzte sich in den Widerstand, nicht mit Gewalt, politisch. Er hatte im Krieg zu viel Elend gesehen. Meine Mutter unterstütze ihn. Und so kam es, wie es kommen musste. Eines Tages, ich war gerade eingeschult, da waren sie verschwunden. Es hieß, dass der Polizeiwagen auf dem Weg zu einer Befragung einen Unfall gehabt haben sollte. Ihre Leichen haben wir nie gesehen.“
Das Atmen viel mir schwer. Ich konzentrierte meinen Geist, dachte an Quallen, an Einschnitte in meinen Leben, die mich berühren mussten. Aber meine Sinne waren leer, wie der Blick den ich Kenan entgegenschmetterte.


© joerg67


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