Die verzauberte Tür und wohin sie verschwand


Es war in der verzauberten Nacht zur Sommersonnenwende, in der das Mondlicht über den kühlen Sternenhimmel, durch das gekippte Nischenfenster eines unbedeutenden Galerie-Ateliers floss, um über den talentlosen Arm einer jungen Malerin zu gleiten, die mit flinken Bewegungen, das banale Abbild einer Tür, auf eine durchschnittliche Leinwand brachte.
Wie der gewöhnliche Schreiber weiß, fällt dem Mondlicht in solchen Nächten ein besonderer Zauber anheim, wissen wir ebenfalls, dass sich der Mond in dieser Jahreszeit, auch in seiner humorvollen Phase befindet und somit sei erklärt, warum der Mond, in dieser Nacht, über den besagten Arm, der besagter Malerin floss, um besagte Leinwand, welche diese bemalte, mit seinem Kuss zu verzaubern.
All dies, wäre nicht die Eröffnung einer bezaubernden Kurzgeschichte, die dazu gedacht ist, eure Köpfe mit Wundern zu erfüllen, hätte der Kuss des Mondes nicht zu einer Verkettung mysteriöser Ereignisse geführt, von denen die Protagonistin nicht einmal etwas ahnte. Während das Mondlicht noch sinnlich auf der Haut der jungen Frau ruhte, möchte ich euch, auf dass ihr jene Künstlerin besser kennenlernt, einen Überblick über die besagte Person verschaffen.

Die junge Frau, deren untalentierter Arm in dieser Nacht, dem Mondlicht den Weg bereitete, trug den vielsagenden Künstlernamen Margot Uncelli. Diese war zwar nicht vom Erfolg verwöhnt, vereinte jedoch all jene Exzentrik, die ihrer Auffassung nach eine echte Künstlerin ausmachte.
Sie pflegte sowohl den extravagante Kleidungsstil und das verschrobene Äußere einer Künstlerin, als auch die dazugehörigen Essstörungen und Lebensmittelunverträglichkeiten, welche sie gepaart mit einer ausgereiften Hypochondrie, als ein komplexes Konzept in sich vereinte. Darüber hinaus besaß sie auch die Fähigkeit in Gesprächen gekonnt auf die übersteigerten Auswüchse der erwähnten Persönlichkeitsindikatoren hinzuweisen. Je nach dem, wie das Gespräch es erforderte, wechselten auch die Eigentümlichkeiten, die Margots Körper so sehr von anderen unterschieden und die zahlreichen Gründe und Indizien, die darauf hinwiesen, dass sie einfach etwas anderes war, als ein gewöhnlichen Vertreter der Gattung Homo Sapiens Sapiens. Auf Grund ihrer kreativen Abstraktion, musste jedem Zuhörer klar werden, dass sie einer neuen und weiterentwickelten Unterart dieser Spezies angehörte. Eine Mutation, die die Vorstellungskraft des gewöhnlichen modernen Menschen bei weitem überstieg.

Eingangs erwähnte ich in einem zynischen Nebensatz, die Talentlosigkeit dieser jungen Frau und nun möchte ich, einen weiteren polemischen Infinitivsatz anwenden, um dazu überzuleiten, wie die Künstlerin selbst zu ihrem Talent und ihren Bildern stand. Selbstverständlich waren die bereits erwähnten Persönlichkeitszüge in bester Gesellschaft. Neben einem gesunden Selbstwertgefühl, dass ich hier keinesfalls als schlechte Eigenschaft anführen will, wies diese junge Malerin einen Hang zur chronischen Selbstüberschätzung bis hin zu Megalomanie auf, deren Auswüchse der jungen Frau neben unzähligen gescheiterten zwischenmenschlichen Beziehungen, auch einen ansehnlichen Berg Schulden eingebracht hatte. Doch Einsamkeit und ungeordnete finanzielle Verhältnisse schienen Margot in ihrer Eigenschaft als echte Künstlerin nur weiter zu bestätigen. Selbstverständlich waren große Künstler immer schon verkannt und unverstanden gewesen, es sei denn, sie hatten genügend Geld und sexuelle Kontakte, um sich in der internationalen Szene zu etablieren. Unterstrichen wurde die Selbstüberschätzung der Malerin zuletzt noch, durch Margots beste Freundin Marlene, einer gescheiterten Künstlerberaterin. Einer Person also, die ihr Geld damit verdiente, jungen Menschen mit, oder ohne Talent, zu erzählen, dass der große Erfolg sich schon sehr bald einstellen würde. Natürlich wusste Marlene sehr genau, wie es möglich war, aus Margot schon sehr bald, eine international anerkannte Künstlerin zumachen und ihre Bilder in den großen Galerien der Welt auszustellen. Einzige unsichere Komponente in diesem absolut klaren Fall, war der in- und ausländische Kunstmarkt, der sich Marlenes Regeln nicht so recht beugen wollte.

Nun denn, sowohl der internationale Kunstmarkt, als auch eure geschätzte Autorin, sollten alsbald eines Besseren belehrt werden. Während ich mich also, in scheinbar sinnentleerten Persönlichkeitsbeschreibungen ergoss, stellte ein gewisser Arm, ein gewisses Bildnis auf einer vom Mondlicht geküssten Leinwand fertig, um dieses zu all den anderen Gemälden, die angeblich einen einzigartigen und unverwechselbaren, prägnanten und ganz neuen Stil repräsentierten, im Keller des Galerie Ateliers zu verstauen, in dem ihm die anregende Gesellschaft seiner Art-Genossen zuteil wurde.
Nun, dass dieses Bild nicht beachtet wurde, bedeutet letztlich nicht, dass in diesem Keller nichts geschah. Ganz im Gegenteil, schon in der folgenden Nacht, ging von dem Bildnis ein Leuchten aus, das mit Sicherheit gesehen worden wäre, wenn es nur beachtet worden wäre. Hätte in dieser Nacht jemand hingesehen, so wäre dem Beobachter gewiss nicht entgangen, dass sich die Tür auf der Leinwand einen Spalt öffnete und kleine neugierige Nasen in den Lagerraum gestreckt wurden. Unzählige winzige Nasen, gefolgt von unzähligen kleinen Gesichtern und Köpfen, bis hin zu unzähligen kleinen Füßchen, die aufgeregt im Keller des Galerie Ateliers umher huschten. Hätte in dieser Nacht wenigstens jemand hingehört, er hätte ein aufgeregtes Schnattern und Kichern vernommen. Als aber das Mondlicht sich durch den kleinen Lichteinlass aus dem Keller zurückzog, war alles wieder genauso wie zuvor. Augenscheinlich. So vergingen die Nächte, in denen niemand hinhörte und hinsah, in dem Keller in dem jenes Bild stand, das keine Beachtung fand, bis endlich eine Ausstellung in der Galerie, die neuen Werke der Künstlerin zeigen sollte.

Als Margot die Bilder aus dem Keller nahm, um sie an die weißen Wände der Galerie zuhängen, betrachtete sie jedes davon nachdenklich. Ein komisches Gefühl kam dabei in ihr auf. Sie erinnerte sich, besagte Werke gemalt zuhaben und konnte keine feststellbaren Veränderungen erkennen, allerdings auch nicht mit Sicherheit sagen, dass diese Bilder wirklich schon immer eine solche Faszination auf sie ausgeübt hatten. Lange und eingängig betrachtete sie jedes einzelne. Bei dem Gedanken, es könnte tatsächlich eines verkauft werden, blutete ihr das Herz und stundenlang wollte sie einfach nur in ihrer Galerie, in mitten ihrer Werke sein und das schöne und warme Gefühl erfahren, ein Teil von ihnen zu sein. Auch Marlene war ausnahmsweise tatsächlich betört von der Anmut jener Bilder.
Um der Vollständigkeit keinen Abbruch zu tun, sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Ausstellung ab dem ersten Tag ein voller Erfolg war. Über den Zeitraum von vier Wochen herrschte in der Galerie ein wahres Getümmel. Menschen über Menschen strömten zu jeder Tages und Nachtzeit herein, nur um in der Nähe dieser Bilder zu sein, die eine geradezu magische Anziehungskraft ausübten. Die Dauer der Ausstellung wurde von Woche zu Woche verlängert um der Nachfrage gerecht zu werden und als schließlich ein, von den himmelhoch jauchzenden Kritiken angelockter, holländischer Kunstsammler und Händler die Galerie betrat, waren bereits alle Bilder, den utopischen Preisen zum trotz, mit einem kleinen roten Punkt markiert, um sie als verkauft zu kennzeichnen. Auf Drängen des Händlers und vom Erfolg ganz berauscht, führten die jungen Frauen den Holländer in den Keller, in dem sich weitere Bilder befanden. Auch diese strahlten diese unbeschreibliche Wärme aus, auch diese waren von jenem besonderen Glanz umgeben. Der Holländer bot einen guten Preis für alle Bilder im Keller der Galerie, um sie Ausstellern weltweit zur Verfügung stellen zu dürfen und bald schon, wurden sie alle verpackt und verschickt, ebenso das unscheinbare und beinahe nichtssagende Bildnis einer Tür, welches nun in dem Keller einer einer holländischen Galerie eingelagert wurden, in der ein junger Nachtwächter, sich in einer Nische ein geheimes Atelier einrichtete, in dem er, um der Langeweile seiner Arbeitsstelle zu entgehen, Nacht für Nacht malte.

So Endete Margot Uncellis Karriere, noch bevor sie eigentlich begann. Verzweifelt malte sie Bild um Bild um erneut die Wärme zu spüren, um erneut den Glanz zusehen, um erneut erfolgreich zu sein. Doch Wärme und Glanz kehrten niemals zu ihr zurück und auch die begeisterten Wogen der internationalen Kunsthändler und Sammler ebbten eben so schnell ab, wie sie über sie hereingebrochen waren.


© thecutelittledead


2 Lesern gefällt dieser Text.



Diesen Text als PDF downloaden



Youtube Video



Kommentare zu "Die verzauberte Tür und wohin sie verschwand"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Die verzauberte Tür und wohin sie verschwand"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.