Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf geht, als ich ganz langsam ein Auge aufschlage, ist, dass der Himmel dem echten Leben doch sehr ähnlich ist.

Der zweite Gedanke, der mir durch den Kopf geht, wenn ich mein anderes Auge öffne, ist, dass es manchmal regnet. Und manchmal schneit es auch. Und dann gibt es noch die Tage an denen es blitzt und donnert. Und genau solche Tage durchlebe ich in letzter Zeit.

Der dritte Gedanke, der mir durch den Kopf geht, wenn ich beide Augen geöffnet habe und gähnend auf die Uhr blicke, ist, dass mir noch etwa zwei dutzend Gedanken durch den Kopf strömen.

Und der vierte Gedanke, der mir durch den Kopf geht, wenn ich mich zwinge aufzustehen, ist, dass etwa fünf weitere Gedankengänge versuchen mich wieder ins Bett zu kriegen.
Diesen Gedanken kann ich aber nicht nachgehen, weil ich sonst nie aus dem Bett kommen würde.
Ich ziehe mich um, mache mir einen Kaffee und gehe innerhalb einer halben Stunde aus dem Haus. In dieser ganzen Zeit gehen mir etwa ein zehn Gedanken durch den Kopf. Aber mittlerweile macht mir das nichts mehr aus. Zumindest rede ich mir das ein. In Wirklichkeit aber, zerreißen mich diese Gedanken in Millionen kleine Stücke und ich versuche es schön zu reden. Ich meine, was könnte ich sonst tun?
Auf dem Weg zur Bushaltestelle denke ich darüber nach, dass ich zu viel nachdenke. Und dann denke ich darüber nach, dass zu viel über das Nachdenken nachdenke.
Dann kommt auch schon der Bus. Mit eingezogenem Kopf gehe ich zu einem einzelnen Sitzplatz und versuche jeglichen Blickkontakt zu meiden. Mit jedem Schritt, den ich in Richtung des Sitzplatzes mache, fühle ich wie mein Herz schneller schlägt. Rechter Fuß, linker Fuß, dann wieder rechter Fuß! Wie einen Rhythmus wiederhole ich diese Worte in meinem Kopf bis ich ankomme.
Als ich mich setzt, blicke ich mit müden Augen aus dem Fenster. Ganz leicht kann ich mein Spiegelbild in der Scheibe erkennen. Tausende Gedanken durchfluten mich beim Anblick und ich wende meinen Kopf von der Fensterscheibe ab. Stattdessen schließe ich meine Augen und atme tief ein und wieder aus, versuche meine Gedanken zu sortieren. Oder zumindest versuche ich nicht an die vielen Gedanken, die mich plagen zu denken. Irgendwie komisch! Ich versuche nicht an das Nachdenken zu denken, obwohl diese kleine Stimme in meiner Brust mir sagt, dass ich die Gedanken zulassen soll. Diese kleine Stimme. Wohl eher eine gewaltige Stimme, die mich anschreit und mir ein Gefühl gibt, ich würde ersticken. Diese Stimme durch die meine Brust zugeschnürt scheint.
Noch kann ich diese Stimme ausblenden, aber ich fühle, dass dies nicht mehr lange funktionieren wird. Ab etwa der nächsten Haltestelle gewinnt die Stimme normalerweise und ich lasse die Gedanken zu. Noch genieße ich meine letzten relativ ruhigen Sekunden, bevor tausende von Gedanken mich überfluten.

Ich versuche mich abzulenken, aber nichts scheint zu funktionieren. Die Mauer bröckelt und ehe ich mich versehe fühle ich alles, außer Zufriedenheit. Schon wieder habe ich es nicht geschafft, meine Gedanken zu unterdrücken. Mein Herz klopf schneller und unzählige Worte sammeln sich in meinem Kopf, sodass ich am liebsten schreien würde.
Es sind so viele, dass ich nicht einmal sagen kann, wie viele Stimmen auf mich einreden. 
Ich blicke mich um aus Angst jemand könnte meine Gedanken hören oder könnte sehen, wie meine Handflächen anfangen zu schwitzen vor lauter Nervosität.

Eine ältere Dame sitzt einige Sitze zu meiner Rechten und liest ein Buch. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein Buch gelesen habe. Immer wenn ich es versuche, fangen meine Gedanken an verrückt zu spielen und ich gebe auf.
Dabei liebe ich das Lesen. Mein größter Traum war es mal selbst ein Buch zu schreiben, aber diesen habe ich schon lange aufgegeben. Ich blicke runter und merke jetzt erst, dass ich vergessen habe den Kaffee zu trinken. Das passiert mir jetzt schon zum dritten Mal diese Woche und heute ist Donnerstag. Egal, ich würde mir einen im Büro machen.
Außer die Kaffeemaschine ist kaputt, dann sollte ich mir besser einen kaufen. Aber wenn sie nicht kaputt ist, dann habe ich umsonst das Geld ausgegeben. Aber ich könnte mir auch einen Tee machen, wenn die Kaffeemaschine kaputt ist. Gleichzeitig sollte ich mich lieber sofort an die Arbeit machen und mir besser einen Tee kaufen. Oder sollte ich mir besser einen Kaffee kaufen? Während ich versuchte mich zu entscheiden, merkte ich nicht, wie ich meine Haltestelle verpasste. Super! Jetzt würde ich komplett umplanen müssen. An der nächsten Haltestelle steige ich aus und gehe den Rest zum Büro. Ich versuche meine Gedanken zu ordnen, um auf der Arbeit nicht abgelenkt zu sein.
Ich bin wütend auf mich, weil ich schon wieder zugelassen habe, dass meine Gedanken mich vom Leben ablenken. Mittlerweile sind sie so laut, dass die Stimme der Vernunft untergeht. Immer wieder versuche ich auf die Vernunft zu hören, was aber nicht leicht ist, wenn hunderte andere Gedankengänge mir etwas anderes raten. In diesen Situationen denke ich immer an einen Spruch, der mir einst viele bedeutete. „Folge deinem Herzen!“ Und dann frage ich mich immer, wie ich auf mein Herz hören sollte, wenn es unkontrolliert schlägt und in alle Richtungen zeigt?


© sweeties story


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Kommentare zu "Nachdenken"

Re: Nachdenken

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 28.01.2021 16:24 Uhr

Kommentar: Liebe sweetie,
interessant geschrieben. Aber mach dir nicht so viele Gedanken. Man sollte sich erst Gedanken machen, wenn man sich keine Gedanken mehr macht.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Nachdenken

Autor: Faith   Datum: 29.01.2021 10:37 Uhr

Kommentar: sehr interessant geschrieben, gern mehr von dir! und ich kenn das soooo gut aber ich lerne damit besser umzugehen und nicht mehr alles zu zerdenken bzw. mich nicht zu verurteilen wenn ich denke ;-)

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