Kapitel 1
Mein Vater sieht mich aus seinen mir so ändlichen eisblauen Augen an. „ Geh nur. Du hast dich so darauf gefreut und jetzt, nur weil ich krank bin, willst du nicht hingehen.“ „Na gut“, gebe ich nach und rolle mit den Augen. Er kann so stur sein. „Dann geh ich eben auf das Fest, aber ich werde nicht so lange blei-ben.“ Mein Vater lächelt mich an. „Du bist ein gutes Kind. Jetzt verschwinde.“
Natürlich freue ich mich, dass ich aufs Fest gehen kann. Ich liebe die Musik und zu tanzen bis meine Füße schmerzen. In meinem Zimmer öffne ich die Truhe mit meinen Gewändern. Ich wähle ein smaragdgrünes, das meine blonden Haa-re betont. Schnell ziehe ich mich um und verlasse das Haus. Offenbar hat mein Vater schon eine Kutsche gerufen, denn sie steht schon bereit. Ich steige ein und schon bald kommen ich an meinem Ziel an. Schon als mir die Tür geöffnet wird höre ich Stimmen, lachende Menschen und Musik. Ich trete in den Ballsaal des Schlosses und ein Diener, dessen Aufgabe es ist, die neuen Gäste anzukünden, ruft meinen Namen aus: „Geehrte Herrschaften, Lords und Ladys ich verkünde die Ankunft von Lady Nyze Oadby, Tochter von Lord Thomen Oadby!“. Ich trete vor zum König und verneige mich. Danach nehme ich platz um zu essen. Es ist vorzüglich. Kurz nachdem ich den Löffel aus der Hand gelegt habe, kommt jemand auf mich zu. Es ist Lord Winston. Er ist ein großer , dunkelhaa-riger Mann. Ich fühlte mich noch nie wohl in seiner Gegenwart. „ My Lady, darf ich euch zum Tanz auffordern?“, fragt er mich und streckt mir seine Hand entgegen. Mein Vater hat immer gesagt es wäre unhöflich einen Lord abzuwei-sen, auch wenn ich eigentlich etwas Angst vor ihm habe. Deshalb ergreife ich seine Hand, und er führt mich in die Mitte des Saales. Wir fangen an zu tanzen. Es ist mir ziemlich unwohl, denn er hält mich sehr fest um die Hüfte und ich merke wie sein Blick über meinen Ausschnitt streift. Plötzlich wandert seine Hand von meiner Hüfte aus immer weiter hinunter, und streift meinen Hintern. Ich tue so als hätte ich es nicht bemerkt und höre zu wie er von sich prahlt. Sein Gesicht kommt meinem immer näher. „Na kleine, wollen wir ein wenig Spaß haben?“, fragt er und drückt seinen Mund auf meinen. Ich beiße ihm auf die Lippen, stoße mich weg von ihm und renne aus der Tür.
Draußen bleibe ich stehen, doch er ist mir hinterhergelaufen und drückt mich gegen die Wand. „Was glaubst du eigentlich, Miststück. Denk nur nicht ich lasse mir das gefallen von einer kleinen Hure wie dir. Ich werde dich schon noch kriegen!“. Dann ist er weg. Ich sinke zu Boden. Wie meint er das: „Ich werde dich kriegen“? Die Angst überwältigt mich und ich fange an zu weinen. Eine Zeit lang bleibe ich dort sitzen. Doch plötzlich: „Entschuldigt, geht es euch gut? Was habt ihr my Lady?“ Ich schaue auf und blicke in hellbraune Augen die so viel wärme ausstrahlen, dass es mir die Sprache verschlägt. „War das mein Mas-ter?“, fragt der Mann mich. Ich bin verwirrt, wer ist das? Er seufzt. „Bitte, lasst mich euch helfen.“ Er streckt mir seine Hand hin, welche ich ergreife und er hilft mir hoch. „Danke.“ Sage ich leise. „Sir Winston ist manchmal sehr unhöf-lich und rau. Ich bin sein Knappe, ich muss es wohl wissen. Wo wohnt ihr? Ich bringe euch nach hause.“ Ich bin überrascht wie mutig der junge Mann redet, hätte sein Master dies gehört, hätte er ihn wohl einen Kopf kürzer gemacht. „Vielen Dank, aber es wird schon gehen.“ Sage ich und will mich schon abwen-den. „Ich bestehe darauf my Lady, es ist doch schon dunkel und es könnte euch noch mehr zustoßen. Kommt, mein Pferd ist dort drüben.“ Ich zögere, doch die Herzlichkeit in seinen braunen Augen überzeugt mich ihm zu vertrauen.


Kapitel 2
Wir gehen kurz die Straße entlang bis wir vor seinem Pferd anhalten. Ich bin noch nie geritten, wie soll ich nur da hoch kommen? „My Lady, darf ich?“ fragt mein Begleiter und stellt sich hinter mich. Flüchtig schaue ich ihn an und murm-le dann ein leises „Ja bitte.“ Er umfasst meine Hüfte und hebt mich hoch auf den Rücken seines Pferdes. Als ich oben bin steigt er auch auf und treibt das Pferd an. Er sitzt hinter mir, also muss er um mich herumgreifen um an die Zügel zu kommen. Erst ist mir das Reiten auf diesem großen Tier etwas unangenehm, aber er hält mich fest, so dass es mir nichts mehr ausmacht. Allmählich entspan-ne ich mich ein wenig und verdaue den vorherigen Schock. Die längste Zeit über reiten wir ohne zu sprechen. Er reißt mich aus meinen Gedanken als er plötzlich zu sprechen beginnt. „ Ich bin Aydan. Entschuldigt dass ich mich euch erst jetzt vorstelle. Darf ich my Lady nach ihrem Namen fragen?“. „ Ich heiße Nyze.“,antworte ich ihm. „Nyze“, wiederholt er leise. „ Das ist ein schöner Na-me, er passt zu euch.“ Ich muss lächeln, doch er kann es nicht sehen. „Vielen Dank Ayden.“ Kurze Zeit später sind wir beim Haus meines Vaters angelangt. Aydan steigt vom Pferd und hebt mich hinunter. Er lächelt mich an und ich ha-be das Gefühl dass er mir etwas sagen möchte. „Ich danke dir, dass du mich nach hause gebracht hast.“ Ich überlege kurz. „Du wirkst als möchtest du etwas sagen.“, hänge ich an. „ Nun my Lady, es würde sich jedoch nicht gehö-ren.“ „Bitte, sprich.“ Ermutige ich ihn. Er schaut weg und scheint abzuwägen was er tun soll, dann blicken mich die hellen Augen wieder an. „Ich habe noch nie eine so wunderschöne Frau gesehen wie euch. Ich wollte euch fragen ob ihr euch einmal mit mir treffen würdet.“ Er wartet meine Reaktion ab. Schnell fügt er noch hinzu: „Ich weiß natürlich nicht, wieso eine adelige Lady wie ihr sich mit einem Knappen treffen sollte, aber ihr wolltet ja hören, was in meinem Kopf vorgeht.“ Das hätte ich nicht erwartet. Ich blicke ihn an, aus irgend einem Grund fühle ich mich sicher in seiner Nähe. Vielleicht weil er vorhin so nett war? Auch als wir auf dem Pferd saßen und er seine Arme um mich gelegt hatte, war mir das alles andere als unangenehm. Nicht zu vergleichen mit Lord Wins-ton. „Wo möchtest du mich den treffen?“, frage ich und muss innerlich schmun-zeln als ich seinen Gesichtsausdruck sehe. Dies hätte nun er nicht erwartet. „Meinen my Lady das ernst?“. „Natürlich“ erwidere ich. „Ich möchte euch den schönsten Ort zeigen den ich kenne.“ Als er das sagt lächelt er mich an. Dieses Lächeln ist einfach umwerfend. Es strahlt Wärme und Güte aus. „Na gut, ich warte morgen auf dich.“ Ich lächele ihn auch an. Dann drehe ich mich um und gehe auf unser Haus zu. „Ach und, nenn mich doch einfach Nyze“ sage ich als ich mich noch einmal zu ihm umdrehe. „Schlaf gut Nyze.“, sagt er noch leise, als ich über die Türschwelle steige.



Kapitel 3
Es klopft an der Tür. Ob er das wohl ist? Ich habe meinem Vater von Aydan erzählt, jedoch nicht erwähnt von welchem Stand er ist. Ich gehe die Treppe hinunter, denn mein Zimmer ist im oberen Stockwerk. Bevor ich die Türe öffne zögere ich. Als es jedoch ein zweites mal klopft muss ich öffnen. Vor mir steht er und lächelt mich an. „Hallo Nyze.“ Sagt er und verbeugt sich leicht vor mir. „Aydan, hallo.“ „Wollen wir gehen?“ fragt er und streckt seine Hand nach mir aus. Als Antwort lege ich meine Hand in seine. Wie gestern Abend hebt er mich auf sein Pferd und wir reiten auf den Wald zu. „Du bringst mich in den Wald?“ frage ich. „Könnte man so sagen. Aber glaube mir, es ist etwas Besonde-res.“ Wir reiten eine Weile durch den Wald bis wir auf einer Lichtung ankom-men. Er hebt mich vom Pferd und macht sich an den Satteltaschen zu schaffen. Daraus holt er eine Decke hervor und legt sie, auf den mit Moos bewachsenen, Waldboden. „Entschuldige, dass ich nur eine alte Decke habe. Es ist deiner nicht würdig.“ Ich sehe ihm an, dass er sich schämt. Ich gehe einen Schritt auf ihn zu und lege meine Hand auf seinen Arm. „Es ist wunderschön hier.“ Er lächelt mich froh an. Ich setze mich auf die Decke und schließe für einen Augenblick meine Augen. Die hellen Strahlen der Sonne wärmen und blenden mich. Aydan hat sich neben mich gesetzt. Ich öffne meine Augen und sehe ihn an. Schon Gestern ist mir aufgefallen wie perfekt sein Gesicht eigentlich ist. Ruhig betrach-te ich ihn. Irgendwann öffnet auch er seine schönen Augen wieder und fragt mich: „Erzählst du mir etwas von dir? Irgendetwas?“ Ich überlege kurz, denn ich wüsste nicht was an mir interessant sein könnte. „ Ich singe.“ Sage ich leise. Er bleibt still, also vermute ich dass er mich gar nicht gehört hat. Doch dann : „Singst du etwas für mich?“ „Ich ....ich weiß nicht“ . Er schaut mich jetzt an. „Bitte, es würde mich sehr glücklich machen, dich singen zu hören.“ Verlegen schaue ich auf meine Hände. Was mache ich jetzt? Hätte ich doch nur gesagt: „Ich sticke gerne, oder ich nähe gerne.“ Aber diese Dinge mochte ich noch nie! Weil er mich so erwartungsvoll anschaut habe ich keine andere Wahl. Ich be-ginne zu singen. Ich merke wie sein Blick auf mir ruht. Als ich verstumme herrscht einen Moment Stille. Dann flüstert er : „ Wie ein Engel.“ Und lächelt mich an, als wäre ich der einzige Mensch auf der Welt. Wahrscheinlich werden meine Wangen gerade unglaublich rot, weshalb ich mich abwende.
Unterdessen ist es kühl geworden. Ich fröstele leicht. „Du zitterst ja, ist alles in Ordnung?“ fragt er mich besorgt. „Mir ist nur kalt.“ Sage ich. Er steht auf und geht zu seinem Pferd. Aus der Satteltasche holt er eine weitere Decke, um sie dann um mich zu legen. „Besser?“ „Ja ein wenig.“ Mir ist immer noch kalt. Er setzt sich wieder neben mich, jedoch rutscht er nahe an mich heran und wickelt die Decke um uns beide. Dann legt er einen Arm um mich. Er ist ganz warm und so, in seinem Arm fühle ich mich wohl. Langsam steigt der Mond am Himmel auf. Wir haben den ganzen Nachmittag zusammen verbracht. Als könnte er meine Gedanken lesen sagt er plötzlich: „Wir sollten zurückgehen. Dein Vater macht sich sonst sorgen.“ Ich nicke nur und wir stehen beide auf.
Vor meinem Haus angekommen stehen wir uns gegenüber. „Ich muss es dich einfach fragen. Ich brauche die Gewissheit.“ Sagt er und schaut zu Boden. Es ist komisch, wenn er dies tut, denn er ist viel grösser als ich und doch wirkt er so unglaublich klein, wenn er sich schämt. „Ich habe Gefühle für dich. Nach die-sem Tag bin ich mir sicher. Ich möchte wissen ob du sie erwiderst?“ Ich denke über den Tag nach. Ich kenne ihn seit gestern und man müsste meinen, dass man in dieser Zeit einen Menschen nicht kennenlernen kann. Trotzdem habe ich das Gefühl alles zu wissen und ihn schon ewig zu kennen. Ich fühle mich zu ihm hingezogen, das ist mir auch klar. „Das tue ich. „ sage ich, während ich ihn scheu anlächele. Darauf umarmt er mich. Er drückt mich fest an sich und murmelt etwas, was ich aber nicht verstehe. Er ist nicht darauf aus mich nur zu benutzen wie Lord Winston. Ich glaube, dass er wirklich echte Gefühle für mich hegt. Dann lösen wir uns von einander und bald verschwinde ich auch schon wieder im Haus meines Vaters.


Kapitel 4
„Nyze, bist du das?“ ruft mein Vater, als ich eintrete. Ich will gerade zurückru-fen, da steht er aber schon im Zimmer. Er lacht. „Da bist du ja wieder. Wo ist den dieser Aydan? Es wäre höflicher von ihm, sich mir vorzustellen.“ „Vater, ich muss dir etwas erzählen.“ Ich setzte mich auf einen Sessel vor dem Kamin. „ Aydan ist nicht, für wen du ihn hältst. Er hat sich dir nicht vorgestellt, weil ich das nicht wollte. Jedenfalls nicht bevor ich mir über ihn im klaren war.“ Und jetzt bist du es?“ fragt mein Vater voller Neugier. „Ja, das bin ich und ich hege Gefühle für ihn, welche er erwidert. Er ist aber kein Lord. Er ist Knappe, der Knappe von Coll Winston.“ Mein Vater schaut mir nur ruhig in die Augen. Wie wird er reagieren? Nach einem Moment der Stille antwortet er mir: „Nun, wenn er es ist, mit dem du zusammen sein willst, dann werde ich nichts sagen. Ich wäre beruhigter, wenn du einmal einen Lord heiraten würdest weil du dann sicher bist und es dir an nichts fehlen würde, aber ich möchte nur das Beste für dich. Wenn du dich zu ihm hingezogen fühlst, dann soll es so sein.“ Ich bin ver-blüfft, denn damit hätte ich nicht gerechnet. „Bist du glücklich?“ fragt er. „Ja, das bin ich.“ Ich strahle ihn an.
In den nächsten Tagen und Wochen verbringe ich so viel Zeit wie möglich mit Aydan. Er ist zu meinem Vertrauten geworden. Auch heute treffe ich ihn auf dem Markt, auch wenn das nicht geplant war. Als er mich sieht, lächelt er und drängt sich durch die Menschenmenge auf mich zu. „Nyze“. Ruft er mir zu. Als er dann vor mir steht sagt er leise: „Hallo mein Stern.“ Er streicht mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Ich verschränke eine Hand mit seiner und ziehe ihn mit mir mit. „Komm mit“ rufe ich lachend. Auf der Wiese hinter dem Haus meines Vaters steht ein großer Baum. Ich setzte mich hin, er tut es mir gleich und lehnt sich an den Stamm des alten Baumes. Ich lege meinen Kopf an seine Brust und er legt einen Arm um mich. Dann küsst er sanft meine Stirn. All das ist mir jetzt so vertraut. Es ist selbstverständlich geworden. Für einen Moment liegen wir einfach nur so da. „Aydan?“.„Hmm?“ erwidert er. Ich richte mich auf und sehe in sein schönes Gesicht. „Ich liebe dich“. Das ist das erste Mal, dass dieser Satz über meine Lippen kommt, aber es fühlt sich so richtig an. „Ich liebe dich auch“, sagt er und küsst meine Hände. „Seit dem ersten Tag.“ Er legt eine Hand an mein Gesicht und schaut mir tief in die Augen. „Und das wird für im-mer so bleiben.“ Und dann küsst er mich. Seine Lippen liegen sanft auf meinen und ich habe das Gefühl, die Zeit würde stehen bleiben. Als wir uns wieder von einander lösen, nimmt alles wieder seinen Lauf. Ich spüre den Wind auf meiner Haut und höre das Summen von kleinen Insekten auf der Wiese auf der wir sit-zen. Plötzlich durchbricht die Stimme meines Vaters die Stille. „Nyze. Nyze wo bist du?“. „Ich muss gehen.“ Sage ich sanft. Er nickt mir nur zu und legt kurz seine Stirn an meine. Ich stehe auf und gehe ins Haus.


Kapitel 5
Dort steht mein Vater. Er sieht alt und müde aus. Ich habe ihn noch nie so ge-sehen, nicht einmal, als er krank war. „Vater, du siehst nicht gut aus.“ „Es geht mir gut mein Schatz. Aber ich muss etwas mit dir bereden. Der Scheriff ist tot und sein Nachfolger wird Lord Winston sein.“ „Das weiß ich. Du hast es mir vor Kurzem erzählt.“ Sage ich verwundert darüber, dass er sich wiederholt. „Lord Winston fordert viel höhere Steuern, als der letzte Scheriff. So hoch, dass ich sie nicht bezahlen kann. Ich habe ihm gesagt, dass ich das Geld nicht aufbringen kann, aber er kennt keine Gnade. Alle Bürger, gleich ob Bauer oder Lord müs-sen die Steuern zahlen oder sie werden bestraft, hart bestraft.“ Mein Vater schaut zu Boden. „Aber das kann er nicht tun!“ sage ich empört. „Gibt es denn keinen anderen Weg?“ „Doch es gibt einen. Er hat um deine Hand angehalten. Wenn er dich zur Frau haben kann lässt er von der Strafe ab.“ Sein Blick ver-bleibt auf den Boden gerichtet. Ich merke, dass er mir nicht in die Augen sehen kann. „Nein, nein bitte. Es kann nicht die einzige Möglichkeit sein.“ Meine Stimme bricht ab. Ich bin verzweifelt. „Es ist die einzige Möglichkeit. Du musst ihn heiraten.“ „Ich liebe Aydan. Du hast gesagt denjenigen, der mich glücklich macht, soll ich einmal heiraten. Und das ist Aydan. Er macht mich glück-lich.“ Tränen sammeln sich in meinen Augen. „Ich weiß.“ Sagt er bedrückt. „Aber es muss sein. Sonst sterben wir. Wir beide.“ Ich kann nicht mehr, inner-lich bricht gerade alles in sich zusammen. Ich renne die Treppe hoch und lasse mich auf mein Bett fallen. Meine Welt zersplittert gerade wie Glas. Ich schluch-ze in mein Kissen. Es darf nicht wahr sein. Bitte, es darf nicht wahr sein!
Wenige Tage später soll die Hochzeit statt finden. Ich habe Aydan nicht mehr gesehen seit dem Abend an dem ich erfahren habe, dass ich Lady Winston wer-den soll. Ich stehe wie erstarrt vor dem Spiegel in meinem Zimmer. Ich trage mein Hochzeitskleid, an welchem eine Schneiderin mit Stecknadeln hantiert. Als sie fertig ist, weißt sie mich an es auszuziehen. Sie nimmt es und verlässt mein Zimmer. Ich setze mich aufs Bett. Plötzlich klopft es an meiner Tür. „Ja. Wer ist da?“ Meine Stimme ist leise und klingt dumpf. Die Tür fliegt auf und Aydan steht vor mir. Sein Gesicht ist angespannt und sein Körper bebt. „Wie konntest du nur!“ Er schreit mich beinahe an, so laut klingt seine Stimme durch das Zimmer. Ich erschrecke und zucke zusammen. „Erst sagst du mir, dass du mich liebst und dann heiratest du meinen Master? Ich bin dir wohl nicht gut genug! Wieso sollte sich eine Lady auch mit mir abgeben! Ich war so dumm.“ „Aydan so ist es nicht, bitte... “ Aber er lässt mich nicht ausreden. „Wieso hast du mit mir gespielt? Wieso hast du das getan?“ „Bitte lass es mich erklären. Ich liebe dich wirklich.“ Sein Blick ist so verächtlich, dass es mir das Herz zerreißt. Er glaubt mir nicht. Er ist so verwirrt von seinen Gefühlen, dass er mir nicht glau-ben kann. Mir laufen die Tränen über die Wangen. „Ich will nie mehr wieder mit dir sprechen.“ Er geht zur Tür, bleibt kurz stehen und dreht sich noch ein-mal um. „Ich habe dich geliebt.“
Kapitel 6
Der Tag meiner Vermählung ist gekommen. Ich stehe in meinem Hochzeits-kleid vor dem Kamin. Meine Augen sind noch geschwollen und gerötet. Als Ay-dan am vorherigen Tag ging, konnte ich nicht mehr aufhören zu weinen. Ich habe ihn verloren so wie er mich verloren hat. „Nyze, die Kutsche wartet.“ Mein Vater tritt hinter mich, ich drehe mich zu ihm um und sage: „Ich weiß, dass du das nicht wolltest. Ich vergebe dir.“ Ich sehe wie die Erleichterung über meines Vaters Gesicht kommt und die Falten auf seiner Stirn glättet. „Ich danke dir. Ich liebe dich meine Tochter und ich wollte immer nur, dass du glücklich wirst. Es tut mir so leid, dass es so gekommen ist.“ Er nimmt mich in seine Arme und drückt mich, zum wahrscheinlich letzten mal, fest an sich.
Als ich die Kirche betrete, erklingt Musik. Mein Vater führt mich den Gang zum Altar hinunter. Würde er nicht meinen Arm festhalten würde ich in mir zusammen brechen, das weiß ich genau. Ich habe solche Angst. Ich verabscheue meinen Zukünftigen. Mein Vater übergibt meine Hand Lord Winston und die Zeremonie beginnt. Ich stehe einfach nur da und bekomme beinahe nichts mit. Doch ich höre die dumpfe Stimme des Geistlichen von weit her: „Wollt Ihr, Lady Nyze Oadby den hier anwesenden Lord Coll Winston zu eurem Ehemann nehmen, ihn ehren und ihm gehorchen, bis das der Tod euch scheidet?“ Ich antworte mit einem kaum zu hörenden „Ja“. „Und wollt ihr, Lord Coll Winston die hier anwesende Lady Nyze Oadby zu eurer Ehefrau nehmen, sie beschützen und für sie sorgen, bis dass der Tod euch scheidet? „Ja“ Antwortet er mit fester Stimme. „Ihr dürft die Braut nun küssen“. Coll legt seine Hände an mein Ge-sicht und drückt seine Lippen auf meine. Ich habe gar nicht die Möglichkeit auszuweichen. Sein Kuss ist drängend und fordernd. Er löst sich von mir und lächelt mich selbstgefällig und triumphierend an.
Nach der Zeremonie wird wie üblich ein Festessen zur Vermählung abgehalten. Ich sitze neben meinem Gemahl und starre auf meinen Teller. Ich kann gerade nicht einmal daran denken etwas zu essen. Coll beugt sich leicht zu mir hinunter und sagt: „Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich kriegen werde. Und nur das du es weißt. Hättest du dich mir freiwillig hingegeben, hätte das alles viel einfa-cher für dich werden können. Ich freue mich schon auf unsere Hochzeits-nacht.“ Ich erstarre bei seinen Worten. Mein Körper gefriert. Ich fühle mich, als müsste ich mich jeden Moment übergeben. Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, erkenne ich plötzlich Aydan, der in der anderen Ecke des Saales steht. Sein Blick ist voller Hass und Verachtung und er schneidet sich mitten in mein Herz, wieder und wieder. Flehend schaue ich ihn an, aber er zeigt kein Anzeichen von Milde oder Zuneigung. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist. Aber als Coll sich erhebt und das Ende des Festmahles verkündet, bestätigt sich meine Vermutung. Langsam verlassen die Gäste den Saal. „Komm, steh auf.“ Das war wohl an mich gerichtet, denn Coll sieht mich erwartungsvoll an. Ich tue was er sagt und lege meine Hand um seinen Arm, so wie es sich gehört. Ich würde am liebsten weg rennen, weit weit weg.
In Colls Gemächern bleibe ich in der Mitte des Raumes stehen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Coll stellt sich vor mich. „Na dann wollen wir mal.“ Sein lächeln bringt mich fast zum weinen denn ich weiss genau, dass ich nichts gegen ihn ausrichten kann. Ich kann ihm ansehen, dass er das sichtlich geniesst. Er fängt an mich zu umkreisen wie ein Raubtier seine Beute. Dann bleib er hinter mir stehen und riecht an meinen Haaren. Seine Hände wandern grob über mei-nen Körper und reißen mein Kleid auf. Ich stehe völlig entblößt da. „Leg dich aufs Bett.“ Befiehlt er. Ich gehorche, denn ich habe zu große Angst, um mich zu wehren. Auch er hat sich ausgezogen und kommt auf mich zu. Alles was jetzt passiert ist schmerzhaft. „Bitte, bitte.“ Wimmere ich, aber er hört nicht auf. Ich probiere mich zu wehren, weine und schreie aber er hält mir nur mit einer Hand den Mund zu. „Sei schon ruhig. Das hast du dir alles nur selber zuzu-schreiben.“ Als er die Hand wieder weg nimmt, kann ich einfach nicht aufhören zu schreien. Es tut so weh, ich kann es nicht. „Na los, tu wenigstens so als würde es dir gefallen!“ Sagt er wütend und schlägt mich mit der flachen Hand ins Ge-sicht. Als er fertig ist, lässt er sich neben mir ins Bett fallen. Ich fühle mich dre-ckig und bete darum, kein Kind von ihm empfangen zu müssen. Später höre ich seinen gleichmäßigen Atem, welcher mir verrät, dass er eingeschlafen ist. Aber ich kann nicht schlafen. Meine Gedanken lassen mich nicht in Ruhe und ich habe das Gefühl, dass ich es nie wieder kann.


Kapitel 7
Ich versuche durchzuhalten, versuche stark zu bleiben, aber meine Welt zerfällt immer mehr in ihre Einzelteile. Ich bin für Coll nur ein Objekt, das dazu da ist, seine Befehle zu befolgen und sein Verlangen zu befriedigen. Ich wehre mich nicht mehr dagegen, so schlägt er mich weniger häufig. Aber das Gefühl danach, bleibt das gleiche. Auch wenn es Aydan nicht mehr interessiert, ich fühle mich jedes mal so als hätte ich ihn betrogen. Ich spiele mit dem Gedanken einfach weg zu rennen. Vor all dem hier zu fliehen. Aber ich kann nicht, mein Vater würde seinen Kopf verlieren dafür.
Eines Nachts, Coll hat sich schon an mir vergriffen und ist danach eingeschlafen, stehe ich so leise wie möglich auf. Ich sammele meine Kleidung vom Boden auf und ziehe mich an. Dann schleiche ich zur Tür. Doch als ich sie öffnen will, packt er mich an den Haaren und zerrt mich zurück. „Du hast wohl gedacht, du könntest einfach so gehen, hm?“ Er schlägt mir ins Gesicht. „Bis jetzt war ich noch gütig zu dir, aber von jetzt an wird dein Leben die Hölle sein Kleine. Dafür sorge ich.“ Er tritt mich hart in den Bauch und schleift mich an den Haaren zurück ins Bett. Von dieser Nacht an, legt er immer eine Hand um meinen Hals wenn er schlafen geht und wenn ich mich zu fest bewege, drückt er zusammen, damit ich keine Luft mehr bekomme.
Manchmal, wenn ich mich im Spiegel betrachte erschrecke ich. Ich sehe nicht mehr aus wie früher. Ich bin dünn geworden, knochig und zerbrechlich wirke ich, wenn ich mich so ansehe. Meine Haut verfärbt sich an vielen Stellen blau, violett oder gelb. An meinem Hals ist sie so dunkel, dass ich das Gefühl habe sie würde nie wieder heller werden. Auch die Rötungen an meinen Augen scheinen für immer zu bleiben. Wenn ich mir selbst in die Augen schaue, sehe ich nichts. Dort ist nur Leere, das glänzen ist weg. Er hat mich nicht angelogen. Mein Leben ist die Hölle, lieber würde ich sterben. Wenn er mich nicht gerade vergewaltigt oder schlägt ist er nicht zuhause, das ist die einzige Zeit des Tages, in der ich sicher bin. Ich habe aufgehört zu hoffen.


Kapitel 8
Endlich ist er weg. Bis er am Abend wieder zurück kommt bin ich sicher. Ich atme ruhig und tief durch um mich zu beruhigen. Ich erschrecke als die Tür sich langsam öffnet und will mich schon unter der Decke verkriechen. Als ich aber aufblicke steht dort in der Tür nicht Coll, sondern Aydan. Ich habe ihn nicht gesehen seit des Festmahls, denn Coll sperrt mich immer in diesem Zimmer ein. Aydans Augen sind auf mich gerichtet. Seine schönen, goldenen Augen, die mir so gütige und liebevolle Blicke geschenkt haben. Sein Gesicht wirkt traurig, ich weis nicht warum und ich weiss auch nicht wieso er hier ist, aber ich bin einfach nur froh, dass nicht Coll in der Tür steht. „Nyze?“ Er kommt einige Schritte auf mich zu. „Aydan, was machst du hier?“ „Nyze, ich war so dumm.“ Er fällt vor dem Bett auf die Knie. „Ich habe dir nicht geglaubt. Es tut mir so leid, ich..“ Seine Stimme bricht ab. Ich kann nicht glauben, was er mir zu sagen ver-sucht. „Ich habe gedacht du heiratest ihn weil er reich und mächtig ist, aber ich weiß jetzt wieso du das getan hast. Dein Vater hat mich gesucht und mir erzählt was passiert ist. Es tut mir so leid, ich weiß nicht was ich sagen soll aber bitte, du musst wissen, auch wenn ich dir gesagt habe, dass ich dich nie wieder sehen will, dass ich dich liebe. Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt und ich bitte dich innständig mir zu vergeben. Bitte, vergib mir.“ Er schaut mich so ehrlich und flehend an, dass es mir fast die Sprache verschlägt. Er hat nicht damit aufgehört. Er hat nie aufgehört mich zu lieben. „Aydan, natürlich vergebe ich dir. Ich habe auch nie aufgehört dich zu lieben.“ Meine Stimme zittert. Er nimmt meine Hände und küsst sie sanft. „Bitte, hilf mir Aydan, ich kann nicht mehr. Du musst es zu Ende bringen, glaube mir es wäre besser so. Ich habe gehört es geht schnell wenn man die Pulsader aufschneidet.“ Bei meinen Worten werden seine Augen groß und für einen Moment ist er so schockiert von meiner Bitte, dass er mich nur stumm anstarrt. „Liebste es gibt einen anderen Ausweg. Wir verlassen das Land und bitten einen anderen König um Asyl. Komm mit mir.“ „Aydan, das ist Ehebruch. Egal wohin wir gehen, ich werde dafür sterben. Es ist besser wenn du mich gehen lässt.“ Ich sehe nur Schmerz in seinen Augen. Er erträgt den Gedanken nicht mich zu töten, ich kann es sehen. „Bitte, lass es mich versuchen und wenn uns kein Asyl gewährt wird, dann werde ich deine Bitte erfüllen. Aber so kann ich es nicht tun, nicht wenn es noch Hoffnung für uns gibt.“ Ich erhebe mich vom Bett und lege meine Arme um seinen Nacken. Er drückt mich so fest an sich, als könnte ich jeden Moment auseinanderbrechen. „Na gut, dann soll es so sein.“ Flüstere ich. Er küsst mich und auch noch nach so langer Zeit bleibt für mich noch die Zeit stehen, als seine Lippen auf meine treffen. Er bedeutet mir alles. „Ich muss jetzt gehen.“ Murmelt er leise und löst sich von mir. „Nein, lass mich jetzt nicht alleine. Geh nicht weg, wen er wieder kommt dann....“ Meine Tränen laufen wie kleine Bäche über mein Gesicht. Er wischt sie sanft weg und ich kann spüren, dass er wütend ist. „Es zerreißt mir das Herz weißt du. Ich würde ihn am liebsten umbringen. Aber ich muss für uns kämpfen, ich habe keine andere Wahl.“ Er schaut mir in die Augen. „Ich komme dich holen, wenn es soweit ist. Ich verspreche es. Ich werde kommen.“



Kapitel 9
Tage vergehen und Aydan ist wieder wie vom Erdboden verschwunden. All-mählich frage ich mich ob ich nur geträumt habe, dass er da war. Ich sitze in meinen Gedanken verloren auf der Fensterbank. Ich kann von hier aus in der Ferne den Wald sehen. Dieses Zimmer ist mein Gefängnis, aber dieser kleine Platz ist erträglich. Die Türe schwingt auf und ich kann schon spüren, bevor Coll im Zimmer steht, dass er unglaublich wütend ist. Er wirft Stühle umher und tritt gegen den Wandschrank. Ich traue mich nicht, mich nach ihm umzusehen, da ich das Gefühl habe, dass es mir sonst gleich ergeht wie den Möbelstücken. „Du!“ Er kommt auf mich zu und ich zucke merklich zusammen. Weiß er, dass Aydan hier war? Die Angst drückt mir die Kehle zu. „Komm her.“ Unsicher gehe ich ein paar Schritte auf ihn zu. Er sagt nichts weiter, tut nur was er immer mit mir macht. Immerhin weiß er nichts von Aydan und mir. Ich weiß genau, wenn wir kein Asyl bekommen, halte ich das nicht mehr aus. Und wenn Aydan mich nicht gehen lässt, dann werde ich es selber tun.
Coll wir heute Abend erst sehr spät zurück sein. Das ist er immer, wenn er patrouilliert. Ich sitze an meinem gewohnten Platz vor dem Fenster, als jemand vorsichtig die Tür öffnet. „Aydan.“ Da steht er auch schon vor mir und schließt mich in seine Arme. „Mein Stern, verzeih, dass ich so lange gebraucht habe. Ich musste eine Pferd auftreiben.“ Es ist also soweit. Ich kann es kaum glauben. „Komm. Wir sollten keine Zeit verlieren. Lord Winston wird uns verfolgen.“ Ich nicke, zu mehr bin ich gerade nicht im Stande. Ich verlasse das Zimmer das ers-te Mal seit langem. Es fühlt sich gut an. Ich will nie wieder zurückkehren müssen. Draußen ist Aydans Pferd festgebunden. Er hebt mich auf den Rücken des Pferdes und steigt hinter mir auf. Er legt die Arme um mich, wie in der Nacht, als ich ihn kennen lernen durfte. Niemand hat uns bemerkt, denn es ist schon dunkel geworden. Aydan treibt das Pferd an und wir reiten weg von hier. Weit weg in die Nacht.
Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn als ich wieder aufwache ist helllichter Tag. „Aydan?“ ich spüre ihn hinter mir. „Du bist wach, habe ich dich ge-weckt?“ fragt er. „Nein, hast du nicht. Bist du nicht müde? Vielleicht sollten wir Rast machen, dann kannst du dich ausruhen.“ Wenn er wirklich schon seit Stunden reitet mache ich mir Sorgen um seinen Zustand.“ Es ist sicherer für dich, wenn wir noch bis zur Dämmerung weiter reiten. Geht es dir gut?“ „Ja.“ Er küsst mein Haar.
So wie er gesagt hat, reiten wir, bis es anfängt dunkel zu werden. Wir rasten ver-steckt hinter großen Bäumen und dichten Sträuchern. Es ist unmöglich uns zu sehen, wenn man den Waldweg entlang geht. Nachdem wir etwas gegessen ha-ben legen wir uns hin, auf den weichen Waldboden. Er hat mich in seine Arme geschlossen. „Ich liebe dich so sehr mein Stern.“ Sagt er leise und zieht mich noch näher. Ich kann meine Gefühle kaum einordnen. Ich habe Angst, dass Coll uns findet oder wir kein Asyl gewährt bekommen, gleichzeitig bin ich so glück-lich wie lange nicht mehr. Ich fühle mich so sicher in seinen Armen. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und küsse ihn lange. Er grinst mich an und sagt dann : „Wir sollten etwas schlafen.“ „Ja, entschuldige.“ Sein Grinsen wird nur noch breiter und er küsst mich noch einmal sanft. „Schlaf gut mein Stern.“ murmelt er noch bevor ich einschlafe.


Kapitel 10
Noch zwei Tage reiten wir, bevor wir im Königreich von König Alexander Leeds ankommen. Von weitem kann ich schon den Bergfried sehen. Als wir vor der Burg stehen schlägt mein Herz so fest, als wollte es aus meinen Brust heraus-springen. Wir reiten vor die Tore der Hauptburg. Dort steigen wir von unserem Pferd. Es sieht so aus, als würde der König gerade Hof halten, denn viele Bürger strömen durch die Tore. Wir lassen uns nichts anmerken und treiben in der Menge mit. Wir müssen lange warten, denn es hat sich eine Schlange vor dem Thronsaal gebildet. Aydan nimmt meine Hand und drückt sie leicht, so als woll-te er mir zeigen, dass er noch da ist. Als wir dann plötzlich an erster Stelle der Schlange stehen, will ich nicht hineingehen. Ich fürchte mich vor dem Urteil. Er scheint dies bemerk zu haben, denn er schaut mir in die Augen und sagt : „Wir schaffen das. Hab keine Angst und denk immer daran, egal was passiert, ich lie-be dich auf ewig.“ Ich muss lächeln bei seinen Worten. Er schaffte es immer mir ein lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Dann treten wir ein.
Der Thronsaal ist unglaublich schön und groß. So etwas habe ich noch nie gese-hen. Ich bin überwältigt von diesem Raum und bemerke erst auf den zweiten Blick das Königspaar, wie sie am Ende des Saales sitzen und uns begutachten. Der König ist ein Mann mit aschblondem Haar und blauen Augen, sie sind je-doch dunkler als meine. Die Königin ist, was man unter wahrer Schönheit ver-steht. Ihr Gesicht ist perfekt. Sie hat hohe Wangenknochen, volle, geschwungene Lippen und braune, mandelförmige Augen. Die langen, dunklen Haare fallen ihr über die Schultern bis zur Taille. Die Ausstrahlung der beiden versetzt mich in Ehrfurcht. „Majestät darf ich sprechen.“ Beginnt Aydan höflich. „Trage dein Anliegen vor.“ Erwidert der König. Aydan tritt ein paar Schritte vor. Er hat meine Hand losgelassen und ich bleibe dicht hinter ihm stehen. „Majestät, mein Name ist Aydan. Ich hoffe, dass ihr meine Bitte vollständig anhört, bevor ihr urteilt.“ Der König nickt nur zustimmend. „Nun, wir sind weit gereist, um vor euch sprechen zu können. Meine Begleitung ist Nyze, die Tochter eines Lords namens Thomen Oadby. Wir lieben einander, jedoch musste Nyze einen Mann namens Coll Winston heiraten, um ihren Vater zu schützen.“ Er blickt mich kurz an, so als wäre er nervös etwas falsches zu sagen. „Majestät, bitte glaubt mir, dass ich damit leben kann, nicht mit meiner großen Liebe zusammen sein zu können, es ist jedoch so, das Lord Winston nicht gut ist zu ihr.Sie wird zu Din-gen gezwungen, die sie nicht will und er schlägt sie.Majestät, ich ertrage es nicht sie leiden zu sehen, deshalb bitte ich euch darum uns Asyl zu gewähren.“ Erwar-tungsvoll schaut Aydan zum Königspaar. „Das wäre Ehebruch, ich hoffe das ist euch bewusst, denn darauf steht der Tod.“ „Majestät, dies ist mir bewusst, je-doch würden wir beide lieber sterben, als dass Nyze zu ihrem Ehemann zurück geschickt wird.“ Kurz herrscht Stille im Saal, dann beginnt die Königin zu spre-chen : „Alex, Ehebruch mag gegen das Gesetz sein, aber ist es Gewalt denn nicht? Das Mädchen wird zu unrecht so behandelt. Mit dem Eheversprechen schwört ein Mann seine Frau zu beschützen.“ Sie sieht dem König in die Augen. Ich bemerke wie die ernsten Züge von seinem Gesicht verschwinden. „Was wenn ihr nicht die Wahrheit sprecht? Ich möchte, dass das Mädchen auch be-zeugt was geschehen ist.“ Vorhin hat mein Herz so fest geschlagen, doch jetzt fühlt es sich so an als hätte es aufgehört. „Ich schwöre, die Wahrheit zu spre-chen.“ Versichert Aydan dem König. Er dreht sich zu mir um und bedeutet mir, dass ich vortreten soll. Ich tue es. Jetzt stehe ich ganz alleine vor den Leuten, welche mein Schicksal besiegeln werden. „Bist du Nyze und ist dir widerfahren, wovon uns Aydan berichtet hat?“ Er scheint bemerkt zu haben, dass ich Angst habe. „Bitte erzähl uns die Wahrheit. Du musst keine Angst haben, du bist in Sicherheit.“ Seine Gesichtszüge sind immer noch weich, jedoch bilden sich wie-der leichte Falten auf der Stirn des Königs „Ja, mein Name ist Nyze und ich bin verheiratet mit Coll Winston. Was euch Aydan erzählt ist die Wahrheit.“ „Kannst du dies beweisen?“ fragt er mich und eine seiner Augenbrauen hebt sich leicht an. Da meldet sich Aydan wieder zu Wort : „Sie ist übersäht von blauen Flecken, dort wo er sie geschlagen hat.“ Er weiß es. Ich habe nicht gewusst, dass er sie gesehen hat. „Stimmt das?“ „Ja, das stimmt.“ Ich merke, wie des Königs Blick über meinen Körper streift. „Ich kann nichts sehen.“ „Majestät, man kann es nicht sehen, wenn ich Kleidung trage.“ Sage ich kaum hörbar und mir schießt die Röte ins Gesicht. Die Königin erhebt sich. „Ich werde nach sehen. Folge mir.“ Sie steigt hinunter zu mir und geht anmutig an mir vorbei auf eine Tür zu. Ich folge ihr in einen kleinen, beinahe leeren Raum.



Kapitel 11
„Du musst keine Angst haben Kleine.“ Sie setzt sich vor mich auf einen Sessel. „Zieh dich aus. Du musst es nicht ganz tun, aber so, dass ich die Flecken sehen kann.“ Weist sie mich mit sanfter Stimme an. Ich habe keine Angst und empfin-de auch keine Scham vor ihr. Ich ziehe mich aus, bis ich nur noch in einem leicht durchsichtigen Unterhemd dastehe. Man kann die Blutergüsse deutlich sehen. „Mein Gott....“ flüstert die Königin erschrocken. Sie erhebt sich wieder und steht jetzt dicht vor mir. Sie berührt einen der Flecken, von der Grösse eines Apfels, an meinem Oberarm, welcher vorhin durch die Ärmel meines Gewandes verdeckt war. „Das hätte ich sein können.“ Die Königin lässt meinen Arm wie-der los und sinkt auf den Sessel zurück. Was ist denn los mit ihr? Hat sie der An-blick so sehr geschockt? „Majestät, was ist mit euch?“ frage ich nach. „Du führst mir vor Augen was mit mir hätte passieren können.“ Ich verstehe nicht was sie meint. „Entschuldigt aber was möchtet ihr damit sagen, ich verstehe nicht.“ „Vor ein paar Jahren war ich ein Mädchen genau wie du. Ich wollte nicht heiraten, doch mein Vater zwang mich dazu. So habe ich Alexander ge-troffen, welchen ich dann heiratete. Anfangs hatte ich schreckliche Angst vor ihm. Ich hatte Angst, dass er mir etwas antun würde oder dass er mich zu etwas zwingen würde, so wie es dir widerfahren ist. Ich gehörte ja schlussendlich ihm“. Ihr Gesicht, welches bei meinem Anblick ganz düster geworden war, hellte sich jetzt wieder auf. „Aber er tat nichts von alldem. Er brachte mich dazu ihn zu lieben, was ich jetzt von ganzem Herzen tue und ich weiss jetzt, dass ich nicht ihm gehöre. Ich gehöre zu ihm und er zu mir.“ Sie macht eine kleine Pause, be-vor sie weiter redet. „ Aber wenn ich dich so ansehe, dann sehe ich was mir hätte passieren können, wäre Alexander nicht so gut zu mir gewesen. Du kannst mir vertrauen, ich werde nicht zulassen, dass du zurück musst. Niemand hat solch ein Leben verdient.“



Kapitel 12
Zurück im Thronsaal, stehe ich neben Aydan, während die Königin und der König sich unterhalten. Unsere Hände sind ineinander verschlungen. Aydans Daumen streichelt sanft über meinen Handrücken Was wird der König für ein Urteil fällen? Sein Wort zählt. „Aydan und Nyze.“ Das Königspaar hat sich zu uns Umgewandt. „Ich habe mich dazu entschieden, euch beiden Asyl hier auf meinem Schloss und in meinem Land zu gewähren. Ich werde über den Ehe-bruch hinweg sehen und euch als neue Bürger meines Landes allen früheren Lasten und Versprechen entledigen. Das bedeutet auch, dass du Nyze jetzt frei bist und du dich als alleine stehende Frau hier aufbauen kannst, wenn du das willst. Ausserdem würde ich euch beiden gerne Stellen im Schloss anbieten, so-fern ihr diese annehmen möchtet.“ Ich kann es kaum glauben was ich da höre. Ich bin frei? Endlich frei und dazu auch noch eine Stelle am königlichen Hofe? Ich kann mein Glück noch gar nicht begreifen. Aydan jedoch, sehe ich die Er-leichterung sofort an. Ich kann endlich wieder sein wunderschönes Lachen se-hen. Sein Körper hat sich entspannt und seine Augen sprühen vor Freude. Er hebt mich hoch und wirbelt mich im Kreis. „Wir haben es geschafft!“ sagt er immer und immer wieder. „Wir sind frei!“ Und dann küsst er mich und ich ver-gesse die Vergangenheit, den Thronsaal, das Königspaar. Sogar die schweren Türen, die auffliegen höre ich nur aus weiter Ferne.
Ich werde zur Seite gerissen, so dass ich zu Boden falle. „Du kleine Hure!“ Über mir steht Coll, sein Blick rasend vor Wut. Er tritt mich in den Bauch und ich keuche auf. Als er gerade noch einmal zutreten will schlägt ihm Aydan mit der Faust ins Gesicht. „Wachen, ergreift diesen Mann!“, befiehlt der König den Männer in Rüstung, welche vorhin an der Türe gestanden haben. Sie greifen Coll an den Oberarmen und hallten ihn mit eisernem Griff fest. Er wehrt sich und brüllt wütend. „Wer seid ihr?“ fragt Alexander. „Ich bin Lord Coll Winston und das dort ist meine Frau.“ Er starrt mich an. „Ich habe von euch und euren Taten gehört Lord Winston. Diese junge Frau kam in Not zu mir und ist jetzt eine freie Bürgerin meines Landes. Sie ist nicht mehr eure Ehefrau.“ Alexander tritt vor Coll, welcher vielleicht grösser ist als der König aber wie ein tobendes Kind wirkt. Es ist mir schon vorhin aufgefallen, wie respekteinflössend der Kö-nig doch ist. „Sie gehört mir! Ich kann mit ihr machen was ich will!“, schnaubt Coll. Der König lässt sich nicht beeindrucken. Ich sehe Coll an, dass ihn das nur noch viel wütender macht. „Bringt diesen Mann weg und wenn er es in Zukunft wagt mein Königreich zu betreten, dann werft ihn unverzüglich in den Ker-ker.“ Coll wird von den Wachen weggeschleift. Er versucht immer noch sich los zu reissen, hat aber gegen die zwei Wachmänner keine Chance.
Die massive Holztür fällt ins Schloss und in genau diesem Moment weiss ich, dass meine Vergangenheit Geschichte ist.


Epilog
„Wo bist du mein Stern?“ das muss wohl Aydan sein. Ich wundere mich, dass er schon zurück ist, aber da steht er auch schon in der Tür. „Hallo.“ Ich lächele ihn an. „Wieso bist du denn schon...“ will ich ihn fragen aber da küsst er mich, be-vor ich den Satz zu Ende sprechen kann. „Ich konnte früher gehen, man hat mich nach hause geschickt, weil ich Gestern so lange im Schloss gearbeitet ha-be.“ Er strahlt mich an. „Wir sind heute Abend zu einem Fest eingeladen. Ist das nicht toll?“ sagt er fröhlich. Da ich früher einmal aus adeligem Hause stammte lädt man uns immer ein, wenn ein Fest oder endliches abgehalten wird und wir freuen uns immer sehr darüber. „ Ich geh mich schnell umziehen.“ Er küsst mein Haar bevor er auch schon wieder zur Tür hinaus ist. Wenn er glücklich ist, ist er immer in Bewegung, seine Welt steht niemals still. Auf der Treppe hält er noch einmal inne und ruft mir zu: „Kochst du etwas zu essen?“ Ich muss grinsen, er hat immer Hunger. „Ja, du bekommst gleich etwas.“
Unser Haus ist recht klein. Man hatte uns angeboten im Schloss zu wohnen, aber Aydan und ich wollten für uns bleiben. Nach meiner Rettung, wie ich es gerne nenne, hat mir Aydan einen Heiratsantrag gemacht und kurz darauf wur-de ich seine Frau. Es war kein grosses Fest aber es war bestimmt das schönste meines Lebens. Ich kann mich an sein strahlendes Gesicht erinnern als wir vor dem Altar standen, wie er mir den Ring ansteckte, an seinen Kuss.
Heute bin ich glücklich. Auch wenn ich noch die Male einer vergangenen Zeit an meinem Körper trage. Doch vergesse ich sie jeden Tag ein bisschen mehr. Denn sein Licht lässt meine Narben verblassen.

Aydan, meine Sonne.


© faella


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Beschreibung des Autors zu "Diminuere-Zersplittert"

Eine mittelalterliche Liebesgeschichte
(Historisch nicht korrekt ;D)

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