Es gibt da ein Gefühl – ich möchte es „ein wenig schal“ nennen –, das mich manchmal ereilt, um mir etwas mitzuteilen? Es tritt, wenn überhaupt, dann quasi zwischen den Augenblicken auf.
Es ist kaum wahrnehmbar und kann (möchte) schnell übersehen werden.

In seinem Grundton ist es ein wenig beunruhigend, da es sich, vergleichsweise, wie ein flauer Magen auswirkt. Doch bei genauem Hinsehen ist es nicht wirklich vorhanden. Sollte es existieren, dann eventuell nur absolut virtuell. Und sobald ich etwas denke, ist es verschwunden.

In unseren 3 Dimensionen kommt es also nicht vor. In der 4. (der Zeit) sollte es nicht begleitend und schon gar nicht bestimmend sein, denn seine Form ist zeitlos und somit wahr.

Anders ausgedrückt: es belügt mich nicht, was die Bedeutung meiner Existenz betrifft. Der misst sie nicht viel bei. Andererseits stellt sie meinen Arbeitsaufwand aber auch nicht infrage – was heißen will: tu, was du willst, es wird umsonst für dich, doch nicht grundsätzlich für die Katz‘ sein. Was soll das heißen?!

Angenommen, ein x-beliebiger, rücksichtslos dekadenter Banker oder talentfreier Erb-Milliardär wäre in der Lage dieses „Gefühl“ zu empfinden – was würde es ihm sagen? „Du tust nichts umsonst für dich, deine Lebensleistung ist jedoch völlig belanglos“? Vermutlich!

Obwohl das „Gefühl“ jenseits aller Bemühungen liegt, hat es nichts mit Faulheit zu tun. Faulheit kann zelebriert werden! Wir müssen sie daher in die Kategorie „Genüsse“ einordnen. Das Gefühl ist aber kein Genuss. Es ist eher eine Art Mahnung.

Lange habe ich versucht, richtig mit diesem Gefühl umzugehen. Ignorieren ging noch am besten. Ich nehme an, daß dies auch die gebräuchlichste Methode, unter all jenen ist, die es schon einmal wahrgenommen haben.

Nachdem es jedoch, sporadisch, immer wieder kam, versuchte ich es als „Gewissen“ zu interpretieren. Nach ganz genauem Hinhören stellte ich aber, zu meiner Überraschung, fest, daß es mir gar nichts sagen will. So bin ich wieder davon abgekommen.

Als ich es das allererste Mal registrierte, war es mir ein Leichtes, es zu verdrängen. Da es auch kein Gedanke ist, brauchte ich ja nur einem Plan zu folgen, einen Wunsch zu haben, ein Denkmodell zu entwerfen, oder etwas Bestimmtes anzustreben. Sogleich war es verschwunden.

Nachdem ich bis dato noch nie von jemandem gehört habe, der es ebenfalls kennt, frage ich mich immer wieder, warum dieses „Gefühl“ ausgerechnet vorzugsweise mich befällt. In diesen Zweifelsfällen trete ich dann vor meinen inneren Spiegel und meditiere. Das Ergebnis ist gleich Null! Außer einer leisen Ahnung entdecke ich nichts.

Die leise Ahnung weist mich höchstens darauf hin, daß meine Kauwerkzeuge viel zu klein geraten sein könnten, um für ein Raubtier-Dasein zu taugen (dies ist sogar für mich metaphorisch zu verstehen). Vielleicht stehe ich deshalb auf zu schwachen Beinen und vor allem nicht unbedingt mitten im Leben.

Komischerweise ist dieses „Gefühl“ das einzige, dem ich mich nicht beugen muss. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, so möchte ich behaupten, entsteht es nirgendwo in meiner körpereigenen Chemie. Im Gegenteil, ich vermute ganz stark, daß es zu nichts gehört was mich ausmacht. Es möchte eben unentdeckt bleiben. Es sitzt einfach zu tief!

Erstaunlich ist, daß alles, was dieses „Gefühl“ ausmacht eine gewisse Wertlosigkeit anzeigt. Geld oder Sex sind, durch seinen Schleier empfunden, nebensächlich. Es stellt offensichtlich, vergleichbar mit einem Zwiespalt, einen Zustand dar, der seinen Ausdruck zwischen Sein oder Nichtsein erfährt.

Die Farbe für dieses „Gefühl“ scheint ebenfalls so gut wie undefinierbar zu sein. Es ist nicht rot, wie die Liebe, nicht grün, wie die Hoffnung, nicht blau, wie die Treue und auch nicht gelb, wie sonst was. Ich glaube, es ist völlig farblos – und das verwirrt mich ein bisschen.

Trotzdem scheint es mich nicht loslassen zu wollen. Als würde es meine Existenz bestätigen, oder, sagen wir besser, als würde es meine Existenz umgeben, ist es da. Es begleitet mich auf allen meinen Wegen… Was will es von mir?

Die Antwort könnte „nichts“ lauten. Beobachtet es mich? Nachdem es praktisch – registriert oder nicht registriert – immer da ist, gehe ich davon aus!

Deshalb begebe ich mich jetzt tief in mich, werfe alle Träume über Bord, höre auf, (an) etwas zu glauben und öffne, ganz weit unten, hinten, oben, in, über, neben mir, eine Geheimtüre – und da kann ich es erblicken. Zu allem Überfluss ist es – der Tod!

Er/Es ist stets vorhanden, gibt mir – aber nur, wenn ich nicht aufpasse – mahnend zu verstehen: „Memento mori!“

Was soll ich tun? Nichts! Ich kehre zurück, in diese seltsam Existenz, achte nicht mehr auf das Sein, hinter dem Sein, fange zu spinnen an und verhalte mich, als ob es mich ewig gäbe – mich (!), und nicht dieses „Gefühl“, das gar keines ist!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Das „Gefühl“"

Re: Das „Gefühl“

Autor: noé   Datum: 18.01.2014 19:29 Uhr

Kommentar: "Hunde, wollt ihr ewig leben!?" fällt mir da als erstes ein.

Wer möchte beim heutigen Stand der Medizin schon 150 oder älter werden. Und wer sollte dann die Rente zahlen nach dem heutigen Modell? Und wenn Ersatzteiloperationen schon nach Lebensalter gestaffelt entsprechend NICHT mehr von den Kassen getragen werden und Pflegeheime den Nachkommen nicht nur die Schuhe ausziehen?
Da fallen mir dann wieder die "grünen Kekse" ein, mit denen man nach seinem filmisch versüssten Ableben das Überleben der Weiterlebenden garantiert.

Andererseits gibt es Autofahrer, die "Kopfprämie" brüllen, wenn sie einen Rentner sehen. Ob das "sozialverträglich" ("sozialverträgliches Ableben bei Erreichen des Rentenalters") ist oder sogar verantwortungsvoll den nächsten Generationen gegenüber?

"Dichter werden ewig leben" (ohne Ausrufe- oder Fragezeichen). Im besten Fall haben sie Gedankenanstöße zu geben an alle, die Willens sind, sich darauf einzulassen. Schon manches ist zum geflügelten Wort geworden und schwebt seit Generationen in Gefilden des Gehirns, in denen hin und wieder ein Ein-Sekunden-Gedanke auftaucht von Vergänglichkeit und Tod, nicht lang genug, sich im Gedächtnis festsetzen zu können.

Bliebe die Frage, Alf, ob ich Deinen Text voll daneben interpretiert habe? Bei meinen Texten jedenfalls geschieht dies schon so ab und an, was mich dann eher traurig stimmt...

Vom selben Blut (nennt man es so?),
noé

Re: Das „Gefühl“

Autor: Alf Glocker   Datum: 18.01.2014 20:14 Uhr

Kommentar: Harharr erstmal. Danach: Danke für den Kommentar und gleich darauf - mir ist nur dieses (Nicht-)Gefühl unheimlich. Ewig leben würd ich natürlich schon gerne, aber das war diesmal nicht gemeint. Gemeint war dieses seltsame Unsicherheitsgefühl im Leben, ob ich nicht einfach nur so da war, damit ich überhaupt irgendwo war. Ich denke, jeder möchte einen Sinn aus dem Erreichten ableiten. Da ich nichts erreicht, sondern nur alle enttäuscht habe, fühle ich diese Leere, wenn ich über mein Leben nachdenke, dieses flaue Gefühl im Magen, diesen Gruß von jenseits des Styx...

Alf

Re: Das „Gefühl“

Autor: noé   Datum: 18.01.2014 20:28 Uhr

Kommentar: Süßer - Midlifecrisis? Wieso hast Du alle enttäuscht. MICH nicht. Und ich denke, Deine Angetraute ist ja auch noch an Deiner Seite, so ganz verkehrt kann da ja nicht alles gewesen sein. Und alle Deine vielen Fans?

Mir war nach dem Tod meines Mannes vor etlichen Jahren auch plümerant, lange Zeit. Ich konnte dem entweichen, als ich für meine Beerdigung schon alles geregelt habe bis einschl. anschl. Kaffeetrinken für 15 Leute. Mehr werden sowieso nicht kommen. Seitdem bin ich entspannter.

noé

Re: Das „Gefühl“

Autor: Doris Demski   Datum: 23.01.2014 14:22 Uhr

Kommentar: Großartig! Es ist dir gelungen, etwas eigentlich Unbeschreibliches in Worte zu fassen. Für heute habe ich hier im SN genug gelesen, besser kann es nicht mehr kommen.
LG D.D.

Re: Das „Gefühl“

Autor: Alf Glocker   Datum: 23.01.2014 15:29 Uhr

Kommentar: Oh, das ist ein schönes Kompliment! D-D-D = Danke, Doris Demski

LieGrü, Alf

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