Eine bedeutsame Begegnung


Meine Eltern tauften mich auf den Namen Adolf, warum auch immer. Mein noch großartigerer Nachname lautet Posilius. Mein Spitzname war, so lange ich denken kann Adi und das fand ich auch immer knorke. Doch als ich im Laufe der Jahre immer weiter wuchs ( nicht in die Höhe , sondern nach vorn und ich bin noch lange nicht ausgewachsen) , veränderte irgendein Witzbold auch meinen Nachnamen und aus Posilius wurde Posita. Seitdem war ich also Adi Posita und war nicht wirklich glücklich damit.
In jenem vergangenen Jahr als meine Plautze sich so weit vorgeschoben hatte, dass ich meine Fußspitzen nicht mehr sehen konnte, meine Frau eigentlich Armverlängerungen brauchte ,um mich umarmen zu können. In jenem Jahr als meine Leber die weiße Fahne schwenkte und mein Herz mehr stolperte als richtig lief. In jenem Jahr beschloss ich erstmals in meinem Leben etwas zu ändern.
Ich gebe zu dass wie bei den meisten Männern, auch bei mir Essen mein Lieblingsgericht war und Bier der ideale Durstlöscher. Mein Job als Pförtner, bei dem ich nur per Knopfdruck die Schranke der Werkseinfahrt öffnen musste, ließ die Kalorien dorthin passieren, wo mein Körper eigentlich eine Schranke haben sollte.
Ich brauchte also nichts weiter machen als ab und zu den Zeigefinger zu bewegen.
Als mich eines schönen Tages ein Schwächeanfall zwang meinen Hausarzt aufzusuchen und er mir offenbarte, dass nach der Blutabnahme eigentlich etwas mehr Blut im Fett sein müsste und ich so nicht mehr lange auf diesem Planeten weilen würde, war das die Initialzündung für ein anderes Leben.
Meine Frau begrüßte dieses sehr, war sie doch immer sehr sportlich und bewusst, konnte mich jedoch nie dafür begeistern.
Als erstes brachten wir alle meine Chips, Schokoladen und anderen Zuckersachen zur Tafel. Dabei bemerkte ich auch dass sie mein Geheimversteck, hinter der alten Fußleiste, im Gästezimmer schon lange kannte.
Es blieb nichts, aber auch gar nichts essbares im Haus. Also fing ich an ungenießbares wie Obst , Gemüse und Mineralwasser zu mir zu nehmen.
Mein Arzt hatte mich nach diesem Schwächeanfall erst einmal für ein dreiviertel Jahr krank geschrieben, damit ich meine Umstellung in Ruhe und unter Aufsicht meiner Frau durchführen konnte.
Gleichzeitig meldete sie mich in einem Fitnesscenter an. Schon das Hingehen war mehr als genug Sport für mich, den Autoschlüssel hatte sie konfisziert. Vom Inhaber des Studios musste ich mir jedes mal eine Bestätigung für die Absolvierung meines Programms geben lassen, da sonst die Krankenkasse nicht gezahlt hätte.
Ich kam also schon immer ziemlich fertig im Center an und musste dann noch eine ganze Stunde abspulen.
Nach etwa einem Monat merkte ich, dass sich meine Gemütsverfassung proportional zum purzeln der Kilos verbesserte. Was ich niemals gedacht hätte, es machte Adi Posita Spaß, seine Adiposität zu bekämpfen.
Zur Mitte des zweiten Monats, als ich bereits zwölf Kilo meiner Selbst verpulvert hatte, tauchte im Studio ein zwei Meter Mann mit weißem Vollbart und erkennbarer Tendenz zur Dicklichkeit auf.
Er sagte, dass seine Frau ihn hierher geschickt hatte, im Prinzip so wie in jedem Jahr wenn seine saisonale Tätigkeit anstand. Bis dahin hätte er aber noch drei Monate Zeit.
Da geteiltes Leid halbes Leid ist, freundeten wir uns an und trainierten gemeinsam. Da sein Name für mich auch etwas lächerlich klang, fühlte ich mich auch nicht mehr so allein. Er hieß nämlich Samuel Antanius.
Die Wochen vergingen und wir trainierten regelmäßig und waren uns gute Trainingspartner. Während meine Speckschicht schmolz und sogar schon etwas Muskulatur zu sehen war, blieb bei Samuel alles so wie es war. >Das ist egal Adi< , sprach er. >ich brauche nur etwas mehr Ausdauer , für meinen Job, der im nächsten Monat beginnt, außerdem benötige ich etwas Masse für meine tragende Tätigkeit in der Welt.<
Wir erzählten uns aus unseren Leben, wobei meines nicht halb so spektakulär war wie seines.
Von Samuel erfuhr ich, dass er aus dem hohen Norden stammte, irgendwo aus Lappland. Seine Frau und er besaßen Rentiere, stellten Spielzeuge und andere Dinge her, um sie nach überall zu exportieren. Sie hatten einen Haufen Angestellte die diese Dinge fertigten und logistisch ordneten, so dass sie dann auch da hinkamen, wo sie gebraucht wurden.
Wir hatten jetzt Anfang Dezember und ich wurde den Verdacht nicht los, dass er mir nicht alles erzählte. Ich fühlte mich in meinem transformierten Körper so wohl, wie das letzte Mal als Kind, voller Tatendrang und Unternehmungsgeist. Ich fragte ihn, da ich ja noch ein paar Monate krankgeschrieben war, ob ich ihm vielleicht nebenbei helfen könne. > Ach Adi< entgegnete er, >Leider muss ich die alte Firmentradition fortführen, in der es heißt: Kein Mensch egal welcher Hautfarbe, Alters, Geschlechts oder sonstiger spezieller Merkmale darf sich in die Firma einbringen.< > Ja aber, was ist mit den Angestellten in Eurer Firma, sind das etwa keine Menschen?< fragte ich ihn erstaunt.
Listig leuchteten seine blauen Augen. > Es ist Tradition seit Jahrhunderten und wird bis zum Untergang einer gewissen Empathie, zu unserer Firmenpolitik durch die Menschen auch so bleiben. Ich weiß dein Engagement sehr zu schätzen Adi, aber es geht nicht. <
Plötzlich aus heiterem Himmel, sprach er >Früher als du noch ein Kind warst und Robin Hood spieltest, da müsstest du dich eigentlich noch dran erinnern, hast du im Prinzip genauso gehandelt wie ich heute, nur nehme ich Leuten nichts weg um es dann zu verteilen. Du jedoch hast aus edlen Beweggründen reichen Kindern etwas entwendet und es heimlich zur Kinderklinik gebracht, damit die armen Seelen dort etwas haben. Damals warst du zehn und dachtest zumindest, dass du edel handelst. Zu dieser Zeit wolltest du auch nicht, dass irgend jemand dir bei deiner Arbeit hilft. Darum ist es auch bis heute nicht herausgekommen. So in etwa soll es auch bei mir bleiben<.
Nun war ich aber baff. Woher wusste er von meiner Nehmen und Geben Aktion in meiner Kindheit? Für ihn war es scheinbar doch herausgekommen.
Als ich ihn danach fragte, antwortete Samuel> Mein lieber Adolf, sagen wir einfach, dass ich in gewisse Dinge involviert bin, die den Verteilungswert meines Jobs beeinflussen. Mehr kann ich dir dazu leider nicht erläutern. Ich bin weltweit führend mit meiner Position und brauche Input um sicherzugehen.<
Je länger ich Samuel kannte und je näher seine Saisontätigkeit rückte, um so rätselhafter erschien er mir. Am dreiundzwanzigsten Dezember trainierten wir wie immer . Beim Cooldown auf dem Laufband sagte er> Heute bin ich zum letzten Mal hier Adi, es war schön dich meinen Trainingspartner und Freund nennen zu dürfen. Heute Nacht um Null Uhr beginnt nun endlich meine Arbeit auf die ich mich jetzt so lange vorbereitet habe. Glaube mir, ich kenne dich in und auswendig und das schon länger als du glaubst. Ich weiß , dass du ein guter Junge bist, deine Frau liebst und auch dein Training ihr zu liebe durchgezogen hast. Gute Menschen braucht die Welt, damit auch alles einen guten Sinn hat und nicht nur zu den Weihnachtstagen.<
Wir ließen die Bänder auslaufen, gingen in die Sauna und duschten.
Samuel holte aus seinem Umkleideschrank das prächtigste Weihnachtsmannkostüm das ich je gesehen hatte. Es passte ihm wie angegossen, Das Training hatte auch etwas dazu beigetragen. Ein breiter schwarzer Ledergürtel umspannte das strahlend rote Kostüm über welches er noch einen fließend langen Umhang zog. Eine flauschige bepelzte Mütze rundete das Bild ab.
Ich war begeistert. Einen überzeugenderen Weihnachtsmann hatte ich niemals gesehen. Als er sich die weichen schwarzen Stiefel angezogen hatte, umarmte er mich und sprach> Nun heißt es Abschied nehmen Adi, vielleicht sehen wir uns irgendwann einmal wieder, das würde mich freuen.
Ich möchte dir das hier geben.< Damit überreichte er mir einen Umschlag und sprach> Mach´s gut Adi.< Er drehte sich um und ging zur Tür. Ehe ich meine Schuhe anhatte, war er schon draußen. Ich lief hinterher um ihm zu danken, doch er war nicht mehr zu sehen. Ich blickte in alle Richtungen, es hatte geschneit und es waren nicht mal Spuren zu sehen. Ich ging wieder hinein und gerade als sich die Tür hinter mir schließen wollte hörte ich etwas, das sich wie Peitschenknallen anhörte. Ich hielt den Kopf noch einmal heraus und sah am Himmel einen Schlitten durch die Schneewolken fahren, gezogen von Rentieren.
Nee, dachte ich, ich hab wohl ein bissel hart trainiert heute und öffnete den Umschlag.
Als erstes holte ich eine Visitenkarte heraus. Sie umrandete rot ein weites weißes Schneefeld auf dem in schwarzen Buchstaben stand :


“ Samuel Antanius Klaus “
Weihnachtsgeschenke aller Art
nur Export


dann holte ich ein Foto hervor, welches mich im Alter von zehn Jahren an der Fassade der Kinderklinik kletternd zeigte. Auf dem Rücken trug ich einen Rucksack aus dem ein Teddybär guckte.
Ich weiß genau, dass der Teddy dem kleineren Bruder von Bodo Blaschke gehörte und der hatte Bodo immer gesagt, er soll mir die Hose runterziehen.
Das war die Rache für mein oft entblößtes Hinterteil und ein kleines Mädchen namens Maria durfte sich über den Bären freuen.
Doch es war damals kein Fotograf in der Nähe, der dieses Foto hätte machen können. Es war also ein nicht möglicher, seltsamer Schnappschuss aus einer lang vergangenen Zeit.
Als ich das Foto umdrehte stand dort. “ Hey Adi , ich war dort. Der Weihnachtsmann sieht alles.“


© Picolo


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