Wie schon an den letzten Morgen, hatte Fine wieder einmal gar keine Lust, aus ihrem schönen warmen Federbett zu hüpfen. Sie blinzelt müde und gähnend zum Fenster, als ihre Mutti sie wie immer fröhlich weckte. Fine war in der letzten Nacht wieder lange mit ihrem Teddy Micha unterwegs. Ja, Endlich hatte Fine es geschafft. Mama und Papa haben inzwischen eingesehen, dass sie viel besser schlafen kann, wenn Micha bei ihr im Bettchen liegen darf. Natürlich wissen sie nicht, dass sie sich mit Micha unterhalten kann und mit ihm gemeinsam schon manches Abenteuer erlebt hat. Sie wissen auch nicht, dass Fine längst mit Coolman, den Häschen und den Wintervögeln im Garten Abend für Abend Spaß hat. Mama hat sich nur manchmal gewundert, warum ihr Winterjäckchen morgens noch feucht war. Natürlich verrät Fine nicht, dass sie gemeinsam mit ihren Freunden im Schnee umhergetollt war, denn Fine hat ein Geheimnis. Es ist ihre Wunderzeit.
Mama hat inzwischen das Fenster geöffnet, kühle frische Luft tanzt um Fines Näschen. Sie verkriecht sich ganz tief ins Federbett, aber Mama zupft es zur Seite, stupst Fines Nase und sagt: „Ich verstehe überhaupt nicht, warum du in letzter Zeit nicht aus dem Bett kommst.“ Fine und Micha schauen sich verschwörerisch an. Sie waren gestern Abend gemeinsam mit ihren Freunden bis zur Waldlichtung gestapft. Coolman hatte gesagt, dass er ihnen zeigen wollte, wie der große runde Mond aus ihm einen Glitzerschneemann zaubern könnte. Natürlich wollten alle dieses Wunder sehen. „Oh ja- wir hoppeln mit“, riefen die Häschen, die kleinen Meisen tschilpten aufgeregt und flatterten mit den Flügeln. Und so stapfte die lustig anzusehende Schar durch den Schnee. Vornweg hoppelte die Hasenfamilie kreuz und quer, die kleinen Meisen flogen vor und zurück – eine hatte sich auf Coolmans Nase gesetzt und gemeinsam mit Coolman liefen Hand in Hand Fine und Micha. Ein paar Schneeflocken fielen sacht, ganz leise zu Boden, als wollten sie auch auf dem kleinen Marsch dabei sein – leise, damit Niemand etwas bemerkt. Endlich waren sie an der Waldlichtung angekommen. Fine hatte von der Anstrengung ganz rote Bäckchen, kleine Schweißperlen glitzerten im Mondlicht unter ihren Löckchen. Aber daran konnte sie gar nicht denken, denn ihr blieb der Atem stehen, als sie die Lichtung betraten. Sie waren in einer anderen Welt angelangt. Hier herrschte der Mond, der seinen Schein über der Lichtung ausgebreitet hatte. Die Bäume und Sträucher glitzerten und funkelten, als seien sie in Zucker getaucht. Die tanzenden Schneekristalle fielen wie ein Schleier aus tausend kleinen Glitzersternchen vom Himmel herab. Es schien, als blinkten viele kleine Edelsteine, die Fine und ihre Freunde begrüßen würden. Erstaunt blieb der kleine Trupp stehen. “Oh, wie schön“, brummelte Micha. – „Cool“, sagte Coolman ganz beeindruckt, die Häschen waren wie erstarrt, ja selbst die kleinen Meisen waren kurzzeitig verstummt. Und Fine selbst stockte der Atem. So viel Pracht hatte sie in der Nähre ihres Hauses nicht vermutet. Sie stellte sich vor, eine Prinzessin zu sein, die auf ihr Reich aus Edelsteinen blickt. Eine Edelsteinprinzessin. Der Gedanke gefiel ihr gut. „Na, habe ich Euch zu viel versprochen?“, sagte Coolman stolz in die bewundernde Stille. Die Häschen hatten sich zuerst gefasst. Sie hoppelten und purzelten übereinander in die schneebedeckte Wiese. Als sie sich wieder aufgerappelt hatten, funkelte und glitzerte ihr Fell. Ein großes Erstaunen ging durch die Runde. „Nun wartet ab“, sprach Coolman und tippelte auch in die Mitte der Lichtung. Mit jedem Schritt, den er tat, verwandelte er sich. Erst war es nur sein Kopf, der begann zu glitzern. Je näher er zu den Häschen kam, umso mehr verwandelte er sich in einen in allen Farben funkelnden Schneemann. So, als hätte er einen perlenbesetzten Umhang übergezogen. Er drehte und wendete sich mit ausgebreiteten Armen im Mondlicht, Kristalle tanzten um ihn herum. Fine hat noch nie in ihrem Leben so etwas Schönes gesehen. „Coolman, Du kannst zaubern“, sagte sie ganz erstaunt. Coolman war natürlich stolz. Fast schien es, als würde sein Kullerbäuchlein größer werden. Selbst seine lustigen Kohleäuglein schienen zu leuchten.
„Nun ja“, sagte er nach einer Weile der Bewunderung durch seine Freunde. „Um ehrlich zu sein“, ich bin nicht wirklich der Zauberer. Dieses Wunder haben wir dem guten alten Mond zu verdanken, dessen Licht alles auf wunderbare Weise erstrahlen lässt.“ Nun schauen alle hinauf zum Mond. Kugelrund und lächelnd betrachtet dieser die lustige Schar. „Guten Tag, lieber Mond“ –piepst Fine in die Luft und alle stimmen ein. „Guten Tag ist gut“, brummelt Micha. „Es ist mitten in der Nacht. Du kannst den Mond nur in der Nacht sehen, denn das ist seine Zeit.“ Fine versteht das. „Ich möchte auch ein Glitzerkleid“, ruft sie dem Mond zu. Micha stimmt natürlich mit ein. Die Häschen kichern. Sie hatten längst das Geheimnis entdeckt und wälzten sich unaufhörlich lachend im Schnee. Je mehr sie umhertollten, umso dichter erschien ihr Zauberkleid. Fine hatte begriffen. Sie gab Micha einen Stups und lies sich in den Schnee fallen. „Und jetzt rollen, Micha“, forderte sie ihn auf. „So, wie die Häschen!“ – Tatsächlich. Es dauerte gar nicht lange. Auch sie waren eingehüllt vom glitzernden Schein. Das war eine Freude! Fine schritt wie eine Prinzessin, Micha ihr treuer Begleiter an ihrer Seite. Die Häschen formierten sich davor, Coolman schritt hinterher und die Vögelchen flatterten zwitschernd um die Gruppe. Fine war ihre Prinzessin. Sie war so glücklich. „Danke, lieber Mond, für deinen Zauber“, rief sie mit erhabener Stimme und stolzierte mit gehobenem Kopf. Ein besonders schönes Zweiglein mit perlenbesetzten Zapfen sollte ihr Zepter sein. Nach einer Weile hüstelte Micha und zupfte vorsichtig an Fines Mäntelchen – ähm Prinzessinnenkleid.
„Fine…wir müssen langsam wieder nach Hause. Deine Eltern werden bald an dein Bettchen kommen um zu sehen, ob du schläfst.“ Das wollte Fine natürlich nicht hören. „Micha, warum musst du nur so schlimm vernünftig sein! Ich finde dich schrecklich!“ Plötzlich blieben alle wie angewurzelt stehen und schauten Fine erstaunt an. Micha blickte traurig. Coolman räusperte sich. „Nun Fine, fast habe ich das Gefühl, dein Zauberkleid verzaubert auch dich. So kennen wir dich gar nicht.“ Fine tritt verlegen von einem Bein auf das andere. Vorsichtig blickt sie zu Micha, der traurig zu Boden sieht. Es tut Fine schrecklich leid. „Micha, ähm Micha, es tut mir leid. Das stimmt ja gar nicht, dass ich dich schrecklich finde. Ich habe dich so lieb. Du bist mein bester Freund. Ich will nicht, dass du traurig bist und ich will auch gar nicht, dass ich dich traurig mache.“ Micha sieht Fine nachdenklich an. Leise brummelt er. „Das glaube ich Dir ja, aber wenn du keine Prinzessin bist, passiert dir das ja auch nicht.“ Fine könnte fast weinen. Ihr Micha ist wirklich sauer. Sie schaut an sich herab, zögert kurz und dann klopft sie ihr Mäntelchen ab. Tausend kleine Schneekristalle springen kurz auf und sinken leise zu Boden. „Du hast Recht, Micha“, „Es wird Zeit. Und lieb habe ich dich auch.“ Auch Micha klopft nun sein Fell ab, geht auf Fine zu, umarmt sie und sagt: „Ich hab dich auch lieb.“ Die beiden knuddeln sich ganz doll und alle anderen klatschen erleichtert Beifall. Fine ist froh. Erst jetzt merkt sie, wie müde sie eigentlich ist. Coolman nimmt sie auf den Arm und flüstert ihr ins Ohr. „Das war gut Fine. Wenn man einen Fehler macht, kann man das auch wieder grade rücken, aber ehrlich muss es sein. Unter Freunden passiert so etwas schon einmal, aber wenn man zeigt, dass man es gar nicht so meint, wird alles wieder gut.“ Fine ist froh, denn ein bisschen schämt sie sich schon. Schließlich kehrt die Gruppe zurück zum Haus. Coolman lässt Finchen sanft hinabgleiten und Micha trägt sie ins Haus. Fine war längst eingeschlafen. In ihrer Hand hält sie noch ihr Zepter. Micha hilft Fine ins Bett und legt ihr Zepter ins Fensterbrett. Dann schläft auch er ein. Fest an Fine gekuschelt, um sie zu wärmen.

„Fine – nun wird es aber Zeit“, ruft Mutti nun mit strengerem Ton. Fine denkt gerade „Ich finde Mutti schr….“ Schlagartig erschrickt sie. „Nein – ich habe Mama doch lieb“, denkt sie, steckt die Füßchen aus dem Bett, tippelt zu ihrer Mama und spricht es laut aus: „Ich hab dich lieb Mama.“ Mama hebt Fine auf den Arm, gibt ihr einen Kuss und sagt. „Ich hab dich auch lieb Fine“.
Finchen schaut über Muttis Schulter und sagt. „Und Micha hab ich auch lieb.“ – „Ich weiß“, sagt ihre Mutti. Im Fensterbrett liegt Fines Zepter. Sie tapst hin und reicht den Zweig ihrer Mutti. „Hier Mama, ich schenke dir meinen Zauberstab.“ Mama lächelt und streicht Fine übers Haar und Fine und Micha blinzeln sich an.


© Martina Büchner


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Beschreibung des Autors zu "Fine im Schneekleid"

Wieder einmal eine Weihnachtsgeschichte von Fine, die sich aufbaut auf die bereits eingetragenen Geschichten "Zeit der Wunder" und "Coolman".

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