Meine beste Freundin ist Mia. Wir sind sooooo dick miteinander. Seit unserer Zeit im Kindergarten erzählen wir uns immer alles und wir schillen den ganzen Tag zusammen. Zwischen uns passt kein Blatt Papier. Wir kennen unsere Geheimnisse und unsere Träume und Wünsche. Wir können uns auf uns verlassen.
Das ging jedenfalls 16 Jahre so bis zu dem Tag, als Mia sich auf einmal total veränderte. Vor diesem Tag hatten wir immer viel Spaß miteinander, wenn wir bummeln gingen und Klamotten ausprobierten. Wir haben uns mit Jungs getroffen uns geflirtet auf Teufel komm raus. Irgendetwas viel uns immer ein und wir hatten immer bock darauf.
Auf einmal war das alles vorbei. Mia zog sich immer mehr zurück und hatte auf nichts mehr bock. Ihr Kleidungsstil wurde fürchterlich. Sie zog nur noch weite unattraktive Kleidung an. Nichts mehr von Sexy sein und es darauf anlegen den Jungs zu gefallen. Sie wollte auch nicht mehr auf Partys gehen. Nichts von dem was uns Spaß gemacht hatte wollte sie mehr. Ich verstand die Welt nicht mehr.
Wo war die Mia hin, mit der ich so viel Spaß hatte. Meine beste Freundin, der ich immer alles erzählen konnte. Mit der ich den ganzen Tag lachen konnte. Wenn ich sie fragte was mit ihr los ist, dann kam nur „ NICHTS“. Mehr war aus ihr nicht rauszuholen. Unsere Freundschaft fing an zu zerbrechen. Ich wusste nicht mehr weiter. Was sollte ich tun?
Der Zufall brachte es an den Tag.
Ich war im Wald spazieren und ich ging nicht die üblichen Wege, sondern lief einfach durch den Wald und vermied die offiziellen Wege, so wie ich es oft mit Mia gemacht habe. Ich spürte dann die Atmosphäre viel intensiver.
Ich war nicht alleine auf diesen Wegen, denn auf einmal hörte ich leises Weinen. Ich ging in die Richtung und fand Mia an unserem kleinen Teich sitzend. Sie war total aufgelöst.
Ich war entsetzt und fragte sofort nach was passiert war. Ich nahm Mia in den Arm. Am Anfang wehrte sich Mia gegen die Berührung, aber ganz langsam beruhigte sie sich wieder.
Dann fing sie an wie ein Wasserfall zu reden. Endlich konnte sie alles heraus lassen was sie in der letzten Zeit so bedrückt hatte.
Sie erzählte, dass der neue Freund ihrer Mutter sie immer wieder belästigt hatte. Am Anfang hätte sie das auch noch als Toll empfunden, wenn er ihr immer wieder Komplimente gemacht hatte. Aus den Komplimenten wurden dann aber ganz schnell versteckte Berührungen, Aus den Berührungen wurden Zudringlichkeiten. Eine Zeit lang hätte sie es noch ein bisschen kontrollieren können, so dass nichts schlimmes passierte, aber mit der Zeit wurden die Übergriffe so, dass sie sich immer mehr schämte. Heute wäre es beinahe zu einer Vergewaltigung gekommen. Im letzten Moment wäre ihre Mutter vom Einkaufen wieder gekommen und er hätte abgelassen. Bevor er ging drohte er ihr auch noch. „ Wenn Du auch nur ein Wort sagst, dann kommst Du in ein Internat und Deine Mutter wird Dich verstoßen.“ Ihr Vater hatte die Familie schon vor Jahren verlassen und Mia hatte immer sehr darunter gelitten. Sie gab sich die Schuld daran, auch wenn es nicht stimmte. Die Angst auch noch ihre Mutter zu verlieren war zu viel für sie.
Um sich zu schützen hatte sie sich immer versucht hässlich zu machen. Sie hatte angefangen viel zu essen um dick zu werden. Sie wollte keinem mehr gefallen, um sich so zu schützen. Sie wurde dadurch aber immer einsamer und verzweifelter.
Lange hielt ich Mia im Arm und lange sprachen wir darüber. Ich konnte Mia überreden mit ihrer Mutter zu reden. Wir gingen zu ihr hin und Mia erzählte unter Tränen alles. Ihre Mutter war steif vor Entsetzen und dann nahm sie ihre Tochter in den Arm und hielt sie ganz fest.
Sie sage Mia: „ Nichts und Niemand darf Dir was antun. Der bekommt es mit mir zu tun.“
Genau das tat sie dann auch. Sie ging mit Mia zu Polizei und zeigte ihren Freund an. Noch am gleichen Tag schmiss sie ihn aus der Wohnung. Sie besorgte für Mia einen Therapeuten und sie machten auch noch eine Familientherapie zusammen.

Nach Monaten wurde der ehemalige Freund zu 2 Jahren auf Bewährung verurteilt. Für Mia war das nicht leicht, denn sie hatte immer noch Angst vor ihm. Durch die Therapie überwand sie es mit der Zeit. Mia wurde wieder fast die Alte, aber nur fast. Sie sagte auch immer: „ Ich kann diese Erfahrungen einfach nicht vergessen. Ich kann sie nur so bearbeiten,das sie mich nicht im Leben zu einem behinderten Menschen macht.“
Mia und ich helfen seitdem in einer Selbsthilfegruppe für missbrauchte Menschen.
Ich bin entsetzt, wie vielen Menschen und nicht nur weiblichen, sondern auch männlichen, so etwas meist in ihrer Jugend passiert. Die Narben die zurückbleiben werden nie verheilen.
Was mich am Meisten fertig macht ist, das die Menschen oft die Täter sind, denen wir am Meisten vertrauen. Nicht die Fremden die wir nicht kennen, sondern oft der nette Opa, Vater, Bruder, Freund oder Mutter, Tante usw. sind die Täter.
Diese Täter erhalten, wenn man Glück hat, vielleicht eine begrenzte Strafe, aber die Opfer leiden ihr Leben lang darunter.
Täter bekommen Hilfen für ihre Probleme und das soll auch sein, aber Opfer müssen für Therapien kämpfen und erhalten meist nur zu wenig davon.
Dieses Missverhältnis darf nicht sein. Auch ein Opfer braucht die Chance auf ein gesundes Leben.


© dh


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