Patagonien, Cerro Torre, es regnet, nebelverhangenes, winddurchwehtes Land. Wir warten seit zwei Wochen auf besseres Wetter. Die Nerven liegen blank. Bei Kleinigkeiten rastet einer von uns aus, Schuldzuweisungen. Die Gedanken wandern zum Gipfel - nach Deutschland, alles OK Zuhause, sind alle gesund? Seit Tagen ist die Verbindung unterbrochen, das Satellitentelefon bleibt stumm. Was läuft im Büro? Der ganz normale Wahnsinn? Kann ich diese und jene Steilwand bezwingen? Alles ist auf dem Prüfstand. Das Gedankenkarussell dreht sich besonders nachts, dann auch immer schneller. Lässt sich nicht stoppen, angetrieben von „was wäre wenn Gedanken“, morgens verblassen die dann. Warum hab ich wieder dem Schlafräuber solange meine Aufmerksamkeit geschenkt? Auch heute Nebelfetzen um den Berg, unbezwingbar, zumindest bei diesen Verhältnissen.
Das Summen des Kochers verbreitet trotz allem eine wohlige Wärme und sogar eine gewisse gemütliche Atmosphäre im Zelt. Geschützt trinken wir Tee im Schlafsack. Danach gehen wir wieder raus in die feuchte Kälte und erkunden zum X-ten Mal den Weg zum Einstieg. Ich kann den Weg bald im Dunkeln und mit geschlossen Augen gehen, kommt mir vor.
Bis Mittwoch müssen wir eine Entscheidung treffen, so oder so, der Rückflug nach Deutschland ist am Wochenende und nicht verschiebbar, es hängt zu viel davon ab. Keine Lust auf den grauen Alltag, schon gar nicht aufs Büro und dem Chefekel. Endlose Zahlenreihen fremder Leute, fremden Konten aber Selbstverwirklichung kostet viel, physisch als auch psychisch. Ich wollte es so. Lasse ich jetzt die grauen Gedanken sich zu Gefühlen formen, oder schaffe ich es auch innerlich eine uneinnehmbare Wand dagegen zu formen? Eine feste Barriere gegen schlechte Gefühle.
Am Montag um drei Uhr nachts krabbeln wir aus dem Zelt ins Freie. Sterne am Himmel, endlich! Die Rucksäcke sind schnell gepackt, seit Tagen liegt alles bereit. Wir stolpern im Mondschein der Wand entgegen.
Auf dem Rückflug bleibt mein Platz leer.


© Detlef König


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