Ich kann leider nichts sagen,
bin nur ein Hund und werde gequält seit Tagen.
Wenn ich nur schreiben könnt, schrieb ich ein Gedicht
und hätt dabei - Tränen im Gesicht.
Man sagt ich wär ein Kampfhund das ich gefährlich bin.
Öffnet Eure Augen - schaut genauer hin!
Bin ich nicht nur ein Werkzeug, von Menschen scharf gemacht
von diesen skrupellosen - die nicht nachgedacht?
Jetzt bin ich scharf und beiße auch
doch so ein Hund wohl keiner brauch.
Man sagt das ich jetzt sterben muss,
mit diesem Wahnsinn sei jetzt Schluss.
Bin ich doch nur das Werkzeug Euer -
gemacht von Euch zum Ungeheuer.
Doch wenn ich jetzt auch sterben muss,
durch Todesspritze oder Schuss,
geb ich Euch Menschen einen Rat -
ich bin ein Hund, ein Kamerad!
Lasst meinen Tod nicht sinnlos sein
und lasst die Hunde Hunde sein!
Das schrieb ein Hund der Kampfhund ist
und weiß - das manch ein Mensch nicht besser ist.

Kann immer noch nicht sprechen, bin immer noch ein Hund,
werde immer noch gequält - ich kenne nicht den Grund.
Ich schreibe hier an Euch, es geht mir nicht sehr gut
ich habe meine Tränen - ersetzt durch Hass und Wut.
Ein Hund den skrupellose Menschen hetzen
geprägt von Hass und Wut
wird sicherlich verletzten –
er täte keinem gut.
Dann ist er wieder da der böse scharfe Hund.
Dann könnt Ihr wieder töten – dann habt Ihr einen Grund.

Ich begreif Euch Menschen nicht
woher kommt der Drang zum Töten – und warum trifft er mich?
Was Ihr mir dann versetzt ist nur ein kleiner Stich
nun habe ich sie doch – die Tränen im Gesicht.
Meine Augen werden schwerer sie schließen sich dann ganz
in meinem Hundekörper - beginnt der Todestanz.
Jetzt bin ich tot, mein Körper wird ganz kalt
macht Ihr zumindest vor meinem Grabstein halt?
Da steht gemeißelt es ganz klein:
Lasst meinen Tod nicht sinnlos sein –
und lasst endlich die Hunde Hunde sein.








Der Klügere beißt zu

„Du weigerst dich also? Wer hat dich eigentlich zu so einem Weichei erzogen?“ Rolf Tresch funkelte seine Nichte an.
„Es hat nichts mit einem Weichei gemein, ich bin nur endlich in der Lage, diese makabre Scheiße abzulehnen. Das ist alles.“
Der Mann trat so dicht an sie heran, dass Sandra an die hölzerne Balustrade der Veranda stieß, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Der Geruch nach Schweiß und Blut zwang sie, einen Würgereiz zu unterdrücken.
„Und weißt du auch, zu was ich in der Lage bin? Ja, dass weißt du ganz genau.“ Er packte sie grob am Arm und zog sie zu sich, sodass sein Mund direkt an ihrem Ohr war. „Es ist kein Akt, Sandra. Ein Schuss und dann wars das mit deinem geliebten Achill. Willst du das?“
„Nein“, es war mehr ein Flüstern als ein klares Wort.
„Dann pass gefälligst auf, was du sagst. Ich wiederhole mich nicht!“
Er ließ sie abrupt los und lief mit zügigen Schritten hinter das Haus, um seinen Azubi richtig einzuweisen. Aus dieser Richtung hörte man schon seit Minuten das Winseln und Janken eines Hundes.
Wahrscheinlich Phisto, dachte Sandra, während sie unter Tränen zu Boden sank.
Der Dogo-Argentino war noch jung und nicht vertraut mit dem Training, zumindest noch nicht so, wie Rolf es sich wünschte. Der einjährige Rüde winselte bei jeder Zurechtweisung und verkroch sich in der hintersten Ecke, sobald jemand kam. Und das war in Rolfs Sinn für einen guten Kampfhund alles andere als perfekt. Da er ihn aufgrund dessen noch für völlig unfähig hielt, hatte er bis jetzt erst gar nicht die Anweisung erteilt, ihn aufs Laufband zu stellen, er würde vermutlich nur das Gleichgewicht verlieren. Er war das, was seine Nichte als Mensch verkörperte. Ein Weichei.
Vom Weinkrampf geschüttelt, kauerte Sandra am Boden und grub die Nägel in ihre Handinnenflächen.
Keiner der Leute hier auf dem Grundstück hatte etwas für sie übrig, sie wurde einzig und alleine dafür gebraucht, die Hunde in den Ring zu führen. Sie hatte die Tiere nie gequält. Aus dem Grund vertrauten sie ihr mehr - und dann lieferte Sandra sie einander aus. Es war ein Kreislauf, gefüllt von Brutalität und Verachtung. Und sie konnte nicht ausbrechen. Sie musste tun, was sie jetzt schon seit drei Jahren tat.
Sandra war erst neunzehn, aber das Gesetz, dass es nur einer mindestens achtzehnjährigen Person erlaubt war, einen Kampfhund zu führen, hatte ihren skrupellosen Onkel schon damals herzlich wenig interessiert. Er hatte sie von Beginn an abhärten wollen, hatte ihr die Leine mit dem siebzehn Kilo schweren Staffordshire-Terrier Milo in die Hand gedrückt und beide zum Spaziergang geschickt, eine kurze Bindung aufbauen lassen - und ihn dann als fälschlich hochgelobten Sieger eine Woche später vor ihren Augen erschossen. Sie war acht Jahre alt gewesen. Ihre Eltern waren ihrer Tochter, mit der Erklärung gekommen, Tod gehöre nun mal zu jedem Lebewesen dazu. Ganz schlicht.
Sie musste es tun, da Rolf ihr drohte, sie schlug, sie behandelte wie die Wesen hinter den Gitterstäben. Die Hunde, die ihr Leben an der Kette fristeten, wenn sie nicht gerade dafür gebraucht wurden, zu töten oder sich töten zu lassen.
Das einzige Licht war Lucy. Die Achtzehnjährige stand voll hinter ihr und hatte sie seit Beginn ihrer Beziehung nie verurteilt. Weil sie wusste, dass Sandra niemals in der Lage wäre, das was sie tat, freiwillig zu vollbringen.
Als Pitbull-Terrier Achill früher noch mehr er selbst gewesen war, hatte Sandra ihn in der Dämmerung oft aus seinem Zwinger geholt und war heimlich mit ihm laufen gegangen. Mal an der von ihr gekauften Schleppleine, mal ganz frei. Sie hatten eine Bindung zueinander, seit sie das für ihn getan hatte. Sie liebte dieses Tier. Er war der Einzige, der als Welpe hierhergekommen war, der nicht von einem der hier lebenden Hündinnen geboren wurde. Und er war seiner Mutter zu schnell genommen worden. Diese Lücke hatte Sandra, neben den gemeinsamen Spaziergängen, für ihn mit der Flasche gefüllt. Sie hatte ihm für eine kurze Sequenz seines Lebens das gegeben, was ihm durch die unter dem Kommando ihres Onkels stehenden Menschen, Stück für Stück wieder genommen worden war. Liebe.
Jeder Schlag, jedes Training und jede erhobene Stimme, strafte ihr damals gemachtes Versprechen in Achills Ohren Lügen. Er war mehr und mehr zu dem geworden, was man unmenschlicher Weise von ihm verlangte, ein Kampfhund.
„Sandra, bist du taub?“
Sie hatte Leonard, einen der Mitarbeiter, wie Rolf sie nannte, nicht kommen hören. Unbeholfen erhob sie sich.
„Was ist?“
„In fünf Minuten kommen die Gäste, hol die Kandidaten.“
Kandidaten. Das sagte man hier so.
„Welche?“
Sie hätte sich die Zunge abbeißen können. Es war beschissene Routine, die Frage kam automatisch!
„Moon und Star.“
Was für eine Ironie. In der Nacht waren sie einträchtig beieinander am Himmel zu sehen und hier unten bekriegten sie sich.
„Dein Onkel wartet am Zwinger auf dich, beeil dich Mädchen!“
Während sie sich auf den Weg machte, schaltete sie auf ihren inneren Autopiloten um. Sie durfte das alles nicht so nah an sich heranlassen. Tiere anleinen, als Schutzschild zwischen ihnen laufen und im Pit freilassen. Alles in ihr verkrampfte sich bei dem Gedanken, es wieder zu tun.
Bis zu drei Stunden war sie am Tag hier, manchmal auch länger, aber meistens dauerte das öffentliche Abschlachten nicht länger. Es war das einzig Gute an der Vorbereitung der Hunde, sie waren im Rausch schnell und präzise.
Die beiden Staffordshire-Terrier sprangen auf, als Rolf seiner Nichte wortlos die Zwingertür aufschloss. Sie nahm am Zaun die Leinen vom Harken und näherte sich der rehfarbenen Hündin. Moon fletschte die Zähne, die Kippohren lagen dicht an ihrem Kopf. So offensiv hatte sie Sandra noch nie gedroht, es zerriss ihr das Herz.
Mit schnellem Griff, packte sie die Hündin am Halsband und ließ die Leine zuschnappen. Dann minimierte sie diese in der Länge bis aufs Äußerste, als sie sich dem anderen Hund näherten. Der Rüde war verhältnismäßig ruhig. Im gleichen Moment fuhr die Vorahnung, wen der beiden sie heute nicht mehr hier hin zurückbringen würde, wie ein Fausthieb in ihre Magengrube. Die junge Frau schluckte und setzte sich langsam mit den Tieren in Bewegung. Bis zum Pit in dem kleinen zum Grundstück gehörenden Wäldchen, hielten sie nicht an. Sandra würdigte die Tiere keines Blickes, jeder Augenkontakt konnte gefährlich werden, da die spürbar unter Strom stehenden Hunde es als Provokation verstehen konnten. Egal, wie kurz dieser Moment auch war.
Moon gab hinter ihrem Maulkorb röchelnde Geräusche von sich – er hinderte sie am Hecheln. Ein Indikator dafür, wie nervös die Dreijährige war.
Als der Zaun der Arena in Sicht kam, verkrampfte sich alles in Sandra. Der sichere Tod von einem der beiden stand unmittelbar bevor. Sie wagte nicht auf die Uhr zu sehen, wollte nicht wissen, wie wenig Zeit noch blieb. Gerade in solchen Momenten verging jede Minute so rasend schnell. Immer, wenn sie mit den erwählten Opfern den nächsten Gang zur Schlachtbank antrat.

Simone Tau kramte in ihren Unterlagen.
„Torben, hast du die Unterlagen von Layla gesehen? Die Kleine wird heute vermittelt, dann hat auch unser letztes entsorgtes Findelkätzchen endlich einen neuen Platz. Annkathrin hatte mich gerade angerufen und mir Bescheid gegeben, dass die Interessenten sie heute das dritte und wohl letzte Mal bei ihr auf der Pflegestelle besucht haben.“
„Ihre Akte liegt auf dem Tresen im Eingang, müsstest du eigentlich gesehen haben.“
„Ach weißt du“, sie rückte grinsend ihre Brille zurecht, „ich bin nicht mehr die Jüngste.“

Sandra saß zusammengekauert auf dem Boden zwischen all den Menschen, die grölend am Zaun standen und sich an dem Elend ergötzten. Sie kauerte in der ersten Reihe, sie durfte nachher nicht so lange brauchen, wenn sie den Sieger aus dem Ring holen musste. Es waren fünf mal fünf Meter. Auf dieser Fläche schlugen sich die Geschwister gegenseitig die Zähne ins Fleisch. Seit zwei oder drei Minuten war jedoch die Gegenwehr des Rüden kaum merklich schwächer geworden. Für seine leicht passive Haltung würde er bitter bezahlen. Entweder durch den Biss von Moon oder durch Rolfs Knüppel.
Als der Schiedsrichter zwischen die Hunde ging, um sie zu trennen und das Spektakel zu verlängern, hielt Sandra es nicht länger aus. Wie von selbst stand sie auf und bahnten sich einen Weg durch die Menge, wurde angerempelt und beleidigt. Sie störte die Konzentration der Zuschauer.
„Sandra, bleib hier!“
Ihr Onkel konnte so viel schreien, wie er wollte. So schnell war er eh nicht bei ihr. Taumelnd rannte sie zum Haus und sackte an der Veranda zusammen. Und während sie würgend am Boden saß, fasste sie einen Entschluss. Sie konnte nicht mehr so leben. Sie konnte nicht mehr...

„Vereinter Tierschutz Krefeld, Simone Tau am Apparat?“
„Ich brauche Ihre Hilfe.“
„Wer ist denn da?“
„Das kann ich nicht sagen. Es würde jemanden in Gefahr bringen, der mir sehr viel bedeutet.“
Simone lehnte sich in ihrem Drehstuhl zurück. Die Stimme war auf jeden Fall weiblich.
„Okay. Worum geht es?“
„Mein Onkel veranstaltet seit vier Jahren Hundekämpfe. Er züchtet selber, aktuell sind es vierzig Tiere.“
Es lief ihr kalt den Rücken runter. „Warum haben Sie uns nicht schon früher alarmiert? Wurde Ihnen in irgendeiner Weise gedroht?“
„Ja. Er will den Hund für meine Fehler büßen lassen, den ich vor zwei Jahren mit der Flasche versorgt habe.“
Hass gegen diesen fremden Mann staute sich in Simone an. Wie konnte man so abgebrüht sein? Wie konnte man seiner Nichte so etwas ins Gesicht sagen?
„Das ist nicht nur ein Fall für meine Leute und mich, sondern auch für die Polizei.“
„Nein!“, sie klang erschreckend verzweifelt. „Keine Polizei. Achill ist bei ihm im Haus angeleint und sobald er die Autos hört oder Ihre Leute sieht, wird er ihn töten!“
„Es sei denn, er würde überrascht werden.“
„Bitte gehen Sie kein Risiko ein, er ist unberechenbar. Bitte!“




Der Beginn von Hoffnung

Simone nickte dem Kollegen rechts von sich zu, der sich soeben mit dem Ausdruck eines Routenplans zur Sitzung gesellt hatte.
„Die Angabe der Anruferin trifft zu. Zu dem Grundstück gehört ein Wäldchen.“
„Okay. So verzweifelt wie die Informantin klang, halte ich es nur für richtig, nicht lange zu warten. Wir sollten schnell handeln.“
Totale Stille machte sich im kleinen Sitzungsraum breit.
„Es war von vierzig Hunden die Rede und einer von ihnen ist im Haus des Veranstalters. Er wird unter anderem als Druckmittel für die Nichte des Typen verwendet. Sie sagte, dass er sie mit dem schnell herbeizuführenden Tod des Tiers zur Mithilfe erpresst.“
„Wohnt sie bei ihrem Onkel? Sonst könnte er auch sie sofort zur Rechenschaft ziehen.“
„Ich weiß es nicht. Aber wir müssen selbstverständlich so vorsichtig sein wie es geht. Das Gespräch kann eskalieren oder auch gar nicht erst zustande kommen. Wir müssen es versuchen.“
Elisa räusperte sich. „In Europa und den USA stehen Hundekämpfe unter Haftstrafe ab zwei Jahren oder hoher Geldstrafe. Es ist eigentlich auch ein Fall auf dem Gebiet der Polizei.“
Sandra nickte. „Natürlich. Allerdings halte ich die Panik der Anruferin absolut für echt und ich möchte das Risiko welches sie genannt hat, nicht eingehen. Aus diesem Grund gilt für jeden von uns, dass wir uns zurückziehen und das Grundstück verlassen, wenn es auch nur den leisesten Hinweis auf eine drohende Auseinandersetzung gibt. Der Typ ist bewaffnet.“
„Sandra, das…“
„Ich will nichts mehr davon hören“, unterbrach sie Elisa mit undurchsichtiger Miene. „Ich werde nicht von Grund auf das Leben eines unschuldigen Lebewesens aufs Spiel setzen. Ende der Diskussion.“
„Wie viele hältst du für sinnvoll, die bei der Aktion dabei sein sollen?“ Lena, eine der ältesten Mitarbeiter der Organisation und Simones beste Freundin, meldete sich zu Wort. Sie wirkte nervös.
„Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich es aufgrund eurer Erfahrungswerte für sinnvoll halte, dich, Manfred und Niklas mitzunehmen.“
Die erwähnten Anwesenden nickten schweigend.
„Habt ihr noch Fragen?“
Es blieb still.

„Das ist nicht dein Ernst, oder? Das ist Wahnsinn!“
Sandra antwortete nicht, sie starrte aus dem Fenster. Ihre grünen Augen verfolgten schon seit Minuten das rasche Vorbeigleiten der Regenwolken. Es war alles so unwirklich... Erst als sich eine Träne über ihre angezogenen Knie ergoss, konnte sie die Realität wieder greifen.
„Hey“, Lucy kniete sich neben sie aufs Bett und legte einen Arm um sie. „Scht, es war nicht so gemeint. Es ist bloß die Angst davor, was passieren könnte, weißt du?“
„Lu, es geht mir nicht anders als dir. Mein Onkel darf es niemals erfahren. Ansonsten verliert Achill sein Leben.“ Sie schluckte hörbar. „Und wer weiß, wie viele noch.“
„Ich hoffe, dass es was gebracht hat. Vielleicht schaffen es diese Leute, die Hölle endlich zu beenden.“


© MajaBerg


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