Auf Jahre hinaus stand ihr Menüplan fest. Wenn sie Besuch hatte, sagte sie: "Wenn ihr am 14. Juli kommt, gibt es Sauerbraten, wenn ihr am 4. September kommt, gibt es Kalbshaxen." Und wenn die Gäste sagten, dass sie kein Gehirn und Innereien vertragen würden, sagte sie: "Dann müssen wir einen anderen Termin finden, mein Menüplan steht bis an mein Lebensende fest." Sie hatte sogar französischen Weichkäse importieren lassen, für jeden Tag eine andere Sorte. Und als ihr Geld knapp wurde, sass sie in der Küche, schaute den Menüplan an und dachte: Heute hätte es noch Caramelköpfli gegeben. Und wenn sie das Wort Tiramisu las, kamen ihr regelmässig die Tränen in die Augen. Sie hatte den Menüplan sogar über ihren Tod hinaus aufgestellt.

Als sie im Alter von 85 Jahren im Sterben lag, sagte sie einer Krankenschwester: "Ich freue mich, nächsten März wieder einen Schweinsfuss essen zu können." Und als sie dann tot war, stand auf ihrem Grabstein: Heute hätte es Schlachtplatte gegeben.


© René Oberholzer


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