Man stelle sich vor, ich habe etwas im Arbeitszimmer, um das mich keiner beneidet. Aber es ist in Not! Es möchte ebenso leben wie ich, oder Hinz, oder Kunz. Ich aber trachte ihm danach, nach dem Leben! Ich Schwein!

Seit einiger Zeit habe ich Atemnot. Ich wusste nicht woher sie kam, dann entdeckte ich ihn! Er hatte sich gleich an zwei Wänden, hinter einem Bücherschrank und hinter meinem Schreibtisch verkrochen.

Ganze Schimmelfamilien hausten dort, schüchtern vor sich hin. Sie waren anscheinend die einzigen, die sich retten konnten, denn im ganzen übrigen Haus hatte man den Schimmel bereits beseitigt.

Und was mache ich – habe ich etwa Mitleid?! Nein, ich verfolge die hässliche Population und rücke ihr, auch noch bewaffnet, zu Leibe: Mit Chemikalien, mit Pinsel und Farbe! Aber was ein richtiger Schimmel ist, das ist zäh!

Ich streiche also drüber – mir blutet das Herz! Diese wundervolle Konstruktion aus (trotz dem Namen „Schimmel“) sehr dunklen Kreisen und Flecken, wird jetzt einfach brachial überdeckt. M-e-i-n G-o-t-t!

Ich habe mich an der Schöpfung vergangen! Dann aber bin ich 2 Tage lang froh, daß ich wieder frei atmen kann. Nur manchmal denke ich noch an den besiegten Feind…dann taucht er wieder auf!

Stärker als alle meine angewendeten Mittel ist er. Er frisst sich durch die Farbschicht, erst schwefelgelb, dann bräunlich, dann fast schwarz! Erneut muss ich die Möbel beiseite rücken!

Ich beginne noch einmal mit der leidigen Prozedur, begreifend, daß nichts im Leben für immer gilt – auch kein Sieg. Stets muss der Schädling neu bekämpft werden, bevor er die Macht über mich übernimmt.

Diesmal dauert es eine volle Woche, die ich lächelnd betrachtend, immer noch mit einem Schuss Wehmut behaftet, meinen Blick in die Schimmelecken werfen kann, ohne etwas Schwarzes darin zu entdecken. Ich bin nahe daran zu triumphieren!

Dann passiert es erneut: Der Schimmel bricht durch! Die Kraft der Natur ist unbeschreiblich! Gleichzeitig befällt mich so etwas wie Respekt und auch Mitleid mit den armen Schimmelkulturen. Ich gebe mich geschlagen!

Zufrieden lege ich meine Hände in den Schoß und fange an zu frohlocken. Es ist, als könne man, von Stunde zu Stunde, mit verfolgen wie der Befall stärker und stärker wird. Ich klatsche Beifall, streichle ihn sanft und beschließe rücksichtsvoll zu ersticken!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der arme Schimmel"

Re: Der arme Schimmel

Autor: axel c. englert   Datum: 16.01.2016 19:45 Uhr

Kommentar: Der Schimmel hat ja doch Kultur!
(Eventuell gar Abitur...)

LG Axel

Re: Der arme Schimmel

Autor: possum   Datum: 18.01.2016 1:46 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
auch Schimmel manches mal gar schmeckt,
hält er geschickt sich fein versteckt ...

Danke für deine Zeilen! Liebe Grüße!

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