Teil 1, Das Wiedersehen

Völlig erschöpft und ein wenig zittrig trat Mona aus dem Gebäude, ins Freie. Draußen war es eiskalt. Es war kurz vor Weihnachten und trotzdem war es ihr unerträglich heiß. Das Vorstellungsgespräch war gut gelaufen, soweit sie das beurteilen konnte. Es musste einfach gut gelaufen sein, so vieles hing davon ab. Sie strich sich eine braue Haarsträhne aus dem Gesicht und atmete tief durch. Die Luft war klar und schneidend kalt. Wie gut das tat, nach dem stickigen Büro, indem sie gesessen hatte. Die Temperatur war niedrig genug, sodass es hätte schneien könnte. Doch am Himmel war keine einzige Wolke zu sehen. Nach dem die Angespanntheit etwas von ihr abfiel, merkte sie erst wie erschöpft sie wirklich war. Die letzten Monate waren, alles andere als, einfach gewesen. Rückblickend fragte sie sich wie sie das alles nur bis jetzt geschafft hatte. Sie brauchte einen Kaffee. Wenigstens das konnte sie sich jetzt gönnen. Im Moment hatte sie alles getan, was sie hätte tun können. Die Straße herunter gab es ein kleines gemütliches Cafe.

Als sie eintrat war das Cafe, bis auf die Angestellte hinter der Theke, komplett leer. Das kam Mona sehr gelegen. So hatte sie etwas Zeit, um in Ruhe nachzudenken. Sie bestellten sich einen Latte Macchiato und überlegte kurz ob sie noch einen Blaubeer Muffin dazu nehmen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Sie wusste sie würde jetzt nichts runter bekommen. Sie setze sich in eine kleine Nische, ans Fenster. Als sie an dem Getränk nippte wurde ihr bewusst wie lange sie sich nicht mehr die Zeit für so einen Moment genommen hatte. Dabei war sie durch und durch eine Genießerin, liebte nichts mehr als die ruhigen Augenblicke, als Ausgleich zu ihrer Arbeit. Doch dafür hatte sie, momentan, wirklich, keine Zeit. Sie sah nachdenklich aus dem Fenster, doch schon bald nahm sie nichts mehr wirklich wahr und verlor sich in ihrem vertrauten Gedankenkreisen. Wie so oft überlegte sie ob sie sich nicht den falschen Beruf ausgesucht hatte. Keine Frage sie liebte das was sie tat, doch der Beruf der Ozeanographin war sehr selten. Es gab nicht sehr viele Jobs auf dem Markt und oft fehlte es an den Geldern, um diese Stelle zu besetzen. Aus diesem Grund, hatte sie auch ihren letzten Job verloren. Drei Jahre war sie auf dem Meer unterwegs gewesen. Hatte den rauen Atlantik durchquert. Ein trauriges lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Nie hätte sie gedacht, dass ihr das einmal so fehlen würde.

Die Tür des Cafe`s öffnete sich und das leise knarrende Geräusch holte sie in die Wirklichkeit zurück. Sie hob den Kopf und konnte nicht glauben was sie sah. War er das wirklich? Sie musterte den Mann, der gerade das Cafe betreten hatte, genau. Schlank, groß, dunkles, fast schwarzes Haar, dass obwohl es so kurz war, sich anscheinenden nicht bändigen lassen wollte. Als ob er ihren Blick gespürt hätte, drehte er sich plötzlich um und sah sich im Cafe um. Sobald sie sein Gesicht sah, war sie sich sicher. Er war es. Seine Augen weiten sich, als er sie seinerseits erkannte. Eine Weile stand er völlig verwundert da und betrachtete sie. Nick. Sie hatten zusammen, Geowissenschaft, mit dem Schwerpunkt Ozeanographie, in Hamburg studiert. In der Zeit waren sie beinahe unzertrennlich gewesen. Doch nach dem Studium hatten sich beide aus den Augen verloren. Sobald er seinen Kaffee bestellt hatte, setzte er sich zu ihr. „Mona“. Er lächelte, doch es wirkte angestrengt. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, war blass und sein Gesicht wirkte leicht eingefallen. „Es ist schön dich zu sehen“. Seine Stimme hatte sich nicht verändert. Sie war leise und tief, genau wie Mona sie in Erinnerung hatte. Sie war sprachlos. Nach all dem was passiert war, saßen sie sich plötzlich einfach so gegenüber. Für einige Zeit schwiegen sie und sahen sich nur an. Wie sehr er sich seit damals verändert hat, dachte Mona. Er war so unbefangen gewesen. Hatte eine Leichtigkeit an sich gehabt, die ansteckend gewesen war. Davon war nicht mehr viel übrig geblieben. Er wirkte plötzlich kontrolliert und reserviert. „Du siehst verändert aus“. Stellte er seinerseits fest. Es lag keine Wertung in seinen Worten. Höflich wie immer, dachte sie. Wahrscheinlich sah sie völlig fertig aus. „Aber immer noch wunderschön“, fügte er lächelnd hinzu. Diesmal erreichte sein Lächeln jede Faser seines Gesichts. Mona wusste das es kein Flirten war. Nick war schon immer so gewesen. In der Uni wurden sie schnell gute Freude, doch mehr war es nie geworden. Das war gut gewesen, denn einen guten Freud hatte sie vielmehr gebraucht als einen Liebhaber. Plötzlich spürte sie wie viel es ihr bedeutete, dass er da war. Vielleicht sollte er das auch wissen. „Es ist gut dich zu sehen Nick“. Sprach sie jetzt endlich auch aus. Er lachte. „Meine Mona und das nach all der Zeit, du musst mir unbedingt erzählen was du alles erlebt hast“.
Er sah konzentriert auf seine Uhr, schien kurz zu überlegen.
„Ja ein wenig Zeit habe ich. Also“?

Mona runzelte die Stirn. Wie sollte sie all das erlebte nur zusammen fassen. Es war viel passiert, sowohl gutes als auch schlechtes. Wollte sie ihm wirklich alles erzählen. Sie entschied ihm von den letzen drei Jahren Forschungszeit auf dem Meer zu berichten, denn sie wollte jetzt nicht an all das traurige, schwierige, denken. Sie spürte ihre Begeisterung als sie ihm von ihrem aufregenden Job berichtete. Sie war biologische Ozeanographin gewesen und hatte die Auswirkungen, der Umweltveränderungen, auf die Meerestiere erforscht. Nicks Augen begannen zu leuchten, er trug scheinbar immer noch die gleiche Begeisterung in sich wie sie. Als sie ihren Bericht, den sie so weit wie möglich zusammen gefasst hatte, beendet hatte, sah er beeindruckt aus. „Das klingt wirklich spannend, wieso hast du aufgehört und was verschlägt dich jetzt nach Hamburg“? Mona wollte gerade zu einer Antwort ansetzen als sein Handy klingelte. „Entschuldigung“. Sein Gesicht nahm einen Ausdruck an, den sie nicht an ihm kannte. Sorgevoll vielleicht. Sie konnte es nicht so recht einordnen.
„Hallo mein Schatz. Ja ich weiß, das hab ich nicht vergessen, wir sehen uns dann gleich, ja. Bis dann“. Er legte lächelnd auf.
„Meine Tochter“, sagte er obwohl Mona gar nicht gefragt hatte. Wie stolz er klang.
„Du hast eine Tochter“? Fragte Mona überrascht.
„Eigentlich zwei“.
„Wow…“ Beinahe hätte es Mona die Sprache verschlagen. Damit hatte sie nicht gerechnet.
„Wie alt sind sie“?
„Zwei und Drei“.
„Dann bist du jetzt also verheiratete ja“?
Er runzelte die Stirn und ein dunkler Schatten fiel über sein Gesicht.
„Nein wir haben uns scheiden lassen“.
„Oh das tut mir leid“.
„Muss es nicht, es war die richtig Entscheidung“.
Er sah noch einmal auf seine Uhr. „Ich muss los“. Er leerte seine Kaffeetasse mit einem Zug.
„Gibst du mir deine Nummer“? Fragte er.
„Ich möchte dich nicht noch einmal für so lange Zeit verlieren“. Er lächelte verschmitzt. Ja das war ganz der alte Nick, den sie kannte.
Natürlich gab Mona ihm ihre Nummer. Zum Abschied umarmten sie sich kurz.
„Also bis bald“. Sie stellte es fast mehr als Frage.
„Ja bis bald“. Bestätigte er.

Mona sah aus dem Fenster, beobachtete wie er mit langen Schritten der Straße folgte. Der Himmel war jetzt grau und bewölkt. Ein paar Schneeflocken fielen lautlos zu Boden und blieben dort liegen. Es fing also tatsächlich noch an zu schneien. Vielleicht würden sie ja weiße Weihnachten haben. Sie spürte wieder ein wenig Hoffnung in sich.


© Johanna Gramüsch


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Beschreibung des Autors zu "Teil 1, Das Wiedersehen"

Der erste Teil einer etwas längeren Geschichte.

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Kommentare zu "Teil 1, Das Wiedersehen"

Re: Teil 1, Das Wiedersehen

Autor: Uwe   Datum: 27.01.2015 22:25 Uhr

Kommentar: Schwarzes Elephantenkind, gescheite Geschichte, gut erzählt!
(Dass du siehst, sie wird aufmerksam gelesen -
an dem Satz: "Natürlich gab Mona ihm seine Nummer" ist ein Wort falsch!)

Re: Teil 1, Das Wiedersehen

Autor: axel c. englert   Datum: 28.01.2015 2:40 Uhr

Kommentar: Uwe hat Recht – IHRE Nummer müsst’ es heißen -
Und schneidenD kalt würd’ korrekt sich erweisen…
(Wir sind die Alten aus der Muppet – Schau:
Leicht pedantisch, kritisch, bauernschlau….)
Die Geschichte ich genauso seh’ –
Gut gelungen! – (Pfeif auf „D“..)…

LG Axel

Re: Teil 1, Das Wiedersehen

Autor: BlackElephant   Datum: 28.01.2015 6:07 Uhr

Kommentar: Danke euch. :) Ich freu mich immer über Kritik, habe es jetzt ausgebessert.

Re: Teil 1, Das Wiedersehen

Autor: Ralf Risse   Datum: 28.01.2015 16:38 Uhr

Kommentar: Das macht neugierig auf mehr, BlackElephant. Habe auch noch ein Haar in der sonst gelungenen Suppe gefunden: in der neunten Zeile hat sich ein "s" zum "das" geschlichen ;-).

LG Ralf

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