Guten Tag, ich bin ein Hund!

Wenn ich vor einer Situation stehe, dann schaut die Natur im Buch meiner Gene nach und empfiehlt mir eine Reaktion. Bellen zum Beispiel!

Ich habe gehört, daß bei anderen Tieren auch etwas anderes im Genbuch steht und ihnen deshalb andere Reaktionen empfohlen werden. Bei einem Elefanten wäre das, in einem vergleichbaren Fall, trompeten. Bei einem Löwen brüllen.

Bei Fressen sind ebenfalls unterschiedliche Vorgehensweisen vorgeschlagen – zwingend vorgeschlagen! Der eine kriegt Heu, der andere Fleisch!

Im persönlichen Genbuch steht der gesamte Entwicklungsweg verzeichnet. So ist es auch bei Pflanzen, aber dort, so sagte man mir, seien die Vorschläge einfacher und die Reaktionen langsamer.

Bei Insekten sieht die Sache wieder ganz anders aus. Ihr Genbuch enthält erstaunlich viele Reaktionen und sehr viele Überlebensmöglichkeiten. Sie sind jedoch grausam, nicht wie wir Säugetiere (eher spielerisch), sondern absolut konsequent. Sie rotten Konkurrenten aus wo sie können.

Nun, was drin steht, steht eben drin! Ich, zum Beispiel, kann nicht wie ein Vogel zwitschern, vom Fliegen einmal ganz abgesehen. Ich kann keine Blumen bestäuben und keine Eier legen. Ich habe sogar, im Gegensatz zu meinem Vorfahr, dem Wolf, eine Notiz in den Genen, die „Gehorchen“ lautet. Das wurde uns Hunden in vielen Generationen antrainiert.

Ich bin jedoch nicht das einzige Geschöpf das einen derartigen Eintrag im Genbuch besitzt. Es gibt da noch eines, das mir, in dieser Hinsicht, sehr ähnlich ist. Es ist nicht der Marder, es ist nicht die Katze – auch nicht, wenn sie in ihrem Namen den Zusatz „Haus“ führt. Nein, es ist, überraschenderweise: der Mensch!

Er reagiert, wie ich, hauptsächlich aus seinem Erbgedächtnis und aus seiner Erziehung heraus und, ja – er hat das gleiche Manko wie ich: er kann zumeist nur das Erlernte nach denken!

Dabei bezeichnet er sich selbst als „Sapiens“. Manche von ihnen, den Menschen, können sogar erfinden, dichten, malen, philosophieren. Diese regieren aber nicht, weil sie gar keine Zeit zum Gehorchen oder Gehorchen-lassen mehr haben. Und wenn, dann würden sie von ihren Artgenossen „anständig“ verbellt werden.

Dabei haben die meisten Menschen geheimnisvolle Anlagen, die sie viel zu oft ungenutzt lassen. Sie können ausgezeichnet mit- oder nachempfinden! Sie können „lieben“. So heißt das wenigstens bei ihnen. Wir schnuppern ja nur an unseren Genitalien herum. Damit lassen sie es nicht bewenden. Sie verlieren sich, außer in Hingebung, in ausgelassenen und fantasievollen Spielen.

Wichtig ist auch, finde ich, daß sie „betrachten“ können. Ich weiß zwar nicht genau was das ist, mein Instinkt sagt mir aber, daß es einen voll bewussten und dabei wahrscheinlich leicht melancholischen Zustand bedeutet. Immer, wenn ein Mensch einen solchen Zustand erfährt, hat er vermutlich Zugang zur universellen Weisheit…innerhalb seiner Möglichkeiten. Ich habe das natürlich auch, nur wesentlich einfacher.

Man müsste also doch meinen, so sehe ich es wenigstens aus meiner Hundeperspektive, daß, egal was im Genbuch der Menschen steht, immer das freie Denken, die freie Entscheidung, im Vordergrund steht und nicht irgendwelche instinktive Vorgaben, wie Machtstreben oder Geschäftssinn. Das würde sich doch bei Spinnen oder Elstern viel besser machen.

Ich bin, muss ich zugeben, schon bisweilen sehr verwirrt, daß der Mensch diese, seine erweiterten Fähigkeiten, nicht sinnvoll addieren kann/will und es den Primitiveren seiner Spezies überlässt, über die Zukunft aller zu entscheiden..

Gut, daß ich nur ein Hund bin!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Hundeleben"

Re: Hundeleben

Autor: noé   Datum: 19.05.2014 4:46 Uhr

Kommentar: Hier hast Du mal auf simple und wirklich jedem nachvollziehbare Weise dargebracht, was ansonsten Dein Haupt-Anliegen in den meisten Deiner Gedichte ist. Ob's wirkt?
BiSi noé
Wie war das mit der Nachtstunde - ach nein, das war ja die Morgenstunde, die mit dem Edelmetall...

Re: Hundeleben

Autor: Alf Glocker   Datum: 19.05.2014 11:08 Uhr

Kommentar: Edelmetall?

Re: Hundeleben

Autor: noé   Datum: 19.05.2014 11:12 Uhr

Kommentar: Morgenstund' hat Gold im Mund...
BiSi

Re: Hundeleben

Autor: Ree   Datum: 19.05.2014 12:25 Uhr

Kommentar: "Wichtig ist auch, finde ich, daß sie „betrachten“ können. Ich weiß zwar nicht genau was das ist, mein Instinkt sagt mir aber, daß es einen voll bewussten und dabei wahrscheinlich leicht melancholischen Zustand bedeutet .."

Ja! :) Und während wir die Schöpfung so betrachtend empfangen, kann SIE sich selbst in UNS betrachten, - wie in einem besonderem Spiegel, den ihr nur der Mensch anbieten kann. Er kann sie sogar auf verschiedene Weise dabei benennen und mit ihr kreativ und bewusst experimentieren, wodurch SIE sich immer wieder neu betrachten/erkennen kann..

Es ist spannend und manchmal denke ich, dass dies der grundlegende Sinn unserer menschlichen Existenz ist, Alf.

L.G. Ree

Re: Hundeleben

Autor: Alf Glocker   Datum: 20.05.2014 7:38 Uhr

Kommentar: Ree, Du bist philosophisch - und auf dem richtigen Weg (meine zumindest ich). Kompliment!

Noé - ja, die gute Morgenstund...ich hatte glaub ich Blei in den Gliedern.

LG LG Alf

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