"Stromausfall"


„Geh in dein Zimmer spielen!“, sagte Mama wieder zu mir. Wie oft hörte ich diese Worte.

Ich hatte in meinem Zimmer einen alten Schrank, den Mama und Papa aus einem großen Geschäft abgeholt haben. Wir brauchten dafür nichts bezahlen weil wir nicht viel Geld haben.

Ein kleiner Tisch, den Opa einst in seiner Gartenlaube hatte. Mama sagte immer: „Für das Kind reicht er“

Ein kleiner Karton mit buntem Spielzeug schmückte mein Zimmer farbig. Das bekam ich ab und zu mal, wenn Papa irgendwo Sperrmüll stehen sah. Denn zu feierlichen Anlässen wie Ostern, Geburtstag oder Weihnachten brachten mir Oma und Opa Kleidung mit. Denn für so etwas hatten Mama und Papa kein Geld. Ich hörte ja oft wenn Mama sagte : „Du, der Tabak ist fast alle wir haben kaum noch Geld für diesen Monat". Mama sah dann traurig aus. Ich war ihr nicht böse, dass sie dann keine neuen Schuhe oder einen sauberen Pulli für mich kaufen konnte. Ich hatte meine Eltern doch lieb...

Papa lag wie immer auf der Couch und schaltete durch die Programme. Das macht er immer.

Morgens gab Papa mir immer ein süßes Brötchen. Das war verpackt in lieblich, knisternder Folie. Dann sagte er „Komm Flo wir gehen ins Wohnzimmer". Meist vergaß er mir meinen Kakao, den ich so gerne trank zu geben. Ein wenig traurig war ich schon. Ich wollte Papa aber nicht ärgern und sagte nichts. Ich hatte Papa doch lieb...Mama saß vor dem PC und schrieb mit anderen Leuten. Sie sagte immer, es sei wichtig. Oft lachte sie den Bildschirm an. Sie hatte immer so eine Freude. Ja so war das. Wenn Papa morgens den TV anschaltete, ging Mama an den PC. Oder sie saß noch dort, weil sie viel zu tun hatte über Nacht. Ich störte sie nicht und war leise. Ich hatte Mama doch lieb... Ich freue mich immer, wenn ich mit Mama zum Einkaufen raus kann.

Das machen wir ein Mal in der Woche. Ich freute mich so sehr. Denn dabei bekam ich meistens eine frische Scheibe von der leckeren Kinderwurst. Die holte Mama mir nicht. Sie sagte immer : „Florian zu viel Calzium ist nicht gut. Das bekommst du auch so von uns" Ja Mama hatte mich lieb. Denn sie achtete immer auf meine Gesundheit. Obst kaufte sie nicht denn alles Obst ist gespritzt. Ab und zu kaufte sie Obst was in der Dose war. Da sagte sie es sei gesund.

Ich freute mich auf den Tag des Einkaufs...

Die Straße, die Autos, Leute mit Hunden, Kinder. . . All dies sehe ich so selten.

Ich beneide die Kinder auf den Spielplätzen. Aber Mama hat mich so sehr lieb und achtet auch da wieder auf meine Gesundheit. Ja glaubt ihr es nicht? Fragt meine Mama, denn die sagt immer : „Florian, Spielplätze sind dreckig und gefährlich. Dort machen Hunde hin. Ein Spielplatz ist nichts für dich.

Im Kindergarten fragen die Gruppenleiter immer vor den Ferien : „Und wo fahrt ihr in den Ferien hin?“

Da muss ich vorher immer zur Toilette. Ich habe so ein Gefühl in mir, was mir Unbehagen bringt. Denn ich möchte keine Antwort da drauf geben. Denn als ich mal sagte : „ Mama hat gesagt, wir machen Urlaub auf Balkonien“, lachten welche. Ich glaube, das war kein guter Urlaubsort... Aber Mama hat das so gesagt und wenn die es doch sagt, dann ist es doch was schönes. Ich habe Mama doch lieb...

Wenn ich dann von der Toilette wiederkomme, spricht niemand mehr davon.

Es war ein Tag wie jeder Andere . Papa auf der Couch auf den Fernseher starrend und Mama vor dem Computer. Sie sprechen nie viel. Denn Papa sagt immer : Psssssst RUHE! Und Mama immer : Jetzt nicht. Sie mögen sich sehr. Denn jeder ist dann leise. Ich glaube sie haben sich doll lieb... Mit einem Mal wurde es ruhig. So ruhig, wie ich es bei uns nicht kenne.

Nervös lief meine Mama rum. In den Flur zum Stromkasten sie sagte immer „das gibt es doch nicht! Sie fürchtete sich scheinbar. Papa saß wild schimpfend auf der Couch weil er bei Barbara Salesch den Täter suchte. Er schimpfte immer doller. Scheinbar ist der Täter mit einem Mal verschwunden.

Dann öffnete ich meine Zimmertüre und hatte mein Feuerwehrauto in der Hand, das womit ich so gerne spiele. Ich habe ja nur dieses eine Auto. Das bekam ich von Mama, als wir auf dem Trödelmarkt waren. Da musste ich mit hin, weil Mama an dem Tag was für den PC brauchte. Mir ging es an dem Tag so schlecht. Denn die ganze Nacht hatte ich gebrochen. Aber Mama hatte mich so lieb, dass sie sagte „Florian du musst mit. Papa´s Freunde kommen gleich auf ein Bierchen“. Sie wollte bestimmt nicht, dass Papas Freunde mich stören beim Krank sein. Weil ich so weinte und mich kaum auf den Beinen halten konnte, sagte sie mir : „ Du bekommst auch ein kleines Spielzeug“ ja sie musste mich sehr lieb haben.

Ich hörte wie meine Eltern sich anschimpften... Ich hörte Bruchteile : „Was sollen wir jetzt tun?"


Ich ging in mein Zimmer und schaute aus dem Fenster.

Alles in unserer Gegend war dunkel. Nirgends Beleuchtung. Die Kinder auf dem Spielplatz merkten es gar nicht.Ich merkte es auch nicht, für mich änderte sich nichts, ich hatte ja mein Spielzeugauto.

Auf einmal rief Mama : „ Florian komm mal bitte her“ . Sie war so freundlich, sie rief MICH? „ Komm der Papa und ich möchten ein Gesellschaftsspiel mit dir spielen!“, sagte sie und lächelte.

Mein Gott was müssen meine Eltern mich lieb haben. Lieber Gott dafür danke ich dir!


Mama und Papa sprachen auf einmal miteinander…Wir spielten alle zusammen. Wie schön kann Stromausfall sein.

Das wünsche ich mir öfter. Dann reden wir ganz viel und haben Spaß. Nach kurzer Zeit wurde es hell. Sehr hell. Alles war auf einmal an. Das Licht, der Fernseher, das Radio bei Mama am PC sang auch wieder fröhlich. Mama sagte : „ Oh dann kann ich ja jetzt weitermachen“ und ging vom Tisch weg. Papa war böse und murmelte : „Jetzt hab ich den Rest verpasst so ein Mist!“ Ich hatte Mama und Papa doch lieb. Sie hatten wieder viel zu tun. Mama sagte noch zu mir :“Florian räum du das Spiel wieder ein sei bitte so lieb“ Das tat ich. Mama gab mir ja die Aufgabe. Danach ging ich leise in mein Zimmer, nahm meinen Teddy und setzte mich ans Fenster. Das kleine Mädchen von gegenüber hatte mir zugewunken und rannte in die Richtung vom Spielplatz. Ihre Mama ging hinter ihr her. Ihre Mama weiß gar nicht, was sie ihr da antut. Denn der Spielplatz ist nicht gut.


Darum bin ich immer in meinem Zimmer denn Mama hat MICH ja lieb und passt auf.


© Marie Claire Chargallet


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Beschreibung des Autors zu "Stromausfall"

... eigentlich gibt es da nicht viel an Beschreibung...

Sondern einfach nur: Wie viele Leben so ?

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