Das laufende Mädchen


Es war einmal vor langer Zeit ein Mädchen, das hinter sieben Bergen, an einem verschneiten Ort lebte, der voller trauriger und verzweifelter Menschen war. Das Mädchen lebte nicht freiwillig dort, denn sie musste ihre Heimat verlassen und weit, weit wegziehen.
Das Mädchen war oft traurig und weinte, aber sie wusste selbst nicht wieso und warum. Ihr Haus stand in einer üblen Gegend, die von albanischen Kobolden und alkoholisierten Hobbits bevölkert wurde. Ab und zu da wagte sich das Mädchen nach draußen, um ein wenig zu laufen. Sie rannte und rannte, bis sie nicht mehr konnte. Tränen kullerten über ihre rubinroten Wangen, die in ihrem blassen Gesicht wie zwei rote Blumen auf einem schneebedeckten Feld blühten. Sie lief nur nachts oder früh am Morgen, wenn die Gassen und Plätze noch nicht von den übel riechenden, goldkettentragenden, Bier saufenden Trollen und Hobbits befallen waren. An ihren Füßen hatte sie zwei zerlumpte Fetzen, die bei Regen nicht dichthielten und im Winter nur wenig Wärme spendeten.
Lesen war ihre große Leidenschaft. Sie las Abenteuerromane, Liebesgeschichten, Krimis, Fantasybücher und alles, was ihr auch sonst in die Finger kam. Sie schrieb auch sehr viel und ließ in ihren Geschichten gar wundersame Dinge geschehen. Ihre Helden waren groß und stark, sie retteten verzweifelte Prinzessinnen aus verrauchten Tanzhäusern und brachten sie auf ihre traumhaften Schlösser, wo sie sie sicher in den Schlaf wiegten.
Aber das Mädchen schrieb nicht nur über heldenhafte Prinzen und zauberhafte Schlösser, sie schrieb auch ihre eigene Geschichte auf. Unzählige Seiten füllte sie mit einer traurigen Geschichte, die niemand, außer das Leben selbst hätte schreiben können. Ihre böse Mutter, die sie oft in den Keller sperrte und ihr gemeiner Stiefvater, der sie quälte und schlug, wurden auf den tausenden Seiten ihres Lebens beschrieben.
Das Mädchen musste fliehen, um den unmenschlichen Fängen seiner Erziehungsberechtigten zu entkommen. Und eines Nachts entschied sie sich zu gehen. Sie ging und ließ alles hinter sich zurück. Vielleicht weinte sie deswegen so oft bittere Tränen.

Eines Morgens schnürte das Mädchen, wie so oft zuvor, ihr löchriges Schuhwerk um laufen zu gehen. Es regnete mal wieder in Strömen und der Morgen umarmte sie mit einem eisigen Windstoß, der sie zusammenzucken ließ. Aber trotz des schlechten Wetters lief das Mädchen los. Nach einer Weile machte ihr der Regen nichts mehr aus. Sie lief und war glücklich, sie fühlte sich frei und leicht wie der Mann vom Mond, der ihr immer zuschaute, so glaubte sie es zumindest.
Doch plötzlich sah sie etwas vor sich. Eine Gruppe bestehend aus drei betrunkenen Trollen versperrte ihr den Weg. Sie johlten und lachten und als sie das Mädchen sahen fingen sie an ihr zu zurufen.
„Hey Kleines, na wie geht’s denn so? So allein unterwegs?“
„Komm Süße, ich rubble dich trocken.“
Bedrohlich umkreisten sie das Mädchen und kamen ihr immer näher. Nur noch wenige Schritte trennten die Trolle von ihr.
„Hab doch keine Angst, ich bin auch ganz lieb zu dir“, spottete einer der Trolle mit einem fiesen Lachen auf seiner vernarbten Visage. Seine Goldkette glänzte im Regen und er stankt unerträglich nach Alkohol. Das Mädchen wich immer weiter zurück aber eine Hauswand versperrte ihr den weiteren Fluchtweg. Sie hatte schreckliche Angst. Sie fühlte sich allein und verlassen. Was sollte sie jetzt tun? Wo war der Prinz, der sie retten konnte, wo war das Happy End, wie sie es so oft in ihren Geschichten gezaubert hatte?
Wut stieg in ihr auf, sie hatte genug von ihrem Leid, sie hatte genug vom Weglaufen. Mutig richtete sie sich auf. Tränen liefen über ihr Gesicht. Mit einem lauten Schrei machte sie einen Satz nach vorne und trat dem Troll mit voller Wucht in sein Gemächt. Schmerzverkrümmt fiel dieser zu Boden und wand sich wie ein Wurm. Die anderen Trolle stürzten sich auf sie aber sie sprang zur Seite und lief los. Sie rannte und rannte, ohne sich umzuschauen. Schon bald waren die Trolle nicht mehr zu sehen und das Mädchen lief zu sich nach Hause.
Von diesem Tag an hatte sie keine Angst mehr. Sie entschloss sich ihr Leben so zu nehmen, wie es ihr gegeben wurde und das Beste daraus zu machen. Sie nahm sich Ziele vor, die sie allesamt erreichte und sie machte immer weiter. Ihre Bücher wurden erfolgreich und sie gelang zu Ruhm und großen Ehren. Millionen kleiner Mädchen lasen ihre Romane und wollten so sein wie sie.
Eines Tages traf sie ihren Traumprinzen und sie lebten seit diesem Tag an glücklich zusammen.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute und schreiben viele spannende Geschichten.
Vielleicht ist dies hier eine davon, wer weiß?


© koollook


1 Lesern gefällt dieser Text.


Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Das laufende Mädchen"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Das laufende Mädchen"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.