Fin und der Zauberer

Es war einmal ein kleiner Junge, der wohnte mit seinen ganz normalen Eltern, in einem ganz normalen Haus, in einer ganz normalen Stadt, in einem ganz normalen Land, in ei….ach lassen wir das jetzt, sonst fängt die Geschichte ja nie an.
In seiner Heimatstadt war alles genauso wie in jeder anderen Stadt . Autos verstopften die Straßen, Ampeln regelten den Verkehr, Busse und Bahnen fuhren und die Kinder gingen zur Schule,denn sie wollten ja etwas lernen um sich auf das Erwachsenenalter vorzubereiten. Wer wollte nämlich groß und dumm sein , Du etwa? Hier sind wir auch schon bei unserem Problem angekommen. Unser kleiner Junge, nennen wir ihn Fin, wollte nicht groß werden und er wollte auch nicht zur Schule gehen. Inzwischen war er sieben Jahre alt und sollte eigentlich seit einem Jahr Schulkind sein. Aber irgendwie hatte er es geschafft seit seinem vierten Lebensjahr nicht mehr zu wachsen. Das war erstaunlich denn jeder weiß das man sein eigenes Wachstum nicht beeinflussen kann. Er konnte… und hatte es damit zumindest für eine Weile geschafft nicht eingeschult zu werden. Alle seine gleichaltrigen Freunde gingen zur Schule und waren schon ein gutes Stück größer als er. Sie kannten schon die ersten Buchstaben und Wörter, konnten schon addieren und subtrahieren und auch malen. Stolz trugen sie ihre Schulranzen. Nur Fin sagte:,, Das brauch ich alles nicht, mir geht es gut auch ohne suddieren und abtrahieren. Ich bin viel schlauer als die anderen. Spielen und schlafen ist besser. Ich werde ein Kind bleiben und die Großen werden immer alles für mich machen.” Das aber hatte ein Zauberer gehört, der in Gestalt eines Raben an Fins geöffnetem Fenster vorbeiflog. Er kam im Bogen zurück, setzte sich auf das Fensterbrett und sah und hörte Fin eine Weile zu. Dann räusperte er sich:,, Hä.mhm,
Mmhm…Hallo?”
Fin drehte sich um und sah den Raben auf dem Fensterbrett sitzen. ,, Warst Du das eben?”, fragte er und runzelte die Stirn. ,,Ich geh zwar nicht zur Schule aber ich weiß das Vögel nicht reden können.”
Da grummelte es ein wenig und aus der Richtung des Raben kam Rauch hereingezogen und im Rauch verwandelte sich der Rabe in einen,na sagen wir, Menschen, weit vorgerückten Alters.
Ich muss ja vorsichtig schreiben, vielleicht liest der Zauberer das hier ja eines Tages und ist dann beleidigt. Man weiß ja wie gefährlich beleidigte Zauberer sind, oder?
Als der Rauch gänzlich verflogen war, sprach der Zauberer:,,Entschuldige bitte den Gestank aber so ist das immer wenn sich Rabenfedern auflösen… Ja ich war das und es gibt doch Vögel die Reden können. Was ist denn mit den Papageien?”
,, Ach die” , sagte Fin. ,, Die zählen nicht, die quatschen doch nur alles nach.” Der Zauberer lächelte und saugte an seiner Pfeife die er soeben aus seinem Ohr heraus gezaubert hatte
,,Darf ich mich vorstellen? “ fragte er und wartete Fins Antwort gar nicht ab. Er hielt ihm die Hand hin, auf der viele, viele Zeichen und Runen eintätowiert waren. Er bemerkte Fins fragenden Blick und erklärte:,, Das sind Hilfen für mich, falls ich mal einen Zauberspruch vergesse, brauch ich nur auf die Hand schauen und schon weiß ich wieder wie er heißt. Schließlich bin ich nicht mehr der Jüngste und mein Gedächtnis lässt mich manchmal schon im Stich.” Also noch mal:,, Ich bin der alte Michael, Du darfst aber auch Micha oder Mika zu mir sagen, so sagen meine Freunde, die Trolle in Irland und die Wichtel in Norwegen zu mir. Wer bist Du denn?” ,, Fin”, sagte Fin, ,, und was willst Du nun hier?”
,,Nichts”,sagte der alte Michael. ,,Ich wollte Dich nur mal fragen ob Du mit mir mitkommen möchtest.”
,,Wohin”, wollte Fin wissen. ,,Ja”, sagte Mika :,, Ich habe Dir vorhin eine Weile zugehört und erfahren das Du nie groß werden und niemals zur Schule gehen möchtest . Da hab ich mir gedacht, ich zeige Dir mal wie es ist wenn keiner etwas lernen möchte und alle klein bleiben. Ich kenne nämlich ein Land da ist das tatsächlich so und Du müsstest Dich dort eigentlich Pudelwohl fühlen. Das wäre genau das richtige für Dich.” Seine braunen Augen funkelten listig.
Fin überlegte eine Weile:,, Aber was werden Mama und Papa dazu sagen, wenn ich weg bin?” Nach einem weiteren langen Zug an seiner Pfeife entgegnete Mika:,, Ich kann es so einrichten, das sie gar nicht merken das Du fort bist. Ich lasse hier einfach die Zeit stillstehen, während sie für uns weitergeht. Ich habe damals nämlich furchtbar gern gelernt. Der Temporaliszauber war schon immer mein Lieblingszauber und meine Zauberlehrerin Frau Flux war besonders stolz auf mich, denn ich strebte immer nach mehr. Leider war ich einmal so übermütig , das ich im Unterricht einen Zauberspruch aussprach, den ich nur halb beherrschte und dadurch verlor ich Frau Flux im Strom der Zeit. Vielleicht ist sie schon irgendwo angekommen oder sie wirbelt noch immer in den Äonen umher. Seitdem suche ich einen Zauber, der sie wieder zurückbringt.” Wehmütig nuckelte er an seiner Pfeife. Fin bekam auf einmal Mitleid mit dem Zauberer. Er setzte sich auf seinen Schoß und sprach:,, Weißt Du was Mika, Du kannst mir gern diese Land zeigen, ich bin schon sehr gespannt darauf und vielleicht kann ich Dir helfen den Zauberspruch zu finden. Aber stell Dir nur mal vor wenn Frau Flux wieder da ist. Das gibt bestimmt einen Mordsärger. Aber ich möchte gern Dein Freund sein denn keiner meiner Freunde hat einen Zauberer zum Freund.”
Mika schluckte vor Rührung, denn er hatte einen großen Kloß im Hals. Er gab Fin einen Kuss auf die Stirn und sprach:,, Ab heute sind wir Freunde…großes Zaubererehrenwort.”
Er nahm Fin von seinem Schoß und sagte mit fester Stimme:,, Es wird Zeit das wir uns auf den Weg machen. Schau dich ruhig noch einmal um, eine Weile wirst Du nicht mehr hier sein und wie gesagt werde ich die Zeit in ihrer Bewegung hier stoppen, sie wird verharren, egal wie lange du fort bist…” Fin ging in seinem Zimmer umher und überlegte was für ihn noch zu tun sei. Er begab sich zu seinem Bett in dem Alfons sein treuer Knuddelbär lag . Er drückte Alfons ganz fest, dass der brummte und küsste ihn auf das weiche Bärenmäulchen. Dann legte er ihn in das Bett zurück, deckte ihn bis zu den flauschigen Ohren zu und sagte:,, Oh Alfons, ich werde mich jetzt auf eine Reise begeben, die mein neuer Freund der alte Michael mit mir machen möchte. Ich will sehen wie es ist wenn man nicht lernen muss und für immer klein bleibt. Ich verspreche Dir, Du wirst gar nicht merken dass ich weg bin. Mika hat es versprochen. Halt die Ohren steif Alfons.” Mika stand am Fenster und sah freundlich zu. ,, Wenn Du fertig bist kann es los gehen”. ,, Ich bin bereit” , erklärte Fin. . Mika begab sich in das Wohnzimmer, in dem sich eine uralte riesige Standuhr befand. Er berührte das aus poliertem Mahagonieholz bestehende Gehäuse und rief mit singender Stimme und fremdartiger Sprache einen Zauberspruch in das Zifferblatt. Alsbald entschwebte daraus ein bläulich schimmernder Schleier . Das Pendel der Uhr hörte auf zu schwingen und alles was der sich ständig ausbreitende Schleier in sich aufnahm hörte auf sich zu bewegen und verharrte in der selbigen Sekunde. Eine Fliege die sich gerade auf Fins Nase setzen wollte blieb während des Fluges stehen und verweilte bewegungslos. Der Schleier breitete sich immer weiter aus, wurde zu einer riesigen Wolke und war schon längst aus dem Fenster nach draußen gequollen und hielt die Zeit im Zaum. Nur um Mika und Fin machte die Wolke einen Bogen, so das sie sich wie in einer Blase in ihr bewegen konnten. Nach einer halben Stunde murmelte Mika etwas und der bläuliche Schimmer verschwand.
Kein Geräusch, kein Laut war zu hören, kein Windhauch zu spüren selbst die Schäfchenwolken am azurblauen Himmel waren bewegungslos.,, Es ist vollbracht”, sagte Mika:,, Der Temporaliszauber wirkt, die Zeit würde jetzt bis in alle Ewigkeit hier stehen bleiben, niemand wird altern, während das Universum hinfort eilt.” Er verstaute die Pfeife wieder im Ohr, eine Weile räucherte es noch daraus und verströmte Vanillietabakgeruch. ,, Jetzt sind wir soweit, wir können unsere Reise beginnen”. Als er das sagte, zog er einen Zauberstab aus seinem Mantel, schwang ihn kunstvoll in der Luft, und brummelte einen Spruch während Fin ihn erwartungsvoll ansah, gespannt auf die Dinge die wohl jetzt geschehen würden.
Aber…es geschah gar nichts…Mika hieb sich mit der flachen Hand auf die Stirn und fluchte:,, Himmel, Gesäß und Nähfaden, jedes Mal das gleiche“. Er schwang also noch einmal kunstvoll den Zauberstab brummelte seinen Spruch und sah dabei auf seine tätowierte Hand ,anscheinend hatte er beim ersten Mal wesentliche Teile seines Zauberspruches vergessen. Wäre Fin nicht so aufgeregt, hätte ihm dies wohl zu denken gegeben.
Plötzlich begann es in der Luft zu rauschen und zu pfeifen und ein Schatten senkte sich herab. Als Fin nach oben sah bemerkte er zwischen sich und der Sonne einen Teppich der ruhig schwebte.,, Ah”, meinte Mika ,, unser Taxi ist da”. ,, Das sieht nicht wie ein Taxi aus”, erklärte Fin ,, sondern eher wie ein lange nicht ab gesaugter Teppich, Mama hätte gesagt, da sind bestimmt Milben drin.”,, Papperlapapp” , unterbrach ihn Mika.,, Das ist der original fliegende Teppich von Aladin. Er hat ihn vor dreihundert Jahren beim Ziegenwettmelken an mich verloren. Ich finde dafür sieht er noch sehr gut aus und den Milben macht das nichts.” Er pfiff einmal schrill und der Teppich schwebte gehorsam zum Boden herab. Mika tätschelte ihn liebevoll und der Teppich wedelte freudig mit seinen Kordeln. ,,Er ist wirklich ein treuer Begleiter und ich kann mich immer auf ihn verlassen. Wir haben schon viele brenzlige Situationen gemeistert.” Dabei verwies er auf einen großen Brandfleck an der Unterseite des Teppichs.,, Also aufgesessen und keine Scheu denn ein Teppich braucht kein Heu”. Über diesen Reim wollte er sich fast totlachen. Sie setzten sich also auf den Teppich und Mika befahl:,, Nach Tohu “. Der Teppich erhob sich gehorsam in die Luft. Er stieg eine ganze Weile auf und setzte dann seinen Flug in Richtung Westen fort. Fin hielt sich an Mika fest denn er hatte Angst herunter zu fallen. ,, Hab keine Angst “, sprach dieser, ,,Der Teppich ist so von einem großen Zauberer entwickelt worden, das nichts passieren kann. Der Teppich ist über tausend Jahre alt und hat noch nie jemanden verloren. Solltest Du der erste sein, dann wäre es eine Premiere. Fin entkrampfte sich etwas und fing an den Flug zu genießen. Der fliegende Teppich bewegte sich souverän immer weiter westwärts. ,, Na Fin”, sprach Mika:,, Wie findest Du diese Fortbewegungsmethode ? Ich habe sie ausnahmsweise gewählt, damit wir mal etwas von der wunderschönen Landschaft Nordeuropas genießen können und weil es so schön gemütlich ist. Ich hätte natürlich auch einmal mit dem Finger schnipsen können und wir wären in Tohu. Aber das wäre ja viel zu langweilig, denn das kann ja jeder.” Fin fühlte sich inzwischen schon sehr viel wohler. Der Teppich hatte eine große Falte aufgeworfen, so das er sich anlehnen konnte. Er drehte und wendete den Kopf und konnte gar nicht genug von den Eindrücken aus der Vogelperspektive bekommen.,, Mika, das ist so toll”, strahlte er, : ,,Jeder sollte einen fliegenden Teppich haben und fliegen können wohin er will.” Mika erklärte:,, Das wird nicht möglich sein. Denn der fliegende Teppich ist ein Unikum und es kann ihn nicht noch einmal geben. Stell Dir nur mal vor, jeder hätte einen. Dann wäre der Himmel voll von ihnen und das Licht der Sonne könnte nicht mehr auf die Erde strahlen, die Pflanzen könnten die Photosynthese nicht mehr durchführen und die Welt und damit die Menschheit wären zum Tode verurteilt.” Betroffen schwieg Fin. Daran hatte er gar nicht gedacht. Ob seine Freunde die zur Schule gingen daran gedacht hätten? Er schob den Gedanken von sich und hörte Mika weiter zu. ,,Es ist von je her ein eisernes Gesetz unter den Herstellern von Zaubergegenständen, es darf jeden Gegenstand nur ein einziges Mal geben. Sollte er verbotener Weise noch einmal hergestellt werden, verlieren er und sein Hersteller augenblicklich ihre Zauberkraft für alle Zeit. Es sei denn, ein Gegenstand wird zerstört. Dann kann man einen Antrag in siebenhundertfacher handschriftlicher Ausfertigung an die obere Zauberbehörde in Falx stellen und auf Genehmigung hoffen. Du kannst Dir also vorstellen wie oft schon ein Antrag gestellt wurde. Wie? Genau, noch nie. Lieber wird ein Zaubermittel in ähnlicher Beschaffenheit hergestellt. Nun weißt du das dass Leben eines Zauberers auch nicht immer ganz frei von zwängen ist. Aber meistens ist es das ….Hui…”. Er gab dem Teppich einen Klaps und schon ging die Reise etwas zügiger von statten.
Von weitem sah man schon das Meer, gleich würden sie das Land hinter sich lassen. Es roch sehr nach Salz, Fisch und Tang. Mika rief:,, Ist das nicht herrlich frei zu sein, zu tun was immer man möchte, zaubern zu können weil man es vermag? Ich sage Dir Fin, ohne meine Zauberschule hätten wir uns nicht kennen gelernt. “ Sie ließen die Stadt Hamburg hinter sich zurück und flogen jetzt über offenem Gewässer. Die Nordsee lag grau und diesig unter ihnen. Eine Möwe setzte sich als blinder Passagier zu ihnen. Mika zauberte einen Hering nach dem anderen aus seinem Ärmel und fütterte sie. Nachdem die Möwe satt war, schloss sie die Augen und schlief ein. Fin bemerkte einen silbernen Ring an ihrem Fuß aber er sagte nichts, er hatte sich inzwischen an viel merkwürdigere Dinge gewöhnt.


© Picolo


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