Samuel war schon lange Maler, aber nichts was er tat, stieß auf besonderen Erfolg.
Er hatte alles versucht. Sich zu betrinken, wie die Dichter, die Welt zu bereisen, wie die Reiseschriftsteller, mit den Leuten von der Akademie reden, wie es sich so standesgemäß gehört. Aber nichts davon verbesserte seine Kunst. Er hatte in der Welt gebohrt, aber nur noch mehr Dreck gefunden, nur noch mehr Haufen, die man begeht und eben verlässt.
Schließlich machte in der nächstgelegenen Stadt ein neuer Kunstbedarf auf. Er hatte davon nur mitbekommen, da man sich auf der Straße erzählte, der Besitzer würde sich auf unzüchtige Begebenheiten mit anderen Männern einlassen.
Er reiste noch am selben Tag dort an, aber hatte Schwierigkeiten das Geschäft zu finden. Denn die kleinen Geschäfte versanken und kamen und es schien ganz organisch zu passieren, alles wanderte. Und wenn er fragte, dann wurde er von den Leuten angesehen, wie sie die Leute ansahen, die sich auf dieselben Begebenheiten einließen.
Aber in der Dämmerung des Tages fand er das Geschäft. Der Laden wirkte nicht neu, eher heruntergekommen. Als würde man ihn nur aus Gewohnheit noch führen. Als er eintrat, sah er direkt den Mann hinter der Theke und er wusste, dass er der Besitzer sein musste. Alles an ihm hatte eine Aura, die nur Geschäftsbesitzer besaßen. Der resignierte Stolz in den Augen.
Samuel grüßte den Herrn und erklärte sein Leid. Er erklärte umfassend, denn der Mann hinter der Theke hörte ihm zu, hörte ihm wirklich zu. Das kannte Samuel gar nicht. Und schließlich sagte der Mann, nachdem Samuel seinen Monolog beendet hatte: Ich hätte etwas für Sie. Aber es ist sehr wertvoll und ich weiß nicht, ob Sie es sich leisten können.
Was haben Sie?, fragte Samuel.
Farbe, Farbe, die sonst niemand verkauft. Aber nur eine Farbtube kostet Sie schon ein Vermögen, meinte der Besitzer.
Samuel sagte ohne Umschweife: Was muss ich tun?
Ich kann Sie Ihnen eigentlich nicht geben … außer. Der Besitzer machte eine Pause. Ich müsste Alleinerbe von ihnen werden.
Samuel verzog verwirrt das Gesicht. Er hatte einen Sohn aus zerbrochener Ehe, der eigentlich alles erben sollte.
Ich weiß, dass das extrem klingt und ich habe hier auch nur eine Tube, ich müsste sehr in Vorleistung gehen, aber Sie sehen aus wie ein rechtschaffender Mann. Nehmen Sie eine Tube mit und kommen Sie morgen wieder, wenn Sie mit den Konditionen einverstanden sind.
Samuel nickte und der Besitzer holte aus einem Hinterraum eine von Stoff umhüllte Farbtube.
Seien Sie vorsichtig, sagte der Besitzer.
Samuel sah ihn fragend an.
Seien Sie einfach vorsichtig, das ist alles.
Samuel bedankte sich, nahm die Tube und verließ die Stadt, ging nach Hause. Es war Blau. Er wusste nicht direkt, was er mit nur einer Farbe anfangen sollte, aber alles hatte so überzeugend gewirkt, dass er das Gefühl hatte, dass das schon irgendwie funktionieren würde. Trotzdem stand er lange vor der Leinwand, wusste nichts mit sich anzufangen, wusste nichts mit der Leinwand anzufangen, aber dann packte es ihn und er machte einfach einen farbigen Strich und plötzlich ging es wie von selbst. Er malte und malte und malte und am Ende blickte ihm eine blaue Fratze entgegen, die ihm Angst machte, aber sie war so von Emotion erfüllt, wie er es noch nie geschafft hatte, das ganze Bild umgab eine tiefe, tiefe Aura. Aber Samuel hielt sich nicht lange damit auf, er malte noch ein Bild und noch ein Bild und jedes besser als das andere. Natürlich ließ er sich auf den Handel ein und schnell interessierten sich die Menschen für die Bilder, die ganze Stadt kaufte, er stellte aus, Leute kamen aus aller Welt gereist, nur um diese Bilder zu sehen.
Aber all das war nicht real. Samuel starb noch beim ersten Bild. Man fand ihn lächelnd vor der Leinwand. Hatten ihn die Stoffe in der Farbe umgebracht? War es etwas anderes gewesen?
Allerdings war auch der Besitzer tot in seinem Laden aufgefunden worden, auch lächelnd, denn er hatte ja das Geschäft seines Lebens gemacht. Aber er war schon tot gewesen, bevor Samuel dagewesen war.
Und jetzt sitze ich hier und habe das Gefühl eine fantastische Geschichte geschrieben zu haben. Und genau das macht mir Angst.


© Daniel Spieker


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