Wir sind Freunde, sage ich mir noch einmal. Freunde tun sowas füreinander. Und natürlich ist das so. Doch trotzdem nervt es mich. Ich habe Dominik ein Jahr nicht mehr gesehen, aber das ist völlig normal für uns. Wir bleiben Freunde – daran ändert die Zeit nichts – so ist es seit unserer Jugend gewesen.
Letzte Woche hat mich seine Mutter besorgt angerufen, weil Dominik das Haus seit Monaten nicht verlassen hat. Ich soll nach ihm sehen, denn er würde ihr die Tür nicht öffnen. Dominik ist nie der Typ gewesen, der viel rausgeht – er sitzt Zuhause und arbeitet am liebsten an irgendwelchen Computerspielen, was auch völlig in Ordnung ist. Wenn er sich mal nicht meldet, ist das kein Drama, und wenn ich mich nicht melde, habe ich kein schlechtes Gewissen. Irgendwann ruft einer von uns an und dann treffen wir uns – so ist das schon immer gewesen.
Er lebt seit knapp vier Jahren in einem kleinen Haus, welches er sich von seinen Gewinnen gekauft hat. Ich biege in die Vorstadtstraße ein und halte vor dem Häuschen. Ich wollte anrufen, aber ich habe nur die Mailbox erreicht und seine Telefonnummer von Zuhause kenne ich nicht.
Ich steige aus und sehe, dass Dominik aus dem Fenster schaut und breit lächelt.
Ich habe Sorge gehabt, dass er abweisend sein wird, aber anscheinend habe ich Glück. Er braucht wohl einfach einen Freund, der ihm aus einem kleinen Loch raushilft, denke ich. Er öffnet die Haustür und scheint nervös, als ich hindurchgehe.
„Hey – wie geht’s?“ Er sagt nichts, sondern lächelt nur. Ich kann seinen Blick nicht richtig deuten. „Wir haben uns scheiß lang nicht mehr gesehen“, sage ich. „Ja – keine Ahnung, viel zu tun, viel zu tun.“ Ich nicke. „Willst du dich setzen? Ich kann Kaffee machen – wenn du möchtest.“ „Gern“, sage ich und folge Dominik ins Wohnzimmer. Es ist nicht schön anzusehen, überall liegen aufeinandergestapelte Pizzaschachteln herum – daneben Wasserflaschen und viele andere Verpackungen. Alles ist irgendwie geordnet, aber es ist so viel Müll. Es stinkt. „Scheiße Dominik – was ist hier passiert? Warum der ganze Müll?“ Ich blicke kurz nach draußen und sehe, dass in seinem kleinen Garten noch viel mehr Müll liegt und dort verschimmelt. „Fuck – du musst den Müll doch richtig rausbringen.“ Er ist gerade dabei das Kaffeepulver in die Maschine zu füllen und schaut zu mir. „Was isst du überhaupt? Nur noch Pizza?“ „Ich lass mir alles liefern, zahl es im Internet und zieh es dann rein.“ Er sagt das ohne Scham, zeigt auf einen Stock neben der Tür, den er wohl zum Reinziehen nutzt. Er sieht sehr traurig aus. Ich denke über unsere Freundschaft nach und an das Gespräch mit seiner Mutter. Ich fühle mich nicht gut dabei, aber ich habe das Gefühl, dass ich jetzt handeln muss. „Ok Dominik – also deine Mutter hat mich angerufen, dass du seit Monaten nicht das Haus verlässt. Ich weiß, dass das nicht einfach wird, aber wir gehen jetzt raus.“ Sein Blick ist trocken, er verzieht keine Miene. „Ich kann nicht.“ Ich habe keine Lust zu diskutieren, will einfach, dass er mitkommt. „Jetzt komm schon.“ Er sieht mich nur an. „Dominik. Komm jetzt mit. Wirklich.“ „Ich. Kann. Nicht“ , wiederholt er. Ich stöhne innerlich auf. „Dominik – wirklich.“ Er sagt nichts. Ich gehe zu ihm hin und packe ihn am Arm. „Wir gehen jetzt raus. Du kannst nicht ewig hier drin versauern.“ Plötzlich ist sein Gesicht durchsetzt von Angst und er wehrt sich, aber ich ziehe ihn weiter. „Bitte – ich kann nicht.“ Vielleicht ist es irgendeine Phobie, denke ich und ziehe ihn an den Pizzaschachteln vorbei zurück zur Haustür. Er wehrt sich etwas, aber ich bin schon immer der Stärkere gewesen. Ich öffne die Tür und versuche ihn hinauszuschieben – aber als er die äußere Welt berührt, wird er zurückgeworfen. „Fuck – was war das?“ Er rappelt sich langsam auf. „Ich kann nicht raus. Keine Ahnung.“ „Was zum Fick ist das? Warum kannst du nicht raus?“ „Ich hab keine Ahnung, warum das so ist – ich kann seit Monaten das Haus nicht verlassen.“ „Scheiße – vielleicht durch die Fenster oder so?“ „Nein, jedes mal wenn ich raus will, werde ich hier wieder reingeworfen. Als würde die Welt nicht wollen, dass ich hier rausgehe.“ „Du musst die Polizei oder so rufen!“ „Das hab ich schon mehrfach probiert – es bringt nichts.“ „Scheiße – ich hol Hilfe – wir kriegen dich hier raus.“ Ich versuche aus der Tür zu laufen, aber als ich das Haus verlassen will, werde ich auch zurückgeworfen und mein Körper wird von einem ziehenden Schmerz durchzogen. „Scheiße, scheiße, scheiße!“ Dominik starrt nur auf den Boden. Das ist die Hölle. Ich lasse den Blick über das Zimmer schweifen, welches vor meinem inneren Augen kleiner wird je länger ich es betrachte. „Scheiße – fuck. Warum hast du mich nicht gewarnt? Warum hast mir nicht gesagt, dass ich wegbleiben soll?“ „Keine Ahnung, als du da standest, ich… scheiße. Ich hab mich einfach so allein gefühlt. Ich wollte nicht mehr allein sein. Ich wusste nicht, dass du gefangen sein wirst – natürlich bestand die Möglichkeit, ach keine Ahnung, es tut mir leid.“ Ich spucke nur auf den Boden und wir sehen uns lange an. „Ich kann nicht mehr. Ich wollte einfach, dass ein Freund bei mir ist.“ „Wir sind keine Freunde mehr.“


© Daniel Spieker


0 Lesern gefällt dieser Text.

Diesen Text als PDF downloaden



Youtube Video



Kommentare zu "Freunde"

Re: Freunde

Autor: wuzzy   Datum: 11.08.2022 10:21 Uhr

Kommentar: Ja, das ist eine ziemlich interessante Geschichte, aber meiner Meinung nach fehlt es dieser Figur einfach an Kommunikation und Liebe. Jetzt gibt es einige beliebte Dating-Sites, dank denen jede einzelne Person den perfekten Partner für eine angenehme romantische Beziehung finden kann. Es ist wirklich so einfach, also warum nicht versuchen, hier. In dieser wunderbaren Rezension unter dem angegebenen Link gibt es zum Beispiel mehrere Dating-Sites, um Nymphomaninnen zu treffen. Heiße Mädchen freuen sich immer über eine angenehme Gesellschaft, daher rate ich jedem, aufmerksam zu sein und mehr zu lernen, um Einsamkeit zu vermeiden.

Kommentar schreiben zu "Freunde"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.