»Er kommt«, sagt Alberto. »Soll ich ihn reinlassen?« »Ja, komm nach dem Gespräch wieder.« Mein Sohn verlässt den Raum und der Mann kommt hereinstolziert, als würde ihm das Geschäft jetzt schon gehören. Ich kenne Männer wie ihn, sie kommen immer so. Gemächlich stehe ich auf und reiche ihm die Hand. »Guten Tag, Herr ...« Ich schaue auf das Blatt. »Schmidt«, sagt er. Ein Deutscher, das hat mir noch gefehlt. »Sie sind die Besitzerin?«, fragt er und setzt sich, ohne dass er gefragt oder ich ihm einen Platz angeboten hätte. Hat er eine Weiße erwartet? »Ja, das bin ich.« »Ich habe ein Angebot für Sie. Es geht um Ihre Zigarrenfabrik.« »Nun gut. Sie wollen sie kaufen?« Er nickt. Ich gehe zum Schrank und hole zwei Zigarren aus dem Humidor. Eine Corona für ihn und eine Panatela für mich. »Sie sollen natürlich unsere Produkte erst einmal kennenlernen.« Ich setze mich wieder und hole aus dem Schreibtisch eine Zigarrenschere und schneide beide an. Dann reiche ich ihm ein Feuerzeug. Er wirkt erst etwas unbeholfen – Gott bewahre, vielleicht sogar Nichtraucher – und dann zündet er die Zigarre an, als wäre sie ein Holzscheit, den er in den Kamin werfen will. Ich ziehe scharf Luft ein, aber zünde mir meine Panatela an. Er hustet. »Um direkt zum Geschäft zu kommen, ich will Ihre Zeit nicht verschwenden. Mein Angebot sieht wie folgt aus. Ich habe vor, Ihnen die Plantage abzukaufen. Ich möchte hier einiges verändern. Sie haben jahrelang diese Marke aufgebaut. Kaffee, Zigarren, Zigarillos. Sie sind bekannt, vor allem hier, aber ich möchte Ihren Namen international etablieren. Sie sind sicher auch daran interessiert sich langsam zur Ruhe zu setzen.« »Was wollen Sie hier verändern?« »Ich möchte alles modernisieren. Mehr Maschinen, mehr ...« »Zigarren macht man von Hand. Totalmente a mano ist Ihnen kein Begriff?« »Ich gebe zu, mein Spanisch ist nicht das Beste.« Ich rolle mit den Augen. »20000 würde ich Ihnen anbieten. Ich denke, das ist mehr als großzügig.« Ich grinse verächtlich. »Sie beleidigen mich. Raucht man in Deutschland keine Zigarren?« Er zuckt mit einem seiner Augenlider, wird ungeduldig. »25000.« Ich stehe auf und zeige durch das Fenster auf das Innere der Fabrik. »Sehen Sie das?« Sein Blick folgt meinem Finger. »100 Torcedores und ich habe sie alle eigenhändig angelernt.« Ich hebe meine Hände. »Sehen Sie meine Hände? Ich kann nicht zählen, wie viele Zigarren ich mit diesen Händen gerollt habe. Tausende sind es. Tausende. Das hier ist eine Goldgrube und jemand der die Zigarre nicht versteht wird das alles zerstören. Und Sie sind alles, aber kein Aficionado und das muss man sein für dieses Geschäft.« Er braucht einen Moment, um sich zu sammeln. »25000 ist wirklich ein großzügiges Angebot.« »Ich glaube nicht ...« »Wissen Sie. Ich versuche gerade wirklich, wirklich nett zu Ihnen zu sein. Aber ich habe auch mit ein paar Beamten gesprochen. Wenn Sie nicht annehmen, werde ich diese Plantage einfach verstaatlichen lassen und dann mit den Zuständigen sprechen, die nicht so ...« Er leckt sich über die Lippen, spricht nicht weiter. »25000 ist das Angebot.« »Ich lehne ab.« Er steht auf. »Wir sehen uns wieder. Und dann wird das hier mir gehören. Vielleicht dürfen Sie weiter Ihre Zigarren rollen.« Mit einem Knirschen drückt er die Zigarre im Aschenbecher aus, dann geht er zur Tür. »Herr Schmidt.« Er hält inne, dreht sich noch einmal zu mir und schaut mir in die Augen. »Ja?« »Wissen Sie, wenn Sie etwas netter gewesen wären, hätten Sie auch unseren Kaffee kosten können.« »Ich scheiß auf Ihren Kaffee.« Dann verlässt er den Raum und die Schritte hallen noch lange nach.

Alberto kommt zurück. »Unfreundlich gewesen?« »Ja. Deutscher. Er wollte mit den Behörden reden. Und dann ... hat er keinen Kaffee bekommen ... Ein großer Zug.« »Ich sage drei Stunden.« »Es ist nicht richtig, darum zu wetten.« »Ach komm.« Alberto sieht mich lange an. »Zwei Stunden, höchstens. Dann kann niemand mehr was für ihn tun.«


© Daniel Spieker


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