Die Straßen rein und leer. Ich gehe häufig spazieren; meistens morgens, wenn die Vögel langsam nacheinander anfangen zu zwitschern. Die Luft ist selbst in den Sommertagen noch erträglich. Ich bin in ein kleines Dorf gezogen, einfach nur um meine Ruhe zu haben – ich könnte mich niemals an eine Stadt gewöhnen. Ein sanfter Luftzug durchfährt die Natur und die Äste der Bäume zittern kurz. Es sind Details, die mich zur Ruhe kommen lassen. Das Dorf ist ziemlich abgeschottet und ich muss fast vierzig Minuten fahren, um überhaupt einkaufen zu können, aber das nehme ich gerne in Kauf für diese Spaziergänge bei denen mich niemand stört. Auf den Straßen ist niemand, alles frei – Platz für mich, Platz für meine Gedanken. Ich setze mich auf eine Bank und sehe über die Straße hinweg – lasse meinen Blick vom Friedhof bis zu dem Brunnen schweifen.
Das Dörfchen ist genau das, was ich immer gesucht habe – die letzten Monate habe ich zu einer inneren (und auch äußeren) Ruhe gefunden, die ich niemals für möglich gehalten hätte.
Ich stütze mich auf der Parkbank ab und stehe auf, gehe die Straße nach unten und nehme die scharfe Biegung. Gedankenverloren gehe ich weiter und achte kaum auf meine Umgebung, bis ich etwas bemerke. Ein Fehler in meiner Wahrnehmung, ein Problem. Ich fixiere den Punkt, der mich irritiert und kann die Silhouette nun deutlich ausmachen. Kalter Schweiß breitet sich auf meinem Körper aus. Ich zittere. Unerträgliche Kopfschmerzen. Dann drehe ich mich um und renne, renne und renne, bis ich in meiner Wohnung bin. Ich schließe die Tür mehrfach ab und setze mich auf einen Platz von dem ich gleichzeitig durch das Fenster auf die Straße sehen und die Tür beobachten kann.
Ich muss mich geirrt haben, sage ich mir. Ich muss. Auf der Straße war ein Mensch. Es hat Wochen gedauert dieses Dorf zu reinigen – es kann nicht sein, dass irgendjemand hier ist. Vielleicht ein Verwandter? Ich gehe ins Schlafzimmer und hole meine Pistole, um draußen wieder für Ruhe zu sorgen.


© Daniel Spieker


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