Aliens existieren!, prangt auf den Monitoren. Die große Talkrunde. Nach den letzten Monaten in denen Sebastian Newhouse die Beweise für Alienexistenz erbracht hat, waren Menschen rund um den Globus in Aufruhr. Er selbst entführt von Aliens, in seinem Arm ein Chip, aus extraterrestrischem Material. Aus einem Internetgeheimtipp wurde schnell ein Lauffeuer und nun sitzt der kleine Mann in einer ganz persönlichen Show und wird noch einmal alles erklären. Kritiker und Anhänger sind eingeladen worden und das Stadion ist absolut ausverkauft. Jeder soll wissen – da draußen existiert außerirdisches Leben. Er beginnt mit seinen Ausführungen und die Menge starrt gebannt auf den kleinen Mann, der da unten steht. „Es besteht kein Zweifel. Aliens existieren und sie haben mich mitgenommen. In der Nacht vom dritten September wurde in meinem Arm ein Chip implantiert, nachdem mich die Aliens geholt haben.“ Er gibt dem Technikteam Anweisungen, die Bilder von dem Chip einblenden, der ein seltsames Muster aufweist. „Dieser Chip wurde in meinen Arm implantiert!“ Er hält seinen Arm in die Höhe, den eine langgezogene Narbe ziert. „Sie haben ihn in mich hineingepresst, um mich weiter zu beobachten. Sie sind unter uns!“ Er lässt seinen Blick durch die Menge schweifen. „Sie glauben mir nicht, oder? Vielleicht kennen Sie den Test. Die Analyse. Dieses Mal möchte ich den Test nicht selbst ausführen, sondern ein unabhängiges Forschungsteam machen lassen.“ Eine Zweiergruppe von Forschern stellt eine Schale auf den Tisch, die mit einer orangene Flüssigkeit befüllt wird. Newhouse übergibt das Mikrofon. „Wir haben hier ein kleines Stück des Chips, der in Newhouse implantiert wurde. Der genaue Zweck ist bis heute nicht klar – vielleicht handelt es sich um eine Markierung.“ Ein winziges Stück des Chips wird in eines der Reagenzgläser getaucht und sofort färbt sich der Inhalt der Schale violett. „Nichts auf dieser Erde erzeugt diese Farbe. Blau, Rot, Grün, Weiß, aber nichts färbt violett. Es ist ein unbekannter Stoff.“ Auf einem der Bildschirme sieht man wie über die anderen Gäste gefahren wird, alle sehen gespannt zu, nur einer schüttelt energisch den Kopf. „Es besteht kein Zweifel“, sagt die Kittelträgerin abschließend. „Sie glauben mir immer noch nicht, oder?“ Weitere Bilder und kurze Clips werden gezeigt. Seltsame Lichtspiele am Himmel, die nicht klar zuzuordnen sind. „Ich habe eine Zeugin.“ Auf die Bühne tritt eine junge Frau, blond, keine dreißig. „Meine Verlobte Tanja.“ Sie ist schwanger, sicher im 7ten oder 8ten Monat. Sie bekommt ein Mikrofon. „War ich Zuhause Schatz?“ „Nein, du warst absolut unauffindbar. Das Fenster war offen und du warst weg. Ich bin aufgewacht und du warst weg.“ „War ich im Haus?“ „Nein, ich habe überall gesucht. Ich dachte, dass du vielleicht weggefahren bist, aber dein Auto war noch da. Irgendwann habe ich dann die Polizei gerufen, aber sie konnte dich auch nicht finden. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so eine Angst gehabt.“ Nahaufnahme. Eine einzelne Träne kullert der Frau über die Wange. Über den Bildschirm flackern weitere Bilder von dem Chip. „Es ist Fakt, dass Aliens existieren“, sagt Newhouse abschließend.
„Nein!“, sagt plötzlich einer der Kritiker. Professor Dreimann. „Nein?“ „Sie haben alles erfunden.“ Gebannt starren die Leute nun auf den Professor, der dem Technikteam ein Zeichen gibt. Auf den Bildschirmen des Stadiums werden Übertragungen von Überwachungskameras. „Das ist Ihr Auto.“ „Das ist fake!“ Man sieht einen Wagen mit dem Kennzeichen WFT WB 6312. Dann ein Switch. Eine weitere Kamera, anderer Ort. Noch eine, noch eine. Newhouse wird bleich, starrt auf die Bildschirme. „Wie Sie sehen, alles am dritten September.“ „Das ist doch Bullshit.“ Knapp zwanzig weitere Aufnahmen erscheinen. „Bisher gab es keine Verbreitung dieser Überwachungskameraaufzeichnungen, da es sich zum Großteil um private Ladenaufnahmen handelt. Außerdem ist es sein Dienstwagen und nicht sein privater – er hätte ihn gar nicht ausleihen dürfen.“ Er lächelt. „Und die angebliche extraterrestrische Herkunft des Materials…“ Der Professor gibt dem Team ein weiteres Team. „Sie faken diesen Mist doch nur zu Ihrem Vorteil!“ „Natürlich. Sie verkaufen ein Buch, verdienen Geld mit hunderten Talkshows und ICH fake diese Geschichte zu meinem Vorteil. Sie haben bessere Gründe dafür.“ Man sieht wie sich Newhouse zurückzieht, sichtlich überfordert. „Ich habe nachgeforscht, Ihr angeblich unabhängiges Forscherteam – nun, bei der Dame, die vorhin das Wort ergriffen hat, handelt es sich um eine ehemalige Studienkollegin und der Mann da drüben.“ Dreimann weist auf einen Kittelträger, der sich eher im Hintergrund hält. „Ist nicht einmal Chemiker. Nicht einmal Akademiker!“ „Hören Sie doch auf mit Ihrem Mist!“, ruft ein Zuschauer. „Die Wahrheit ist, dass die Leute ihre Augen vor der Wahrheit verschließen. Die Welt ist genauso langweilig, wie sie die ganze Zeit scheint. Oder?“ Jetzt starren alle gebannt auf ihn, kein Mucks ist zu hören.
„Ich zeige Ihnen, wie diese Färbung zustande kommt.“ Dreimann hält ein Tütchen mit Pulver in die Höhe. „Das ist ein Farbstoff. Ein ganz einfacher Farbstoff, der nur in geringem Maße aufgetragen wird. Ich zeige Ihnen das noch einmal.“ Er nimmt von der Chemikerin die Flüssigkeit und füllt sie in eine andere Glasschale, von denen demonstrativ noch Dutzende auf einem Wagen in der Nähe stehen und das Wasser färbt sich violett als er nur eine Prise in dem Wasser versinken lässt. „Alles nur ein Farbstoff und wissen Sie worauf dieser Farbstoff gewonnen wird? Zwiebeln. Ordinäre Zwiebeln. Warum da niemand drauf kommt, ist weil solche Tests einfach nicht an solchen Farbstoffen ausgeführt werden. Es tut mir leid, aber es gibt für alles eine einfache Erklärung.“ Er zögert. „Ich weiß es ist nicht leicht für Sie, so eine fantastische Geschichte, aber dann so stupide Erklärungen – aber! Ihre Sensationsgeilheit wird befriedigt werden.“ Eine Aufnahme ist zu sehen von einem schummrig beleuchteten Etablissement. Deutlich sieht man Newhouse wie er vor einer leicht bekleideten Dame steht und mit ihr kurz redet. Cut. Man sieht die beiden, wie sie in einem Zimmer verschwinden. Entsetzen im Gesicht von Newhouse. Seine Verlobte starrt ihn an. „Wir haben sogar Ton – nicht gut, aber gut genug.“ Die Techniker schalten den Ton ein und man hört leise ein Stöhnen, verrauscht. Keine zehn Minuten später verlässt Newhouse das Zimmer, die Haare zerzaust. „Dritter September. Ich erzähle Ihnen jetzt, wie es wirklich passiert ist. Sebastian Newhouse hat seine Frau betrogen, wie schon so oft, ist nachhause gekommen und hat angefangen seine hanebüchene Geschichte zu erzählen. Frau Lasion. Können Sie mir sagen, ob Sie die Narbe von dem Chip direkt gesehen haben? An dem Abend?“ Sie schüttelt den Kopf, bricht in Tränen aus. „Normalerweise schlafen Sie durch, oder?“ „Lassen Sie meine Verlobte in Ruhe, hören Sie auf sie zu bedrängen!“ Lasion schlägt ihren vermutlichen Exverlobten und stürmt von der Bühne. „Ein Mann betrügt seine Frau, doch statt irgendeiner normalen Ausrede fängt er an etwas von Aliens zu erzählen. Sie ist selbst allgemein empfänglich für sowas. An ihrem Hals haben Sie vielleicht vorhin einen Anhänger gesehen – ein esoterisches Zeichen – trotz ihrer Veranlagung besteht sie auf mehr. Sie will mehr sehen und so Tage später fügt sich ihr Mann diese Narbe selbst zu. Sie haben sie gesehen, diese scheußliche Narbe. Glauben Sie, dass ein Alien mit einer hochentwickelten Technologie solche Narben verursachen würden? Da war ein Metzger am Werk. Er selbst. Und jetzt zum Abschluss. Die Dame in dem Etablissement, die sie gesehen haben, ist plötzlich verschwunden. Knapp eine Woche nachdem Newhouse an die Öffentlichkeit ging. Es tut mir leid, aber es ist offensichtlich. Er hat sie verschwinden lassen.“ Polizisten kommen auf die Bühne. „Nein! Hören Sie auf!“, schreit Newhouse, doch sein Mikrofon wird abgeschaltet.
„Wer glaubt, dass Aliens real sind, ist ein Dummkopf. Sie sind nicht unter uns und sind es nie gewesen.“

Newhouse im Gefängnishof. Besuchstag. Die Insassen werden hineingebeten. Seine Frau besucht ihn, immer noch. Laut Boulevardzeitschriften emotional total abhängig und zerstört. Das Kind im Heim. Er setzt sich ihr gegenüber, sie sehen sich lange an. In Newhouse Kopf setzt sich langsam eine Stimme durch, während ihn seine Frau mit leeren Augen anstarrt. „Der Alienglaube wurde für die nächsten Jahre komplett ausgelöscht. Nicht einmal 1 Prozent glaubt noch wirklich daran. Die Blamage war brutal. Das wird es einfacher machen.“ Newhouse strengt sich an, versucht ebenfalls eine Verbindung aufzubauen. „Es war zu riskant.“ „Das ist es immer.“


© Daniel Spieker


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