Das Mausoleum 1.Teil

Im August des Jahres 1850 trug es sich zu, dass ich am Eisernen Tor des, „Bachelors Grove Cemetary“, in Cook County Illinois, auf einen Mann Namens, William Noble, wartete.
Mit der Malerei war im Moment kein Geld zu Verdienen und ich war kurz davor das kleine Zimmer im Hause einer alten Lady, bei der ich mich eingemietet hatte, zu Verlieren, da ich schon mehrere Monate die Miete nicht mehr zur Gänze aufbringen konnte! Misses Davis war eine alte, Verwitwete Dame von Neunundsiebzig Jahren, die trotz ihres recht hohen Alters noch gut zu Fuß war. Sie bekochte mich, wusch meine Wäsche und hatte immer ein offenes Ohr für meine Probleme und Sorgen, die mich dann und wann plagten. Nun allerdings, da mir langsam das Geld knapp wurde, drohte mir der Rauswurf, denn auch die alte Lady war auf die Mieteinnahmen angewiesen um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
„Sie müssen Mr. Cramer sein“, die Laute, aber freundliche Stimme von William Noble riss mich aus meinen Gedanken. „Mr. Noble?“, antwortete ich, ging einen Schritt auf den Mann zu und schüttelte die mir angebotene Hand kräftig! „Höchstpersönlich“ antwortete Noble und vollführte dabei einen, meiner Meinung nach, übertriebene Verbeugung und hob dabei seinen schwarzen „Stetson Bowler“ Hut, zum Gruß ein Stück an.
Er trug einen langen altmodischen Frack in Dunkelgrau, der ein Stück zu groß war, eine schwarze Stoffhose und Lackschuhe, die offenbar schon vor einigen Jahren ihren Glanz Verloren hatten.
Der Gehstock den er bei sich trug, schien von hohem Wert zu sein, und passte irgendwie nicht in das Gesamtbild des hageren Mr.Noble hinein. Der Griff des Gehstockes hatte die Form eines Adlerkopfes, der komplett aus Gold zu sein schien. Die Augen des Adlers waren zwei strahlende, tiefrote Rubine. Ob diese nun echt, oder Unecht waren, vermochte ich nicht zu sagen. Die Halsfedern des Adlerkopfes waren ebenfalls mit leuchtenden, funkelnden Edelsteinen Verziert, vermutlich Diamanten.
Am Ringfinger trug der Mann einen auffälligen Herrenring aus purem Gold, auf dem, neben einem merkwürdigen Zeichen, das auf dem ersten Blick einem Pentagramm ähnelte, ebenfalls ein kleiner Rubin eingearbeitet war.
„Darf ich Fragen wie es dazu kommt das ein junger Mann wie Sie sich auf die Stelle des Friedhofwächsters bewirbt?“ sagte Mr. Noble und verlieh seiner Frage mit einem strengen Blick in meine Augen, Nachdruck. „Nun, ich bin Maler, wissen Sie?“. „Aber ich habe seit langem weder eine Anstellung, oder einen Auftrag bekommen. „ „Nun wird das Geld zum Leben knapp!“.
„Ich Verstehe.“ Brummte Noble knapp. Sein Gesicht entspannte sich wieder und legte ein Verschmitztes Grinsen, das nicht zu deuten war, frei.
Nach einer etwa dreißig Minütigen Führung über den Friedhof, machten wir halt an der dazugehörigen kleinen Kapelle, in der die Trauerfeiern für die Toten abgehalten wurden, bevor man diese der Erde und somit ihrer Ewigen Ruhe übergab. In dieser sollte ich auch in der Nacht den größten Teil meiner Zeit Verbringen.
Mister Noble übergab mir die Schlüssel zum Friedhofstor und die zur Kapelle. Außerdem hing an dem Bund noch ein weiterer Schlüssel, der Laut Noble, den Zugang zu dem Mausoleum freigab, das er bei der Führung nur am Rande erwähnte und auf intensive Nachfrage meinerseits, nicht weiter darauf einging. Dort gäbe es nichts zu sehen und es wäre dort für mich auch nichts zu tun, außer dann und wann, den wilden Efeu von der Außenwand zu entfernen!
Nach einer kurzen, aber Intensiven, Einweisung bezüglich des Gewehres, das in der Nacht zu meinem Schutz dienen sollte, Verabschiedete sich Mr.Noble freundlich und entließ mich somit in meinen ersten Arbeitstag, bzw. Arbeits –„Nacht“.
Ich blickte Noble noch eine Zeit lang hinterher, widmete dann aber meine Aufmerksamkeit wieder der Schusswaffe, die am Baum neben mir angelehnt stand.
Ich nahm das Gewehr mit beiden Händen hoch und legte an. Ich zielte auf einen herabhängenden Ast ungefähr 30 Meter von meiner Position entfernt. „Peng“ zischte ich und lachte dabei!
Noch nie zuvor habe ich mit einer Waffe einen Schuss abgegeben. Und ich hatte es auch in Zukunft nicht vor. Allerdings machten mir die Warnungen von Noble doch ein wenig Angst.
Grabräuber, Grabschänder, Wilde Hunde die nachts nach frisch Vergrabenen Leichen graben.
Ich wurde angewiesen, einen Schuss in die Luft abzugeben, sollte ich bei einem meiner nächtlichen Rundgänge auf einen, oder mehrere Banditen stoßen. Aber was tat ich, wenn die Überraschten Grabräuber mich angreifen würden?
Ich brachte das Gewehr zurück in die Kapelle und machte mich dann auf zu einem Spaziergang über den Friedhof, denn ich wollte mir das Gelände nochmals in aller Ruhe ansehen.
Ich begab mich zuerst auf den Weg zum südlichen Teil des Friedhofes. Ich stellte fest, dass die meisten Gräber ungepflegt waren und offensichtlich von niemandem besucht wurden! Keine frischen Blumen, keine Grablichter auf den Grabsteinen. Auch war alles übersät von Unkraut. Die Grabsteine zum großen Teil mit Efeu und anderen Rank Pflanzen bewachsen, sodass man nicht mehr lesen konnte, was auf ihnen geschrieben stand!
Besonders ein Grab stach mir auf dieser Seite des Friedhofes ins Auge. Anstatt eines normalen Grabsteins, befand sich an dessen Stelle eine große Statue aus Stein. Das Abbild einer jungen, wunderschönen Frau, die ein kleines Kind in ihren Armen trug. Die Statue war so dermaßen Lebensecht gearbeitet, dass ich meinte, die schöne Frau würde jeden Moment aus ihrer Starre erwachen und davon laufen.
Das Kind, das die Frau in den Armen trug, war ein kleines Mädchen von vielleicht 4 Jahren und trug keine Kleider am Leib. Das Mädchen hatte lange Lockige Haare und schlief vermutlich. Oder die Darstellung zeigte ein totes Kind, das konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht sagen.
Das Grab selbst war ebenfalls nicht schlicht, wie die meisten anderen Gräber hier. Es war umrandet von polierten Marmor Platten, in die kleine Bilder eingearbeitet waren. Engel, Vögel und Rosenkränze, Szenen aus der Bibel und dergleichen.
Ich wollte mich schon wieder von dem Grab abwenden, da erkannte ich unter dem Efeu an den Beinen der Statue, eine silberne Platte, mit einer Inschrift darauf. Ich entfernte das Unkraut und legte die folgenden Worte frei:
„Hier ruht mein Kind. Von mir genommen durch die Hände eines Scheusals.
Getrieben durch das unsägliche Leid lege ich mich nun hinzu.
Doch ruhen kann ich erst, wenn das Scheusal ich erkannt und zu mir geholt habe.“
Ein Schauer durchfuhr mich, als ich diese Worte zu Ende gelesen hatte.
Offenbar lag hier ein kleines Kind, das gewaltsam ums Leben gekommen war. Und so wie es aussah, nahm sich die Mutter des Kindes das Leben und wurde mit in das Grab gelegt.
„Eine furchtbare Tragödie“, schnitt eine hohe, krächzende Stimme durch meine Gedanken. Ich fuhr um und erschrak so sehr, dass ich rücklings umfiel und auf dem Hosenboden im Staub landete.
Eine alte Frau stand plötzlich am Grab. Mit ihrer, faltigen, rechten Hand hielt sie einen geflochtenen Korb umklammert, in dem ein paar schöne, rote und gelbe Blumen lagen.
Unbeeindruckt von meinem Sturz auf den Boden, fing die Dame an zu erzählen.
„Vor ein paar Jahren ist aus einem Haus, ganz in der Nähe hier, ein kleines Mädchen Verschwunden.
Tagelang hatte die halbe Stadt nach dem armen Ding gesucht. Ich kannte das Mädchen und dessen Mutter persönlich müssen Sie wissen. Jeden Samstagabend brachte die Mutter das Kind zu mir und lies es bis zum nächsten Tag Mittag in meiner Obhut. Die Mutter war Mitglied einer seltsamen Kirche, der nachgesagt wurde, schwarze Messen und dergleichen, abzuhalten und mit finsteren Dämonen in Verbindung zu stehen. Ich persönlich halte das für Unsinn, wenn Sie mich fragen. Das waren nur ein paar Verrückte die vom rechten Weg abgekommen sind.
Jedenfalls, eines Tages endlich, entdeckten ein paar Kinder, die im Verbotenerweise im Wald herumspielten, die Leiche des Mädchens. Die Polizei wurde herbeigerufen und das Kind wurde geborgen. Das Kind lag in einer Art Kreis, der mit Kreidepulver um es herum gezogen war. Andere Symbole, die ebenfalls mit Kreide dort hin gemalt wurden, waren nicht mehr zu erkennen. Vermutlich haben die Kinder, die die Leiche gefunden haben, versehentlich zerstört.
Das Kind selbst, konnte nur anhand des Kleides und den Haaren Identifiziert werden.
Körper und Gesicht waren schrecklich Verstümmelt und entstellt!
Ohren, Augen und Nase wurden entfernt, die kleinen unschuldigen Hände und Füße ebenfalls.“

Die alte Dame atmete tief durch und bekreuzigte sich mehrmals.
Ihre Stimme wurde nun lauter und Wut schwang in ihr mit:
„Man hat den Mörder nie gefunden. Die Mutter hat den Schmerz über den Verlust ihres Kindes, eines Tages nicht mehr ausgehalten und sie nahm sich das Leben, indem sie sich mit einem Messer selbst den Hals durchschnitt“
Bei diesen Worten fasste sich die alte mit der linken an den Hals, als wolle sie den imaginären Schnitt eines Messers abwehren.
„Bevor die Frau starb, hatte sie mit ihrem Blut Zeichen an die Wände und auf den Boden gemalt. Welcher Art, das kann ich nicht sagen, denn ich selbst habe es nicht gesehen. Ich weiß nur, dass der Pfarrer die Zeichen sofort hat entfernen lassen. Einer der Polizisten, die am Tag des Unglückes in dem Haus waren, hat erzählt, dass neben den ganzen Zeichen, der Name „Alastor“, mit Blut an die Wand geschrieben stand!“
Die alte drehte sich mit dem Gesicht zur Statue und zeigte mit ihrem knöchrigen Zeigefinger auf die silberne Platte mit der Inschrift.
„Das was dort geschrieben steht, fand man auf einem Zettel, der auf dem Küchentisch lag. Es waren wohl die letzten Worte der armen Frau.“
Die Frau drehte sich wieder um und sah mich mit einem Angsteinflößenden Blick an.
„Nimm dich in acht, Junge.. Diese Frau ist nicht die einzige ruhelose Seele auf diesem Gottesacker. Hier gehen merkwürdige Dinge vor. Und ich rede nicht von Grabräubern, oder betrunkenen Vandalen die Spaß daran finden, Grabsteine umzuwerfen!“

Ich war so gefesselt von der Geschichte der alten Dame, dass ich nicht mal bemerkte, dass ich noch immer am Boden saß. Ich rappelte mich auf und beugte mich nach vorne um meine Hosen abzustauben. Als ich wieder nach oben sah, war die alte Verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt.
Hastig fing ich einige Schritte in Richtung Kapelle, um zu sehen ob die Dame sich noch auf dem Gelände befand, aber sie war nicht mehr da.

Ich starrte eine Zeit lang ins Leere und ich dachte darüber nach, was die alte Frau mir eben erzählt hatte.
Mein Blick fiel auf die Kapelle und ich stellte fest, dass ich diese bisher nur flüchtig betrachtet hatte.
Wie schön sie war, mit ihren großen, kunstvoll Verzierten Fenstern und dem großen Turm mit der Uhr darin!
Ein großes Tor führte in die Kapelle hinein. Groß genug, damit ein Trauerzug mit fast beliebig vielen Leuten, bequem hindurch strömen konnte.
Innen waren zur linken und zur rechten, Holzbänke platziert, auf denen die Trauergäste, bei einer Beerdigung, Platz nehmen konnten.
Die Decke der Kapelle war sehr hoch und ebenfalls Kunstvoll verziert mit Malereien, die mit Sicherheit von einem wahren Meister seines Fachs, dort angebracht wurden.
Eine kleine Empore beherbergte eine Orgel. Eine weitere war für den Priester der die Trauerreden hielt.
Wenn man vom Tor aus, gerade in die Kapelle hinein schaute, war am anderen Ende noch ein Altar zu sehen, vor dem der Sarg aufgebahrt werden würde. Hinter dem Altar befand sich noch eine Tür, hinter der eine kleine Kammer war, in der man sich Umziehen, oder ausruhen konnte.
Der Boden war mit großen, glatt geschliffenen Steinplatte ausgelegt, die wunderbare Geräusche machten, wenn man auf ihnen lief.
Ich durchschritt die Halle aus diesem Grund einige Male von vorne bis hinten mit geschlossenen Augen.
Da es mittlerweile langsam zu Dämmern begann, nahm ich meinen Mantel, den ich zu Anfangs am Eingangstor des Friedhofes hatte liegen lassen, und machte mich auf, zu einer vorerst letzten Runde über das gesamte Gelände um zu sehen ob sich noch jemand hier aufhielt, den ich nun langsam bitten musste die Grabstätte zu verlassen!
In einer Stunde, genau um 8 Uhr, würde ich das eiserne Tor des Friedhofes schließen und mit einer schweren Kette sichern.
Am Ende meines Kontrollganges blieb ich einige Meter neben dem Mysteriösen Mausoleum stehen und begutachtete es eine Weile. Auf dem Dach des Grabes saßen etliche Krähen, die mir unnatürlich groß vorkamen.
Ich näherte mich der Totenstätte und klatschte dabei mehrmals laut in die Hände um die Krähen aufzuscheuchen, doch diese zeigten sich mir und meinen Einschüchterungsversuchen gegenüber unbeeindruckt.
Als ich an der Tür zum Mausoleum angekommen war, schien es so, als würden mich alle Krähen mit ihren schwarzen Augen mahnend anstarren.
Ich begutachtete die Tür des Mausoleums. Diese war schlicht aus Holz gefertigt, ohne Insignien, oder einem Namen darauf, so dass man von außen nicht herausfinden konnte, wer darin zur letzten Ruhe gebettet lag!
Die Neugier überkam mich und ich kramte, trotz einiger Bedenken, den großen Schlüsselbund heraus und suchte nach dem Schlüssel zur Tür.
Als ich diesen gefunden und ins Schloss gesteckt hatte, fingen die Krähen über mir, plötzlich an, wie Verrückt zu kreischen und zu schreien. Ich bekam es Augenblicklich mit der Angst zu tun und machte das ich davonkam, da ich mit einem Angriff der großen Vögel rechnen musste.
Einige Meter Richtung Kapelle legte ich in schnellem Lauf zurück, den Rest ging ich wieder langsamer, denn ich merkte das die Vögel mich nicht Verfolgten.
Ich hielt diesen Vorfall für äußerst Merkwürdig, Verschwendete aber dann keinen weiteren Gedanken mehr daran, denn es dunkelte und ich musste das Tor der Kapelle und das des Einganges verschließen.
Nachdem ich den Friedhof nun gesichert hatte, begab ich mich in die hintere Kammer der Kapelle und durchstöberte das Bücherregal, das großzügig mit Werken aller Art bestückt war.
Ein Abschnitt war reserviert für Abenteuer Romane, Liebesgeschichten und dergleichen.
Ein anderer für Bücher die von Alchemie und anderen Wissenschaftlichen Themenbereichen handelten. Ein weiterer Abschnitt enthielt Bücher über Kräuterkunde, weiße Magie und Okkultismus.
Ich war ein wenig Verwundert derartige Themenbereiche in der Bücherei einer Kirchlichen Abteilung zu finden.
„Vor nicht allzu vielen Jahren, wären Bücher über Okkultismus und Alchemie, zusammen mit ihren Verfassen auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden!“ Sagte ich leise vor mich hin.
Aus einer Laune heraus, wählte ich ein Buch aus dem Bereich, „Okkultes“, und begab mich in die Halle der Kapelle. Ich nahm auf einer Holzbank, nahe eines Fensters Platz und schlug das Buch mit dem Namen, „Al Azif“, auf.
Auf der ersten Seite war das schreckliche Abbild eines Dämonen zu sehen, dessen Gesicht an das eines Oktopus erinnerten, die Augen waren klein und leuchteten rot.
Dieses Wesen musste riesengroß sein, denn die neben ihm abgebildeten Berge und Gebirge überragte es um ein Vielfaches. Neben einigen für mich nicht identifizierbaren Zeichen, stand ein Wort geschrieben, das vermutlich der Name des Wesens war: „Cthulhu“!
Als ich kurz meinen Kopf aus meiner gespenstischen Lektüre erhob, war mir, als hätte ich auf dem Friedhof zwischen den Gräbern, die Gestalt einer Frau umherlaufen sehen. Also begab ich mich nach draußen um nachzusehen ob ich nicht versehentlich jemanden hier eingesperrt hatte.
Ich lief den westlichen Teil des Friedhofes ab, fand aber niemanden.
Auf der südlichen Seite war mir wieder so, als hätte ich jemanden zwischen den Gräbern umherlaufen sehen, also nahm ich meine Lampe und ging dort hin.
Ich hatte meine Beobachtung schon als Hirngespinst abgetan, als ich an der An der Statue des Mutter, Kind Grabes, einen Schatten umher huschen sah.
Ich ging auf die Statue zu und sagte mit fester Stimme: „Hallo, ist da jemand? Hören Sie, Sie dürfen sich um diese Zeit nicht mehr hier aufhalten!“
Ich erhielt keine Antwort, also lief ich weiter auf die Statue zu und langsam wurde mir flau im Magen.
Als ich fast dort angekommen war, vernahm ich plötzlich das kichern eines Kindes. Es klang als würde es aus einer großen Halle kommen, aber es kam zweifelsfrei aus der Richtung der Statue.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, und als wäre mein Schrecken nicht schon groß genug, sah ich wie auf einmal die Lockigen Haare einen kleinen Mädchens hinter der Figur hervor lugten.
„Hast du meine Mutter gesehen? Ich kann sie nirgends finden..“ Sprach die Gestalt hinter der Steinfigur. Und wieder Hallte die Stimme als käme sie aus einer Kathedrale. Das nackte Grauen ergriff mich und ich rannte was das Zeug hielt, Richtung Kapelle zurück. Dabei verlor ich auf halbem Weg meine Lampe und den Schlüsselbund.
An der Kapelle angekommen musste ich feststellen, dass ich diese wohl beim Verlassen abgeschlossen hatte. Also blieb mir keine andere Wahl, als den Weg nochmals zurück zu laufen und nach den Schlüsseln zu suchen.
Als erstes fand ich die Taschenlampe, die glücklicherweise beim Sturz heil geblieben war.
Ich schaltete sie ein und lief langsam, Schritt für Schritt, den Weg Richtung Statue ab. Ich konnte dabei mein Herz schlagen hören, so voller Angst war ich.
Nach einigen Schritten hörte ich ein klimpern unter meinen Füßen und beugte mich hinab. Ich wischte ein wenig Laub beiseite und legte den Schlüsselbund frei. Ein Lächeln der Erleichterung legte sich auf mein Gesicht und ich atmete mit geschlossenen Augen tief durch.
Als ich mich aufrichtete stieß ich einen Schrei aus, wie ihn nur ein Mann in der Stunde seines Todes hervorbringen konnte. Das Blut gefror in meinen Adern und ich fiel wieder rückwärts auf den Boden.
Das Hassverzerrte Gesicht einer jungen Frau blickte mich an und mir war mit einem Schlag klar, dass dies der Geist der Mutter des kleinen Mädchens war.
Die Haut der Frau war blass, fast weiß. Die Augen waren schwarz und Angsteinflößend.
Am Hals der Erscheinung war ein riesiger Schnitt zu sehen, den sich die junge Mutter damals zugeführt hat um ihrer Tochter ins Reich der Toten nachzusteigen.
Sie streckte ihre knöchrigen Arme nach mir aus und mit einer gurgelnden und krächzenden Stimme, die den stärksten Mann zum erzittern gebracht hätte, giftete sie mich an: „Wo ist mein Kind? Bring mir mein Kind zurück, oder ich werde dich zerreißen!“
Sie griff nach mir um mich zu packen, aber mit einer geschickten Seitwärtsrolle konnte ich mich ihrem Griff entziehen.
Mit einem Schwung stand ich auf und lief abermals wie von der Tarantel gestochen zur Kapelle.
Dort angekommen drehte ich den Schlüssel im Schloss und ohne mich nochmals umzusehen, warf ich mich gegen die Tür und verriegelte diese von innen.
Ich rannte durch die Halle in das hintere Zimmer, nahm das geladene Gewehr an mich und trat die Tür, die nach oben zum Turm führte, ein. Ich nahm gleich mehrere Stufen mit einem Schritt und war den Turm in Windeseile hinaufgestiegen.
Oben angekommen, öffnete ich eines der drei Fenster und steckte Vorsichtig meinen Kopf heraus.
Mein Blick schweifte über den Bereich des Friedhofes, auf dem ich dem schrecklichen Geist begegnet war. Aber da war rein gar nichts mehr zu sehen.
Plötzlich hörte ich von unten ein ächzendes Geräusch. Ich schaute weiter aus dem Fenster heraus und sah, dass die Gestalt, die mich in Stücke zu reißen versucht hatte, vor der Kapelle hin und her lief. Ungefähr fünf Meter von der Eingangstüre entfernt. Sie schrie wieder mit dieser grausigen Stimme, dass man ihr doch ihr Kind brächte.
Aber näher als diese fünf Meter kam sie nicht an die Kapelle heran. Fast so, als würde eine Unsichtbare Mauer sie aufhalten.
Nach einigen Minuten musste die Frau gemerkt haben, dass es für sie keinen Weg ins Innere der Kapelle gab und so wandte sie sich ab.
Ich beobachtete wie der Geist der Frau, schnurstracks auf das Mausoleum zulief, auf dessen Dach noch immer die Krähen gastierten.
Dort angekommen hämmerte die Frau mit den Händen gegen die Tür und schrie wie besessen: „Mörder, Mörder! Ich werde dich holen…… Mörder!“ Die Krähen jedoch schien das alles, ganz im Gegensatz zu meinem Besuch bei dem Mausoleum, überhaupt nicht zu stören. Sie würdigten die furchteinflößende Gestalt keines Blickes. Als wäre diese gar nicht da.
Mein Entsetzen legte sich langsam und neben der Angst verspürte ich nun noch ein weiteres Gefühl in mir aufkommen. Neugierde!
In welcher Verbindung stand das, was da im Mausoleum Verborgen war, mit dem Verschwinden und dem Tod des kleinen Mädchens? War gar der Mörder des Mädchens dort zur Ruhe gebettet?
Wenn ja, wer war es? Wie war sein Name? Und was will der Geist der jungen Frau von ihm, wenn er doch schon tot war?
Ich konnte die ganze Nacht kein Auge zu tun und blieb zusammengekauert in der hintersten Ecke des Turmes sitzen. Das Gewehr immer auf die Tür gerichtet. Ich war der Überzeugung, dass jeden Moment die Tür aufspringt und diese grässlichen, fauligen Hände mich packen und in tausend Stücke zerreißen! Jedoch geschah nichts dergleichen.
Ich hörte den Geist der Mutter noch ein paar Stunden Jammern und Klagen. Manchmal ging das Klagen in ein wütendes, Verzweifeltes Kreischen über, bei dem mir jedes Mal der Atem stockte.
Erst als es wieder hell war und ich keine Spur von dem Geist mehr entdecken konnte, traute ich mich aus meinem Versteck.
Ich Verstaute das Gewehr wieder sicher im Schrank in der Kammer und ging nach draußen um das Haupttor aufzuschließen.
Ich war froh als ich die ersten Menschen auf der Straße herumlaufen sah. Und auch auf dem Friedhof selbst war schon der erste Besucher zu sehen.
Es war die alte Frau, die mir am Tag zuvor die Geschichte von der Mutter und ihrem Kind erzählte.


© Daniel Bechmann


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