Es ist morgens kurz nach neun, da klingelt das Telefon. Wen um diese Zeit das Telefon klingelt, heißt das nichts Gutes! Meine Befürchtungen werden bestätigt, es ist meine Sachbearbeiterin von der Arge. Sie schnarrt gleich los: Sie haben ja bei den Abrechnungen für die Bewerbungskosten nur wieder Absagen bekommen!!! Ich verstehe das nicht, sie sehen doch so gepflegt aus, und stinken tun sie auch nicht!!!! Soll das jetzt ein Kompliment sein, oder was? Bevor ich was erwidern kann, bellt sie in den Hörer, dass sie mir jede Menge Stellenangebote heraus gesucht hat, die sie mir in den nächsten Tagen zu schicken wird. Oh, das ist schön, dass sie an mich gedacht haben, sage ich. Es wird von ihr sogleich nach gelegt, denken sie an den halbjährlichen Gesprächstermin, die Einladung kommt dann noch! Und sehen sie zu, dass bis dahin Ergebnisse da sind, sonst wird es bald duster im Karton! Nachdem sie mir einen schönen Tag gewünscht hat, ist das liebreizende Telefonat beendet,
ich nenne diese Dame nicht umsonst Muräne! Sie hat sich in mich verbissen, bombardiert mich mit größtenteils sinnfreien Stellenangeboten, und natürlich bin ich schuld, dass es nicht klappt. Jetzt muss man wissen, ich bin Ende vierzig und komme aus einem Nischen Job, dem Bestattungswesen. Jahrzehnte habe ich in derselben Firma gearbeitet, und bin dann wegen Pleite entlassen worden. Ich bin an dieser Situation völlig schuldlos, und muss mich als Kunde wie ein Verbrecher behandeln lassen!! Nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich dran, was bleibt einem anderes übrig?
Ich nehme nun meine Tasche und gehe einkaufen, das lenkt ab. Nachdem ich bei Feinkost Albrecht und dem Bäcker war, schlage ich nun den Weg nach Schlecker ein. Auf dem Weg dorthin muss ich an einer großen Kreuzung auf grün warten. Da sehe ich aus den Augenwinkeln einen Leichenwagen, der die Kreuzung passieren wird, er ist von dem größten Unternehmer der Stadt, zu aktiven Zeiten von meiner Firma war er der größte Konkurrent, und auf dem Beifahrersitz ist der Kollege, mit dem ich mich noch nie verstanden habe. Er hat mich erkannt, aus dem geöffneten Fenster schreit er: „Hahhh, die Arbeitslosen gehen erstmal schick einkaufen!!!!“. Da der Wagen wegen des Verkehrs langsamer fahren muss, stimmt er sogleich einen Song an, der aus Fußball Arenen stammt. Er hat sich sogar die Mühe gemacht, ihn extra für mich um zu texten!! Du kannst zur Arge gehen, du kannst zur Arge gehen, den Rest verstehe ich nicht mehr, die Fahrzeug Schlange bewegt sich schneller, und der Wagen ist weg. Außer mir fragen sich noch circa acht andere Passanten, wer dieser Geistesgestörte aus dem Leichenwagen ist. Ich hatte angestrengt zur Seite geguckt, so wussten sie nicht, wer gemeint war.
Endlich gab es grün für uns, ich hörte einen älteren Herrn referieren: Also bei Hitler, da gab es keine Arbeitslosen!! Die haben alle die Autobahn gebaut! Im Weitergehen hörte ich noch Wortfetzen: Fünfzig Jahre in derselben Firma, nie krank, ich verstehe das alles nicht.
Der Besuch im Schlecker tat mir gut, dort arbeitete zu jener Zeit eine liebe ältere Dame, die immer für ein Pläuschchen zu haben war. Als ich den Bürgersteig wieder betrat, ging es mir ein wenig besser. Da stand ich wieder an der Ampel, und wartete auf grün. Ich guckte nichtsahnend die Straße hoch, und siehe da, derselbe Leichenwagen passierte die Kreuzung!!! Dieses Mal saß mein Lieblings Komponist am Steuer. Er hatte jetzt die Melodie eines uralten Schlager von Cindy und Bert um getextet. Immer wieder Montags ging er zur Arge hin, di bi di di dib, und holt sich die dicke Knete!!!! Leider konnte ich den Rest des mir erneut kredenzten Werkes nicht mehr mit kriegen, da sein Hintermann schon hupte.
Ich muss dazu sagen, dass ich diesem Mann nie etwas getan hatte, es war wohl die pure Schadenfreude. Er selbst ist Quartalssäufer und hatte mal einen schlimmen Absturz, fiel in der Firma ein halbes Jahr aus. Der Inhaber hatte ihm gedroht, beim nächsten Mal wäre er weg. Ich vermute mal, dass sein Gehirn unter dem Alkohol Missbrauch tüchtig gelitten hat. Als ich nach diesem abwechslungsreichen Tag nach Hause kam, kocht ich mir erstmal eine Tasse Kaffee. So jetzt noch das Telefon daneben, damit man nicht mehr groß aufstehen musste, immerhin konnte ich die Tasse in Ruhe leer trinken, bevor das Telefon klingelte.
Bei meinem Glück heute müsste das die Muräne sein dachte ich, und bekam leider Recht. In zwei Tagen haben sie ihre Stellenangebote! Da ist auch die Firma XY bei, hier die Telefonnummer. Rufen sie da jetzt schon mal an, geiferte sie im Befehlston. Ich habe das Gefühl Herr XY, das ich den Spriegel bei ihnen ein wenig mehr anziehen muss. Ich kriege sie schon weg, da sollen sie mal sehen. Nach einem Abschiedsgruß, der sich anhörte als ob sie mit ihren scharfen Zähnen den Hörer zerbeißt, war das Telefonat beendet. Ich lehnte mich in die bequeme Garnitur zurück, und döste ein.
Ich träumte von Muränen mit dicken Fischen im Maul, und alten Männern, die den Führer noch erlebt haben. sowie von der Hitparade, die es schon lange nicht mehr gab. Es trat ein Künstler im schwarzen Anzug auf, der sagte: Dieses Lied widme ich meinem lieben Kollegen XY.
Ich wachte auf, als ich ein Geräusch an der Tür hörte, meine Frau kam von der Arbeit. Sie fragte mich ob denn was passiert wäre. Ich sagte nöh, ich war nur einkaufen!


© Franz


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