31. Einen Monat später.

Es ist Ende Juni, aber die Temperaturen sind nicht wirklich sommerlich. Gerade einmal 20 °C zeigt das Thermometer an. Bald beginnt die Haupturlaubszeit und viele fliegen daher in wärmere Länder. Trotz dieser nicht gerade einladenden Temperaturen, füllt sich an diesem Samstagvormittag der Englische Garten in München mit Leben. Kinder toben in der wunderschönen großen Parkanlage am Westufer der Isar, ihre Eltern sitzen auf Decken und genießen die kurze Zeit der Erholung. Einige Väter spielen mit ihren Sprößlingen Fußball oder Frisbie. Studenten und Singles findet man auch. Sie liegen da, lesen in ihren Büchern oder Zeitschriften. Manche haben einen Laptop dabei und arbeiten damit. Wie harmonisch doch die Menschen miteinander Leben können, zeigt sich in diesem Park. Niemanden stört es, wenn ein Kind mal etwas lauter ist, ein Hund bellt oder Jugendliche lachen. Die ansonsten so hektische Rasse des Homo Sapiens scheint hier in dieser grünen Idylle zur Ruhe zu kommen und die wirklich wichtigen Dinge des Lebens bewußt zu genießen, die Familie, Freunde oder einfach nur mal Zeit für sich zu haben.

Nicht weit entfernt von dieser phantastischen Parkanlage, die 1792 den Bürgern Münchens offiziell übergeben wurde, liegt ein neu gebautes Wohngebiet mit schönen Ein- bzw. Mehrfamlienhäusern. In letzteren befinden sich vor allem Mietwohnungen. In einer von ihnen, einer wunderschönen kleinen Maisonett-Dachgeschoss-Wohnung, liegt zu dieser späten Morgenstunde eine junge Frau in ihrem Bett. Sie schläft tief und fest. Die aufgehende Sonne sucht sich ihren Weg und nähert sich, je höher sie steigt, cm für cm der Frau. Nach wenigen Minuten streift sie mit ihren wärmenden Strahlen zärtlich den nackten Rücken der Frau. Sie dreht sich herum. Es ist Bianca, die Krankenschwester aus der Privatklinik "Sunshine". Sie wollte schon längere Zeit in eine größeren Stadt ziehen und sich an einer Uniklinik bewerben. Dort würde sie auch mehr verdienen. Dieser schreckliche Vorfall vor einem Monat, bei dem einer ihrer Patienten fast gestorben wäre, hatte sie endgültig dazu gebracht, sich bei einer Münchener Klinik zu bewerben. Zu ihrem großen Glück bekam sie auch die Anstellung und zog kurz darauf um.

Ein mehrfaches Klingeln reißt sie aus ihren Träumen. Verschlafen setzt sie sich auf. Welcher Tag ist Heute und wie spät ist es?, überlegt sie. Wieder klingelt es. Mann, wer kann das zu dieser frühen Stunde an einem Wochenende bloß sein? Ihr Freund hat einen Schlüssel und außerdem hat er einen Termin bei seinem Arzt. Abermals ertönt das Ding-Dong und Bianca ruft genervt: "Ich komme ja schön! Bloß hören sie mit diesem verdammten geklingel auf." Schnell nimmt sie das Pyjamaoberteil ihres Freundes vom Stuhl und zieht es über ihren völlig nackten Körper. Sofort steigt ihr der Duft seines Deo´s in die Nase und sie muß lächeln. Es riecht wunderbar männlich. Mit nackten Füßen nähert sie sich der Wohnungstür. Als sie dort ist, fragt sie durch die geschlossene Tür: "Wer ist denn da?" "Ich habe Einschreiben für Senorita Bauer." hört sie einen Mann mit gebrochenen Akzent. Toll der Postbote und sie hat nichts weiter an. So schließt sie die Knöpfe der Pyjamajacke, macht ihre Haare mehr oder weniger ordentlich zurecht und öffnet die Tür.
Davor steht ein junger Mann. Er hat mehrere Briefe in seiner linken Hand. Die Rechte hält er auf seinem Rücken versteckt. "Ich Post habe für Senorita." sagt er wieder und lächelt. Bianca muß schmunzeln, schüttelt dabei leicht ihren Kopf. "Ich reinkommen darf um viele Post auf Tisch zu legen?" fragt der Postbote und die Frau öffnet die Tür ganz. "Aber sehr gern. Mein Freund ist gerade nicht zu Hause."
Der Mann tritt mit einem Lächeln ein und sagt: "Oh, sie Freund haben."
"Ja, aber er ist manchmal ein richtiger Esel, also machen sie sich um ihn keinen Kopf. Außerdem müßte er gerade bei seinem Arzt sein und die nächsten 2-3 Stunden nicht zurück kommen." Bianca schließt die Tür und der junge Mann legt die Post und eine Tüte, die er in der rechten Hand gehalten hatte, auf einen kleinen Tisch gleich neben der Tür. Dann drängt er die Krankenschwester gegen diese. Stützt seine linke Hand dicht neben Bianca´s Kopf an das braune Holz. So kann sie nicht weg. Mit der anderen Hand fängt er an, den ersten Knopf der Pyjamajacke zu öffnen. Sie läßt es mit sich geschehen, scheint es richtig zu genießen. Plötzlich fragt sie der Mann völlig akzentfrei: "Läßt du fremde Männer immer in deine Wohnung?" "Nein, nur wenn sie wunderschöne blauen Augen und einen so knackigen Hintern haben." Der angebliche Postbote ist Maik Tayler. Er muß lächeln, küßt Bianca und fragt: "So so, dein Freund ist also ein Esel? Schön zu wissen, dass du so über mich denkst." Der zweite Knopf an Bianca´s Oberteil geht auf. Sie lächelt und Maik merkt, wie ihre Atmung schneller wird, sie leichte Gänsehaut bekommt und ihre hart werdenden Brustwarzen immer deutlicher unter dem Stoff hervortreten. Der dritte Knopf geht auf und der ehemalige SEK-Mann sieht die wunderschönen zarten Brüste seiner Freundin. Dieser Anblick läßt Maik´s Blut in Wallung geraten, es ist wie ein Adrenalinrausch. Auch seine Atmung wird schneller, noch mehr, als Bianca gefühlvoll ihre rechte Hand auf den Reißverschluss seiner Hose legt und dort spürt, dass sich darin etwas tut. Sie lächelt und flüstert: "Komm, lass uns ins Schlafzimmer gehen." Das läßt sich Maik nicht zweimal sagen. Er nimmt seine Freundin zärtlich auf die Arme und trägt sie ins Schlafzimmer.

Endlich, Justin hat heute Geburtstag. Er konnte es kaum abwarten, daß die Nacht vergeht und er seine Geschenke bekommt. Schon seit 6 Uhr ist er wach und wartet seit dem darauf, dass seine Eltern munter werden. Doch diese schlafen noch. Als es neun Uhr ist, schleicht er sich in das Schlafzimmer seiner Eltern. Leise kniet er sich vor das Bett seiner Mutter. Diese öffnet ihre Augen, lächelt und sagt: "Unser Geburtstagskind hat ja schon ausgeschlafen." "Ja, ich bin so aufgeregt." sagt Justin und man hört, wie sich seine Stimme überschlägt. Jetzt wird auch sein Vater wach. Er dreht sich zu Janine, hebt seinen Oberkörper leicht an, gibt seiner Frau einen Kuss und sagt zu ihr: "Guten Morgen mein Schatz. Was denkst du? Nach der verpatzten Mathearbeit, wollen wir ihn noch etwas zappeln lassen oder geben wir ihm seine Geschenke?" Chris sieht seinen Sohn lächelt an. "Die Arbeit war aber auch sauschwer." entrüstet sich Justin. "Alle in meiner Klasse haben das gesagt. Da bin ich mit meiner 4 Plus noch ganz gut weggekommen." "Na gut. Aber jetzt komm erst einmal her." sagt sein Vater, setzt sich auf und klopft mit seiner rechten Hand auf das Bett. Justin steht auf und klettert in das Bett seiner Eltern. Chris umarmt ihn und sagt: "Ich wünsche dir zu deinem 11. Geburtstag alles alles Gute. Viel Gesundheit und Erfolg in der Schule und heute Nachmittag eine schöne Party mit deinen Freunden. Außerdem haben wir zur Feier noch eine kleine Überraschung für dich." Justin schaut zu seiner Mutter. Diese hat sich ebenfalls aufgesetzt. "Ihr habt aber nicht wieder einen Clown, wie letztes Jahr, für mich bestellt? Ich bin schon 11 und ein Clown gehört zu einem Kindergeburtstag." Chris lacht auf und fährt seinem Sohn durch die Haare. "Nein nein, wir haben keinen Clown, aber einen Zauberer." Entsetzt sieht Justin wieder zu seiner Mutter. Diese lacht ebenfalls, schlägt ihren Mann mit der flachen Hand auf dessen Oberarm und sagt: "Komm, erzähl unserem Sohn nicht so einen Mist. Ich schwöre dir, einen Clown oder einen Zauberer haben wir nicht, aber etwas anderes über das du dich sehr freuen wirst." "Was denn?" fragt Justin aufgeregt. "Das verrate ich dir noch nicht. Wolltest du nicht deine Geschenke aufmachen. Sie liegen unten im Wohnzimmer. Aber mach leise, Rebecca schläft noch." Sofort stürmt der Junge aus dem Schlafzimmer und rennt über die Treppe nach unten. Seine Eltern können ihm kaum folgen. Im Wohnzimmer auf dem Sofatisch liegen 3 Geschenke. Janine hatte sie gestern Abend liebevoll eingepackt. Doch für ihren Sohn ist nur der Inhalt interessant, wie für jedes Kind. Er reißt das bunte Papier auf, um schnellstmöglich an den Inhalt zu kommen. In dem ersten Päckchen ist eine Kristallzucht, in dem Zweiten ein Frontlader von Lego-Technik und im Dritten ein Computerspiel "Need for Speed". Justin liebt Autorennen über alles und auch über die anderen Geschenke freut er sich. Trotzdem ist er etwas enttäuscht. Er hatte gehofft dieses geile Fahrrad zu bekommen. "Gefallen dir deine Geschenke?" wollen seine Eltern wissen. Sie sind zwischenzeitlich nach unten gekommen. "Ja. Danke." sagt er und geht strahlend zu seinen Eltern. Er umarmt beide und seine Mutter flüstert ihm liebevoll ins Ohr: "Alles Gute mein Großer. Aber jetzt wollen wir erst einmal Frühstück machen. Wir müssen für deine Party noch einiges vorbereiten."

Maik und Bianca liegen verschwitzt in ihrem Bett. Sie haben sich in der letzten Stunde mehrfach geliebt. Der ehemalige Polizist liegt halb sitzend auf seiner Seite, das Bettuch verhüllt nur seinen Intimbereich. Er spielt mit den Locken der hübschen Krankenschwester. Bianca hat ihren Kopf auf die Brust ihres Freundes gelegt und hört, wie dessen Herz von der sexuellen Anstrengung noch immer rast. Dabei sieht sie auf die lange Narbe an der linken Hüfte von Maik. Zärtlich streicht sie darüber und der Polizist zuckt mit seinen Bauchmuskeln. "Tut es noch weh?" will sie wissen.
"Nein, das kitzelt."
"Hattest du heute Früh nicht einen Termin beim Doktor Wagner?"
"Schon, aber der mußte zu einem dringenden Notfall. Doch das war auch gut so."
"Wieso?" will Bianca wissen und hebt ihren Kopf an um ihren Freund anzusehen.
"Weil ich dadurch eher nach Hause gekommen bin und so erfahren habe, wie du über mich denkst und was du mit Postboten machst, wenn ich nicht daheim bin. Wieso bin ich eigentlich ein Esel?" fragt Maik.
Bianca lächelt und legt ihren Kopf zurück auf den Brustkorb des Polizisten. Sie streichelt zärtlich über dessen Sixback. "Weil du fast 2 Wochen gebraucht hast eh du begriffen hast, dass ich nicht nur deine Krankenschwester sein will."
"Aha und deshalb bin ich also ein Esel."
"Ja mein kleiner süßer grauhaariger Gefährte von Shrek."
Völlig unerwartet faßt Maik nach Bianca´s Hände und dreht sie auf den Rücken. Nun liegt er über ihr. "Nimmst du den Esel auf der Stelle zurück?"
Sie lacht und versucht sich zu befreien. Doch gegen die Kraft von Maik kommt sie nicht an. "Ich lasse dich erst los wenn du sagst, dass ich der liebevollste, charmanteste und klügste Mensch bin, den du je getroffen hast."
Sie windet ihren nackten Körper und versucht so aus dem Griff zu kommen. Doch das kann sie vergessen. Sie sagt lachend: "Meine Mam hat mir beigebracht immer die Wahrheit zu sagen. Wenn ich sage was du hören willst, dann würde ich Lügen und in die Hölle kommen."
Maik liegt schmunzelnd über ihr, hält ihre Hände noch immer fest und sagt: "Glaubst du für das, was wir in der letzten Stunde verruchtes angestellt haben, kommst du nicht in die Hölle?"
Sie gibt auf und spürt seinen nackten, kräftigen und warmen Körper über sich. "Gut, du hast gewonnen. Du bist der liebevollste und charmanteste Mann den ich je getroffen habe. Jetzt lass mich bitte los." bettelt sie.
Doch Maik tut es nicht. Mit einem verschmitzten Lächeln sagt er: "Du hast vergessen, dass ich noch der klügste Mann bin."
"Ok ok. Du bist der klügste Mann in dieser Wohnung."
Maik lacht über die wohlüberlegten Worte seiner Freundin, denn er ist der einzigste Mann in dieser Wohnung, also somit auch der Klügste. Schließlich läßt er sie los und küßt sie zärtlich, dann sagt er: "Ich sehe schon, gegen deine spitze Zunge komme ich nicht an. Aber jetzt müssen wir wirklich aufstehen, sonst kommen wir zu spät." So schwingt sich Maik aus dem Bett und geht ins Bad duschen.

Die kleine glückliche Familie von Chris Evans ist soeben fertig mit Frühstücken. Rebecca sitzt noch in ihrem Stühlchen und trinkt ihre Milch. Janine räumt bereits den Tisch ab. Ihr Mann sieht zu Justin und sagt: "Hilfst du mir beim Schmücken des Hauses und des Gartens?" "Ja." "Gut. Gehst du bitte in die Garage und holst schon die Girlanden und die Luftballons?" Das Geburtstagskind steht auf und verläßt das Haus. Chris kümmert sich um Rebecca, wischt ihr den von Marmelade verschmierten Mund ab. Plötzlich hören sie Justin laut aufschreien. Erschrocken sieht Rebecca ihren Vater an. Doch der sagt mit einem Lächeln: "Ich glaube, dein Bruder hat soeben sein letztes Geschenk gefunden." Es dauert nicht lange und die Eingangstür wird aufgestoßen und Justin kommt ins Haus gerannt. "Toll, ihr habt mir das Fahrrad doch gekauft und ich dachte schon..." Der Junge rennt zu seiner Mutter und drückt sie ganz sehr, das Gleiche macht er mit seinem Vater. "Genau das wollte ich haben. Darf ich eine Runde fahren. Bitte bitte." Justin ist aus dem Häuschen. So glücklich haben ihn seine Eltern seit der Entführung nicht mehr erlebt. Seit diesem schrecklichen Ereignis hat sich ihr Sohn verändert. Er ist ernster geworden und schrickt noch immer schreiend aus dem Schlaf. Auch auf der Straße zuckt er bei jeder Fehlzündung eines Autos zusammen und hält sich ängstlich an der Hand seiner Eltern fest. Der Kinderpsychologe bei dem Justin seither in Behandlung ist tut zwar sein bestes, aber viel Erfolg hat er noch nicht gehabt.
"Aber mach vorsichtig. Nicht, dass wir deinen Geburtstag in der Notaufnahme feiern müssen." sagt seine Mutter. "Nein nein. Ich passe schon auf." und schon ist Justin wieder verschwunden. Sein Vater hebt Rebecca aus dem Stühlchen und bringt sie in das Wohnzimmer. Dort setzt er sie auf den Boden zu ihrem Spielzeug. Janine steht am Terrassenfenster und sieht nach draußen. Ihr Sohn kommt gerade mit seinem neuen Rad aus der Garage und fährt den Weg vom Haus in Richtung Tor. Chris stellt sich neben seine Frau, legt zärtlich seinen linken Arm um ihre Hüfte und drückt sie an sich. "So glücklich war Justin schon lange nicht mehr." sagt er und beobachtet ebenfalls seinen Sohn. "Ja, seit diesem Kidnapping hat er sich sehr verändert. Er ist nicht mehr so unbeschwert wie es ein Junge in seinem Alter sein müßte. Wie kann ein Mensch nur zu so etwas fähig sein. Hoffentlich werden die Kerle irgendwann geschnappt." Damit spricht Janine ihrem Mann aus dem Herzen. Doch viel Hoffnung hat er nicht, dass diese Männer ihre gerechte Strafe bekommen.

32.

Maik ist gerade in der Küche und bereitet das Frühstück vor, als Bianca frisch geduscht dazu kommt. Sie trägt nur ein Badetuch was sie um ihren Körper gewickelt hat. Er dagegen hat sich bereits angezogen, trägt eine schwarze Stoffhose und ein royal blaues Hemd, was er noch nicht zugeknöpft hat. Der Duft von frischen Brötchen und Kaffee liegt in der Luft. "Mmmm, das riecht aber lecker." sagt sie und geht zu ihrem Freund der soeben dabei ist, Zucker in die Tasse von Bianca zu geben. Sie schmiegt ihren Körper an seinen Rücken und umarmt ihn. Dabei spürt sie dessen nackten warmen Bauch. Am liebsten würde sie ihn gar nicht mehr loslassen, so glücklich ist sie. Die junge Krankenschwester holt hörbar tief Luft und genießt den Duft von Maik. Er hat ihr Lieblingsparfum aufgetragen, Cool Water von Davidoff. Schmunzelnd sagt sie: "Mmmm, das riecht auch lecker." Maik muß lächeln. Nie hätte er gedacht, wieder so lieben zu können. Er dreht sich zu ihr, nimmt sie in die Arme und flüstert: "Eigentlich müßte ich diesen Kidnappern sogar dankbar sein, dass sie mich angeschossen haben. Sonst hätte ich dich nie kennengelernt." Bianca hebt ihren Kopf und sieht ihren Traummann an, dann küssen sich beide. "Wollen wir frühstücken, der Kaffee wird kalt." sagt Maik. "Du hast Recht, sonst kommen wir wirklich noch zu spät, mein Mausebär." Diesen Kosenamen haßt der Polizist und das weiß seine Freundin. Sofort löst sie sich von ihm, um genügend Sicherheitsabstand zu bekommen, doch Maik ist schneller. Mit der flachen Hand gibt er ihr einen liebevollen Klaps auf den Po. "Du weißt genau, dass ich Mausebär hasse." sagt er. Bianca schreit lachend auf: "Aua." Sie setzt sich an den Tisch und sieht zu, wie Maik die beiden Kaffeetassen bringt. Als er ebenfalls sitzt sagt er: "Verdammt, die Brötchen fehlen noch." Dann steht er erneut auf und geht zu der Wohungstür. Von dem kleinen Tisch, wo auch die Post liegt, nimmt er die Tüte die er mitgebracht hatte und geht zurück zu seiner Freundin.

Es ist bereits Nachmittag und keine Wolke ist am blauen Himmel zu sehen. Sie Sonne scheint und gibt ihr bestes, um Justin eine wunderschöne Feier zu verschaffen. Das Haus und der Garten sind mit Luftballons und Girlanden verschönert. Etwa 10 Kinder toben auf der Wiese herum. Sie spielen Fußball oder Fanger. Die Restlichen sind im Haus und betrachten die Geschenke von Justin. Dieser scheint für paar Stunden wirklich glücklich zu sein. Nichts erinnert mehr an den Jungen, der sich seit seiner Entführung sehr zurückgezogen hat und nur noch wenig lacht.
Vor dem Tor des Anwesens taucht ein VW Polo auf. Chris und Janine sind im Garten und spielen mit einigen Kindern "Blinde Kuh". Das Fahrzeug muß hupen um bemerkt zu werden. Als Chris in diese Richtung sieht lächelt er und sagt: "Na endlich." Dann geht er ins Haus und bedient die Schließanlage des Tores. Gleichzeitig ruft er: "Justin, deine Überraschung fährt gerade vor." Es dauert nur wenige Sekunden und sein Sohn kommt aus dem Wohnzimmer gerannt. Er sieht sofort in Richtung Tor und betrachtet mit leuchtenden Augen das coole Fahrzeug, denn dieser VW ist kein normaler Polo, sondern extrem getunt. Die Karosserie ist in einer Two-Tone-Optik gestaltet: Pearl-Orange-Farben und die verlängerte Motorhaube schwarz metallic. Klarsichtscheinwerfer vorn und hinten, Frontspoiler, Heckschürze, Seitenschweller, Kamei-Grill und dazu 225 bzw. 255 Reifen auf Chromfelgen aufgezogen. In dem Fahrzeug sitzen 2 Personen, doch Justin kann sie noch nicht erkennen. Langsam fährt das Auto den Weg zum Haus hoch. Dabei wird es von Kinderaugen verfolgt. Vor der gepflasterten Garageneinfahrt bleibt es stehen und die Personen steigen aus, es sind Maik und Bianca. Justin ist überglücklich seinen Onkel wiederzusehen. Mit Tränen der Freude in seinen Augen sieht er wortlos zu seinem Vater auf. Dieser sagt: "Und, ist die Überraschung gelungen? Willst du deinen Onkel nicht begrüßen?" Als sich Maik nähert, rennt Justin los und ruft freudig: "Onkel Maik, Onkel Maik, du lebst!" Der Junge springt ihn fast an und der Polizist hat Mühe stehen zu bleiben. Kraftvoll legt das Kind seine Arme um den Hals seines Überraschungsgastes und fängt an zu heulen.
"Ich bin es wirklich. Es ist ja schön, dass du dich so freust mich wiederzusehen, aber wenn du noch mehr zudrückst, bekomme ich keine Luft mehr." Doch Justin läßt nicht los. Chris ist die Treppe nach unten gekommen und seine Frau steht neben ihm. Beide sehen sich an und auch ihnen treten Tränen in die Augen. Selbst Maik muß mit seinen Gefühlen kämpfen. Er hält den Jungen fest und spürt, wie dessen ganzer Körper zittert. Bianca steht etwas verloren bei ihrem Auto. Mit dem rechten Zeigefinger wischt sie sich eine Träne ab, die ihr gerade über die Wange rollt. Dass das Wiedersehen der 2 so emotional werden wird, hätte sie nie gedacht. Die anderen Kinder können mit der Situation nicht umgehen, da sie sie nicht verstehen. Schweigsam stehen sie da und die Fröhlichkeit die bis jetzt das Anwesen beherrschte, ist wie weggeblasen. Dies merkt auch Justins Mutter und sie sagt: "So, lassen wir die Zwei mal etwas alleine. Wer möchte ein Eis?" Etliche Kinder melden sich und die Unbekümmertheit kehrt zurück. Sie geht mit ihnen ins Haus. Langsam beruhigt sich Justin und Maik stellt ihn auf den Boden. Er kauert sich zu ihm hinunter und sagt: "Alles wieder in Ordnung?" Schluchzend antwortet der Junge: "Ja. Mama und Papa haben zwar gesagt, dass du lebst, aber ich wußte nicht, ob sie mich nur beruhigen wollen." Erneut fällt das Kind seinem Onkel erleichtert um den Hals. Chris ist in der Zeit zu Bianca gegangen. Er gibt ihr lächelnd die Hand und sagt: "Schön sie wiederzusehen. Sie scheinen sich gut um Maik gekümmert zu haben. So toll sah er schon lange nicht mehr aus."
Die junge Frau lächelt und sagt: "Danke. Anfangs war er ein ziemlich anstrengender Patient. Wenn ich ihn nicht zurückgehalten hätte, wäre er bereits 2 Wochen nach der OP joggen gegangen."
Auch Chris lächelt. "Ja, so kenne ich Maik. Er läßt sich nicht gerne was vorschreiben. Wie gefällt es ihnen denn in der neuen Klinik?"
"Sehr gut. Das Team ist klasse und auch mein Chef."
"Da scheinen sie sich in München gut eingelebt zu haben. Haben sie denn schon einen Freund gefunden?" Chris weiß nur, dass die junge Krankenschwester Maik auf dem Transport in die Uniklinik begleitet hatte und dann nach einer Woche ihren Job in der Privatklinik kündigte, um in derselben Klinik wo Maik lag eine Stelle als Medizinisch-technische Assistentin für Funktionsdiagnostik anzutreten. Seit dem hatte er zwar einige Male mit seinem Freund telefoniert, dieser hatte aber nicht gesagt, dass er und Bianca ein Paar sind. Dies wollte er sich als Highlight ihres ersten Wiedersehens aufsparen. Bianca lächelt und sagt: "Ja, ich habe einen netten Mann gefunden mit dem ich sehr glücklich bin."
"Das freut mich ehrlich. Dann wünsche ich ihnen in ihrer Beziehung viel Glück."
"Danke."
Maik kommt mit Justin zu beiden. Der Junge hält die Hand seines Onkel´s fest. Dieser sagt zu seiner Freundin: "Schatz. Würdest du bitte das Geschenk von Justin aus den Kofferraum holen."
Überrascht sieht Chris Maik und dann Bianca an. Schließlich zeigt er erst mit seinem Zeigefinger auf seinen Freund und dann auf die Krankenschwester: "Ihr beide seit zusammen?"
Tayler lächelt. "Ja, wir sind seit etwa 3 Wochen ein Paar."
"Das freut mich. Ich wünsche euch alles alles Gute für die Zukunft. Und, zu eurer Hochzeit sind wir aber eingeladen."
"Klar doch."
Bianca hat den Kofferraum geöffnet und einen großen Karton herausgeholt. Dieser ist in schönes Geschenkpapier eingewickelt. Sie reicht es dem Jungen und sagt: "Wir wünschen dir alles Gute zu deinem Geburtstag. Hoffentlich gefällt es dir." Justin nimmt freudig das Geschenkt entgegen. "Was ist es denn?" will er wissen und sieht seinen Onkel an.
"Ich verrate nichts. Du mußt es schon auspacken."
Der Junge stellt den Karton auf den Boden und packt sein Geschenk aus. Maik ist zu Bianca gegangen, legt einen Arm um ihre Hüfte und küßt sie. Chris freut dieser Anblick. Endlich hat sein Freund wieder eine große Liebe gefunden. Justin hat das Geschenk ausgepackt und er sieht einen funkferngesteuerten Helikopter.
"Den hattest du dir doch mal gewünscht. Ich hoffe, das ist noch so."
Das Geburtstagskind steht auf und umarmt seinen Onkel. "Danke Onkel Maik. Das ist ein ganz tolles Geschenk."
Tayler lächelt, streichelt Justin durchs Haar und sagt: "Das freut mich."
Nun geht Justin auch zu Bianca, gibt ihr die Hand und sagt: "Danke."
Sie antwortet freundlich: "Bitte bitte. Der Mann in dem Modellladen hat gesagt, dass du mit dem sogar einen Looping fliegen kannst."
Das muß Justin natürlich gleich ausprobieren.

Der Abend nähert sich und die meisten Kinder sind von ihren Eltern abgeholt worden. Die Feier war wunderschön und Justin den ganzen Tag ausgelassen und unbeschwert. Diese Geburtstagsparty hatte seiner kranken Kinderseele gut getan.
Als dann auch das letzte Kind abgeholt wird, bringt Janine ihre kleine Tochter ins Bett. Diese schläft fast auf ihrem Arm ein, so fertig ist sie. Justin ist ebenfalls dabei sich bettfertig zu machen. Chris, Maik und Bianca haben sich in den Wintergarten zurückgezogen. Das junge glückliche Pärchen sitzt in einem 2 sitzigen Rattansofa und Maik hat seinen Arm um die Schultern von Bianca gelegt, dabei hat er ein Glas seines Lieblingsscotch´s in der Hand. Natürlich wieder mit 2 Eiswürfeln und einem Spritzer Zitrone, so wie er ihn am liebsten trinkt. Seine Freundin genießt ein Glas Dornfelder. Chris sitzt in einem dazugehörigen Sessel und trinkt Bier. "Wann wolltet ihr uns sagen, dass ihr 2 zusammen seit?" will er von seinen Gästen wissen. Maik sieht schmunzelnd seine Freundin an, küßt sie und sagt: "Vielleicht dann, wenn sie keine Postboten mehr in die Wohnung läßt und böse Dinge mit ihnen anstellt." Fragend sieht Chris zu Bianca. Diese lacht und erklärt: "Ihr dürft ihn nicht ernst nehmen. Er hat sich heute Früh als Postbote verkleidet und wollte dadurch herausbekommen, ob ich fremde Männer in die Wohnung lasse. Aber ich wußte doch, dass er es ist. Bei ihm ist mann vor keiner Überraschung sicher." Sie sieht zu Maik und fragt: "Und was heißt hier böse Dinge? Ich dachte, es hat dir gefallen." Chris lächelt über das kleine amüsante Zwiegespräch seiner Gäste. Da hört er seine Frau aus der oberen Etage: "Papa, Rebecca möchte dir noch gute Nacht sagen." "Ihr entschuldigt mich." sagt dieser und verläßt den Wintergarten. Bianca legt ihren Kopf an Maik´s Schulter und sagt: "Die Kinder sind wirklich süß. Ich möchte auch mal 2 und du?" "Keine Ahnung. Wenn sie nach mir kommen, dann 3 oder 4. Falls sie aber nach dir kommen, dann nur eins, sonst habe ich nichts mehr zu melden und stehe voll unter dem Pantoffel." scherzt Maik. Für diese Antwort schlägt Bianca ihrem Freund mit der Faust auf dessen Oberschenkel. Dieser sagt wieder scherzhaft: "Siehst du, genau das meine ich." Doch sie weiß, dass er es nicht so meint. Wieder kuschelt sie sich an den ehemaligen Polizisten, dabei denkt sie: *Wenn du wüßtest, dass ich mit meiner Regel überfällig bin.* Doch das wird sie ihm erst sagen, wenn sie sich 100%ig sicher ist. Zwar nimmt sie die Pille, aber sie hatte vor 3 Wochen eine starke Grippe und mußte Antibiotika nehmen.
Die Sonne verschwindet entgültig am Horizont, zuvor hüllt sie den Himmel in ein feuriges Rot. Kleine zarte Schäfchenwolken schimmern dabei Orange. Es sieht so romantisch aus, wie selten.
Chris und Janine kommen zurück und setzen sich. "Entschuldigt, daß wir euch alleine gelassen haben."
"Ist doch nicht so schlimm." sagt Maik. Er sieht zu Bianca. "Wir haben in der Zeit unsere Familienplanung besprochen."
Justin kommt im Schlafanzug aus dem Bad und sagt allen Guten Nacht. Seine Mutter ist als letzte dran, er umarmt sie und flüstert ihr etwas ins Ohr. "Jetzt noch? Ich dachte, du bist Müde." Bettelnd sieht ihr Sohn sie an.
"Was ist denn?" will Chris wissen.
Der Junge wendet sich an seinen Vater und sagt: "Dominic hat gesagt, dass heute Abend auf DMAX die Serie "Modellbauer" kommt. Die bauen heute kleine Rennautos. Darf ich mir das noch ansehen? Dann gehe ich auch gleich ins Bett."
"Wann kommt es denn?"
"Jetzt gleich und es geht auch gar nicht lange."
Chris sieht zu seiner Frau, diese nickt. "Also gut, weil du heute Geburtstag hast. Aber danach gehst du gleich ins Bett."
Justin strahlt und sagt freudig. "Ja. Danke." Er küßt seinen Vater und seine Mutter, dann rennt er in die Stube und schaltet den Fernseher ein. Maik lächelt und trinkt einen Schluck Scotch. "Der Kleine scheint das schreckliche Erlebnis gut verkraftet zu haben." sagt er und sieht zu seinem Freund. Dieser schweigt. Tayler merkt sofort, dass er mit seiner Vermutung falsch liegt. Er richtet sich auf, stellt sein Glas auf den Tisch und fragt: "Wieso, was ist mit ihm?" Janine greift zu ihrem Glas mit dem Dornfelder und der ehemalige Polizist sieht ihr an, dass sie nach seiner Frage emotional sehr aufgewühlt ist. "Erzählt mir mal einer, was mit dem Jungen ist?" bohrt Maik weiter.
Schließlich sieht Chris ihn an und erzählt: "Es ging 2 Tage nach seiner Rückkehr los. Er zog sich immer mehr zurück. Sackte in der Schule mit seinen Leistungen rapide ab. Es gibt kaum noch einen Tag, an dem er herzhaft lacht. Nichts scheint ihn mehr zu interessieren, selbst sein geliebtes Fußball nicht. Nachts wacht er schweißgebadet und schreiend auf und am Tag verfällt er in tiefe Depressionen, daß er kaum ansprechbar ist. Heute war er mal richtig gut drauf. Vielleicht hat er es überstanden."
Tief erschüttert von dem, was der ehemalige Polizist soeben erfahren hat, sagt er: "Ich habe in meinem alten Job als SEK-Mann oft Geiseln befreit und glaube mir, das geht nicht so einfach weg. Justin hat eine posttraumatische Belastungsstörung und die bekommt nur ein Traumatherapeut weg. Wart ihr schon mal bei einem?"
Chris sieht zu seiner Frau, doch diese schaut nur in das Glas mit dem dunkelroten Wein. So spricht ihr Mann weiter: "Nein, aber bei einem Kinderpsychologen. Der hat Justin Diazepam verordnet. Doch davon wird er nur schläfrig. Sobald wir es absetzen, kommen die Symtome zurück. Er kann das Zeug doch nicht ein lebenlang nehmen."
"Ich werde mich erkunden und euch den Namen eines erstklassigen Therapeuten geben, der sich genau mit PTB auskennt. Aber ihr müßt Geduld haben, die Behandlung kann sich über Wochen oder Monate hinziehen."
"Diese Kerle wissen gar nicht, was sie mit der Entführung den Kindern antun. Bloß weil sie das Scheißgeld der Eltern wollen. Hoffentlich legt ihnen mal jemand das Handwerk." sagt Janine. Ihre Stimme klingt verzweifelt aber zugleich auch haßerfüllt. "Ich wünsche keinen Eltern, dass sie das durchmachen, was wir zur Zeit mit unserem Sohn durchmachen müssen. Ich weiß nicht, wielange ich das noch durchhalte." Dicke Tränen laufen über das Gesicht von Janine. Sie scheint am Ende ihrer Kraft zu sein. Doch diese braucht sie für ihre Tochter und für die Therapie von Justin. Maik steht auf, er geht zum Fenster und sieht in die Nacht hinaus. Er fährt sich mit beiden Händen durch die Haare und läuft aufgebracht hin und her. Wie konnte er bloß annehmen, dass der Junge dieses dramatische Erlebnis einfach so wegsteckt. Er hatte doch in seinem Job selbst mehrere Leute erlebt, die viel älter und nervenstärker waren als der 10jährige Justin, aber nach einer Entführung wie kleine Kinder heulten. Bianca schaut mitfühlend auf ihren Bauch und das ungeborene Kind darin. Sie würde vor Angst sterben, wenn ihrem Kind das gleiche wie diesem Jungen geschehen würde. Chris ist bei seiner Frau und versucht ihr Kraft und Stärke zu geben, die er eigentlich selbst kaum noch hat.

Justin bekommt von den Sorgen seiner Eltern nichts mit. Er schaut diese Modellbausendung. Doch die Werbung ist ziemlich laut, so ruft sein Vater: "Justin, würdest du den Fernseher bitte etwas leiser machen. Deine Schwester wird sonst wach." Doch es passiert nichts. So sieht Chris seine Frau an und sagt: "Ich komme gleich zurück." Dann geht er ins Wohnzimmer, doch es dauert nicht lange und er ruft aufgeregt: "Maik, komm mal schnell!" Sofort rennt der Polizist zu seinem Freund. Dieser sieht, wie Chris auf dem Boden vor seinem Jungen kauert. Der sitzt auf dem Sofa, hat seine Beine angezogen, stirrt in den Fernseher, heult und zittert am ganzen Körper.
"Er hat wieder einen Anfall." sagt sein Vater und sieht hilfesuchend zu Maik.
"Hol ihm ein Glas zu trinken. Irgendetwas, was er gern trinkt." Chris steht auf und rennt in die Küche. Maik setzt sich auf das Sofa, nimmt den traumatisierten Jungen schützend in seiner Arme. Dieser scheint nicht mitzubekommen. Sein Gehirn schützt sich vor sich selbst. Der Körper von Justin ist völlig verkrampft. Etwas muss diesen Anfall ausgelöst haben. Etwas, was mit der Entführung zu tun hat. Maik sucht die Fernbedienung des Fernsehers. Die Modellbausendung scheint zu Ende zu sein, jetzt läuft bereits die Nächste mit dieser Schrottplatzfamilie "Die Ludolfs". Der Fernseher ist aus, aber Justin zittert noch immer. Maik muß an sein Unterbewußtsein herankommen. "Es ist doch alles in Ordnung. Wir sind bei dir, deine Mam, dein Dad und auch ich, dein Onkel Maik. Du brauchst dich vor nichts zu fürchten." Dabei hält er den Jungen fest in seinen Armen und wiegt ihn sachte hin und her. Beruhigend sagt Maik: "Weißt du noch, als wir heute Nachmittag mit dem Hubschrauber geflogen sind, den ich dir zum Geburtstag geschenkt habe. Das war doch cool. Und wie toll du das Looping hinbekommen hast. Nicht 1x ist er abgestürzt. Du wirst später bestimmt ein erstklassiger Pilot." Chris kommt mit dem Trinken zurück. Er sieht, wie seine Frau und Bianca in der Wohnzimmertür stehen. Maik`s Freundin hält die Mutter von Justin im Arm und gibt ihr Stütze.
"Hier, seine Lieblingslimonade, Orange." Der Polizist nimmt das Glas und hält es dem Jungen unter die Nase. "Willst du mal einen Schluck von deiner Lieblingslimonade trinken?" So versucht er, die Geruchszellen in dessen Gehirn zu aktivieren und damit die des Hippokampus zu blockieren. Dort hat sich das traumatische Erlebnis der Entführung eingebrannt. Es kann jederzeit durch einen Schlüsselreiz aktiviert werden. Ähnlich wie bei einem Flashback durchlebt die Person das Ereignis erneut und verfällt dadurch immer wieder in einen posttraumatischen Schockzustand der Minuten oder auch Stunden dauern kann. Noch kommt Maik nicht an Justin heran. Er gibt Chris das Glas und fragt: "Hat dein Junge eine Liebslings-CD?"
Erschrocken sieht Evans seinen Freund an. Eine Lieblings-CD? Vielleicht, aber Chris weiß es nicht. Was für Musik hört sein Sohn? Früher war es Benjamin Blümchen, aber heute? Diese Erkenntnis versetzt ihm einen tiefen Stich ins Herz. Hat er als Vater versagt? Er schaut zu seiner Frau. "Er hört gern Peter Fox." sagt diese und schon geht sie zum Musikschrank und legt sie ein. Maik wendet sich wieder mit beruhigender Stimme an Justin. "Deine Mam hat mir gerade gesagt, dass du gern Peter Fox hörst. Den mag ich auch. Wollen wir mal zusammen ein Lied von ihm singen?" Das Zittern des Jungen wird zwar weniger, aber er reagiert noch nicht, wie es sein müßte. Die CD beginnt und das erste Lied ist "Haus am See". Maik kennt den Text, aber er singt ihn absichtlich falsch. "Hier bin ich gebor´n und laufe durch die Felder! Kenne jedes Tier, jeden Stall und jedes Haus! Ich muss mal weg, kenn jeden Hund hier beim Namen." Plötzlich fängt Justin ganz leise an, den Text richtig mitzusingen. "Die Sonne blendet alles fliegt vorbei. Und die Welt hinter mir wird langsam klein." Maik spürt, wie sich die Muskeln des Jungen entspannen. Der Anfall ist für diesmal vorbei. "Mann, hast du uns einen Schreck eingejagt." sagt sein Onkel und drückt den Jungen ganz fest an sich.

Kurz nach 22 Uhr fahren Maik und Bianca nach Hause. Sie brauchen dafür etwa 2 Stunden. Während der gesamten Fahrt sagt Maik kein Wort. Er schaut schweigend aus dem Fenster. Als Bianca die Autobahn verläßt, fragt sie ihren Freund: "Was ist mit dir los? Ist es wegen Justin?"
"Ja. Wie können Menschen nur so skrupellos sein und einem Kind so etwas schreckliches antun. Denen muß man wirklich das Handwerk legen, sonst kommen noch mehr unschuldige Kinder zu Schaden."
"Dann solltest du zur Polizei gehen."
"Nein. Denn sie werden Justin befragen und das stürzt ihn in ein noch tieferes Loch. Wer weiß, wieviele Kinder in der letzten Zeit entführt wurden und sie und deren Eltern so leiden wie meine Freunde. Das muß ein Ende haben."
"Du hast nicht etwa das vor, was ich jetzt gerade denke? Du mußt verrückt sein? Du bist erst vor 1 Monat dem Tod von der Schippe gesprungen. Hast du eine so große Todessehnsucht um es gleich noch einmal zu probieren?"
"Nein, aber jemand muß den Kindern doch helfen."
"Dann geh zur Polizei oder zu deinen alten Kumpels vom SEK. Die können den Fall übernehmen."
Maik schaut zu seiner Freundin. "Verstehst du mich nicht? Ich kann die Sache nicht an die große Glocke hängen. Dann taucht dieser Dreckskerl einfach unter und zieht sein Geschäft an anderer Stelle wieder auf. Würdest du mich von meinem Vorhaben auch abhalten, wenn es unser Kind wäre was diese Dreckschweine entführt hätten?"
Das ist eine gute Frage, denkt sich Bianca. Sie kann sie nicht beantworten. Noch vor kurzem hätte sie gesagt: *Nur du zählst und dein Leben. Die Kinder werden es schon mit einem guten Therapeuten überwinden. Schließlich sind Kinder stärker als man denkt.* Aber seit dem sie weiß, dass sie vielleicht schwanger ist und nach dem heutigen schrecklichen Abend, kann sie die Frage ihres Feundes nicht beantworten ohne Gewissensbisse zu bekommen. Was ist richtig und was ist falsch? Sie möchte ihn nicht verlieren und als Witwe ihr gemeinsames Kind großziehen. Die weitere Fahrt verläuft ebenso schweigsam wie sie begonnen hat. Kurz vor Mitternacht sind sie zu Hause. Keiner von beiden möchte dieses Thema heute Nacht noch einmal aufgreifen. Sie gehen ins Bett, aber weder Maik noch Bianca finden Schlaf.

33.

Kaum ist es hell, steht Maik vorsichtig auf. Er möchte seine Freundin nicht wecken, da sie noch fest zu schlafen scheint. Aber auch Bianca ist schon lange wach. Sie hatte die ganze Nacht darüber nachgedacht, was ihr Freund gestern im Auto gesagt hatte. Er will wirklich ganz allein diese Kidnapper suchen. Und das meinte er ernst. Die Krankenschwester kennt ihn mittlerweile so gut, dass sie ihm das glaubt. Doch das könnte böse für ihn enden. Bianca will ihn nicht verlieren. Ebensowenig möchte sie ein weiteres mal an seinem Bett stehen und um sein Leben bangen. Diese Kraft hat sie nicht schon wieder. Sie könnte ihn vor die Wahl stellen, wenn er seinen verrückten Plan umsetzt, dann ist sie weg. Doch sie liebt ihn und möchte nicht mehr ohne ihn Leben. Vielleicht würde Maik alles noch einmal überdenken wenn er erfährt, dass er Vater wird. Aber Bianca möchte ihn damit nicht erpressen. Sie hat Angst davor, dass er es ihr irgendwann mal vorhält. Es gibt nur 2 Möglichkeiten. Entweder sie steht voll und ganz hinter ihm und seinem irrsinnigen Plan oder sie trennt sich und zieht das Kind alleine groß. Welche Entscheidung ist die Richtige? Wenn sie es bloß wüßte, dann wäre ihr wohler. Doch sie muß es ganz alleine mit ihrem Herzen ausmachen. Bianca denkt noch einige Zeit nach. Schließlich fast sie einen Entschluss, der ihr sehr schwer fällt.

Maik steht in Pyjamahose und mit einer Tasse Kaffee am offenen Balkonfenster und schaut zum Englischen Garten hinüber. Dieser liegt so friedlich am nordöstlichen Rand von München. Über den Baumwipfeln kann der Polizist die Spitze des Chinesischen Turm´s sehen. In dem dortigen Biergarten hatte er wunderschöne Abende mit seiner jetzigen Freundin verbracht. Was, wenn er bei seinem aberwitzigen Plan diese Kidnapper zu schnappen, wirklich ums Leben kommt? So abwägig ist diese Option gar nicht. Maik weiß nicht, was er machen soll. Doch was er gestern Abend bei seinem Freund, Chris Evans, erlebt hatte, ging ihm tief unter die Haut. Bedingt durch seinen früheren Beruf hatte er oft mit Entführungsopfern und deren Trauma zu tun gehabt. Aber diesmal waren es keine wildfremde Menschen, sondern Freunde von ihm, die an den Folgen der Entführung körperlich und seelisch kaputt gehen. Justin hatte mit seinen 10 Jahren eine so schreckliche Erfahrung machen müssen, an denen Erwachsene schon zerbrochen sind und kurz vorm Selbstmord standen. Doch da ist noch Bianca. Er liebt sie von ganzem Herzen. Die letzten 4 Wochen waren so wunderbar und hatten seiner kranken Seele gut getan. Wenn er wirklich draufgeht, was wird dann aus ihr? Wird sie mit seinem Ableben zurechtkommen oder genauso leiden, wie Maik beim Tod seiner ehemaligen Freundin? Das will er auf keinen Fall. Tayler befindet sich gefühlsmäßig in einem Chaos. Soll er so weiterleben, als wäre Gestern gar nicht´s geschehen? Den Tag einfach aus seinem Gedächnis streichen, vor ihm fliehen? Doch das ist einfacher gesagt als getan. Dies hatte er schon einmal versucht und wie das geändet hatte, das weiß er noch sehr gut. Nur ein paar Tage später und Maik hätte sich wirklich seine Dienstwaffe an den Kopf gehalten und allem ein Ende bereitet. Doch da waren Bianca´s Schwester und sein alter Kammerad Lou. Beide hatten ihn nicht im Stich gelassen. Ihnen war zu verdanken, dass er heute an dieser Stelle steht und nicht in einem kalten Grab auf dem Friedhof liegt. Nein! Er darf Chris und Janine, aber besonders Justin, nicht im Stich lassen. Das muß Bianca einfach verstehen, falls nicht, dann kommt nur eine Trennung in Frage. Auch wenn er dies sehr bedauern würde, denn er liebt ihr herzhaftes Lachen, ihren wunderschönen weichen Körper und auch ihre Macken die sie hat. Wie z. Bsp. ständig sein Pyjamaoberteil zu tragen. Maik muß bei diesem Gedanken schmunzeln. Er nippt an seinem Kaffee der schon kalt ist und nicht mehr wirklich schmeckt.
Da hört er, wie sich Schritte von hinten nähern. Nackte Füße laufen über die Fliesen und dann legen sich 2 Arme liebevoll um seine Hüften. "Guten Morgen mein Mausebär, kannst du nicht schlafen?" Wieder muß Maik schmunzeln. Mausebär, das ist noch so eine Macke von ihr. Doch diesmal wehrt er nicht ab. Er genießt es, ihre warmen Hände an seinem Körper zu spüren. Vielleicht das letzte Mal.
So stehen sie einige Zeit schweigsam am Balkonfester. Keiner möchte mit dem Thema Kidnapper beginnen, doch Maik und Bianca wissen, sie müssen darüber reden, auch wenn es schmerzhaft werden könnte.
Bianca hat ihren Kopf an Maik´s Rücken gelegt und hält ihre Arme um seine Hüften geschlungen. Sie spürt die Atmung ihres Freundes, die ihr so vertraut vorkommt und auch der Duft des Cool Water Parfum´s, den sein Körper verströmt.
Schließlich ist sie die Erste, die das unliebsame Thema aufgreift. "Ich habe die ganze Nacht über deine Worte von gestern nachdenken müssen. Du willst diese Kerle wirklich suchen? Oder hast du es dir anders überlegt?" Maik schweigt. Ihm fällt es schwer, seiner Freundin die Entscheidung mitzuteilen und sie damit vielleicht zu verlieren. Nach einiger Zeit sagt er, dabei steckt ihm ein Klos im Hals: "Du weißt, dass ich dich von Herzen Liebe und die letzten 4 Wochen die schönsten waren, die ich seit langem wieder einmal erleben durfte. Aber ich muß diesen Bastarden einfach das Handwerk legen. Ich kann das von Gestern nicht vergessen. Kein Kind soll mehr so Leiden müssen wie Justin und auch keine Eltern. Wenn ich den Kerlen keinen Einhalt gebiete, dann werden sie weiter unschuldige Kinder kidnappen und ins seelische Verderben schicken. Natürlich könnte ich dabei auch draufgehen, dass ist nun mal nicht von der Hand zu weisen. Deshalb würde ich verstehen wenn du sagt, du möchtest das nicht noch einmal erleben und dich von mir trennen." Der Polizist muß schlucken. Die letzten Worte haben ihm innerlich so weh getan. Er hofft, dass sie ihn versteht, doch er würde auch akzeptieren, wenn sie mit ihm Schluss macht. Diesmal bleibt Bianca die Antwort schuldig. Die Sekunden in denen kein Wort fällt, kommen Maik wie eine Ewigkeit vor. Wird sie bei ihm bleiben oder ihn verlassen? "Auch ich habe lange über dein Vorhaben, was ich noch immer für verrückt halte, nachgedacht." Wieder schweigt sie. Sie scheint mit sich zu ringen, doch ihre Entscheidung steht schon längst fest. Ihre Stimme fängt an zu zittern. "Ich habe nicht noch einmal die Kraft, das alles ein zweites Mal durchzustehen. Vielleicht wieder tagtäglich an deinem Bett zu sitzen und zu beten, dass du die nächsten Stunden überlebt." Bianca merkt, wie die Erinnerung an diese schreckliche Zeit in ihr hochsteigt und ihre Augen füllen sich mit Tränen. Maik getraut sich kaum Luft zu holen. Schmerz breitet sich in seinem Brustkorb aus und drückt sein Herz zusammen. Er schließt seine Lider und wartet angsvoll auf die unausweichlichen Worte seiner Freundin *Ich werde dich verlassen.*
"Die Entscheidung ist mir wirklich schwer gefallen und ich habe lange mit mir gerungen. Selbst jetzt weiß ich nicht, ob sie richtig ist. . . ."
*SAG ES DOCH ENDLICH.* bettelt Maik stumm. *SAG, DAß DU MICH VERLÄßT.* Er hält diese seelische Folter nicht länger aus. Sein Herz hämmert wild gegen seine Rippen und ihm ist kalt. Krampfhaft umklammern seine zitternden Finger die Kaffeetasse in seiner Hand. Und dann sagt es Bianca ! ! !
"Ich werde bei dir bleiben, aber nur unter ganz bestimmten Bedingungen." Plötzlich fällt alle Anspannung und Angst von Maik ab und er würde am liebsten Lauthals schreien um seinem Glück Luft zu machen, doch das will er seinen Nachbarn zu dieser frühen Sonntagsstunde nicht zumuten. Die denken vielleicht noch sonst etwas und rufen die Bullen. Maik stellt seine Kaffeetasse auf den Balkonsims und dreht sich zu seiner Freundin. Diese hat schon wieder sein Pyjamoberteil an. Lächelnd nimmt er ihren Kopf zwischen seine Hände und sieht ihr ins Gesicht. Ihre Augen sind noch immer mit Tränen gefüllt. Er möchte ihr so viel sagen, aber sein Hals ist wie ausgetrocknet. So bekommt er nur: "Ich liebe dich." heraus. Dann küssen sich beide langanhaltend.


34.

Nach dem sonnigen Wochenende ist auch der Montag wunderschön. Die Biergärten sind über den Gästezustrom hoch erfreut und die Bedienungen haben viel zu tun. Doch sie geben sich alle Mühe, um ihre hungrigen Kunden nicht lange warten zu lassen. Zur Mittagszeit hatte man kaum noch ein freies Plätzchen gefunden. Nun geht der Andrang langsam zurück und nur noch wenige Leute sitzen in den Gaststätten. Etliche haben ihre kurze Mittagspause dazu genutzt, um an der herrlich lauen Sommerluft ihre Mahlzeit einzunehmen, bevor für sie der Alltagsstress wieder los geht. Aber nicht alle müssen zurück an ihren Arbeitsplatz. Viele haben schon Urlaub und genießen den sonnigen Tag für einen gemütlichen Stadtbummel. Die Temperaturen laden zu einer Abkühlung ein. Deshalb haben sich kleine bunte Eiswagen in der Fußgängerzone verteilt. Gerade hier in diesem Teil der städtischen Flaniermeile ist es eine besonders gute Geschäftsidee, diese köstliche Erfrischung für den Gaumen, zu verkaufen, denn hier machen viele Leute Rast. Eine Allee aus Bäumen lädt geradezu zum Verweilen ein. Fast keine der Bänke ist mehr frei. Überall sitzen Besucher der Stadt, Mütter mit ihren Kindern oder verliebte Pärchen.
Einer von den zahlreichen Biergärten liegt besonders schön am Ufer des Rheins. Große Schirme schützen die Gäste vor den Sonnenstrahlen und bringen so etwas Abkühlung. Auf dem Fluss sieht man eine Gruppe Jugendlicher mit ihren Kanus. Sie lassen sich dahintreiben und genießen ebenfalls diesen Sommertag.
Ein junger Mann mit Sonnenbrille sitzt ganz alleine an einen der vielen braunen Holztische und trinkt sein Bier. Gedankenverloren beobachtet er die Menschen der Stadt. Es ist Maik Tayler. Heute Vormittag hatte er Bianca auf Arbeit gefahren, dann war er bei seinem Arzt und der war mit der Heilung seiner Wunde sehr zufrieden. In ein bis zwei Wochen sei er wieder voll genesen. Das mußte Maik auch sein, denn er hatte sich vorgenommen, die Kidnapper von Justin zu suchen und zur Strecke zu bringen. Natürlich war seine Freundin nicht gerade begeistert von seiner Idee. Beinahe wäre daran ihre Beziehung zerbrochen. Doch Bianca hatte schließlich zu ihm gestanden, aber zu ganz bestimmten Bedingungen. Er mußte folgendes versprechen:

- Dass er sich 1 x am Tag telefonisch bei ihr meldet oder wenigstens eine SMS hinterläßt.
- Dass er seinen alten Kameraden Lou in seinen Plan einweiht und evtl. auf seine Hilfe zurückgreift.
- Bianca Bescheid gibt wenn er weiß, wo er wohnen wird.
- Und das Wichtigste worauf seine Freundin bestanden hatte und auf dass er sogar einen Eid schwören mußte. Sobald es zu gefährlich für ihn wird, dass er dann sofort abbricht und sich in Sicherheit bringt.

Maik lächelt als er sich in Gedanken noch einmal sieht, wie er seine rechte Hand zum Schwur hebt und alle 4 Bedingungen seiner Freundin ohne wenn und aber aktzeptiert. Doch lustig ist es ganz und gar nicht. Denn wenn die Kerle erst mal merken dass jemand hinter ihnen her ist, ab da wird es gefährlich für Maik. Sie werden sich benehmen wie ein verwundetes Tier was in die Enge getrieben wird. In diesem Zustand sind sie zu allem fähig. Maik muß verdammt aufpassen, dass seine Recherchen nicht zu zeitig bemerkt werden und er in eine Falle tappt. Doch es gibt auch einen großen Pluspunkt für ihn, er hatte eine gute Spezialausbildung bei der Sondereinsatzgruppe genossen. Die Prüfungspunkte: Nahkampf, Verhör- und Waffentechnik sowie Kommunikation hatte er mit Bravur bestanden. Also die besten Voraussetzungen für sein kleines Himmelfahrtskommando.
Plötzlich klopft ihm jemand auf die Schulter und sagt: "Hey alter Kumpel. Was ist denn so wichtig, dass du mich sprechen willst?" Es ist Chris. Er setzt sich dem Polizisten gegenüber. Maik schweigt eine ganze Weile. Soll er Chris wirklich in sein Vorhaben einweihen? Aber er muß es tun. Denn nur von ihm und Justin kann er Informationen bekommen die ihn näher an die Kidnapper heranbringen. So fängt er vorsichtig an zu erzählen. "Nachdem ich am Samstag erleben mußte wie es dir, Janine und Justin nach der Entführung geht, habe ich einen Entschluss gefaßt. Ich werde . . . " Die Bedienung kommt und so schweigt Maik. Als Chris sich eine Cola bestellt hat und diese auch kurz darauf kommt, greift Maik das Thema wieder auf. Dabei spielt er nervös mit dem Bierglas was vor ihm steht. "Ich werde diese Mistkerle suchen, die euch das angetan haben."
Evans verschluckt sich fast an seiner Cola. "Was willst du machen?" Doch Chris hat es ganz genau verstanden. "Es ist zwar sehr löblich von dir, dich an den Kerlen zu rächen die meinem Sohn so etwas schlimmes angetan haben, aber das ist verrrückt was du vor hast. Da kannst du dich gleich auf die Straße stellen und vom erstbesten Laster überfahren lassen. Ich möchte nicht, dass du wegen uns von diesen Kerlen abgeknallt wirst oder vielleicht noch was schlimmeres. Diese Mistschweine haben ihr Geld und damit ist für uns die Sache ausgestanden. Ich werde für Justin einen guten Tramaspezialisten besorgen, dann wird alles wieder wie früher. Was sagt eigentlich Bianca zu deinem saudummen Plan?"
Das Chris dermaßen negativ und gereizt auf sein Vorhaben reagiert, hätte Maik nie gedacht. Sein Freund spicht so laut, dass bereits Gäste von den Nebentischen zu den beiden Männern herüberschauen. Der Polizist wartet mit seiner Antwort solange, bis diese Leute wieder wegsehen. Er möchte nicht schon jetzt unangenehm auffallen, denn diese Kerle könnten überall ihre kleinen schmutzigen Informanten haben.
"Bianca unterstützt mich." antwortet Maik mit fester Stimme.
Evans lacht kurz auf und rutscht auf seinem Stuhl unruhig hin und her. "Sie unterstützt dich? Ich dachte, sie liebt dich. Wieso kann sie so einen blöden Plan gutheißen?"
"Unterstützt ist vielleicht der falsche Ausdruck. Sie versteht, warum ich es tuen muss."
"Achja? Dann ist sie genauso verrückt wie du. Denn ich verstehe es nicht, warum du mit einem lauten "Hallo, hier bin ich!" zu deiner eigenen Hinrichtung gehen willst. Diese Kerle haben 2 x versucht dich umzubringen. Du solltest Gott danken, dass du noch lebst. Ich denke, du hast deine Schutzengel genug strapaziert, du solltest es nicht übertreiben."
"Schade, dass du so darüber denkst, aber ich werde es durchziehen. Mit oder ohne deiner Hilfe. Aber ohne deine Hilfe werde ich länger brauchen und länger brauchen heißt, diese Kerle länger auf mich aufmerksam zu machen."
"Jetzt sagt bloß nicht dass, wenn ich dich nicht unterstütze, ich an deinem Tod Schuld bin? Denn diesen Schuh werde ich mir nicht anziehen. Du willst diese Kerle suchen, bitteschön, aber du wirst mir kein schlechtes Gewissen einreden. Das hätte ich nämlich nur, wenn ich dich bei deinem blödsinnigen Plan unterstütze und ich dann deine Leiche identifizieren darf oder was noch von ihr übrig ist. Ich vermute, dass die Kerle Pohl, meinen Chauffeur, umgebracht haben. Mit denen ist nicht zu spaßen, dass hast du doch am eigenen Leib gespührt oder hast du diese kleine Nummer in der Klinik vergessen, bei der du fast draufgegangen bist. Ich denke, ich werde jetzt lieber gehen und du geh zurück zu deiner Freundin. Macht viele Kinder und lebt in Frieden, aber kommt nie wieder auf so eine beknackte Idee."
Chris steht auf und will gehen. Er ist außer sich, möchte Maik am liebsten eine Ohrfeige verpassen, damit der wieder zur Vernunft kommt. Aufgebracht sucht Evans in seiner Hosentasche nach Geld um seine Cola zu bezahlen. Maik schaut ihn enttäuscht an und sagt leise: "Schade. Dann werde ich die Sache eben ohne deine Hilfe durchziehen." Evans hat das Geld gefunden, knallt es auf den Tisch, sieht seinen Freund an und sagt: "Mach doch. Bianca kann mir ja dann die Adresse durchgeben, zu welchem Friedhof ich den Kranz für dich schicken soll."
Ohne einen Abschiedsgruß verläßt Evans das Lokal. Wieso versteht Chris nicht, warum Maik diesen Kerlen das Handwerk legen muss. Er hätte mehr Verständnis von seinem alten Schulfreund erwartet. Aber das bringt den ehemaligen Polizisten trotzdem nicht von seinem Plan ab. Nie wieder werden diese Kerle ein Kind entführen, dafür wird er sorgen.
Chris hat sich etwa 100 Meter entfernt. Plötzlich bleibt er stehen, dreht sich noch einmal zu seinem Freund um und blickt auf dessen Rücken. Er kann einfach nicht verstehen, warum der so verrückt ist. Er gibt diesen Kerlen doch quasi ein scharfes Messer in die Hand und führt noch die Klinge, damit diese Schweine auch genau sein Herz treffen. Evans fährt sich mit seiner rechten Hand durch die Haare und versucht seinen Freund zu verstehen. Doch er tut es nicht. Verzweifelt und aufgebracht läuft Chris in der Fußgängerzone hin und her. Er bringt es nicht fertig einfach so zu gehen und Maik seinem Schicksal zu überlassen. Nein, er muß es ein letztes Mal versuchen ihn von seinem Vorhaben abzubringen oder ihn wenigstens verstehen, warum er dies tut. So geht er zurück zu Maik und setzt sich erneut an den Tisch. "Ok, ich habe mich beruhigt. Ich bin zwar noch immer nicht mit deinem bekloppten Plan einverstanden. Aber vielleicht erklärst du mir, warum du dein Leben so leichtfertig wegwerfen und deine Freundin vorzeitig zur Witwe machen willst."
"Ich habe nicht im geringsten vor, Bianca zur Witwe zu machen, das kannst du mir glauben. Ich liebe sie und werde daher extrem vorsichtig sein."
"Aha. Den Entführern auf die Finger zu hauen, dass nennst du also extrem vorsichtig. Ich nenne es idiotisch, aber weiter." sagt Chris zynisch.
Maik sieht seinen Freund an. Er will doch nur, dass der ihn versteht, doch das wird er erst, wenn Maik ihm klar machen kann, warum er die Kidnapper finden muss. "Ich denke nicht, dass Justin das einzigste Kind ist, was diese Kerle entführt haben. Dafür war es zu profesionell aufgezogen. Wer weiß, wieviele Kinder so leiden müssen wie dein Sohn, ständig Nachts schweißgebadet aufwachen, da sie Alphträume haben. Vielleicht machen einige von ihnen auch wieder ins Bett, weil sie mit der Situation nicht klar kommen. Wenn sie keine wirklich professionelle Hilfe von einem Traumatherapeuten bekommen, dann werden viele von ihnen nie wieder unbeschwerte Kinder sein können. Angst und Furcht werden in Zukunft ihre Begleiter sein. Wenn sie älter sind, wird ständig die Gefahr bestehen, dass sie Selbstmord begehen. Und eine richtige Familie gründen und Kinder haben wir du, dazu werden sie nie fähig sein. Ihr Leben lang werden sie an den Folgen ihrer Entführung leiden. Wer weiß, vielleicht kidnappen diese Drecksschweine auch noch jüngere Kinder. Gänzlich auszuschließen ist es nicht. Und was passiert mit denen, wo die Eltern das Lösegeld nicht so schnell wie du auftreiben können? Bringen sie die Kleinen um oder vermieten sie sie an nette ältere Herren? Du weißt was ich meine. Die Eltern werden sich nie getrauen zur Polizei zu gehen und diese Schweine anzeigen. Sie müßten Angst haben, dass diese Kerle erneut zuschlagen und diesmal würden sie ihren Sonnenschein für Geld nicht mehr zurückbekommen. Schließlich müssen sie für ihren Ungehorsam bestraft werden und ein Exempel zu statuieren ist auch für künftige Eltern eine Warnung und Abschreckung. Ich will doch nur, dass keinem Kind mehr so etwas schreckliches angetan wird. Ist das so schwer zu verstehen?"
Nein, das ist es ganz und gar nicht. Das versteht jetzt auch Chris. Er schweigt betroffen und bei Maiks Worten ist ihm im Magen richtig flau geworden. Sein Freund hat Recht. Was geschieht mit den Kindern, wo sich die Eltern keinen teuren Traumaarzt mehr leisten können, weil sie jetzt Pleite sind? Evans schämt sich fast dafür, dass ihm nur seine Familie wichtig war und er nicht weiter gedacht hatte. So weit, wie sein Freund. Kleinlaut fragt Chris: "Wie kann ich dir helfen?"
"Ich brauche unbedingt paar Informationen über diese Kerle, denn ich fange quasi bei Null an. Ist dir an der Stimme des Entführers, der dich wegen dem Lösegeld angerufen hat, etwas aufgefallen? Vielleicht ein Sprachfehler oder ein bestimmter Dialekt, einen Namen den du zufällig aufgeschnappt hast. Irgendetwas in dieser Richtung. War evtl. im Hintergrund ein Geräusch zu hören wie von einer Bahn, eine Fabriksirene, eine vielbefahrene Straße? Oder hat dir Justin etwas erzählt? Hast du bemerkt, dass er seit diesem Zeitpunkt Angst vor bestimmten Gebäuden, Plätzen oder Geräuschen hat? Ist dir an dem Übergabeort ein Auto oder eine Person verdächtig vorgekommen? Denke nach, selbst der kleinste Hinweis könnte wichtig sein."
Chris raucht sprichwörtlich der Kopf. Maik macht ihn mit seinen vielen Fragen verrückt, so daß er nicht richtig nachdenken kann. "Ich versuche ja schon nachzudenken, aber dafür mußt du mal 5 Minuten deine Klappe halten."
"Entschuldige." sagt Maik kleinlaut. "Laß dir Zeit."
Chris schließt seine Augen und versucht sich den ersten Anruf des Entführers zurück in sein Gedächnis zu rufen.
"Haben sie noch einen Wunsch?" will die Bedienung wissen, die völlig unerwartet hinter Maik auftaucht. Chris wird aus seinen Erinnerungen gerissen. So kann er nicht nachdenken. "Laß uns zahlen und woanders hingehen." sagt er und sieht seinen Freund an. "Du hast Recht." Die Männer zahlen und verlassen den Biergarten. Sie schlendern an der Uferpromenade entlang. Doch die vielen Umweltgeräusche lenken Chris immer wieder ab und lassen es nicht zu, dass sich sein Gehirn konzentrieren kann. So schlägt Maik vor, dass sie etwas weiter weg gehen. Sie verlassen die Promenade und laufen über eine Wiese. Hier ist es herrlich still und friedlich. Die Männer setzen sich hin und Chris läßt sich nach hinten fallen. Er schließt abermals seine Augen und versucht an die schrecklichen Ereignisse der letzten Wochen zurückzudenken. In ihrer Nähe stehen 2 große Bäume und die Blätter rauschen leise im Wind. Sie bringen Chris die nötige Ruhe und so kann er sich an den ersten Anruf erinnern. Maik sitzt neben ihm, er hat sich ein kleines Notizbuch und einen Stift aus der Jackentasche gezogen. Er wird sich alles aufschreiben, was ihm wichtig vorkommt.
Chris hört in seinem Kopf noch einmal die verzerrte Stimme des Entführers und er durchlebt diesen schrecklichen Anruf ein weiteres Mal. Seine Atmung und sein Herzschlag werden schneller. Leise spricht er: "Der Kerl hatte eine komische Stimme, sie war verzerrt, hörte sich irgendwie unreal an, wie von einem Computer. Ich kann dir nicht mal sagen ob sie Alt oder Jung klang, oder ob er einen Dialekt hatte."
"Damit du später seine Stimme nicht wiedererkennen kannst, hat er einen Voice Changer benutzt, einen sogenannten Stimmenverzerrer. Weiter, was hatte er gesagt."
"Das wir keine Polizei einschalten sollen, sonst würden wir kurz darauf die rechte Hand von Justin per Post zugeschickt bekommen." sagt Chris und ihm wird etwas schlecht als er alles noch einmal durchlebt.
"War im Hintergrund etwas zu hören?" fragt Maik ruhig.
Sein Freund überlegt, doch da war nichts.
"Gut. Das bringt nichts, also weiter. Du hast vorhin in dem Biergarten gesagt, dass diese Kerle deinen Chauffeur umgebracht haben. Wie kommst du darauf?"
"Kurz bevor das alles ein Ende hatte, hat sich Pohl krank gemeldet und einen Freund geschickt, der für ihn als Fahrer einspringt, einen gewissen Sascha."
"Hat er auch den Nachnamen seines Freundes gesagt?"
"Nein. Pohl hat nicht mal selbst angerufen. Dieser Kerl tauchte einfach mit dem Lincoln am Haus auf und sagte, dass Pohl krank ist und ihn gebeten hat, einzuspringen."
"Das könnte doch sein. Wieso nimmst du an, dass Pohl Tod ist?"
"Weil ich ihm gute Besserung wünschen wollte, habe ich ein paar mal versucht ihn zu erreichen. Aber er ging nicht ans Handy. Ständig hatte ich nur seine Mailbox dran. Schließlich habe ich seinen Arbeitgeber angerufen, diese Leihfirma. Aber auch die wußten nicht, wo Pohl ist. Er habe sich nicht abgemeldet und fehle bereits seit paar Tagen unentschuldigt. Da habe ich angenommen . . . " Chris muß schlucken, obwohl sein Hals völlig ausgetrocknet ist.
Auch Maik ist der Annahme, dass Pohl Tod ist. "Hat dein Auto eine routeCon Box?"
"Ja. Bei so einem teuren Auto hat die Versicherung auf den Einbau dieser Box bestanden."
"Da haben wir doch was, wo ich ansetzen kann. Ich brauche die Zugangsdaten und den Sicherheitscode von dir."
"Kein Problem, aber das liegt alles in meinem Büro."
"Du kannst mir die Daten telefonisch durchgeben. Ich möchte, dass wir beide so wenig wie möglich zusammen gesehen werden. Vielleicht ist es sogar besser, wenn du deine Familie schnappst und für 1 bis 2 Wochen in Urlaub fährst. Justin hat doch Ferien und ein Ortswechsel tut ihm bestimmt gut. Fällt dir sonst noch etwas ein was mir hilfreich sein könnte?"
Wieder überlegt Chris. "Ich vermute außerdem, dass die Kerle unser Haus beobachtet haben. Wie hätten sie sonst herausbekommen, dass du in dieser Klinik liegst. Sie müssen Janine oder mir gefolgt sein, als wir dich besucht haben. . . . Warte mal." Maiks Freund scheint etwas eingefallen zu sein. Chis öffnet seine Augen und sieht Tayler an. "Dieser Kerl der dich umbringen wollte, ich weiß noch seinen Namen . . . Ed Zimmermann. Wie dieser Typ aus dem Fernsehen bei XY ungelöst."
"Erinnerst du dich an seine Wohnanschrift?"
"Nein, aber sein Handy hat ständig geklingelt. Ein gewisser Alex oder Alexej hatte mehrfach versucht ihn anzurufen. Schließlich habe ich mich gemeldet und so getan, als ob ich dieser Ed bin. Jetzt erinnere ich mich wieder." Chris setzt sich auf und sieht seinen Freund entsetzt an. "Dieser Kerl wollte wissen, ob sein Mann dich endlich umgebracht hat. Wieso fällt mir das erst jetzt wieder ein?"
"Das kann ich dir auch nicht sagen. Manchmal blockt unser Gehirn etwas ab, was ihm nicht gut tut." Maik schweigt kurz. Eigentlich tut ihm sein Freund leid, dass er alles noch einmal durchleben muss, doch er braucht unbedingt die Informationen. "Ich vermute mal, dass dieser Alex oder Alexej mit dem du gesprochen hast, der Kopf der Bande ist. Der Name klingt russisch."
"Du hast Recht. Der Kerl hatte auch einen russischen Akzent."
"Damit komme ich doch schon ein ganzes Stück weiter." sagt Maik und schreibt sich alles in sein Notizbuch. "Was war bei der Übergabe? Ist dir eine Auto oder eine Person aufgefallen die sich verdächtig verhalten hat?"
"Nein. Es war bereits Dunkel und der Parkplatz zu dem wir fahren sollten, war völlig leer."
"OK. Kommen wir nun zu Justin. Hat er euch irgendetwas erzählt? Wo er gefangen gehalten wurde oder ist ihm an den Kerlen was aufgefallen, eine Narbe, ein Tattoo, eine bestimmte Geste oder Eigenart? Vielleicht hat er sich auch ein Autokennzeichen gemerkt." Gespannt wartet Maik auf eine Antwort. Er hat zwar jetzt 2 Namen, Alex bzw. Alexej und Ed Zimmermann. Aber diese Namen wird es nicht nur 1 x geben. Es wäre von Vorteil, wenn Justin einen Kerl näher beschrieben hätte.
Chris sieht seinen Sohn vor sich, sein verstörtes und ängstliches Gesicht wenn er Nachts aus dem Schlaf schreckt oder wenn er mit ihm in der Stadt unterwegs ist. Ein Stadtbummel hatte ihm früher immer gefallen, besonders, da er meistens eine Kleinigkeit bekam. Doch seit der Entführung ist alles anders. Justin hat keine Freude mehr in die Stadt zu gehen. Die vielen fremden Leute bereiten ihm Angst. Er hält sich ständig an seiner Hand oder der seiner Mutter fest.
Chris fangen die Augen an zu brennen und Tränen steigen hoch. Er sieht seinen Freund an. "Ich will meinen alten Justin zurück haben." Klingen seine Worte fast flehend. "Er war immer so fröhlich und unbeschwert. Nun ist er nur noch ängstlich. Ich will, dass du diese Kerle schnapps und dass du sie so Leiden läßt, wie sie meinen Sohn haben Leiden lassen."
Maik erkennt in den Augen seines Freundes Hass und Wut. Vor kurzem hatte er ganz anders gesprochen. Da wollte er Maik noch von seinem Vorhaben abbringen und jetzt, jetzt bettelt er ihn an, die Entführer zu finden und sie denselben Qualen auszusetzen, die sie seinem Sohn angetan hatten. Dass ist fast eine Aufforderung dazu, diese Kerle zu foltern. Auge um Auge, Zahn um Zahn.
"Ich werde dafür sorgen, dass sie ihre gerechte Strafe bekommen, das schwöre ich dir. Aber erst einmal muss ich sie finden."

Da sich Chris an nichts mehr erinnern kann was Maik hilfreich ist, brechen sie ihre Unterhaltung ab und gehen zurück in die Fußgängerzone. Auf dem Weg dorthin kommt ihnen eine Gruppe Jugendlicher entgegen. Sie lachen und albern herum. Einige von ihnen sind auffällig tätowiert. Als die beiden Freunde vorbei sind, dreht sich Chris noch einmal um und sieht ihnen nach. "Was ist?" will Maik von ihm wissen.
"Siehst du den Jungen ganz rechts, diesen dunkelhaarigen mit dem Schlangentattoo am Arm."
Der Polizist sieht ihn. "Was ist mit dem?" fragt Maik.
"Ich hatte am Mittwoch mit meinem Sohn wieder mal einen Termin bei diesem Kinderpsychologen. Zuerst waren wir ganz alleine im Wartezimmer. Justin kam mir an diesem Tag ziemlich ausgeglichen vor, doch dies änderte sich schlagartig, als ein Vater mit seinem Sohn in die Praxis kam. Der Mann hatte ein großes Schlangentattoo am Oberarm. In dem Moment wo Justin dies mitbekommen hatte, war er völlig verändert. Er griff nach meiner Hand, hielt sie ganz fest und versteckte sich halb hinter meinem Rücken. Ich fragte ihn was los sei, doch er sagte nichts, starrte nur auf den Mann und dessen Tattoo. Bis jetzt nahm ich an, dass er vor dem Kerl Angst hatte, doch vielleicht war es diese Tätowierung. Vielleicht trägt einer von den Entführern ebenfalls ein Tattoo mit einer Schlange."

Wie nah Chris an der Wahrheit dran ist, können weder er noch Maik zu diesem Zeitpunkt wissen und auch nicht, dass Maik mit seinen Nachforschungen in ein "Wespennest" sticht. In ein Nest mit Killerwespen, die ihr Revier mit allen Mitteln verteidigen !

35.

Einige Kilometer entfernt von der Stadt, liegt ein 3-Seiten-Hof. Dieser wurde erst vor vier Jahren ausgebaut und in ein gemütliches Familienhotel umgewandelt. Hier sind die Betreiber noch an ihren Gästen interessiert. Es ist fast wie eine große Familie. Der alte Stall und das Wohnhaus wurden mit viel Liebe restauriert. Die Fachwerkbalken blieben erhalten und verleihen dem Hotel eine gewisse Eleganz und Grazie. Wer hier eincheckt kann sich sicher sein, Tage der Ruhe und Erholung geboten zu bekommen. Da der Rhein ganz in der Nähe fliest, vermieten die Betreiber auch Kanus an ihre Gäste. In einer Entfernung von 10 Kilometern ist kein weiteres Haus zu sehen. Ringsherum sieht man nur saftige Wiesen auf denen Blumen blühen, die viele Stadtbewohner gar nicht mehr kennen. In dieser Idylle machen gern Familien mit ihren kleineren Kindern Urlaub. Hier können sie toben, ohne dass ihre Eltern Angst haben müssen, dass sie von einem Auto angefahren werden. Denn hier kommen kaum Autos vorbei. Ein großes Holztor verwehrt, nicht zum Hotel gehörigen Leuten, den Blick ins Innere. So wird auch eine gewissen Privatsphäre geboten. Genau das Richtige für den ehemaligen SEK-Mann Maik Tayler. Hier kann er in Ruhe seine Nachforschungen betreiben. Dieses kleine romantische Hotel war ihm auf der Suche nach einer Unterkunft aufgefallen. Er erzählte der älteren Betreiberin, dass er unbedingt mal eine Auszeit von seinem stressigen Beruf als Außendienstmitarbeiter einer großen Versicherungsfirma braucht und sich hier erholen will. So trägt sich Maik auch nicht mit seinem richtigen Namen ein, sondern als Peter Schmidt. Falls er bei seinen Recherchen auf unangenehme Leute trifft, werden sie so ihre Mühe habe, ihn ausfindig zu machen. Zeit die ihm einen Vorsprung verschafft, falls es zu gefährlich wird.
Maik hatte sich vor 10 Minuten wie versprochen bei Bianca gemeldet und ihr die Nummer von dem Hotel durchgegeben, die Nummer und seinen Decknamen. Er würde sie in den nächsten Tagen von hier aus anrufen, über Festnetz. Falls sie etwas wichtiges hätte, sollte sie hier anrufen und eine Nachricht hinterlassen. Sobald Maik diese bekommt, würde er sich bei ihr melden. Der ehemalige Polizist will seine Freundin so gut es geht aus dem Fall heraushalten. Ihre Nummer und die von Chris hatte er bereits aus seinem Telefonspeicher gelöscht. Falls die Kerle ihn doch schnappen und verhören, sollten sie keinen Hinweis darauf bekommen, durch welche nahestehenden Personen sie Druck auf Maik ausüben können. Die Nummern von Bianca und Chris hatte Tayler in seinem Gedächtnis gespeichert, dort waren sie sicher.

Sein nächster Anruf gilt Lou, seinem ehemaligen SEK-Kollegen und gutem Freund. Doch der geht nicht an sein Handy. So hinterläßt Maik ihm eine Nachricht auf seiner Mailbox, dass er ihn bitte unter dieser Nummer zurückrufen soll.

Maik setzt sich an seinen Laptop und fängt an zu recherchieren. Dabei hat er das Notizbuch neben sich liegen. Was hatte Chris ihm gesagt? Erst einmal 3 Namen: Alex oder Alexej, Sascha und Ed Zimmermann. Mit dem dritten Namen kann er am meisten anfangen. Da ihm sein Freund bereits vor einige Zeit gesagt hatte, wie sie den Tod des Kerl´s vertuscht hatten, kann er noch mehr Indizien in ein spezielles Personensuchprogramm eingeben. So werden die Treffer automatisch reduziert. Maik entscheidet sich nicht für eine vertikale Suchmaschine, sondern für eine personenbezogene Datensuche. Durch seinen alten Job weiß er auch, welches Programm dafür am geeignetesten ist. Er gibt seine bisherigen Kenntnisse ein: Ed Zimmermann, verstorben am 15. Mai, weißer Golf II. Anschließend drückt er auf die Enter-Taste und startet die Suchmaschine. Der Anfang ist getan, doch die Suche nach diesen Entführern wird nicht einfach werden, das weiß Maik aus Erfahrung. Die Kerle werden ihre Spuren gut verwischen, denn sie wollen ja verhindern, dass ihnen jemand auf die Schliche kommt und ihr kleines profitables Geschäft zunichte macht. Doch sie haben nicht mit Maik gerechnet. Er wird sie finden und ihnen kräftig in die Suppe spucken.

Entspannt lehnt sich Tayler an die Stuhllehne, verschränkt seine Finger hinter dem Kopf und beobachtet den Bildschirm. Darauf ist eine Sanduhr zu sehen und am unteren Rand ein roter Balken der langsam größer wird. An dem kann man erkennen, wieweit die Suche bereits abgeschlossen ist, 8 %. Das kann noch eine ganze Weile dauern, denkt sich Maik, als sein Magen rebelliert und laut knurrt. Stimmt, wann hatte er das letzte Mal was gegessen. Heute Früh, als er mit Bianca Frühstück gemacht hatte. So entschließt er sich nach unten zu gehen und etwas zu Abend essen.
Wenige Minuten später betritt er den Speiseraum. Er ist angenehm überrascht. Denn nicht nur die Gästezimmer sind gemütlich und irgendwie heimisch eingerichtet, nein, diese Note scheint sich durch das komplette Anwesen zu ziehen. In diesem Raum gibt es vorwiegend 4-Mann-Tische, die sich an den Fenstern befinden. So kann man auf die herrliche Landschaft sehen und sein Essen genießen. In der Mitte stehen mehrere zusammengestellte Tische. Darauf liegen weiße Tischdecken und Schalen mit frischen Äpfeln, Bananen, Weintrauben und allerlei anderem Obst. Dieselben weißen Tischdecken liegen auch auf den Eßtischen. Auf jedem steht zusätzlich eine Vase mit Blumen. Die Türen sind aus rustikalem Holz, genau passend zu diesem wunderschön restaurierten Bauernhof. Die alten Holzbalken verleihen diesem Raum einen gewissen romantischen Flair. Nur die Gardinen an den Fenstern verraten, dass man sich im 21. Jahrhundert befindet. Kaum sitzt Maik, kommt schon eine ältere Dame zu ihm. "Was darf ich ihnen bringen?" will sie wissen und lächelt ihren Gast an. Die Frau erinnert den Polizisten an seine verstorbene Oma, freundliche, warme Augen, graue Haare die sie ordentlich frisiert hat und dazu trägt sie ein buntes Kleid. "Ich hätte gern ein Bier." antwortet Maik. "Kommt sofort." sagt sie und verläßt ihn. Gleich darauf taucht sie wieder auf, bringt ihm das Getränk und nimmt die Bestellung für´s Essen auf. Während Maik wartet, sieht er sich um. Er ist fast der einzigste Gast, nur noch ein junges Pärchen ist da. Der Mann hält die Hand der Frau und beide reden leise miteinander, dabei sehen sie sich verliebt an. Instinktiv muß Tayler an seine jetzige Freundin denken. Er vermißt Bianca sehr, ihre fröhliche Stimme, ihre samtweiche Haut, ihr Parfum und ihre kleinen verrückten Ideen wie die, als sie ihn vor kurzem einfach vom Arzt abgeholt hatte und mit ihm aus der Stadt gefahren war. Auf seine Frage, wohin sie denn fahren, hatte sie nur mit einem verführerischen Lächeln geantwortet. Schließlich war sie von der Hauptstraße abgebogen und fuhr nun auf einer kleinen Landstraße weiter. Nach einiger Zeit stoppte sie, drehte sich zu ihrem Freund und fragte ihn: "Was hälst du davon, wenn wir beide heute mal unter freiem Himmel schlafen?" "Was?" hatte Maik überrascht geantwortet. Doch Bianca hatte schon alles geplant. Sie holte aus dem Kofferraum einen Picknickkorb und eine Decke. Dann gingen beide wie verliebte Teenies los und stiegen auf einen Berg, der nur über einen kleinen Pfad zu erreichen war. Als sie oben ankamen, wurde es bereits dunkel und Maik bot sich ein Anblick, den er nie vergessen wird. Ganz München schien ihm zu Füßen zu liegen. Er konnte die 2 großen Türme der Frauenkirche, den Olympiaturm und das Uptown Hochhaus sehen. Der Blick über die Stadt war einfach nur atemberaubend. Noch schöner war es dann, als es völlig dunkel geworden war. Maik saß auf der Decke und Bianca lag zwischen seinen Beinen. Beide hatten ein Weinglas in der Hand. Über ihnen der tiefschwarze wolkenlose Nachthimmel mit tausend von Sternen und vor ihnen München, das langsam zur Ruhe kam. Der meiste Betrieb herrschte noch auf der A 96. Dort fuhren hunderte von Autos, auf der einen Seite konnte man die weißen Scheinwerfer sehen und auf der Anderen, die roten Rücklichter. Von hier oben war alles so friedvoll und harmonisch. Maik war Bianca so dankbar für diesen Abend. Schließlich waren beide engumschlungen eingeschlafen, begleitet von kaum wahrnehmbaren Musik, welche aus dem Olypiastadium kam. Dort fand gerade ein Konzert statt.

Maik wird aus seiner Erinnerung gerissen, als jemand zu ihm sagt: "Ihr Essen." Die ältere Dame steht mit einem Teller neben seinem Tisch. "Sorry. Ich war in Gedanken." Entschuldigt sich Maik freundlich. Während die Frau das Essen auf den Tisch stellt, sieht sie zu dem jungen Pärchen und sagt lächelnd: "Die beiden sind auf ihrer Hochzeitsreise. Sie sehen so glücklich aus, habe ich Recht?" "Ja, da haben sie Recht." und wieder sieht Tayler lächelnd zu den beiden jungen Leuten. Sie küssen sich gerade. Maik denkt erneut an Bianca. Was wird sie wohl gerade tun? "Lassen sie es sich schmecken." sagt die Frau und verläßt ihren Gast.

Auch Bianca denkt an Maik. Dabei liegt sie auf dem sonst gemütlichen Sofa. Doch heute fühlt es sich anders an, so leer. Die Krankenschwester vermißt ihren Freund, seine liebevoll und zärtlichen Hände, seine Liebkosungen. Traurig und einsam zieht sie sich die kuschlige Decke über den Körper und sieht sich ihre Liebslingssoap an. Aber irgendwie schafft sie es nicht, sich auf die heutige Sendung zu konzentrieren. Immer wieder kreisen ihre Gedanken um Maik und seinen verrückten Plan, diese Kerle zu finden. Was, wenn er dabei ums Leben kommt. Diese Leute werden nicht tatenlos zusehen, wie er ihr Geschäft ruiniert. Wieweit sie dabei gehen um ihre Interessen zu schützen, das wissen er und sie zu gut. Auf eine Straftat mehr oder weniger kommt es nicht an. Ob sie nun wegen Kindesentführung lebenslänglich in den Knast gehen oder auch noch wegen einem Mord. Was macht das für einen Unterschied? Maik hat ihr zwar versprochen vorsichtig zu sein, aber seine Gegenspieler sind zahlenmäßig überlegen. Bianca hat Angst davor, ihren Freund das nächste Mal im Leichenschauhaus wiederzusehen. Dann würde er nie sehen wie sein Kind aufwächst. Ja, seit heute weiß sie es 100 %ig, dass sie schwanger ist. Sie hatte einer guten Arbeitskollegin gesagt, dass sie vielleicht Mutter wird und da diese in der Gynäkologie der Uniklinik arbeitet, hat sie sofort einen Test gemacht, der positiv ausgefallen ist. Sie bekommen definitiv ein Baby. Doch wann wird Bianca es Maik sagen? Sie weiß es nicht. Am liebsten hätte sie es ihm gleich vorhin am Telefon gesagt, als er sie angerufen hatte um ihr mitzuteilen, in welchem Hotel er abgestiegen ist. Sie ist sich sicher, dass er dann sofort zurückgekommen wäre. So gern sie auch will, dass er so schnell wie möglich wieder hier neben ihr sitzt, so sehr versteht sie ihn auch, warum er die Kidnapper sucht. Aber sobald Bianca an der Stimme von Maik spürt, dass etwas schief läuft, wird sie ihm von der Schwangerschaft erzählen.

Dieser betritt soeben sein Hotelzimmer. Das Essen war wirklich gut gewesen. Hier muß er unbedingt noch einmal mit Bianca hinfahren, aber dann nicht um zu arbeiten. Nachdem die Sache überstanden und er hoffentlich noch am Leben ist, wird er mit ihr Urlaub machen.

Kaum hatte Maik sein Essen bekommen, hatte Lou zurückgerufen. Als sein ehemaliger Arbeitskollege die Geschichte gehört hatte und was Maik vor hat, hatte er ihn gefragt, ob er nicht ganz bei Trost wäre, sich ganz allein mit diesen Leuten anzulegen. Hinter den Entführungen kann ohne weiteres auch die Russenmafia stecken und die macht üblichweise mit unliebsamen Schnüfflern kurzen Prozess. Falls sie Maik nicht gleich erschießen, würden sie mit ihm spielen und zwar Russisches Roulette. Doch schließlich konnte Maik seinen Freund überzeugen, falls er mal seine Hilfe braucht, dass er sie dann auch bekommt. Obwohl sich Lou damit möglicherweise in die Nesseln setzt, weil er den Dienstweg nicht einhält. Aber ihre Freundschaft war es ihm Wert, sich auch evtl. eine Dienstaufsichtsbeschwerte einzufangen. Denn Maik hatte ihm mal bei einem Undercovereinsatz den Arsch gerettet, indem er einen Gegner erschoss, den Lou übersehen und der schon auf ihn angelegt hatte.

Ein kurzer leiser Bing-Ton aus seinen PC zeigt dem ehemaligen Polizisten an, dass die Suchmaschine ihre Arbeit beendet hat. Er setzt sich wieder davor und sieht nur 3 Namen auf dem Bildschirm. Es gibt einen Ed Zimmermann der in Hamburg wohnt, einen in Berlin und einen in Wiesbaden. Auf letzteren wird sich Maik konzentrieren, denn nur das liegt in unmittelbarer Nähe. Gleich morgen Früh wird er verschiedene Bestattungsunternehmen anrufen und fragen, ob sie einen gewissen Ed Zimmermann beerdigt haben. Denn schließlich muss jemand dessen Beisetzung bezahlt haben. Vielleicht kommt Maik dadurch an einen vierten Namen, der ihn etwas weiter bringt. Doch jetzt wird er erst einmal die Daten von der routeCon Box aus Chris seinem Lincoln abrufen. Wenn er Glück hat, gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen der Fahrtroute von Pohl, dem ehemaligen Fahrer von Chris, und diesem Sascha, dem ominösen Freund von Pohl, der nach dessen plötzlicher Krankheit die Stelle übernommen hatte. Maik loggt sich mit dem Passwort, was er von Chris bekommen hatte, bei Route Control ein. Er muss ein ganzes Stück warten, bis er auf die Daten zugreifen kann. Die meisten Nobelautos verfügen bereits standartmäßig über so eine Box. Mit der kann man jederzeit über GPS eine Ortung des Fahrzeuges vornehmen. Wo es sich zur Zeit aufhält oder wo es sich aufgehalten hatte. So kann man das Auto bei Diebstahl sofort wiederfinden oder Arbeitnehmer überführen, die eine kleine persönliche Spritztour unternehmen. Hoffentlich kann Maik auf Daten zurückgreifen, die bereits über einen Monat her sind. Und er hat Glück, denn Route Control speichert die Fahrberichte ein viertel Jahr, erst dann werden sie gelöscht. Tayler läßt sich die Fahrten ab dem 10. Mai, eine Woche vor Justins Entführung, anzeigen. Dann nimmt er eine Straßenkarte dazu, die er hier im Hotel gekauft hatte und zeichnet die Punkte ein, an denen sich der Lincoln von Chris aufgehalten hatte. Die meiste Zeit waren sein Freund und sein Fahrer zwischen dem Anwesen von Evans, seinem Büro, einer seiner Filialen oder Justin´s Schule unterwegs. Nur selten fuhren sie andere Punkte an. Doch zwei Tage vor der Entführung des Jungen war Pohl auf einem Schrottplatz gewesen und am Abend seines Verschwindens auf einem stillgelegten Airportgelände. Beide Punkte liegen nicht weit außerhalb, aber völlig entgegengesetzt. Maik wird sie sich Morgen mal etwas genauer anschauen, auch die Wohnung von diesem Pohl. Möglicherweise hatte dieser Gewissensbisse bekommen, steckte aber schon zu tief in der Sache drin um sauber rauszukommen. Er meldete sich daher krank, doch so einfach hätten die Kidnapper ihn nicht aussteigen lassen. Schließlich war er eine potenzielle Gefahr, die jederzeit umkippen und zur Polizei gehen konnte. Das Risiko konnten diese Leute nicht eingehen. Er kannte ihre Gesichter und vielleicht sogar das Versteck wo sie Justin gefangengehalten hatten.
Maik weiß aus seiner Zeit als SEK-Special Agent wie gefährlich Leute werden können, die ihren Gewinn davonschwimmen sehen. Je höher der Verlust, desto brutaler ihre Praktiken dies zu verhindern. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass Pohl nicht mehr am Leben ist. Doch vielleicht findet Maik in dessen Wohnung hilfreiche Hinweise.
Abrupt sieht er sich bei seinem letzten Undercovereinsatz wieder. Sein Gedächtnis kramt aus einem Teil seines Gehirns Bilder hervor, die er am liebsten aus seinem Kopf brennen würde. Er sieht sich wieder als Mark Dukownik, einen großen Waffenhändler. Sein Einsatzbefehl lautete, einen Interessenten dingfest zu machen. Schon einmal waren sie ganz dicht an dem Kerl dran, doch irgendwie war er ihnen entwicht. Diesmal durfte nichts schiefgehen. Die Mikrofone und Kameras in dem Lagerhaus waren angebracht und funktionierten. Jedenfalls als sie es testeten. Im Laufe des Einsatzes wurden sie jedoch mit Hilfe eines Störsenders deaktiviert. Seine Kumpels vom SEK waren auf Position und warteten nur auf seinen Befehl zum Zugriff. Mark bzw. Maik wartete mit 3 Leuten auf seinen Kunden, einen gewissen Adam Schmidt alias Felix Schneider. Er war für verschiedene Bombenanschläge verantwortlich. Dabei wurden zahlreiche Zivilisten getötet. Das SEK hatte einen anonymen Tipp bekommen, dass dieser Felix Schneider einen Waffenhändler sucht, der ihm radioaktives Material zum Bau einer "Schmutzigen Bombe" verkauft. Der Informant hatte gesagt, dass Schneider einen Anschlag in einer großen Stadt plane. Er wolle von der deutschen Regierung 200.000 Millionen erpressen, ansonsten würde er die Bombe hochgehen lassen. Dass dies aber eine Desinformation war um das SEK-Team schwer zu schädigen, konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen.
Maik sieht sich, wie er in einem teuren Anzug von Armani auf seinen Käufer wartet. Dieser tauchte wie versprochen am Treffpunkt auf. Sein schwarzer Mercedes-Benz fuhr pünktlich vor und Schmidt stieg aus. Er war schon älter und hatte graue Haare, es war genau derselbe Mann, der sich vor einem Monat mit Alexej getroffen und Maik auf einem Foto wiedererkannt hatte. Kaum war der Deal unter Dach und Fach, die Beweisaufnahmen im Kasten, passierte es. Irgendwoher tauchten plötzlich mehrere gepanzerte Fahrzeuge auf und die Insassen eröffneten sofort das Feuer auf die Polizisten.
Maik spürt, wie sein Blutdruck rapide ansteigt und seine Atmung schneller wird. Ein unangenehmer Druck baut sich in seinem Kopf auf und läßt ihn schmerzen. Er drückt beide Handballen derb gegen seine hämmernden Schläfen und schließt seine Augen. Sein Herz schlägt so schnell dass Maik glaubt, es zerreißt ihm seinen Brustkorb. Schweißperlen bilden sich auf seiner Stirn und ein eisiger Kälteschauer jagt über seinen Rücken. Er kann seinen Körper nicht mehr kontrollieren, scheint geistig nicht in diesem Raum zu sein, sondern wieder bei dem Einsatz.
Einige seiner Kollegen lagen bereits getroffen am Boden. Die Leute von Schmidt wußten genau, wo sie sich versteckt hatten, aber woher?
Wann hört dieser Schmerz endlich auf, fragt sich Maik, doch es wird noch schlimmer. Sein Gehirn macht was es will, läßt sich von ihm nicht mehr kontrollieren und steuern. Ein greller Blitz vor seinem inneren Auge läßt einige Zeit vom Einsatz vergehen, bis er sich wieder in dieser für ihn realen Welt befindet.
Maik kauert sich gerade zu einem Kollegen hinunter und versucht dessen Blutung zu stoppen. Trotz kugelsicherer Weste wurde dieser getroffen. Das Geschoss war seitlich der rechten Achselhöhle eingedrungen und steckte nun in dessen Körper. Sein Kamerad verlor viel Blut. Maik hatte auf so einen Schutz verzichtet. Schließlich wußte er nicht, ob Schmidt ihn durchsucht, weil er eine Falle vermutet. Bis jetzt hatten Maiks Schutzengel gut auf ihn aufgepaßt, doch er hatte sein Glück zusehr ausgereizt. Fast die letzte Salve der Verbrecher galt ihm. Er spürte, wie 3 Kugeln in seinen Rücken eindrangen. Feuer breitete sich in seinem Körper aus. Der Schmerz war unbeschreiblich. Abermals blitzt es in Maik´s Gehirn und läßt ihn schmerzhaft aufstöhnen. Bianca, er sieht Bianca wie sie etwa 50 Meter von ihm entfernt blutüberströmt auf dem Boden liegt. Sie war von einer Kugel in den Hals getroffen wurden. Wieso war sie überhaupt hier? Seine letzten Kraftreserven mobilisierend, kroch Maik zu seiner Freundin. Er spürte, wie bei jeder Bewegung sein Blut pulsierend aus den Schußverletzungen lief und es ihn bald in einen hämorrhagischen Schock versetzten würde. Aber er mußte zu Bianca kommen, selbst wenn er dabei verblutet. Und er schaffte es. Mit letzter Kraft nahm er die Hand seiner Geliebten in die seine. Sie lag auf dem Rücken, sah ihn aus großen entsetzten Augen an. Eine Kugel, wahrscheinlich ein Querschläger, hatte ihre rechte Halsseite aufgerissen und ihre Halsschlagader schwer verletzt. Stetig pumpte ihr Herz weiter und ließ das Blut aus ihren Hals quellen. Ihre Atmung war nur noch ganz flach und nach der schwere ihrer Verletzung würde sie bald versagen. Noch bevor Maik ihr etwas liebevolles sagen konnte, verlor er das Bewußtsein und wachte erst eine Woche später aus dem Koma auf. Bianca hatte nicht überlebt.
Immer wieder stellte sich Maik die Frage, wieso war sie überhaupt dort. Aber er fand keine Antwort darauf. Ein plötzlicher Würgereiz läßt ihn in das hier und jetzt zurückkommen. Er schafft es gerade noch auf´s Klo. Dort muß er sich lange Zeit übergeben, so, als ob er damit all seine schmerzlichen Erinnerungen loswerden würde. Nach 5 Minuten ist sein Magen leer. Er setzt sich auf den kalten Fliesenboden, lehnt sich mit seinem Rücken gegen die Wand, zieht seine Beine an und umschließt sie fest mit seinem linken Arm. Mit dem Rechten hält er sich seinen dröhnenden Kopf und heult bitterlich, dabei zittert er am ganzen Körper.

36.

In der Nacht hatte es geregnet, es war aber nur ein kurzer Schauer gewesen. Jetzt verziehen sich die letzten Wolken und machen der Sonne Platz. Diese trocknet mit ihren warmen Strahlen die Straßen und Fußwege in der Stadt. In den letzten Pfützen baden Vögel. Ihnen ist egal, wo sich das erfrischende Nass befindet. Selbst mitten auf der Straße vollziehen sie ihre morgendlichte Gefiederpflege. Ein noch junger Spatz ist ziemlich leichtsinnig mit seinem Leben und wäre fast von einem schnell herannahenden Pick up überfahren wurden. Der bullige Klang des Chevrolet Silverado ist weithin zu hören. Doch kaum erreicht er die Stadt, geht sein V8 Motor in dem Straßenlärm unter. Noch dazu, da der Fahrer die 6 Liter-Maschine kaum fordert.
Vor einem Bestattungsinstitut mit dem Namen:

Zur letzten Ruhe

hält der schwarze Geländewagen. Er fällt durch seine Farbe nicht sonderlich auf. Man könnte denken, ein Mitarbeiter erscheint zum Dienst, doch es ist kein Angestellter der aussteigt, sondern Maik Tayler. Er hatte seinen Freund gebeten, seinen geliebten Mustang zu verkaufen. Der wäre bei seinen Nachforschungen zu sehr aufgefallen. Für das Geld hatte sich Maik diesen Pick up gekauft. Damit konnte er auch in unwegsames Gelände. Hätte er bereits bei Justin`s Entführung diesen GMC gefahren, hätte er mit den 349 PS eine reelle Chance gegenüber dem Surbuban der Kidnapper gehabt.

Maik hatte heute Früh alle 25 Beerdigungsunternehmen in der Stadt angerufen und gefragt, ob sie einen gewissen Ed Zimmermann am 15. Mai nach einem tragischen Unfall überstellt bekommen hatten. Bei dem Vorletzten hatte er Glück. Wieso mußte man immer erst am Ende einer Liste das Gesuchte finden? Unwillkürlich muss Maik an Murphys Gesetze denken: "Alles was man sucht, findet man erst am letzten Platz an dem man sucht." Bei diesem Gedanken muss er schmunzeln, wird aber sofort wieder ernst, denn ihm fällt noch ein anderes Gesetz des US-amerikanischen Ingenieurs Edward A. Murphy ein: "Wenn eine Kette von Ereignissen schief gehen kann, so wird dies in der schlimmsten möglichen Reihenfolge geschehen."
Hoffentlich irrt sich dieser Kerl, denkt Maik und betritt das Institut. Die vielen Särge und Urnen bereiten dem Polizisten ein unangenehmes Gefühl im Magen. Doch er mußte persönlich hier auftauchen, denn der Inhaber hatte ihm zwar am Telefon bestätigt, dass sie einen Ed Zimmermann zur Einäscherung gehabt hatten, aber er wollte nicht den Namen nennen, der dafür gezahlt hatte. Aber Maik ist sich sicher, er wird den Namen von dem Geschäftsinhaber herausbekommen. Wenn nicht freiwillig, dann mit anderen Mitteln. Jeder Mensch ist käuflich, es hängt nur von der Höhe der Summe ab.
Ein Mann in die 40 betritt den Verkaufsraum. Er trägt, passend zu seinem Beruf, einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine dunkelrote Krawatte. "Guten Tag mein Herr." sagt er zu Maik. "Wie kann ich ihnen helfen?" Dieser hatte sich auf dem Weg hierher einen Plan überlegt, wie er den Namen des Rechnungsbezahlers herausbekommt und trotzdem verhindert, dass der Bestattungsunternehmer diesen Mann im nachhinein anruft und ihm mitteilt, dass jemand nach dem Toden gefragt hat. Tayler spricht nun einige Stimmlagen höher als normal. "Ja Hallöchen mein Gutster. Ich hatte sie heute Früh angerufen und gefragt, ob sie meinen Ex-Freund beerdigt haben. Wissen sie. . . " Maik stützt sich mit einem weiblichen Touch auf dem Tresen zwischen Schreibtisch und Verkaufsraum ab. ". . . er hat mit meinem besten Freund geschlafen. Können sie sich das vorstellen?" Tayler spielt die Rolle eines Schwulen so gut, dass der Inhaber des Unternehmens grinsen muss. So etwas ist ihm noch nie vorgekommen. "Dieser kleine Mistkerl hat mir mein Herz gebrochen." spricht Maik weiter. "Aber ich konnte ihm nicht lange böse sein. Ich wollte mich bei einem schönen Glas Prosecco mit ihm versöhnen. Doch was denken sie hat er mir am Telefon gesagt?" Der Polizist spielt den empörten und verletzten Liebhaber. "Er hat mir gesagt, dass er jetzt mit einem gewissen Alex oder Alexej zusammen ist." Wieder lächelt der Mann und sagt: "Nein, aber wie kann ich ihnen helfen?" Maik sieht sich nach allen Seiten um. Danach spricht er ganz leise: "Ich will meinen Freund an seinem Grab besuchen und ihm ein Stäußchen seiner Liebslingsblumen darauf legen. Und dann will ich mir mal diesen Kerl ansehen, mit dem er zuletzt seine Spielchen gemacht hat." "Ich kann ihnen zwar den Friedhof nennen auf dem ihr Freund liegt, aber nicht den Namen des Mannes, der für seine Beerdigung gezahlt hat. Das unterliegt meiner Schweigepflicht." Maik klatscht schnell in seine Hände und setzt einen flehenden Gesichtsaufdruck auf. "Bitte bitte. Springen sie über ihren Schatten und geben sie mir den Namen." "Das kann ich nicht." Wieder sieht sich Maik um, dann greift er in seine Hosentasche und holt ein Bündel Geldscheine heraus. Er legt 100 Euro auf den Tresen. "Und jetzt?" "Verstehen sie mich nicht? Ich darf ihnen den Namen nicht geben." Maik ist gezwungen, bis zum Äußersten zu gehen. Er preßt ein paar Tränen heraus. "Wissen sie, Ed hat mir alles beigebracht was man in Liebesdingen zwischen Mann und . . . sie wissen schon . . ." Maik kichert albern. ". . . können muss." So langsam wird dem Geschäftsführer das Gespräch peinlich. Er will doch nicht hören, was Männer miteinander treiben. "Wie ich ihnen schon mehrfach gesagt habe, ich darf ihnen den Namen nicht sagen, aber ich kann ihnen den Namen des Friedhofs nennen." Was muß Maik noch tun, damit der Kerl endlich weich wird. Der Inhaber nimmt das Auftragsbuch vom Schreibtisch und legt es auf den Tresen, dann blättert er einige Seiten nach vorn. "Wann hatten sie gesagt, ist ihre Freund gestorben?" "Am 15. Mai." Der Mann sucht. Schließlich sagt er: "Da haben wir ihn. Ed Zimmermann, 43 Jahre, Tod durch Unfall . . . Er liegt auf dem städtischen Friedhof, Reihe 62." Er sieht Maik an, dann sagt er: "Oh, ich glaube mein Telefon klingelt soeben in den hinteren Büroräumen. Es tut mir wirklich sehr leid, aber ich kann ihnen nicht helfen." Der Mann nimmt die 100 Euro von Maik und geht nach hinten. Aber es hatte kein Telefon geklingelt. Der Polizist begreift sofort und als der Inhaber den Verkaufsraum verläßt, dreht Maik das Auftragsbuch herum und sucht die Eintragung. Er findet die Info schnell. BINGO ! Die Beerdigung von diesem Ed hatte ein gewisser Alexej Orlow bezahlt. Und zwar 1.300 Euro in bar. Zügig verläßt Maik das Beerdigungsinstitut, steigt in seinen Pick up und reiht sich in den Verkehr ein. Noch im nachhinein muss er über seine Rolle als Schwuler lächeln. Aber schließlich: "Der Zweck heiligt die Mittel".
Kaum ist er weg, kommt der Inhaber des Bestattungsinstitutes wieder nach vorn. Er schließt das Auftragsbuch und legt es auf den Schreibtisch, dann sucht er nach einer ganz bestimmten Visitenkarte. Unter einem Stapel Rechnungen findet er sie.

Alexej Orlow
In- und Export

Tel.: 0174 5215442

Dieser Mann hatte die Beerdigung bezahlt. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte er die 1.300 Euro bar auf den Tisch gelegt. Doch jetzt ist sich der Inhaber nicht mehr sicher, um was für eine Art Freund es sich dabei gehandelt hatte. Nie hätte er gedacht, dass dieser Alexej Orlow vom anderen Ufer ist. So konnte man sich täuschen. Nach Begleichung der Rechnung hatte ihn dieser Mann gebeten, falls jemand nach seinen Freund fragt, dass er ihn sofort anruft. Aber wie soll er ihm sagen, dass der Ex-Freund des Toden hier aufgetaucht ist und wissen wollte, wer zuletzt mit diesem Ed Zimmermann im Bett war. Nein, das war einfach zu peinlich. So legt der Mann die Karte zurück und vergißt, was eben geschehen war.


37.

Als nächstes fährt der ehemalige Polizist zu Pohl. Den vollständigen Namen und die Adresse hatte er von Chris bekommen.
Der verschwundene Chauffeur wohnt in einer kleinen Siedlung am Rande der Stadt. Hier stehen fast nur Einfamilienhäuser. Aber keine von den neu gebauten, diese hier sind schon älter. Die Gegend macht einen gepflegten Eindruck. Maik muß nicht lange suchen und findet das Haus mit der Nummer 48. Er hält mit seinem Pick up und steigt aus. Das Gebäude scheint in den 80er Jahren gebaut zu sein. Der Putz müßte mal erneuert werden, aber ansonsten ist es noch gut in Schuss. Ein kleines Grundstück umgibt das Anwesen. Nur hier ist der Rasen ziemlich hoch. Vor allen anderen Häusern wurde regelmäßig die Wiese gemäht und auch die Hecke geschnitten. Schon jetzt weist einiges darauf hin, dass Pohl entweder ziemlich faul ist was die Rasenpflege betrifft oder, was wahrscheinlicher ist, dass er schon länger nicht mehr hier war. Trotzdem klingelt Maik. Vielleicht wohnt Pohl nicht allein. Niemand ist zu Hause. So öffnet er die Zauntür und betritt das Grundstück. Zügig geht er die Treppen zur Eingangstür hoch. Nachdem er sich noch einmal umgesehen hat, greift er in seine innere Jackentasche und holt ein längliches rundes Gerät heraus, etwa so groß wie eine elektrische Zahnbürste. Es ist ein Power Lock Pick Gun, ein elektrischer Dietrich. Die Spitze steckt er in das Schloss. Danach greift er erneut in die Tasche und holt ein dünnes abgewinkeltes Metallstück heraus. Dieses steckt er ebenfalls hinein. Dann drückt er auf den Knopf des Gerätes und innerhalb von wenigen Sekunden ist das Schloss geknackt. Schnell betritt er das Haus und schließt die Tür hinter sich.
Maik steht sofort in einem Berg aus Zeitungen und Briefen die durch den Türschlitz gesteckt wurden. Er bückt sich und sucht nach einem Brief der ganz unten liegt. Dieser wurde am 12. Mai abgestempelt und wahrscheinlich am 14. oder 15. hier eingeworfen. Seitdem ist Pohl auch verschwunden. Er legt den Brief zurück und erhebt sich. Vielleicht findet er einen Hinweis, dass der Chauffeur was mit der Entführung von Justin zu tun hat. Ob direkt oder indirekt, das steht noch nicht fest. Auf der Flurgarderobe liegt ein Flugticket. Maik nimmt es in die Hand und liest die Daten.

Abflug: 18. Mai, 14.15 Uhr, Flughafen Frankfurt-Main
Zielort: Rio de Janeiro (Brasilien)
Rückflug: ----

Damit ist sicher, dass Pohl sich ins Ausland absetzen wollte. Er hat also mit den Kidnappern gemeinsame Sache gemacht. Sie aber wohl doch unterschätzt, sonst wäre er jetzt nicht Tod. Dieser Kerl war gar nicht so dumm sich ausgerechnet nach Brasilien abzusetzen, denn falls mal die ganze Sache auffliegt und sein Name genannt wird, dann befindet er sich in einem Land, mit dem Deutschland kein Auslieferungsabkommen hat. Doch seine Rechnung ist nicht aufgegangen. Mit einem Lächeln legt Maik das Flugticket zurück und sucht weiter nach Hinweisen wo sie den Sohn seines Freundes versteckt hatten. Dort wird er ebenfalls diesen Alexej Orlow finden.
Aber auch nachdem Maik das ganze Haus auf den Kopf gestellt hat, findet er keinen brauchbaren Hinweis. Nun bleibt ihm nur noch der Schrottplatz und dieser kleine stillgelegte Airport auf dem Pohl mit dem Lincoln von Chris war. Maik verläßt das Haus, dabei fällt sein Blick auf die Garage. Wieso war dieser Kerl überhaupt mit dem Auto seines Bosses privat unterwegs? Hatte er keinen eigenen Wagen? Da sich niemand von den Nachbarn für Maik zu interessieren scheint, geht dieser zur Garage. Er öffnet die Tür und entdeckt einen schwarzen Chevrolet Impala Bj. 1967 darin. Sofort schlägt Maik´s Autoherz höher. Was für ein schöner alter Wagen. Der Polizist muß ihn berühren. Der Lack ist in einem einwandfreien Zustand und die Chromteile blinken in der Sonne. So ein geiles Auto hatte auch dieser Dean Winchester aus der Serie Supernatural gefahren. Tayler mag Filme mit alten leistungsstarken Autos. Nicht umsonst war früher sein Spitzname V8-Maiky. Wieder muss Maik lächeln als er an die guten alten Zeiten zurück denkt. Doch irgendwie steht der Wagen schief. So schaut Maik um das Auto herum und entdeckt, dass es auf der hinteren linken Seite aufgebockt ist und das Rad abmontiert auf dem Boden liegt. Somit kann Maik den Schrottplatz als Versteck der Kidnapper streichen. Bleibt also noch der Flugplatz. Aber zuvor hat er noch ein wichtiges Treffen.

38.

Dieser sitzt auf einer Bank an der Uferpromenade des Rhein´s. Hier ist viel los. Leute gehen mit ihren Hunden spazieren oder schlendern allein bzw. zu zweit an den herrlichen Ufern entlang. Die Spaziergänger müssen sich den Weg mit den Rad- und Inlinerfahrern teilen. Dies geschieht nicht immer harmonisch. Besonders, wenn sie plötzlich ältere Menschen überholen und diese erschrecken. Ein Renter mit Stock ist besonders empört und schwenkt seine Gehhilfe wütend hinter einem rücksichtlosen Radfahrer hinterher. Überall am Fluß stehen Bänke und viele Besucher ruhen sich darauf aus. Maik hat eine der wenigen leeren Sitzmöglichkeiten ergattert. Gemütlich sitzt er in der Sonne und genießt die warmen Strahlen. Viel lieber würde er mit seiner neuen Freundin hier sitzen. Doch beide trennten 230 km. Bianca ist in München und bestimmt auf Arbeit. Wie sehr er sie doch liebt und vermißt, das merkt Maik jetzt erst. Vielleicht macht er ihr bald einen Antrag. Schön wäre es, wenn sie ja sagt. Doch er will sie mit seinem Vorhaben nicht überrumpeln. Schließlich kennen sie sich erst seit knapp einem Monat.
Während Maik in seinen Gedanken schwelgt, nähert sich ihm ein junger Mann. Er trägt einen grauen Jogginganzug, scheint sein tägliches Laufpensum zu absolvieren. Als er den Polizisten gedankenverloren auf der Bank sitzen sieht, stoppt er plötzlich, bückt sich und macht seinen Schnürsenkel fester zu. Dabei sieht er immer wieder zu dem Mann. Maik bekommt nicht mit, dass er beobachtet wird. Er träumt mit offenen Augen von Bianca. Nach einiger Zeit erhebt sich der Jogger und kehrt um. Doch schon bald verläßt er die Promenade und läuft über die Wiese zu einer größeren Buschgruppe. Dort versteckt er sich. Nähert sich dann langsam dem Mann auf der Bank. Dieser beobachtet nun wieder die Spaziergänger. Er ahnt nicht, was sich hinter seinem Rücken abspielt. Als der Sportler etwa 3 Meter hinter Maik steht, läßt er seine rechte Hand in der Jogginghose verschwinden.
*Wo bleibt sein Kontaktmann bloß?* fragt sich Maik und sieht auf seine Uhr. David ist bereits 8 Minuten überfällen. Wenn ihm etwas dazwischen gekommen wäre, hätte er ihn angerufen. Tayler holt sein Handy aus der Jackentasche und schaut auf das Display. Keine Anrufe sind eingegangen. Plötzlich spürt er etwas an seinem Rücken. Noch bevor er sich umdrehen kann um nachzusehen, flüstert ihm jemand etwas ins Ohr. Es ist der Sportler der jetzt hinter Maik kauert und ihm ein Messer in dessen rechte Niere drückt. "Du bleibst schön ruhig sitzen und spielst den Ahnungslosen. Wenn du auch nur den Anschein von Gegenwehr zeigst, ramm ich dir mein Messer in die Nieren." Maik bleibt wie befohlen ruhig sitzen. Keiner von den vielen Leuten achtet auf die beiden Männer. Der Unbekannte spricht weiter: "Das habe ich mir schon lange mal gewünscht, besser zu sein als der Beste aus unserer Truppe. Du wirst alt Maiky." Dieser muß lächeln. Gleichzeitig nimmt der Fremde das Messer weg und steckt es wieder in seine Hosentasche. Er kommt nach vorn. Die Männer umarmen sich freundschaftlich. "Man David, mußt du mich so erschrecken?" fragt Maik den Mann.
"Du mußt mir verzeihen, aber das mußte ich unbedingt tun. Ich habe dich schon seit 10 Minuten beobachtet und du hast es nicht gemerkt. Früher wäre dir so etwas nicht passiert."
"Ich weiß. Ich lasse nach. Mir fehlt halt das gute alte Training. Hat dir Lou gesagt, was ich brauche?"
"Ja. Und ich habe alles mit. Sag mal, was hast du vor? Einen Ein-Mann-Krieg anzetteln?"
"So was ähnliches. Wo hast du die Sachen?"
"In meinem Auto. Es steht dort hinten auf dem Parkplatz gleich neben deinem Silverado."
"Woher weißt du, dass das mein Auto ist?"
Dieser David lacht. "Hey, wir haben 13 Jahren zusammengearbeitet und sind in unseren Einsätzen durch dick und dünn gegangen. Ich kenne deine Schwäche für Monsterautos."
Kurze Zeit später stehen beide Männer hinter ihren Fahrzeugen. David hat seinen Chrylser Grand Cherokee ebenfalls rückwärts in die Parkbucht gefahren. So werden die Aktivitäten der ehemaligen Arbeitskollegen etwas verdeckt. David öffnet den Kofferraum seines Jeep´s und Maik entdeckt eine große Sporttasche darin. Der Mann zieht sie bis an den Rand, sie scheint schwer zu sein. Dann öffnet er sie und läßt Maik herantreten. Dieser sieht sich kurz nach neugierigen Blicken um, aber niemand beobachtet die beiden Männer. Er nimmt eine MP 5 SD Maschinenpistole mit Zielfernrohr und Schalldämper heraus. Maik entfernt gekonnt das Magazin, es ist voll. "Ich habe dir noch zusätzlich 250 Schuss Munition dazugelegt." sagt David. Tayler prüft den Abzug und ist zufrieden. Er legt das Gewehr in den Kofferraum und holt eine Armburst aus der Sporttasche, ebenfalls mit Zielfernrohr. "Du kannst dir gar nicht vorstellen wie schwer es war, diese Armbrust vom Modell Jaguar zu bekommen. Ich mußte viele Anrufe tätigen." Maik sieht lächend seinen alten Kumpel an und sagt: "Lou hat mir gesagt, dass du alles was ich brauche auftreiben kannst und er hatte Recht. Du bist echt gut darin, Dinge zu erledigen die manche für unmöglich halten." "Ich weiß, ich bin gut." sagt David und muß auch lachen. Wieder schaut Maik in die Tasche und nimmt eine SIG Sauer P 226 heraus. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Endlich kann er seine Lieblingswaffe wieder in der Hand halten, das Gewicht und das kalte Metall spüren. Er steckt sie sich hinter den Rücken in den Hosenbund. Ein drittes Mal schaut Maik in die Sporttasche, diesmal holt er nichts heraus, sondern schaut nur nach, ob alles drin ist um was er Lou gebeten hatte. David erklärt: "Es ist alles drin was du haben wolltest, das Nachtsichtgerät, die Wärmebildkamera, ein Abhörgerät mit Parabolantenne, paar Wanzen und Peilsender sowie 3 Blendgranaten und etwas TNT. Willst du mir nicht sagen, was du vor hast? Lou hat so geheimnisvoll getan. Aber nach den Sachen die ich dir besorgt habe, klingt es nach mächtig Ärger." "Ich werde mich revanchieren." sagt Maik, ohne auf die Frage seines Freundes einzugehen. Er legt das Gewehr und die Armbrust zurück in die Tasche und geht damit zu seinem Auto. Mit dem Autoschlüssel öffnet er die Metallabdeckung die die Ladefläche verschließt. Die Tasche legt er hinein und macht sie mit einem Spanngurt fest. Anschließend schließt er wieder ab, gibt David die Hand und sagt: "Ich danke dir für deine Hilfe, richte Lou ebenfalls meinen Dank aus. Falls ich es überleben sollte, komme ich im Anschluss persönlich vorbei und wir 3 trinken mal einen richtigen."
"Hast du es dir wirklich reiflich überlegt was du vor hast? Es schein gefährlich zu sein. Warum überläßt du es nicht der Polizei oder unsere Truppe vom SEK."
"Das kann ich nicht. Es ist was persönliches. Außerdem würde das zuviel aufsehen erregen und die Kerle wären weg. Ich muß das allein durchziehen. Je kleiner die Gruppe, desto sicherer der Erfolg. Das hat uns schon unser Ausbilder beigebracht."
"Aber falls du doch Hilfe brauchst, die ganze Truppe steht hinter dir."
"Ich weiß. Danke noch mal."
Maik geht nach vorn und steigt in sein Auto. Er läßt die Scheibe herunter und startet. Kraftvoll springt der V8 Motor an. David stellt sich neben das Fenster und sagt: "Ach, das hätte ich doch glatt vergessen." Er öffnet sein Auto und das Handschuhfach. Daraus holt er eine kleine Glasflasche. "Das ist das Toxiferin was du noch haben wolltest. Aber sei vorsichtig mit diesem Teufelszeug." Maik nimmt es, sagt: "Ich passe schon auf." Er legt es vorsichtig in sein Handschuhfach und fährt langsam los. Zum Abschied streckt er noch einmal seine rechte Hand aus dem Fenster.

39.

Es ist 16.30 Uhr und der Berufsverkehr verstopft die Straßen. Genervte Autofahrer hupen bei jeder Kleinigkeit. Ein dunkelblauer VW Transporter springt von Lücke zu Lücke und versucht so schneller voranzukommen, aber kaum hat er die Fahrbahnseite gewechselt, kommen die auf der anderen Spur wieder schneller voran. Im hinteren Teil des Fahrzeuges befinden sich 5 Kinder im Alter zwischen 6 und 10 Jahren. Sie sitzen verängstigt in einer Ecke. Ein Mann mit Pistole im Hosenbund achtet auf sie um zu verhindern, dass eins von ihnen unbeobachtet vom Fahrer das Auto verläßt. Das jüngste Kind ist ein kleines Mädchen mit kurzen blonden Haaren. Sie wimmert schon seit einiger Zeit leise vor sich hin. Durch den Straßenlärm können es aber andere Verkehrsteilnehmer nicht hören. Die beiden Männer ignorieren die Klagelaute vorerst. Doch dieses ständige stop and go auf der Straße nervt den Fahrer und nach einiger Zeit rastet er aus. Er dreht sich zu dem Kind und sagt: "Wenn du nicht auf der Stelle ruhig bist werde ich es, wenn wir zurück sind, meinem Boss sagen und der steckt dich für die heutige Nacht in einem anderen Raum. Ganz alleine, nur paar hungrige Ratten werden bei dir sein." Das kleine Mädchen fängt an zu heulen und sagt: "Ich muß aber mal ganz dringend auf´s Klo." "Das geht jetzt nicht, also halt es an." "Ich kann nicht mehr." "Dann mußt du dir in die Hosen machen. Ich werde auf alle Fälle nirgends rausfahren bloß weil du mußt."
Es geht wieder ein Stück vorwärts, doch schon wenige Meter weiter stehen sie an der nächsten roten Ampelkreuzung. Sascha, der Fahrer des Transporters, öffnet genervt das Fenster und zündet sich ein Zigarette an. Neben ihm steht ein grauer VW Passat. Darin befindet sich ein älteres Paar. Auch sie haben die Fenster offen. Auf dem Beifahrersitz ist eine etwa 60 Jahre alte Frau. Ihr ist so, als ob sie ein kleines Kind weinen hört. Sie sieht zu ihrem Mann: "Hörst du das auch?" fragt sie ihn. Doch ihr Mann hört nichts. "Ich bin doch nicht senil, da weint eindeutig ein kleines Kind." "Also ich höre nichts." antwortet ihr Mann, dreht aber trotzdem das Autoradio etwas leister. Doch er hört noch immer nichts, da der Gegenverkehr auf seiner Seite entlang fährt und so das Heulen des Kindes übertönt. Die Frau sieht zu dem blauen Transporter und dem Fahrer der gelangweilt eine Zigarette raucht. Für diesen schaltet die Ampel plötzlich auf grün und er biegt nach rechts ab. Die Beifahrerin des grauen Passat sieht dem Fahrzeug noch lange Zeit hinterher. "Und wenn in dem Auto ein Kind unsere Hilfe braucht? Bitte fahr ihm nach. Ich will nur mal sehen, wohin es fährt."
Ihr Mann sieht sie an und sagt: "Das war ein Lieferwagen, wieso sollte darin ein Kind sein. Du hast dir garantiert nur eingebildet eins zu hören. Vielleicht war es ein Hund der gewinselt hat."
"Denkst du ich bin blöd und kann nicht mehr ein weinendes Kind von einem winselnden Hund unterscheiden. Das war eindeutig eine Kinderstimme."
"Selbst wenn ich jetzt umdrehen würde, wäre das Auto längst weg." Die Frau sucht etwas in ihrer Handtasche. "Was suchst du?" will ihr Mann wissen.
"Mein Handy, ich werde die Polizei anrufen. Sie sollen das Auto stoppen und mal nachsehen."
"Tolle Idee." gibt ihr Mann sarkastisch zur Antwort. "Und wenn sie dich nach dem Nummernschild fragen, was willst du ihnen sagen? Oder hast du es dir gemerkt?"
Natürlich hatte sich die Frau das Nummernschild nicht gemerkt. "Dort vorn ist das Auto wieder." sagt sie und zeigt nach rechts. Und tatsächlich, dort fährt der blaue Transporter.
"Ok, damit du Ruhe gibst, werde ich ihm folgen." Für die anderen Verkehrsteilnehmer völlig unerwartet, wechselt der VW plötzlich die Spur und biegt nach rechts ab. Er wird von einem wilden Hupkonzert und schimpfenden Fahrern begleitet. An der nächsten roten Ampel steht der Transporter 3 Fahrzeuge vor ihnen. Die Frau schreibt sich das Nummernschild auf. Das Eheapaar folgt dem verdächtigen Fahrzeug fast 1 Stunde, dann verläßt es die Innenstadt. Somit wird auch der Verkehr weniger und der Fahrer wird bald merken, dass dieser graue VW ständig hinter ihm ist. Doch bis jetzt scheint es nicht den Anschein zu haben, dass er es gemerkt hat. Vor einem Haus am Rande der Stadt hält der Transporter. Der Mann in dem Verfolgerauto hält gute 100 Meter dahinter und das Ehepaar beobachtet etwas nervös das verdächtige Fahrzeug. Fast 5 Minuten passiert nichts, dann steigt der Fahrer aus. Es ist ein junger Mann mit langen Rastazöpfen und einem blauen Stirnband um seinen Kopf. Das ist eindeutig ein anderer Fahrer als der, den die Frau an der Kreuzung gesehen hatte. Aus dem Haus kommen jetzt 4 junge Männer und 2 Frauen. Sie gehen zu dem Transporter und helfen ausladen. Zuerst springt ein schwarzer Labrador heraus und begrüßt stürmisch diese jungen Leute.
Der Fahrer des Passat sieht zu seiner Frau. Wußte er es doch, ein Hund hatte in dem Auto gewinselt und kein Kind. Seine Ehefrau sieht sieht zu ihm: "Gut, ich habe mich geirrt, aber ich bin mir sicher, dass der Fahrer ein anderer war und somit auch das Fahrzeug ein anderes." Die jungen Leute laden jetzt die Teile eines Schlagzeuges aus, währenddessen fährt ein grauer VW Passat an ihnen vorbei.

40.

Von dem ganzen Alltagsstress bekommt man hier, etwa 20 km außerhalb der Stadt nichts mehr mit. Hier ist es friedlich und still. In einem kleinen Wäldchen singen Vögel und ein Buntsprecht hämmert wie wild auf einen Baumstamm ein. Eine graue Katze steift, auf der Suche nach einer Maus, vorsichtig über den Boden. Hin und wieder stoppt sie und lauscht. Doch nichts scheint so richtig ihr Interesse zu wecken. Selbst der schwarze Chevrolet Silverado der hier steht, interessiert sie nicht. Das Fahrzeug ist von der Straße aus kaum zu sehen. Das Schwarz paßt sich gut an die Umgebung an. Man müßte schon ein leistungsstarkes Fernglas haben um es zu entdecken. Und vorzeitig entdeckt zu werden, dies will der Fahrer auf alle Fälle vermeiden. Aus diesem Grund hat er auf seine Frontscheibe einige Zweige gelegt. Diese sollen verhindern, dass die Sonne sich in der Scheibe spiegelt und eine verräterische Reflexion entsteht.
Der Fahrer des Pick up hält ein Fernglas vor seine Augen und schaut zu einem kleinen Flugplatz. Es ist Maik Tayler. Schon auf den Weg hierher wußte er, dass er auf der richtigen Spur ist, denn kurz bevor er zu dem geschlossenen Airport kam, mußte er an einer Freien Tankstelle vorbei, diese hieß Ludolf. Sofort dachte Maik an die schreckliche Szene im Haus seinen Freundes, Chris Evans, zurück, als Justin beim Fernsehen einen Anfall bekommen und in einen schockähnlichen Zustand gefallen war. Damals hatte Maik an einen Zufall geglaubt, doch jetzt kennt er den wirklichen Grund dafür. Kurz bevor der Sohn seines Freundes den Anfall bekommen hatte, hatte er auf DMAX "Die Ludolf´s" gesehen. Dieser Name hatte den Schock ausgelöst, derselbe Name wie die Tankstelle ihn trägt. Irgendwie mußte Justin während seiner Gefangenschaft entweder an der Tankstelle gewesen sein oder von dieser etwas bekommen haben. Vielleicht kaufen die Kidnapper dort Lebensmittel. Aber warum nicht in einem Supermarkt? Dort wäre es viel anonymer.
Maik zählt bis jetzt 2 Wachen auf dem Dach, eine am Tor und auf dem Gelände konnte er 5 weitere Männer sehen. Alle waren mit Mini-Uzi´s oder Pistolen bewaffnet. Das Airportgelände war sehr überschaubar. Die beiden Kerle auf dem Dach hatten eine prima Übersicht über das gesamte Gelände. Niemand konnte sich unbemerkt diesem Komplex nähern. Maik war zu weit weg um seine Wärmebildkamera oder das Abhörgerät einzusetzen, dafür mußte er näher ran. Dies würde er im Schutz der Dunkelheit probieren. Vielleicht hatten diese Kerle erneut ein Kind in ihrer Gewalt. Um dieses nicht zu gefährden, mußte er sehr vorsichtig sein.
Ein blauer VW Transporter kommt soeben aus Richtung Stadt und hält am Tor zum Flugplatz. Die Wache begrüßt den Fahrer mit einem Handzeichen und öffnet das Tor. Als das Auto durch ist, schließt sie es wieder. Das Fahrzeug nähert sich einem der beiden Hangar´s. Kurz davor hupt der Fahrer und das große Tor, durch das früher die Maschinen auf das Rollfeld fuhren, öffnet sich und der VW fährt hinein. Gleich im Anschluss wird es wieder verschlossen. Niemand der zufällig in der Gegend ist soll sehen, was sich darin befindet. In Maik erwacht der Jagdinstinkt.
Als auch 2 Stunden später nichts passiert ist und die Sonne langsam am Horizont verschwindet, steigt der Ex-SEK-Mann aus. Er nimmt einen Rucksack vom Beifahrersitz und nähert sich aus östlicher Richtung dem Flugplatzgelände. Aus dieser Richtung hat er die beste Deckung. Zwischen ihm und dem Gelände stehen einige Bäume und Büsche auf einer Wiese. Sie werden Maik den nötigen Schutz geben. Da die Wachen auf dem Dach nicht gerade aufmerksam sind, wird er ohne Schwierkeiten in die Nähe des Zaunes kommen. Dort kann er dann auch seine Wärmebildkamera einsetzen um herauszufinden, wieviele Personen sich noch in dem Gebäude aufhalten und mit dem Abhörgerät bekommt er jedes Gespräch mit. Hin und wieder muß er in Deckung gehen, da eine der Wachen auf dem Dach mit einem Fernglas die Gegend kontrolliert. Danach unterhält sich der Mann wieder mit seinem Kameraden. Maik kommt gut und schnell voran. Er hat nur noch 200 Meter bis zum Zaun. Das letzte Stück wird am gefährlichsten, denn hier stehen die Bäume ziemlich weit auseinander. Falls die Wache genau in dem Moment wo Maik von einem Baum zum anderen rennt durch das Fernglas sieht, dann ist er aufgeflogen. Das Herz des ehemaligen Polizisten rast. Er spürt, wie sein Adrenalinspiegel ansteigt und seine Sehnen und Muskeln mit der nötigen Energie versorgt. Und los ! Doch plötzlich dreht sich der 2. Wachmann genau in seine Richtung. Maik stoppt und geht in die Hocke. Er macht sich ganz klein und rührt sich nicht. Seinen Kopf hält er gesenkt, blickt in Richtung Erdboden. So verschmilzt Maik fast mit dem hohen Gras was durch die untergehende Sonne immer dunkler wird. Sein Blut schießt heiß durch seine Venen, Schweißperlen zeichnen sich auf seiner Stirn ab und ein eiskalter Schauer jagt ihm über den Rücken. Werden sie ihn entdecken? Falls ja, wird er es sofort mitbekommen, denn die beiden Wachen werden augenblicklich Alarm auslösen. Doch alles bleibt still. Vorsichtig hebt Maik seinen Kopf und sieht den Wachmann, wie er vom Dach pinkelt. Seine Uzi hängt an einem Trageriemen über seiner Schulter. Immer wieder rutscht sie nach vorn und stört den Kerl beim Wasserlassen. Langsam läßt Maik´s Anspannung nach. Sein Herzschlag geht nach unten und seine Atmung kehrt in den Normalbereich zurück. Als der Kerl fertig ist und sich umdreht, spurtet Maik weiter zur nächsten schützenden Deckung. Doch irgendwie hat sich das Schicksal gegen ihn verschworen. Kaum hat er den Busch erreicht und ist zwischen dessen dichten Blattwerk in Deckung gegangen, fliegen 2 Amseln laut schimpfend aus eben diesem Busch. Sofort dreht sich der Wachmann mit dem Fernglas in Maik´s Richtung und sucht das verdächtige Gelände ab. Tayler liegt flach auf dem Boden. Er versucht ruhig zu Atmen, damit sein sich hebender und senkender Oberkörper keinen der Äste über sich bewegt und ihn so verrät. Ihm kommt es wie eine Ewigkeit vor, bis der Wachmann endlich aufgibt und den Vorfall als nichtig abhakt. Maik´s Herz schlägt wie ein wildes eingesperrtes Tier gegen seine Rippen. Ist er wirklich zu alt für so eine Scheiße? Anscheinend schon. Doch sein Körper ist wie eh und je gut trainiert, mehr Sorgen machen ihm seine Nerven. Diese scheinen sein wundester Punkt zu sein. David hatte also Recht, Maik ist nicht mehr der Alte. Er gehört immer mehr zum alten Eisen. Noch diese letzten Aktion, dann wird er aus seinem gefährlichen Job aussteigen und sich was ruhigeres und gesünderes suchen. Bianca wird dankbar über seine Entscheidung sein.
Maik schließt seine Augen und versucht sich wieder auf sein Vorhaben zu konzentrieren. Jede Ablenkung könnte tödlich für ihn enden. Die beiden Wachmänner haben sich auf das Dach gesetzt und reden miteinander. Vorsichtig erhebt sich Maik und rennt zum nächsten Baum. Unbemerkt erreicht er ihn, auch die 2 anderen. Nun ist er am Zaun. Dort ist eine kleine Hecke in der Tayler Schutz findet. Er nimmt seinen Rucksack vom Rücken und öffnet ihn. Mit geübten Handgriffen setzt er die Parabolantenne auf das Abhörgerät, steckt das eine Ende des Kopfhörers in die Buchse am Gerät und das andere Ende in sein rechtes Ohr. So kann er alles hören, was in dem Hangar gesprochen wird.

7 Leute von Alexej befinden sich in der geschlossenen Fliegerhalle. 4 von ihnen pokern. Auf dem Tisch liegt eine Menge Geld. 2 Männer stehen dabei und beobachten die Spieler. Dabei geben sie hin und wieder einen Kommentar ab der von einigen Mitspielern schroff erwiedert wird. Der Siebende und Letzte ist Sascha. Er ist gerade dabei den Innenraum des blauen Transporters mit einem Hochdruckreiniger auszusprühen. Das kleine Mädchen mußte heute Nachmittag wirklich so sehr, dass sie sich in die Hose gemacht hatte. Als der Mann fertig ist, sieht er auf seine Armbanduhr und sagt: "Werdet langsam fertig, Alexej wird bald auftauchen und kurz danach auch die Kunden. "Ok, nur noch dieses eine Spiel." sagt ein Mann und legt gleichzeitig 5 Karten auf den Tisch, 3 verschiedenfarbige Könige und 2 ebenfalls verschiedenfarbige Neunen. "Ich habe ein Full House, kann jemand mehr bieten?" Doch seine Mitspieler können dieses Blatt nicht überbieten und werfen frustriert ihre Karten auf den Tisch. Sie stehen auf, während der Sieger seinen Gewinn einsteckt.

Maik hat alles gehört und auch, dass der Boss bald auftauchen wird. Jetzt wird er endlich ein Gesicht zu dem Namen bekommen. Und Tayler muß auch nicht lange warten. Schon 15 Minuten später fährt ein roter BMW M 3 auf das Gelände. Vor der Fliegerhalle bleibt das Fahrzeug stehen und ein etwa 40 Jahre alter Mann mit schulterlangen dunklen Haaren und einer langen Narbe auf der linken Wange steigt aus. Unter dem rechten Shirtärmel kann man den Rest eines ziemlich großen Tattoos sehen, eine Schlange. Das muß dieser Alexej Orlow sein. Und jetzt versteht Maik auch, warum Justin vor dem Mann in der Arztpraxis, welcher ebenfalls so ein Tattoo getragen hatte, Angst bekam. Dieser Alexej hatte ein einschüchterndes Auftreten, was Kinder sehr wohl verängstigen konnte.
Tayler macht mit seinem Handy ein Bild von dem Mann und schickt es seinem Freund Lou, damit dieser das Foto durch eine Gesichtserkennungssoftware laufen läßt. Vielleicht ist der Mann bereits polizeilich registriert und Maik weiß dann besser, mit wem er sich da einläßt. Kurz darauf verschwindet der Kerl in der Fliegerhalle. Dort hört der Polizist ihn wieder über das Abhörgerät. "Hast du alles vorbereitet Sascha?" fragt er einen Mann. Bei dem Namen Sascha stockt Maik kurzzeitig der Atem. In dem Gebäude befindet sich ebenfalls der Kerl, der sich nach Pohl´s verschwinden als Fahrer ausgeben hatte. Vielleicht bekommt er auch von ihm ein Bild. Und wieder hat Tayler Glück, denn der Anführer der Kidnapper sagt weiter: "Sascha, hol den Koffer aus meinem Auto." Der Angesprochene kommt aus der Halle und geht zu dem roten BMW. Er holt einen kleinen Aktenkoffer aus dem Auto und geht zurück. In der Zeit hat Maik ein Foto gemacht und ebenfalls Lou geschickt.
Nach 5 Minuten tauchen 3 Mercedes Benz auf. Sie halten neben dem roten BMW. Aus ihnen steigen 8 Männer in Anzug und Schlips. Unter ihren Jacken kann man Waffen sehen. Ein grauhaariger Mann geht mit einem Koffer in die Fliegerhalle, anscheinend der Boss. Seine Männer bleiben draußen stehen. Sie sehen sich in der Gegend um. Maik wird ziemlich flau im Magen. Toll, er ist genau in eine Aktion der Gangster hineingeraten. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, liegt sein Versteck in einem ziemlichen Gefahrenbereich. Falls diese Männer einen Kontrollgang machen, werden sie ihn entdecken, denn sie scheinen ihre Arbeit besser zu bescherrschen als diese 2 Pappnasen auf dem Dach. Wieder steigt Maik`s Adrenalinspiegel nach oben. Er sieht sich nach einem Fluchtweg um. Doch sobald er sein Versteck verläßt, sehen sie ihn. Also wird er sich ruhig verhalten und abwarten. Weitere 2 Fahrzeuge kommen vor der Fliegerhalle an, diesmal sind es ein Bentley und ein Maserati. Auch aus ihnen steigen bewaffnete Männer die sich gründlich umsehen, bevor sie ihren Boss aussteigen lassen. Dieser geht sofort in die Halle zu Alexej und seinen Männern. Maik´s Nervosität steigt. Trotzdem hat er noch einige Bilder gemacht, doch jetzt rät ihm sein Instinkt zu verschwinden. Schnell robbt er sich durch die Wiese, weg vom Flugplatz. Dabei hat er die Hecke im Rücken. So dürfte er nicht gesehen werden. Plötzlich hört er die Rotorblätter eines Hubschraubers. Er schaut nach oben in den Himmel. Ein Helikopter nähert sich von vorn dem Flugplatz. Klasse, wenn der seine Flugbahn beibehält, liegt Maik wie auf einem Präsentierteller. Von oben zeichnet sich sein dunkles Outfit deutlich von der Wiese ab. Am liebsten würde Maik einfach losrennen und hinter dem nächsten Baum in Deckung gehen, doch dann würde er 100 %ig entdeckt werden. Seine Flucht würde die Männer zum Schießen animieren. Dalieber sich in Gefangenschaft begeben und später eine Flucht versuchen, falls sie ihn am Leben lassen. So bleibt Maik ruhig auf seinem Bauch liegen und wartet ab. Seine Hände hat er einige cm neben seinem Kopf liegen. Damit will er dem Piloten zeigen, dass er unbewaffnet ist. Wie schon so oft in den letzten Stunden rast Maik´s Herz und sein Blutdruck steigt in einen kritischen Bereich. Der Hubschrauber setzt zur Landung an und die Rotorenblätter werden leiser. Jetzt dürfte es höchsten 5 Minuten dauern bis die Männer bei ihm sind und ihn gefangen nehmen, doch es passiert nichts. Auch nach 10 Minuten bleibt alles still. Wollen die Kerle ihn zu einer Flucht bringen und ihn dann eiskalt in den Rücken schießen? Nein, so einfach läßt sich Maik nicht ausschalten. Nach weiteren endlosen Minuten des wartens, dreht sich Tayler vorsichtig auf die Seite und schaut in Richtung Fliegerhalle und Hubschrauber. Die untergehende Sonne blendet ihn dermaßen, dass er den Hangar nur schemenhaft wahrnimmt. Jetzt begreift Maik, warum er nicht gefangen genommen wurde. Der Pilot hatte ihn durch das gleißende Licht der sinkenden Sonne, die von vorn kam, nicht gesehen. Erleichtert legt sich Maik auf den Rücken und atmet einige Male ein und aus. Dabei beobachtet er Vögel am Himmel. Noch nie fand er den Anblick so wunderschön. Nachdem sich sein Körper beruhigt hat, kriecht er weiter in Richtung Sicherheit.

Binanca hat seit einiger Zeit ein komisches Gefühl im Magen. Nicht durch ihre Schwangerschaft, sondern etwas anderes beunruhigt sie. Sie kann aber nicht sagen was. So steht sie vom Sofa auf und geht in die Küche um sich etwas zu trinken zu holen. Dabei fällt ihr Blick auf ein Bild worauf Maik und sie zusehen sind. Dies wurde erst vor kurzem bei einer Geburtstagsfeier aufgenommen. Sie nimmt es vom Regal und schaut es sich an. Ihr Herz wird bei dem Anblick ganz schwer. Wieso kann ihre große Liebe nicht bei ihr sein, wieso mußte Maik seinen verrückten Plan durchziehen? Plötzlich hat sie so ein merkwürdiges Gefühl, dass Maik vielleicht in Schwierigkeiten steckt und ihr deshalb so komisch ist. Sie nimmt ihr Handy und ruft in dem Hotel, wo Maik zwischenzeitlich wohnt, an. Doch ihr Freund ist nicht da. Die Frau an der Rezeption sagt ihr, dass er bereits sehr zeitig das Hotel verlassen habe und noch nicht zurück sei. Bianca hinterläßt ihm eine Nachricht, dass er, sobald er zurück ist, unbedingt anrufen soll.
Immer wieder schaut Bianca auf die Uhr. Vor einer Stunde hatte sie im Hotel angerufen, doch bis jetzt hatte sich Maik nicht gemeldet. Draußen war es bereits seit einiger Zeit dunkel. Plötzlich, kurz vor 21 Uhr, klingelt ihr Telefon und Maik ist dran. "Bin ich froh daß es dir gut geht." sagt sie sofort erleichtert. "Ich hatte heute am späten Nachmittag so ein komisches Gefühl, dass dir was passiert ist."
"Du brauchst dir wirklich keine Gedanken zu machen, mir geht es gut. Ich habe den ganzen Tag bloß paar harmlose Recherchen gemacht. Doch die haben absolut nichts gebracht." Maik lügt seine Freundin absichtlich an, ansonsten würde sie sich zu viele Sorgen machen. "Falls ich auch nach einer Woche noch nichts herausbekomme, werde ich die Sache abblasen und zurückkommen. Du fehlst mir so sehr." Den letzten Satz sagt Tayler liebevoll und etwas traurig.
"Du fehlst mir auch. Wieso kommst du nicht sofort zurück und vergißt die ganze Sache?"
"Gib mir nur diese eine Woche, danach werde ich nie wieder darüber reden. Lass uns doch Ende nächster Woche in Urlaub fliegen, vielleicht in die Dominikanische Republik. In Santo Domingo soll es zu dieser Zeit wunderbar sein."
"Das wäre sehr schön. Da wollte ich schon immer mal hin."
"Gut, dann buche ich für nächsten Sonntag 2 Tickets. Bekommst du daß mit dem Urlaub hin?"
"Klar, Evelyn hat bei mir noch was gut. Ich freue mich. Paß bis dahin gut auf dich auf."
"Du kennst mich doch." sagt Maik und muß schmunzeln.
"Eben." erwiedert Bianca und muß ebenfalls lächeln.
"Was machst du denn heute noch so schönes?" Tayler geht zur Hausbar und holt sich ein kaltes Bier. Damit setzt er sich auf das Sofa.
"Ich werde gleich ins Bettchen gehen. Morgen habe ich Frühschicht."
"Dann will ich dich nicht aufhalten. Schlaf schön und noch ein dickes Küßchen von mir." Maik gibt in Richtung Hörer einen Kußlaut.
"Schlaf auch schön und einen dicken Kuss zurück."
Damit legt Bianca auf. Sie ist froh, dass es ihrem Freund gut geht und er bald wieder bei ihr ist. Sie hofft ganz stark, dass er in der einen Woche die er sich erbeten hat, nichts herausbekommt und endlich einsieht, dass sein Vorhaben von Anfang an aussichtslos war. Im Urlaub wird sie ihm dann sagen, dass er Papa wird. Zärtlich streichelt Bianca über ihren Bauch und lächelt dabei.

Maik liegt ebenfalls auf dem Sofa. Ihm tat es weh, Bianca anzulügen. Nicht wegen dem Urlaub, nein, den würde er gern mit ihr machen. Eher darüber, was er bereits herausgefunden hat und dass sein Arsch heute ganz schön in Gefahr gewesen war. Um sich abzulenken, schaltet Maik den Fernseher ein und genießt sein Bier.

41.

Es ist ein wunderschöner sonniger Tag und Bianca sitzt auf einer Decke, mitten in einer herrlichen Sommerwiese. Sie ist umringt von Gänse- und Butterblumen sowie einigen wilden Margeriten. Irgendwo singt eine Feldlerche ausgibig. Ihr wohlklingender und trillernder Klang ist weithin zu hören. Bianca schaut in Richtung Sonne und hat ihre Augen geschlossen. Sie genießt sichtlich die wärmenden Strahlen die man in Deutschland so selten zu spüren bekommt. Ganz in Bianca´s Nähe verläuft ein kleiner Wanderweg, nur wenige Leute sind dort spazieren. Diese achten nicht sonderlich auf die junge Frau, die anscheinend allein sein will. Doch sie ist nicht allein. Jemand nähert sich ihr von hinten. Maik´s Freundin bekommt davon nichts mit, sie scheint in ihren Gedanken weit weg zu sein. Die unbekannte Person bewegt sich ganz langsam, um keine verräterischen Geräusche zu machen. Nun ist sie nur noch wenige cm entfernt. Die junge Frau sitzt weiterhin, nichtsahnend auf ihrer Decke. Sie hatte heute einen streßigen Arbeitstag und will nur noch abschalten. Der Fremde kniet sich nun hinter Bianca und hebt seine Hände. Zwischen diesen hält er einen Strick, eine Kordel oder so etwas. Langsam legt er dieses um ihren Hals. Durch ihre geschlossenen Augen sieht sie es nicht. Wieso ist Bianca bloß so in Gedanken, daß sie nicht mitbekommt, in welcher Lebensgefahr sie sich befindet? Der Unbekannte legt ein schwarzes Lederband sachte um ihre Kehle und zieht es hinter ihrem Kopf fest. Bianca faßt an ihren Hals und sie spürt etwas zwischen ihren Fingern. Es fühlt sich wie ein Anhänger an. Sie lächelt, öffnet ihre Augen und fragt: "Was ist das?" Gleichzeitig vibriert der Anhänger wie ein Handy. Wieder und wieder. Maik wird aus seinem Traum gerissen. Er liegt noch immer in seinem Hotelzimmer auf dem Sofa. Sein Herz klopft wild in seiner Brust, sein Blutdruck ist extrem hoch und sein Unterhemd völlig durchgeschwitzt. Er hatte seine Freundin so real vor sich gesehen und geglaubt, dass sie in Gefahr schwebt, daß sein Körper mit Adrenalin vollgepumpt ist. Doch es war nur ein Déjá-vu. Aber kein Déjá-vu ist das Klingeln des Handys. Das Telefon von Maik liegt auf dem kleinen Tisch, direkt vor ihm und es klingelt ununterbrochen. So wischt er sich den Schweiß von der Stirn, nimmt das Handy und sieht auf das Display. Lou versucht ihn zu erreichen. Von seinem Traum noch völlig mitgenommen, läßt er sich zurück auf das Sofa fallen und nimmt den Anruf an. "Ja." meldet er sich kurz und legt seinen linken Unterarm auf seine Augen. Dadurch, daß er so plötzlich aus seinem Traum gerissen wurde, hat er nun schreckliche Kopfschmerzen.
"Man, warum gehst du nicht an dein Handy? Ich dachte schon, daß dir was passiert ist." redete Lou sofort laut drauf los.
"Ich bin erst vor 3 Stunden eingeschlafen und hatte nen ziemlich beschissenen Traum. Was gibt es denn?" fragt Maik müde.
"Du hast mir doch gestern diese Bilder von den Männern geschickt, die du beobachtest hast."
"Ja, und? Hast du nen Tipp für mich, auf was ich mich bei denen einstellen muß?"
"Ich habe nen Tipp für dich! Pack deine Sachen und verschwinde augenblicklich von dort. Vergiß die Sache und mach dir mit deiner Freundin ein schönes Leben."
Nun ist Maik hellwach. Er setzt sich auf und fragt Lou: "Wieso? Was hast zu herausbekommen?"
"Nicht am Telefon. Ich bin schon auf den Weg zu dir. Wir treffen uns in 2 Stunden auf der Raststätte an der A8, Sindelfinger Wald. Schaffst du das?"
"Ja, aber warum so weit weg? Wir können uns auch hier in der Stadt treffen. Da gibt es genug belebte Orte."
"Nein, wir treffen uns an der Autobahn. Wenn du weißt was ich weiß, wirst du mich verstehen."
"Ok ok. Reg dich nicht auf. Ich bin in 2 Stunden da." Maik unterbricht die Verbindung, legt sich abermals auf das Sofa und denkt darüber nach, was Lou herausgefunden haben kann, daß er so aus dem Häuschen ist.
Doch dann denkt er wieder an seinen Traum zurück. Aber eigentlich war es kein Traum, denn so war es vor etwa 2 Wochen wirklich geschehen. Maik und seine Freundin waren mit dem Auto zu dieser Stelle gefahren und genossen ein Picknick. An dem Tag machte er ihr eine Liebeserklärung und als Beweis für seine Aufrichtigkeit, schenkte er ihr ein silbernes Herz, welches an einem schwarzen Lederband hing. Das Lederband, was er in seinem Traum vor sich gesehen und gedacht hatte, dass Bianca damit von einem Fremden getötet werden sollte. Der Fremde war er selbst gewesen. Was einem das eigene Gedächnis doch für verwirrende Dinge vorspielen kann.
Maik greift zum Festnetztelefon und ruft seine Freundin an. Er muß jetzt unbedingt Bianca´s Stimme hören. Doch es geht nur ihr AB ran: "Leider wird dies ein recht einseitiges Gespräch, denn hier spricht nur der Anrufbeantworter von Bianca Bauer. Ich soll ihnen sagen, dass sie zur Zeit mit ihrem Freund in der Badewanne sitzt. Wenn das Wasser kalt ist, wird sie zurückrufen, aber nur, wenn sie nach dem Pfeifton ihren Namen hinterlassen." Tayler lächelt als er den Spruch hört. Eigentlich wollte er einen anderen, doch Bianca fand diesen lustig. Nachdem der Pfeifton zu hören ist, sagt er: "Hallo mein Liebling. Hier ist dein Mausebär." wieder lächelt der ehemalige Polizist. Er haßt eigentlich diesen Kosenamen, aber heute findet er ihn gar nicht so nervig. "Ich wollte nur mal deine Stimme hören. Schade, daß du nicht da bist. Bei mir ist alles in Ordnung, aber ich vermisse dich. In 2 Stunden treffe ich mich mit Lou. Je nach dem was er herausbekommen hat, werde ich mich vielleicht erst Morgen wieder melden. Also, mach dir keine Sorgen. Ich liebe dich."

In weniger als 2 Stunden erreicht Maik die Raststätte. Sie ist ziemlich gut besucht. Reisebusse, LKW´s und etliche private Fahrzeuge stehen auf dem großen Parkplatz, unter ihnen der graue Lexus seines ehemaligen Arbeitskollegen. Maik stellt sich mit seinem Geländewagen etwas weiter weg und bleibt sitzen. Doch sein Freund ist weder in seinem Auto, noch ist er in der Nähe zu sehen. Also wird Maik warten, bis er auftaucht. Vielleicht ist er nur mal kurz auf dem Klo.
Tayler beobachtet die Besucher der Raststätte. Unter ihnen sind Familien mit ihren Kindern, Geschäftsreisende und Singlefahrer. Ein Vater spielt mit seinem Sohn auf der angrenzenden Wiese Fanger. Sie haben sichtlich ihren Spaß dabei. Immer wenn der Vater sein Kind fast gefangen hat, macht er einen absichtigen Fehler, damit sein Sprößling wieder einen Vorsprung bekommt. Maik lächelt. Hoffentlich kommt er selbst mal in den Genuß, Vater werden zu können. Mit Bianca könnte er sich dies durchaus vorstellen.
Ein großer, neu ankommender Reisebus, blockiert nun die Sicht auf Vater und Sohn. Das 12 Meter lange Gefährt, parkt eine Reihe vor Maik. Es ist unscheinbar und doch irgendwie geheimnisvoll, denn es ist grau, ohne Aufschrift des Betreibers. Die Scheiben sind schwarz getönt und verhindern einen Blick ins Innere des Busses. Der Polizist weiß aus Erfahrung, daß damit meistens Musikgruppen unterwegs sind. So wollen sie sich ihre Fans auf Abstand halten. Nach 5 Minuten öffnen sich die Türen und die Fahrgäste steigen aus. Sie sind alle zwischen 40 und 50 und tragen ihre private Kleidung, ebenfalls zu ihrem Schutz. Laut diskutierend gehen sie in Richtung Raststätte. Aus dieser taucht nun Lou auf. Er hat einen Pappbecher mit Kaffee in der Hand, sieht kurz zu Maik´s Silverado, dann geht er zu seinem Auto. Holt eine Zeitung heraus und läuft in Richtung eines Kinderspielplatzes der zur Raststätte gehört. Maik kennt diese Art der Kontaktaufnahme nur zu gut. Er wartet einige Minuten und beobachtet genau die Umgebung. Doch niemand kommt ihm verdächtig vor. So verläßt er sein Fahrzeug und schlendert gelangweilt, ebenfalls in Richtung Spielplatz. Sein Freund sitzt auf einer Bank die ziemlich am Ende des Platzes steht. Maik gesellt sich zu ihm. Beide beobachten noch etwas die Gegend, doch auch jetzt interessiert sich niemand für sie. "Was soll diese Vorsichtsmaßnahme?" will Maik wissen. "Wieso hast du darauf bestanden, daß wir uns hier und nicht in der Stadt treffen?" Lou gibt ihm die Zeitung und sagt: "Lies, dann weißt du warum." Tayler nimmt die Zeitung, schlägt sie auf und entdeckt darin die Bilder, die er Lou per Handy geschickt hatte. Unter den Fotos stehen Info´s zu der Person.

Alexej Orlow:

- geboren am 21.03.1968 in Sankt Petersburg
- Mutter und Vater verstorben, keine Geschwister
- 2002 Einreise nach Deutschland
- Anklage wegen: Einbruch, Autodiebstahl, schwere Körperverletzung, illegaler Waffen- und Drogenbesitz, Anstiftung zur Prostitution
- keine Verurteilung, Kläger zogen Anzeige zurück
- Zahlung einer Geldstrafe in einer Gesamthöhe von 10.000 Euro.
- 2004 Gründung einer In- und Exportfirma
- ab da keine Straftaten mehr

Maik lächelt, sieht Lou an und wiederholt einen Punkt: "Kläger zogen Anzeige zurück. Und warum wohl?" fragt er sarkastisch. "Bestimmt hat dieser Alexej sie erpreßt, daß, wenn sie ihre Anklage aufrecht erhalten, eins ihrer Familienmitglieder tötlich verunglückt. Und was heißt, seit 2004 keine Straftaten mehr? Willst du mich auf den Arm nehmen? Der Kerl hat vor einem Monat eindeutig den Sohn meines Freundes entführt. Und er hat auch dafür gesorgt, daß ich bald draufgegangen wäre."
"Ich weiß, aber seit seiner Firmengründung hat er sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Jedenfalls nicht offiziell. Aber wir beide wissen, dass er sich nicht mehr selbst die Finger schmutzig macht, sondern Leute für seine Drecksarbeit hat."
"Leute wie diesen Sascha."
"Ja. Der Kerl ist auch kein unbeschriebenes Blatt." sagt Lou und schaut sich hoch konzentriert um.
Maik blättert um und sieht nun das Foto von diesem Sascha.

Sascha Koch:

- geboren am 15.12.1973 in Berlin
- Vater und Mutter unbekannt, da zur Adoption freigegeben
- verschiedene Pflegefamilien, Abgabe wegen aggressivem Verhalten
- wiederholte Probleme mit Mitschülern
- Anzeige wegen: Vandalismus, Schlägerei und Schutzgelderpressung
- 2001, Antritt einer 6 jährigen Haftstrafe
- 2004 vorzeitige Entlassung wegen guter Führung
- 2004-2010, 4 Strafzettel wegen Geschwindigkeit und Falschparken, alle bezahlt

Wieder lacht Maik. "Auch aus dem soll ein Musterknabe geworden sein? Da weiß ich aber anderes. Hast du die Kerle identifizieren können, die gestern auf diesem Flugplatz waren und mit denen Orlow eindeutig Geschäfte macht?"
"Ja, aber das wird dir nicht gefallen."
Tayler blättert zum nächsten Foto. Darauf ist der Kerl zu sehen, der als Erster gekommen war.

Sergej Paplow:

- Inhaber einer kleinen Rederei in Hamburg
- 2005 Übernahme eines großen Familien- Schifffahrtsunternehmen nach dem plötzlichen Tod des Vorsitzenden
- seit der Übernahme Geschäftsführer
- Besitzer eines Nachtclubs auf der Reeperbahn

Nun blättert Maik zum letzten Foto was er gemacht hatte.

Henry Herrmann:

- Geschäftsführer einer Immobilienfirma
- Verdacht auf Erpressung, Nötigung und Prostitution

"Diese Geschäftspartner passen voll zu dem Kerl. Aber wieso entführt er Kinder? Das paßt irgendwie nicht ins Bild und was wollten diese feinen Herrschaften gestern dort? Kaufen sie die Kinder bei denen die Eltern nicht zahlen können und verschleppen sie dann in ihre Nachtclubs?"
"Ich habe da noch eine andere Theorie." sagt Lou.
"Und die wäre?" will Maik wissen.
"Schau dir mal das letzte Bild an. Das wurde vor über einem Jahr von einer unserer Überwachungseinheit aufgenommen."
Ein letztes mal blättert Maik um und sein Freund sieht, daß er sofort blass wird. Auf dem Foto sind 3 Männer zu sehen. Sie gehen in einem Park spazieren. Um sich herum befinden sich in diskretem Abstand ihre Leibwächter. Auf dem Überwachungsbild sind Henry Herrmann, Alexej Orlow und Adam Schmidt bzw. Felix Schneider zu sehen. Der Mann, der Maik bei seinem letzten SEK-Undercovereinsatz in eine Falle gelockt hatte. Dabei waren viele seiner Kameraden gestorben und auch seine Freundin war ums Leben gekommen, die eigentlich hätte gar nicht dort sein dürfen.
Lou sieht, wie die Hand seines Freundes zittert. In ihm kommt die Erinnerung an den verpatzten Einsatz wieder hoch und er sieht seine tote Freundin vor sich. Wie sie blutüberströhmt auf dem Boden der alten Lagerhalle liegt und nach Luft ringt. Doch die Kugel die ihren Hals erwischt hat, hat schlimme Verletzungen hervorgerufen. Ihre Lungen bekommen keinen Sauerstoff mehr, sie füllen sich nur noch mit Blut. Die vor Schmerz tränenunterlaufenen Augen von Bianca sehen ihn flehend an. Doch er kann ihr nicht helfen, denn er ist selbst schwer verletzt. 3 Kugeln stecken in seinem Rücken, nur wenige cm von lebenswichtigen Organen entfernt.
Maik drückt seinem Freund die Zeitung in die Hand und steht auf. Damit versucht er die Bilder aus seinem Kopf zu bekommen. Doch es gelingt ihm nicht. Sie sind dort eingebrannt und werden ihn ständig begleiten. Tayler hält sich beide Hände vors Gesicht und heiße Tränen der Erinnerung laufen über seine Wangen. Er entfernt sich einige Meter, kauert sich dann auf die Wiese und Lou sieht, dass der gesamte Körper seines Freundes zittert. Maik heult leise und seine Tränen tränken das ohnehin schon satte Grün der Halme. Auch die Augen von Lou fangen an zu brennen. Er weiß, wie sehr Maik Bianca geliebt hatte und daß sie bald heiraten wollten. Jetzt hatte ihn das Gestern wieder eingeholt und fest im Griff.
Es dauerte 10 Minuten bevor Maik sich erhebt und zurück kommt. Als er wieder neben Lou sitzt, sagt dieser: "Deshalb habe ich dir geraten, die Sache sofort abzubrechen. Ich vermute, daß dieser Alexej Orlow nicht nur Kinder entführt, sondern auch ein großer Fisch in Punkto Waffenschieberei und Drogenhandel ist. Mit dem Kidnapping von Kindern reicher Leute, finanziert er seine Einkäufe. Wenn meine Vermutung stimmt, dann ist es nur eine Frage der Zeit bis ihm ein Informant steckt, dass ein Kerl Anfang 40, mit schwarzen Haaren und blauen Augen hinter ihm her ist." Die Beschreibung paßt voll auf Maik.
"Ich weiß. Also werde ich noch vorsichtiger sein."
"Wieso willst du nicht auf mich hören und zu deiner zweiten großen Liebe zurückkehren. Du bist keine Katze die 7 Leben hat. Wenn diese Kerle dich noch einmal in die Finger bekommen, dann werden sie dich entgültig umlegen und diesmal werden sie auf Nummer sicher gehen."
"Aber diesmal habe ich einen großen Vorteil gegenüber denen."
"Und der wäre, denn ich sehe keinen." sagt Lou und hebt dabei fragend eine Augenbraue.
"Ich weiß wo ihr Versteck ist und mit wem ich es zu tun habe, aber sie wissen noch nichts von mir."
"Bist du dir da sicher?"
"Ja, ansonsten hätten sie das gestrige Treffen besser abgesichert."
Lou schüttelt seinen Kopf, lächelt und sieht seinen Freund an. "Ich wußte, daß ich dich nicht von deinem Vorhaben abbringen kann. Aber bitte, versprich mir vorsichtig zu sein und mich sofort anzurufen, wenn du Hilfe brauchst."
Auch Maik muß lächeln. Fast dieselben mahnenden Worte hatte er vor kurzem vom Bianca zu hören bekommen. "Hast du mit Bianca gesprochen?" will er wissen.
"Nein, warum?" fragt Lou verständnislos.
"Ach nur so." wiegelt Maik ab.

42.

Maik ist auf dem Rückweg zur Pension. Auf dem Beifahrersitz liegt die Zeitung von Lou. Einige Fotos schauen heraus und Tayler gehen eine Menge Fragen durch den Kopf. Was hat dieser Kerl, Schneider, mit Orlow zu tun? Was kauft er von ihm? Und weshalb waren diese Männer gestern auf dem Flugplatz? Um was ging es? Ging es dabei um den Verkauf von Waffen und Drogen oder doch eher um die entführten Kinder? Ist vielleicht gerade wieder eins in den Händen dieses Russen? Maik braucht unbedingt Antworten. Dazu muß er aber noch einmal zu diesem Flugplatz fahren. Dabei muß er sehr vorsichtig sein, das weiß er. Denn wenn dieser Alexej wirklich ein so großer Fisch ist wie Lou gesagt hat, dann hat er etliche Leute die "freiberuflich" für ihn arbeiten und ihn mit Info´s versorgen. Es wird daher nicht lange dauern bis der Kerl erfährt, daß jemand hinter ihm her ist. Aber bis es soweit ist, hat Maik alle Freiheiten. Er wird erst einmal zurück zur Pension fahren und sich einen Plan überlegen.

2 Stunden später ist er fast da. Nicht weit von dem Hotel entfernt liegt ein kleines Wäldchen. An dem muß Maik vorbei fahren wenn er von der Autobahn kommt. Nicht aber, wenn er von der Stadt aus zur Pension fährt. Schon von weitem sieht er zwischen den Bäumen etwas rotes glänzen, ein Auto parkt dort. Als er vorbei fährt, sieht er einen roten BMW M 3. Niemand ist in dem Fahrzeug. Vielleicht mußte der Besitzer mal austreten gehen, aber wieso hat er dann nicht an der kaum befahrenen Straße gehalten? Stattdessen ist er diesen engen Waldweg hineingefahren und riskiert damit, daß der Lack Kratzer bekommt. Alle Alarmglocken in Maik´s Kopf gehen an.
Irgendwo hatte er erst vor kurzem so ein Auto gesehen. Bloß wo war dies? Man, wird er wirklich alt? Während er sich sein Gehirn zermartert, biegt er in die Hofeinfahrt zur Pension ein. Er stellt seinen Silverado ab, bleibt aber darin sitzen. Unter dem Vordach stehen noch 2 andere Autos. Maik´s Herz schlägt seit der Zeit schneller, seit dem er dieses verdächtige Fahrzeug entdeckt hat. Irgendetwas stimmt hier nicht, daß hat er im Urin. Und plötzlich fällt ihm auch ein, wo er den BMW schon mal gesehen hat. Genau, gestern Abend auf dem Flugplatz. Damit war dieser Alexej Orlow aufgetaucht. Ist Maik vielleicht doch schon aufgeflogen? Aber wieso so schnell? Wann war er zu unvorsichtig? Vielleicht, als er vor einigen Tagen mit Chris in diesem Biergarten doch etwas lauter über sein Vorhaben diskutiert hatte? Oder war ihm gestern von dem Flugplatz aus jemand gefolgt?
Im Hof fällt Maik nichts verdächtiges auf. Niemand steht draußen und beobachtet ihn. Was soll er tun? Er könnte die Sache sofort abbrechen und zu Bianca zurückkehren. Aber falls dieser Russe ihn doch schon im Visier hat, dann würde er mit dieser Aktion auch die Sicherheit seiner Freundin auf´s Spiel setzen. Nein, das durfte nicht schon wieder passieren. Noch einmal seine große Liebe zu verlieren, das würde er nicht verkraften.
Einen Vorteil hat Maik gegenüber diesem Kerl, der garantiert nicht allein hier aufgetaucht ist. Orlow kann nicht wissen, daß Tayler den BMW gesehen hat. Denn wenn er aus Richtung Stadt gekommen wäre, hätte er ihn nicht entdeckt und wäre blind in die Falle getappt. Doch zum Glück war er von der Autobahn gekommen. Nun liegt der Überraschungsmoment auf seiner Seite. Also gut, um sicher zu sein, daß er wirklich aufgeflogen ist, wird er das Spiel mitspielen und hoffentlich als Sieger hervorgehen. Wenn Maik an der Stelle dieses Mannes wäre, wo würde er sich verstecken um schnell und lautlos zuzuschlagen. Hier im Hof? Nein, da könnte zufällig jemand kommen, entweder aus dem Haus, einem angrenzenden Gebäude oder von der Straße her. Dasselbe Risiko besteht in der Pension. Nur wenn die Kerle in seinem Zimmer auf ihn warten, würde kein Mensch etwas mitbekommen. Maik beugt sich zum Beifahrersitz hinüber. Von außen sieht es so aus, als ob er von dort etwas nimmt. Doch stattdessen öffnet er sein Handschuhfach und holt seine Sig Sauer heraus. Als er sich wieder aufrichtet sieht man bloß, daß er die Zeitung von Lou in der Hand hat. Seine Waffe hat er heimlich entsichert und zwischen die Seiten gesteckt. Maik´s Puls rast und Adrenalin schießt durch seine Adern. Er holt noch einmal tief Luft, dann öffnet er die Autotür und steigt aus. Tayer ist sich sicher, daß, falls er wirklich erwartet wird, er seit seiner Ankunft unter Beobachtung steht. Daß die Männer Profis sind weiß er und daher verwundert ihn auch nicht, daß alles so völlig normal und unverdächtig aussieht. Maik verschließt sein Auto. Dreht sich herum um zur Tür zu gehen, dabei schaut er aus den Augenwinkeln heraus zu seinem Zimmerfenster hoch. Er hatte es bevor er zu Lou an die Autobahnraststätte gefahren war geschlossen, doch jetzt steht es einen Spalt breit offen. Wohl doch keine Profis, denkt sich Maik und lächelt, während er sich der Eingangstür nähert. Sein Herz hämmert wild in seinem Brustkorb, doch sein Verstand ist klar. Schon zu oft hat er dieses Szenario in seinem Beruf durchlebt. Doch heute ist die Situation etwas anders. Diesmal hat er nicht seine Freunde von der SEK-Einheit hinter sich. Diesmal muß er allein zurecht kommen. Mit einem komischen Bauchgefühl betritt er die Pension. In der linken Hand hält er die zusammengerollte Zeitung. Darin spürt er seine Waffe und dies Gefühl verschafft ihn eine innere Sicherheit. Hoch konzentriert achtet er in der Pension auf alle Abnormalitäten. Auf Männer die wie zufällig in der Gaststätte sitzen und Essen. Doch da ist niemand. An der Rezeption steht wie immer die Besitzerin der Pension. Sie lächelt als sie Maik sieht. "Schon vom Ausflug zurück? Wo doch das Wetter so herrlich ist." sagt sie freundlich. "Ja. Ich habe mich nur mit einem Freund getroffen. Wir haben über alte Zeiten geredet." Tayler lächelt ebenfalls und fragt beiläufig: "Hat jemand nach mir gefragt?" "Nein, nicht daß ich wüßte. Erwarten sie jemanden? Dann könnte ich mal meinen Mann fragen, der hat mich kurz vertreten." "Nein nein, schon in Ordnung. Eigentlich erwarte ich niemanden. Aber sie wissen ja, Chefs finden einen auch im Urlaub." scherzt Maik. Die Dame lacht. "Ja ja, da haben sie Recht." Tayler geht zu der Treppe die hoch zu den Zimmern führt. Wenn die Kerle wirklich dort auf ihn warten, was für eine Lüge hatten sie der alten Dame aufgetischt damit sie nicht verrät, daß doch jemand nach ihm gefragt hat. Möglich wäre auch, daß sie sich zur Tarnung ein Zimmer genommen haben. Wie auch immer, Maik wird es bald wissen.
Unten an der Treppe befindet sich eine Tür, die zu den Gästetoiletten geht. Dort kommt plötzlich ein Mann heraus. Er trägt einen teuren dunklen Maßanzug und ist etwas erschrocken als er Maik sieht. Sofort greift der ehemalige Polizist mit der rechten Hand zwischen seine Zeitung. Er umfaßt den Griff seiner Waffe, läßt sie aber noch in der Zeitschrift versteckt. Taylers geübte Augen achten auf alle Beulen die der Anzug am Körper des Mannes schlägt und auf eine Waffe hindeutet. Doch da ist nichts. Was nicht bedeuten, daß der Kerl keine hat, denn er könnte sie auch für Maik unsichtbar im Gürtel am Rücken stecken haben. Falls er danach greift, was Tayler nicht vermutet, da die Pensionsinhaberin noch immer an der Rezeption steht, hat er noch genug Zeit seine entsicherte Sig Sauer aus der Zeitung zu ziehen und den Mann auszuschalten. Maik lächelt freundlich und geht langsam auf den Kerl zu. Seine Herzfrequenz steigt weiter und er spürt, wie das Blut durch seine Adern katapultiert wird. Oben an der Treppe taucht völlig unerwartet eine junge Frau auf. Sie trägt ein langes rosa Kleid und sagt: "Wo warst du? Doch nicht schon wieder eine Rauchen? Das Taxi ist soeben vorgefahren. Komm beeil dich, sonst kommen wir zu spät zur Hochzeit meiner Schwester." Der Mann der aus der Toilette gekommen war sagt: "Nein, ich war keine Rauchen, ich war noch mal auf dem Klo." Die Frau kommt die Treppe herunter. Da sich die Situation als harmlos herausgestellt, zieht Maik seine Hand aus der Zeitung. Als das Pärchen den Eingangsbereich verlassen hat, setzt Maik den Weg zu seinem Zimmer fort. Vorsichtig geht er die Treppe nach oben. Niemand ist auf dem Gang zu sehen. 2 Autotüren werden zugeschlagen und ein Fahrzeug fährt vom Hof. Das wird das Taxi sein, denkt Maik. Als er oben ist, legt er die Zeitung vorsichtig auf den Boden und nimmt seine Waffe in die Hand. In diesem Bereich der Pension befinden sich 10 Gästezimmer, jeweils 5 auf jeder Seite des langen Ganges. Aus jedem könnte plötzlich ein Mann von diesem Alexej mit einer schallgedämpften Waffen auftauchen und auf Maik schießen. Die Besitzerin die unten an der Rezeption steht, würde davon nichts mitbekommen.
Bis zum äußersten angespannt schleicht der ehemalige Polizist mit dem Rücken an der Wand entlang. Er versucht jedes Geräusch zu vermeiden, damit die Kerle nicht genau wissen wo er gerade ist. Maik hält seine Sig Sauer mit beiden Händen, bereit sofort zu schießen. Sein Herz hammert und sein Blut pocht in seinen Schläfen. Er hat das Gefühl, daß sein Herzschlag von jedem zu hören ist. Langsam nähert er sich seinem Zimmer. Es befindet sich auf der rechten Seite in der Mitte. Als er daneben steht, lauscht Maik. Doch kein noch so leises Geräusch verrät, daß sich jemand wiederrechlich darin aufhält. Die Kerle sind gut, daß muß Maik zugeben. Leider, denn dies macht die Sache noch komplizierter. Ein letzter Kontrollblick nach Rechts und Links bevor Tayler seinen Blitzangriff startet. Noch einmal holt er tief Luft, legt seinen Kopf nach hinten an die Wand und schließt für den Bruchteil einer Sekunde die Augen. Seine geliebte Sig Sauer hat er vor seinem Gesicht, mit dem Lauf in Richtung Decke. Er spürt das kalte Metall an seinen Lippen und es beruhigt ihn. Maik fängt an zu zählen. 3 . . . 2 . . . 1. Danach greift er vorsichtig zur Klinke und drückt sie nach unten. Noch immer steht er mit dem Rücken zur Wand, außerhalb des Schußbereiches, falls die Männer sofort losschießen sollten wenn er die Tür öffnet. Plötzlich ist ein Geräusch zu hören. Jemand steht vom Bett auf oder setzt sich gerade, um besser schießen zu können. Die Kerle haben also bereits bemerkt, daß er da ist. Somit kann er den Überraschungsmoment streichen. Sie erwarten ihn. Mit wieviel Kerlen er es gleich zu tun bekommen wird, daß er kann er nur schätzen. Vielleicht 3 oder 4. Vielleicht aber auch weniger. Weitere Männer könnten sich in den anderen Zimmern versteckt halten, um ihn den Rückweg abzuschneiden. Ein letztes Mal atmet Maik ruhig und langanhaltend aus, dann stößt er die Tür auf, tritt davor und zielt mit seiner Waffe ins Zimmer.
Der überraschte und ängstliche Aufschrei einer Frauenstimme läßt ihn fast einen Herzinfarkt bekommen. Bianca, seine Freundin, liegt nur mit einem schwarzen, durchsichtigen Negligee bekleidet auf seinem Bett. Sie hat Glück, daß Maik so gut ausgebildet ist, die Situation sofort richtig einschätzt und daher nicht schießt. "Man, Bianca! Bist du verrückt!? Was machst du hier!? Soll ich etwa ´nen Herzanfall bekommen!?" blafft er sie an. Dabei schlägt sein Herz in seiner Brust, daß es fast schon weh tut. Maik fängt an zu zittern und seine Knie werden weich. Um ein Haar hätte er seine Freundin mit der eigenen Waffe erschossen. Aber auch Bianca geht es nicht gut. Sie war so erschrocken, als ihr Freund auf einmal mit einer geladenen Waffe ins Zimmer gestürmt war und auf sie zielte. Gott sei Dank hatte er nicht geschossen, sonst wäre ihre kleine Überraschung böse ausgegangen. Beide brauchen einige Zeit, um sich zu beruhigen.
Plötzlich taucht die Pensionsbesitzerin auf und fragt: "Alles in Ordnung bei ihnen? Ich habe eine Frau schreien gehört." Maik versteckt seine Waffe hinter seinem Rücken und sagt: "Ja ja. Ich war bloß bisschen überrascht, als ich meine Freundin hier angetroffen habe und sie war es auch. Sie hat mich anscheinend nicht kommen hören und hat sich fürchterlich erschrocken, als ich plötzlich in der Tür stand." Die ältere Dame legt erleichtert ihre rechte Hand auf ihr Herz und sagt: "Ich dachte schon, die junge Frau hat mich angelogen und sie ist gar nicht ihre Freundin, sondern irgend so eine Verrückte die ihnen vielleicht nachstellt. Doch so kam sie mir gar nicht vor." Da ihre beiden Gäste ziemlich verstört aussehen fragt sie noch: "Ist bei ihnen wirklich alles in Ordnung." Maik lächelt. "Ja, alles in bester Ordnung." "Gut, dann werde ich sie mal alleine lassen." sagt die Besitzerin und sieht mit einem Lächeln auf die fast unbekleidete Frau die auf dem Bett liegt. Sie schließt die Tür und geht wieder nach unten. Tayler atmet erleichtert auf und sieht zu Bianca. Das angestaute Adrenalin in seinen Adern geht nur langsam zurück. "Was machst du hier?" fragt er sie jetzt ruhiger. Sie ist noch immer ganz blass. Mit zitternder Stimme sagt sie: "Ich glaube, daß war eine Schnapsidee von mir hier unangekündigt aufzutauchen. Um ein Haar hättest du auf mich geschossen." "Ich weiß." sagt Maik und geht zur ihr. Seine Waffe legt er auf den Tisch. Bianca steht vom Bett auf und umarmt ihren Freund. Dabei bricht sie in Tränen aus. Alle Anspannung fällt mit einem Mal von ihr ab. "Wie bist zu überhaupt hierhergekommen?" will Maik wissen. "Ich habe dein Auto nicht gesehen. Bist du mit dem Taxi gekommen?" Bianca hat sich wieder etwas gefaßt und sagt: "Nein. Ich wollte dich doch überraschen. Damit du nicht siehst daß ich da bin, habe ich mir das Auto von Clair geborgt." Maik lächelt. Er kennt Clair. Sie ist eine gute Freundin von Bianca und fährt einen roten BMW M 3. Seine Geliebte sieht zu ihm auf und sagt: "Ich wußte nicht, ob du noch das Nummerschild kennst, deshalb habe ich den BMW in dem kleinen Wäldchen, gleich hier in der Nähe, versteckt." Klar, an dem Nummernschild hätte Maik sofort erkannt um welchen Wagen es sich handelt. Bianca hatte ihm gesagt, daß ihre Freundin eine Wunschnummer hat, M - CL 74, die Initialien und das Geburtsdatum von Clair. Doch darauf hatte er nicht geachtet. Früher wäre ihm so ein Fehler nicht unterlaufen. Es ist anscheinend wirklich an der Zeit, seinen geliebten Job an den Nagel zu hängen und eine Familie zu gründen.

43.

Es ist bereits spät am Nachmittag, die Sonne fängt an zu sinken. Doch noch strahlt sie vom blauen Himmel. Ein leichter Wind weht und spielt mit den wenigen Wolken die zu sehen sind. Ein junger Mann sitzt ganz alleine in einem kleinen Pförtnerhäuschen und bewacht die Zufahrt zu einem stillgelegten Flugplatz. Er hat seine Füße auf dem Tisch liegen und liest in einem Buch. Dabei kippelt er. Seine Körperhaltung verrät, daß er tief in seinem Roman versunken ist. Plötzlich taucht ein weiterer Mann auf. Er sagt laut: "Erwischt!" Der Wachmann ist so erschrocken, daß er fast mit dem Stuhl nach hinten umkippt. Er kann sich gerade noch am Tisch festhalten. Der Mann der ihm so einen Schrecken eingejagt hat, lacht lauthals als er sieht, wie sein Kollege versucht den Sturz abzuwenden.
"Sag mal, spinnst du? Mir so einen Schreck einzujagen." sagt er, nachdem er wieder sicher auf seinem Stuhl sitzt. Sein Buch liegt allerdings auf dem Boden.
"Sei bloß froh, daß Alexej dich nicht erwischt hat. Du sollst aufpassen und nicht lesen. Was liest du überhaupt?" fragt der Mann und hebt das Buch auf, was fast vor seinen Füßen liegt. "Das Bourne Vermächtnis. Handelt das nicht von diesem CIA-Typen der sein Gedächnis verloren hat."
"Ja." sagt der junge Mann noch immer beleidigt und nimmt dem anderen das Buch aus der Hand. "Was willst du hier?" fragt er ihn.
"Der Alte schickt mich. Du sollst das Tor schon mal aufmachen. Der LKW ist gleich da."
"Warum funkt er mich nicht einfach an und sagt es mir persönlich?"
"Weil du Schwachkopf das Funkgerät nicht an hast."
"Das kann nicht sein, ich habe es doch . . . " Der Wachmann zieht das Funkgerät aus seiner Jackentasche und es ist wirklich aus. "Oh oh, das gibt Mecke." sagt er kleinlaut.
Wieder lacht der andere. "Damit ist dein Nachtzuschlag für diese Woche wohl pfutsch."
"Shit, warum muß mir immer so etwas passieren?"
"Weil du nicht voll bei der Sache bist. Sei froh, daß Alexej einen Narren an dir gefressen hat, sonst hättest du schon längst Bekanntschaft mit seiner Faust gemacht. An deiner Stelle würde ich eure gute Beziehung nicht zu sehr ausreißen. Alexej´s Sympatie kann schnell ins Gegenteil umschwenken und dann . . . Du weißt doch noch, was er mit diesem Chauffeur gemacht hat. So schnell konntest du gar nicht schauen, war er aufgeschlitzt. Wenn der Boss dich irgendwann mal vor die Wahl stellen sollte, ob du 9 oder 20 willst, dann bist du zu weit gegangen." scherzt der Mann.
Eine LKW-Hupe unterbricht das Gespräch der Männer. Der angekündigte 14 Tonner steht bereits vor dem Tor. Die Leute von Alexej gehen zum Eingang und öffnen gemeinsam das große Metalltor.
"Habt ihr endlich euer Kaffeekränzen beendet?" fragt der Fahrer schnippisch und fährt auf das Gelände. Der junge Wachmann hebt seine rechte Hand und zeigt dem Fahrzeug seinen Stinkefinger hinterher. "Leck mich." sagt er leise. Der andere Mann klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Dann werde ich mal mit helfen, den LKW abzuladen und du, laß dir ne plausible Ausrede einfallen warum dein Funkgerät aus war."
"Sagst du Alexej, daß ich auf Posten gelesen habe?" will er kleinlaut wissen.
"Hey, so ein mieses Schwein bin ich nun wirklich nicht."
"Danke."
"Dafür bist du mir aber ein Bier schuldig."
"Geht klar."
Fast im Dauerlauf rennt der Mann in Richtung Hangar.
Dort ist der LKW bereits hineingefahren und 2 Männer schließen das Tor vor neugierigen Blicken. Alexej kommt zu dem Fahrzeug. Er begrüßt den Fahrer mit einem Händeschlag.
"An der Grenze alles glatt gegangen?" will der Russe wissen.
"Wie immer. Schließlich werden die Zöllner viel zu schlecht bezahlt, um in Kisten voll mit Vogelscheiße nach heißer Ware zu suchen." Der Mann lacht über seinen Scherz. Doch für Alexej ist die Sache viel zu ernst. Nichts durfte bei der heutigen Waffenlieferung schief gehen, ansonsten hätte er mächtigen Ärger mit seinem Kunden bekommen. Schließlich hatten diese bereits die Hälfte angezahlt.
8 von seinen Leuten laden den LKW ab und stellen die Kisten mit dem angeblichen Vogelkot in eine Ecke. Alexej geht zu ihnen. Auf dem Deckel steht in großen schwarzen Buchstaben: G U A N O - Dünger. Doch nur im oberen Teil befinden sich die Tierexkremente, unten liegen teure Präsizisonsgewehre, frisch geliefert aus der Ukraine. Alexej öffnet eine der Kisten und der Fahrer des LKW´s hilft ihm, den oberen Teil mit dem grauen brösligen Vogelkot abzunehmen. Diesen legen sie auf dem Boden und nun kann man 12 Gewehre sehen. Sie sind sicher in Holzwolle eingepackt, damit sie beim Tranportieren der Kisten keine verdächtigen Geräusche machen und ein zu fleißiger Zollbeamten stutzig wird. Der Russe nimmt eins heraus. Es ist eine Heckler & Koch MP 5 SD Maschinenpistole, wie sie bevorzugt von Sondereinheiten verwendet wird. Alexej lächelt zufrieden, als er die Waffe auf Funktionsfähigkeit kontrolliert.
"Zufrieden?" fragt der Fahrer des LKW´s.
"Ja. Und was hast du noch für mich?"
"Alles was du bestellt hast. 50 Gewehre von dieser Bauart, dann noch 20 Präzisionsgewehre vom Typ PSG 1 und 150 Pistolen, Schmith & Wesson1006."
"Hast du auch meine Sonderbestellung bekommen?"
Der Fahrer druckst herum, dabei sieht er sich nach allen Seiten um. Schließlich flüstert er: "Die zu beschaffen war etwas schwieriger."
"Wieviel schwieriger?" will Alexej wissen.
"8.000 schwieriger."
Der Russe ist von dieser Antwort etwas überrascht, daß bemerkt auch der Fahrer. "Du kannst mir glauben. Der Kerl war ein zäher Verhandlunspartner. Er hat die Pistole erst rausgerückt, als ich auf 17.000 hoch bin. Aber hey, die Waffe ist in einem erstklassigen Zustand. Du kannst sie an einen Liebhaber für das doppelte verkaufen."
"Ich will sie nicht verkaufen. Sie soll ein Geschenk für einen treuen Kunden sein."
"Der wird sich über ein so tolles Stück garantiert freuen."
Alexej schaut dem Mann noch einige Sekunden fest in die Augen. Will der Kerl ihn über den Tisch ziehen? Doch dieser hält dem Blick stand.
"Gut, ich lege 8.000 oben drauf." sagt Orlow schließlich. "Ich will sie sehen."
Der Mann geht zu seinem LKW zurück. Kurz darauf taucht er wieder auf und hält eine kleine Kiste aus poliertem Zedernholz in den Händen. Als er vor seinem Auftraggeber steht, öffnet er sie vorsichtig und Alexej sieht eine wunderschöne alte Steinschlosspistole aus dem 18. Jahrhundert darin liegen. Dunkelroter Samt verhindert, daß sie beim Transport beschädigt wird. Aufwendige Verzierungen lassen die Waffe noch schöner erscheinen. Sergej Paplow, der Empfänger der heutigen Waffenlieferung, wird sich über dieses Geschenk freuen. Er hatte schon oft davon gesprochen, wie phaszinierend er Waffen aus dem 18. Jahrhundert findet. Diese kleine Geste von Alexej wird ihre geschäftlichen Beziehungen noch weiter vertiefen.

44.

Das Personal der Pension bereitet das Frühstück für ihre Gäste vor. Die ersten Platten mit Wurst und Käste stehen bereits auf der langen Tafel. Doch es fehlt noch sehr viel. Sie müssen sich sputen, denn schon 7 Uhr werden die ersten hungrigen Urlauber auftauchen, um sich für den Tag zu stärken.
Aber noch ist es völlig ruhig auf dem 3 Seitenhof. Einige Besucher sind jedoch schon auf und machen sich fertig. Nicht zu diesen zählen die Gäste aus dem Zimmer mit der Nummer 3. Sie liegen noch in ihrem Bett. Es sind Bianca und Maik. Die Frau schaut in Richtung Fenster. Draußen geht die Sonne auf und sie hüllt die vielen Wolken die sich über Nacht gebildet haben, in ein freuriges Rot. Es sieht fast wie ein Meer aus Blut aus. Schwalben fliegen in Formationen vor dem Fenster hin und her und ihr heller Ruf durchbricht die Stille. Man muß kein Meteorologe sein um zu erkennen, daß sich das Wetter ändern wird. Die schönen sonnigen Tage scheinen vorbei zu sein.
Bianca hebt vorsichtig den Kopf und greift zu ihrem Handy was auf dem Nachttisch liegt. Es ist 6.15 Uhr. Sie muß aufstehen, denn sie hat heute in der Klinik Mittelschicht. Zuvor muß sie noch nach München zurückfahren. Traurig darüber, bald aufstehen zu müssen und ihren Freund zurück zu lassen, dreht sie sich zu Maik. Dieser liegt auf dem Rücken, scheint aber noch tief und fest zu schlafen. Sein Brustkorb hebt und senkt sich rhythmisch. Bianca legt ihre Hand zärtlich auf seine Bauchmuskeln. Er ist so schön warm, denkt sie sich und würde diesen Moment am liebsten anhalten, doch das geht leider nicht. Sie legt ihren Kopf behutsam auf seine Schulter und schließt die Augen. Dabei hat sie den Duft seines Parfum´s in der Nase. Wie sie diesen liebt. Eigentlich liebt sie alles an diesem Mann, bloß mit seiner Vergangenheit hat sie Probleme zurechtzukommen. Sie wollte ihn gestern nur überraschen, stattdessen hätte er sie um ein Haar erschossen. Wenn sie daran denkt, dreht sich ihr noch immer der Magen um. Was, wenn er sich mal nicht so unter Kontrolle hat und wirklich abdrückt, weil er Gefahr wittert? Was, wenn er dies genau dann tut, wenn sie ihr gemeinsames Kind auf dem Arm hat um es zu füttern? Ob es wirklich der richtige Zeitpunkt ist, ein Kind in die Welt zu setzen? Sie weiß es nicht. Ihr Herz sagt ja, ihr Verstand ist aber nicht ganz so überzeugt. Warum muß das Leben immer so kompliziert sein? Gefühlvoll streicht sie mit ihrer Hand über seinen nackten Oberkörper, dadurch wird er wach. Er dreht den Kopf zu ihr und lächelt sie an. "Guten Morgen mein Schatz." sagt er müde. Dabei leuchten seine blauen Augen in der aufgehenden Sonne wie geschliffene Saphire. In Biancas Bauch kribbelt es, als hätte sie 1.000 Schmetterlinge darin. Nein, sie liebt diesen Mann so wie er ist. Vielleicht kann sie ihn überzeugen, daß er seine Waffe gegen Babyflasche und Schnuller eintauscht. Gleichzeitig muß sie an den Film mit Vin Diesel denken. Maik als Babynator. Bei dieser Vorstellung muß sie schmunzeln. "Was ist?" fragt er. "Nichts. Ich hatte gerade ein lustiges Bild im Kopf." Sie kuschelt sich ganz dicht an seinen warmen Körper. Er streicht mit seiner Hand über ihre Schultern und genießt die zarte Haut.
Nach einiger Zeit sagt sie: "Ich muß bald aufstehen. Clair hat meine heutige Frühschicht übernommen und ich ihre Mittelschicht. Warum kommst du nicht mit nach Hause?" Vor dieser Frage hat sich Maik gefürchtet. Das Bianca sie so schnell stellen würde, hat er nicht angenommen. Was soll er ihr sagen? Die Wahrheit? Nein, das kann er nicht, sonst würde sie sich zuviel Sorgen machen. Er muß sie belügen, auch wenn es ihm schwer fällt. "Ich habe dich um eine Woche Zeit gebeten, danach bin ich wieder bei dir und mache einen Schlussstrich unter die Sache. Versprochen, aber bitte, gib mir die Woche."
"Was hast du denn bis jetzt herausbekommen?"
"Eigentlich nichts weiter. Bloß, daß der Kerl Alexej Orlow heißt und einen alten stillgelegten Flugplatz, hier ganz in der Nähe, aufgekauft hat. Sonst nichts."
"Was ist gestern bei deinem Treffen mit Lou rausgekommen?"
"Ebenfalls nichts. Er hat den Kerl abgecheckt. Aber der ist sauber. Seit 2004 betreibt dieser Orlow eine In- und Exportfirma. Sein Lager wird er wahrscheinlich auf diesem Flugplatzgelände haben. Das ist alles. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er wirklich was mit der Entführung von Justin zu tun hat." Maik verheimlicht ihr, daß diese In- und Exportfirma höchstwahrscheinlich ein Tarnunternehmen ist und der Kerl mit ziemlicher Sicherheit mit Waffen und Drogen handelt. Dazu kommt noch Kidnapping von Kindern. Aber wenn er ihr das sagt, dann kann er gleich seine Koffer packen und mitkommen oder er wird sie verlieren. Das will er auf alle Fälle nicht. Er liebt sie und ihre kleinen verrückten Ideen. Auch wenn diese nicht immer ungefährlich sind.
"Wann mußt du denn losmachen?" wechselt Maik das Thema.
Bianca sieht ihn an. "In spätestens 2 Stunden."
"Und was machen wir bis dahin?" fragt er sie, nicht ganz ohne Hintergedanken.
Sie lächelt. "Ich denke, da wird uns bestimmt was nettes einfallen." Kaum hat sie dies gesagt, setzt sie sich auf Maik´s Körper und fängt an ihn zu küssen. Erst auf den Mund, dann auf Hals und Brust. Sie zieht sich die Decke über ihren Körper. Fragt mit einem verführerischen Lächeln: "Soll ich weitermachen?"
"Wir könnten auch einfach was essen gehen?" sagt er, um sie zu ärgern.
"Gut, ich fange schon mal mit der Vorspeise an." Wieder küßt sie ihn. Diesmal auf seinen Bauch, dabei beißt sie ihn zärtlich.
Maik zuckt mit einem Lächeln zusammen, stöhnt leise auf. "Hey, das tat weh."
"Ich dachte, du stehst auf Schmerz." sagt sie und macht ungeniert weiter, sich nach unten vorzuarbeiten.
Tayler spürt, wie ihm heiß wird. Wie sein Blut durch seine Adern schießt und ihn innerlich kochen läßt.

45.

Sascha bringt gerade die 3 Kinder die jetzt noch in ihrer Gewalt sind zum Transporter. Wie soll er mit diesen paar Bälgern die große Tour bloß schaffen? Er muß 22 tote Briefkästen anfahren und mit Drogen bestücken. Alexej könnte sich mal wieder mehr um ihre sicherste Einnahmequelle kümmern, dem Drogenhandel. Stattdessen schafft er neue Waffen heran. Klar, für den Verkauf eines solch großen Postens kommen paar 100.000 mehr in die Kasse, aber Waffen bekommen sie höchsten 1 x im Monat in dieser Größenordnung los. Der Vertrieb von Haschisch ist zwar nicht so gewinnbringend, aber beständig und somit planbar. Mal sehen, wann er Alexej mal wieder mit guter Laune antrifft, dann wird er mit ihm Reden.

Es ist soweit, Bianca muß zurück fahren. Maik bringt sie noch zu ihrem Auto. Sie umarmen und küssen sich lange, bis sie schließlich in den BMW ihrer Freundin steigt. "Versprich mir, daß du auf dich aufpaßt." ermahnt sie ihn.
Maik lächelt: "Aber immer. Du kennst mich doch."
"Ja eben, weil ich dich kenne. Geh bitte kein Risiko ein. Ich möchte nicht Witwe sein, bevor ich Ehefrau war."
"Hey, war das ein Heiratsantrag?" will der ehemalige Polizist wissen.
"Vielleicht." sagt sie verschmitzt. "Ich melde mich, wenn ich zu Hause angekommen bin."
"Gut. Falls ich nicht da bin, hinterlaß einfach an der Rezeption eine Nachricht."
"Warum kann ich dich nicht auf deinem Handy anrufen?"
Weil es zu riskant ist. Wenn die Kerle mich schnappen sollten, dann werden sie auf alle Fälle mein Handy nach Kontaktpersonen durchsuchen und ich möchte nicht, daß sie dich als Druckmittel gegen mich einsetzen. Aber das kann er ihr nicht sagen. So lügt er sie wiederholt an, doch dabei ist ihm gar nicht wohl. "Vielleicht bin ich gerade auf Beobachtungsposten und dein Anruf könnte mich verraten."
"Klar, wie konnte ich das vergessen. Ich muß mich erst daran gewöhnen, daß ich eine Beziehung mit einem Cop habe."
"Was heißt hier Cop? Ich bin sogar Oberleutnant. Gut, z. Zt. außer Dienst, das muß ich zugeben."
"Also ein Kojek Jr.?" albert Bianca herum.
Maik muß lachen. "Ja, so was ähnliches. Bloß habe ich paar Haare mehr auf dem Kopf und außerdem fehlt mir der Lolli."
"Das können wir ändern?"
"Was, das mit den Haaren oder mit dem Lolli?" will Maik wissen.
"Je nach dem, wie du mich in unserer Beziehung behandelst."
"Ich glaube, ich denke lieber noch mal nach bevor ich ja zu deinem Antrag sage und dann für immer in deinen Fängen bin. Jetzt muß du aber los, sonst kommst du zu spät zu deinen Patienten." Maik beugt sich ins Wageninnere und gibt seiner Freundin einen langen Kuss.
Als sie aus dem kleinen Wäldchen fährt, winkt sie ihm noch einmal zu.
Auf dem Weg Richtung Autobahn fällt Bianca jetzt erst auf, daß sie fast nichts aus Maik´s Vergangenheit weiß. Bloß, daß er mal eine Freundin hatte, die bei einem SEK-Einsatz gestorben sein muß. Mehr nicht. Sie hat sich noch nicht getraut, ihn daraufhin anzusprechen.
Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend sieht sie auf ihren Bauch und das ungeborene Kind darin. Sie lächelt, streichelt sachte darüber und sagt: "Deinen Papa müssen wir uns noch erziehen."

Maik macht sich auf den Rückweg zur Pension. Eigentlich wollte er gestern Nachmittag für seinen Plan A noch viel vorbereiten, aber durch Bianca´s Blitzbesuch hatte er wertvolle Zeit verloren. Doch er will sich nicht beschweren. Es war eine nette Idee von ihr, ihn zu überraschen. Er muß schmunzeln, als er noch einmal an die heiße Nacht und den Morgen zurückdenkt. Aber jetzt ist es wieder an der Zeit einen klaren Kopf zu bekommen. Um die verlorenen Stunden wettzumachen, wird er seinen PC und das Internet brauchen.

Bereits 2 Stunden später parkt er seinen Pick up in der Nähe einer Autovermietung. Er steigt aus und läuft die paar Meter dorthin. Eine junge Frau sieht ihn freundlich an und fragt: "Was kann ich für sie tun?"
"Ich habe vor 2 Stunden über Internet einen Wagen bestellt. Die Auftragsnummer ist 352."
"Moment, ich sehe gleich mal nach." Die Angestellte tippt etwas in ihren Computer ein, dann sagt sie: "Ja Herr Tayler. Ihre Reservierung ist eingegangen. Sie wollten einen Corsa. Wir haben auch größere Autos zur Auswahl."
"Nein Danke. Für meine Zwecke reicht das Fahrzeug."
"Wie sie möchten. Die Papiere liegen schon bereit. Ich brauchte nur noch eine Kopie von ihrem Führerschein und dem Personalausweis. Sowie die 250 Euro Kaution."
Eine halbe Stunde später fährt Maik mit dem Leihwagen vom Parkplatz der Autovermietung. Er hält noch einmal kurz bei seinem Silverado und lädt eine schwarze Tasche in den Kofferraum des Leihwagens. Dann fährt er weiter zu einer Plakat- und Werbedruckerei. Auch dort braucht er nicht lange, denn er hat alles per Internet vorbestellt. Mit einer großen weißen Rolle und einem Stapel Visitenkarten verläßt er den Laden. Ein Blick auf seine Uhr verrät ihn, daß er gut in der Zeit liegt, es ist kurz vor Mittag.
Jetzt fährt er stadtauswärts, in Richtung des stillgelegten Flugplatzes. Auf einem etwas verstecken Parkplatz hält er noch einmal. Nachdem er sich vergewissert hat, daß sein Treiben nicht beobachtet wird, setzt er seinen Plan A in die Tat um. Heute wird er diesem Kidnapper Alexej Orlow das erste mal beweisen, daß er nicht der einzigste ist, der über Leben und Tod von Menschen entscheidet. Maik holt die große Rolle von der Werbedruckerei aus dem Wagen. Er breitet sie auf der Wiese aus und nimmt das erste Stück in die Hand. Damit geht er zur Motorhaube. Er legt das Papier verkehrt herum darauf und streicht mit einer Plastikspachtel darüber. Vorsichtig löst er somit die Schrift von der Folie. Als er fertig ist, begutachtet er sein Werk. Auf der Motorhaube des grauen Corsa´s steht nun in großen schwarzen Buchstaben:

City-Kurier.

Das gleiche macht Maik an der Heckscheibe des Kleinwagens. Auf der 3. Rolle steht eine Handynummer. Die hatte der Polizist aber nur zur Tarnung anfertigen lassen. Damit hat er was ganz anderes vor. Er löst einige der schwarzen Zahlen und ändert damit sein Nummernschild S - FZ 59. Auf das F klebt er unten einen Querbalken und macht so aus dem F ein E. Die Zahlen 59 korrigiert er in 68. Diese kleine Änderung fällt nur auf, wenn man unmittelbar vor dem Fahrzeug steht und dies wird Maik zu verhindern wissen. Stolz über seinen kleinen Bluff, ändert er nun auch sein Aussehen. Schließlich möchte er nicht sofort als der angeblich getötete Maik Tayler erkannt werden. Aus dem Kofferraum holt er die schwarze Tasche. Darin befinden sich ein Basecap, eine Warnweste, eine stabile Klemmbrettmappe und ein kleines rechteckiges Päckchen. Als er sich umgezogen hat, wirft er seine Jacke und den Rucksack auf den Beifahrersitz. Dann steigt er schnell ein. Die Zeit wird langsam knapp. Es ist bereits kurz vor 13 Uhr. Mittag ist fast vorbei und somit könnte der Verkehr auf der Straße zunehmen. Im Wagen macht sich Maik an die letzten Kleinigkeiten für seine Tarnung als City-Kurierfahrer. Er setzt sich seine Sonnenbrille auf, damit man seine blauen Augen nicht sieht. Diese könnten ihn viel zu leicht verraten. Blöd ist bloß, daß seit einigen Stunden die Sonne verschwunden ist. Aber Tayler denkt nicht, daß es jemanden komisch vorkommt wenn er eine Sonnenbrille trägt. Es gibt viele Typen die sich damit cool vorkommen, egal wie das Wetter ist. Als nächstes öffnet er das Klemmbrett. Ein selbstgebasteltes Namensschild befindet sich darin. Dieses heftet er sich an die Warnwester. Ab jetzt heißt er Timor Müller, inoffizieller Kurierfahrer. Zum Schluss holt er ein kleines Etui aus dem Rucksack. Darin liegt ein Kuli. Maik nimmt ihn übervorsichtig heraus und steckt ihn in eine Halterung am Klemmbrett. Ok, jetzt dürfte er alles haben. Halt, noch eine der Visitenkarten in seine Hosentasche. Aber jetzt ist er wirklich fertig. Hoffentlich funktioniert sein Plan A. Läuft dagegen etwas schief . . . na ja, dann muß schnell ein Plan B her.

Wieder sitzt der junge Mann in seinem Pförtnerhäuschen. Diesmal liest er aber nicht und er hat auch sein Funkgerät an. Man, ist das stinklangweilig wenn man nichts zu tun hat. Da sieht er, wie ein grauer Kleinwagen angefahren kommt. Erst fährt er langsam vorbei. Hält dann aber und fährt wieder rückwärts. *Was macht der Idiot da?* fragt sich der Wachmann. Schließlich steigt der Fahrer aus. Er trägt eine rote Bascap, eine Warnweste und eine Sonnenbrille. *Was für ein Spast, trägt eine Sonnenbrille und dabei ist die Sonne schon seit Stunden verschwunden. Kloppies gibt es.* denkt sich der Mann in dem Pförtnerhäusen. In den Händen hält der Fremde ein Päckchen und eine Mappe. "Äh Hallo. Könnten sie bitte mal kommen." sagt er in Richtung des Wachmanns.
Mürrisch steht der junge Mann auf und geht zum Tor. "Was willst du?" blafft er den Störenfried sofort an. Dabei wirft er einen Blick auf das Auto. Auf der Motorhaube steht City-Kurier.
"Ist das die Nummer 48?" will der Kurierfahrer wissen.
Der junge Wachmann sieht nach oben an das Tor. Dort steht in großen Zahlen die Nummer 48. "Wer lesen kann, ist eindeutig im Vorteil." sagt er frech.
"Oh, die habe ich gar nicht gesehen."
"Dann solltest du vielleicht mal deine blöde Sonnenbrille absetzen."
"Seien sie doch nicht gleich so unfreundlich." kontert der Kurierfahrer.
"Ich frage dich noch einmal im Guten, was willst du?" Gleichzeitig legt der Wachmann eine Hand auf seine Waffe, die er in einem Gürtelholster stecken hat.
"Ich habe hier eine Päckchensendung für einen gewissen Alexej Orlow."
"Den gibt es hier nicht, also, verschwinde!" Alexej hätte ihm gesagt, wenn er eine Lieferung erwartet.
"Aber hier steht doch die Adresse: Alexej Orlow, Kleiner Flugplatz Nr. 48. Und das ist eindeutig hier."
"Was muß ich noch tun, damit du deinen nervigen Arsch in dein Auto setzt und sofort verschwindest. Mitsamt deinem blöden Paket." Langsam wirkt der Wachmann von dem Kurierfahrer genervt.
Aber da geht noch mehr, denkt sich Maik und lächelt innerlich. "Das ist ein Päckchen und kein Paket. Ich kann ihnen ja mal den Unterschied zwischen Päckchen und Paket erklären. Also ...."
"Halt endlich deine blöde Klappe! Du gehst mir langsam aber sicher auf die Eier!"
"Hey, sie sollten sich nicht über jede Kleinigkeit so aufregen, sonst bekommen sie nen Herzinfarkt."
"Weißt du was gegen Stress wirklich hilft? Dem Verursacher paar anständige aufs vorlaute Maul hauen." Und schon will der Wachmann das Tor öffnen. Aber sofort geht Maik einen Schritt zurück. "Gut, sie nehmen das Päckchen also nicht an. Dann werde ich es eben an den Absender zurückschicken. Wie hieß der gleich? Achja, hier steht es." sagt Maik. Während er liest, dreht er sich um und geht langsam zu seinem Auto zurück. Der Wachmann kann aber noch den Namen des Absenders verstehen, Henry Herrmann. Das ist doch einer von den Geschäftspartnern von Alexej. Vielleicht hat ihm sein Boss bloß vergessen zu sagen, daß er eine Lieferung erwartet. "Warte!" brüllt der junge Mann dem Kurierfahrer hinterher. Maik bleibt stehen und lächelt. Aber als er sich umdreht, ist sein Gesicht wieder völlig ernst. "Was jetzt? Ich denke, ich soll verschwinden."
"Gib schon dieses beschissene Päckchen her."
"Warum nicht gleich so? Aber ich brauche noch eine Unterschrift." Maik zieht den Stift aus der Halterung des Klemmbrettes und reicht beides dem jungen Mann. Kurz bevor dieser zugreifen will, drückt der Kurierfahrer auf den Stift und die Kulimine kommt heraus. Sie verletzt den Wachmann leicht. "Hey, du Idiot! Kannst du nicht aufpassen?!" fährt er den Mann mit Bascap und Warnweste an.
"Entschuldigung. Das ist mein erster Tag bei City-Kurier."
"Und es wird auch dein letzter sein, dafür werde ich sorgen." sagt der Wachmann, greift mürrisch zum Stift und will unterschreiben. Doch die Mine schreibt nicht. Verdutzt sieht er den Kurierfahrer an. Der lächelt nur. *Wieso grinst der so blöd?* fragt sich der Angestellte von Alexej. Dann bekommt er, wie aus heiterem Himmel, extreme Atemnot. Ihm ist, als ob seine Lungen von einer Sekunde auf die andere aufhören zu funktionieren. Er fängt an zu schwitzen und Schweißperlen zeichnen sich auf seiner Stirn ab. Ihm bringt es nicht einmal was, als er sich sein Hemd in wilder Panik aufreißt. Zwar hat er seinen Mund weit offen, aber er kann keine Luft holen. Sein Brustkorb ist wie gelähmt. Schließlich fällt er rückwärts auf den Boden. Bevor er stirbt, sieht er das Gesicht des Kurierfahrers noch einmal vor sich, dieser sagt: "Tja, schon die Indianer haben Toxiferin für ihre Giftpfeile benutzt." Mit weit aufgerissen Augen und Mund liegt der Wachmann auf dem Boden. Maik kennt diesen Anblick. Er ist an diese Tötungsweise gewöhnt. Toxiferin ist ein schnell wirkendes Pflanzengift, was schon in kleinste Mengen tödlich wirkt. Meistens merkt das Opfer nicht einmal, daß es infiziert wurde. Es kurzes anrempeln in der Menge und schon ist es vollbracht.
Maik schaut sich nach Zeugen um, aber alles ist still. Die Wachleute auf dem Dach des Hangars können diesen Teil des Geländes nicht einsehen. Gott sei Dank. Der ehemalige SEK-Spezialist zieht den Leichnam des Mannes in das Pförtnerhäuschen zurück. Er setzt ihn auf den Stuhl, legt dessen Kopf auf den Tisch und die Arme daneben. Es sieht so aus, als ob der Kerl beim Dienst eingepennt ist. Noch schnell die Visitienkarte unter die Arme des Toden geschoben und dann, nichts wie weg hier.

Nach 1 Stunde liefert Maik den Leihwagen wieder ab. Er hat die Werbeschrift entfernt und auch das Nummernschild in Ordnung gebracht. Tayler würde zu gern sehen, wie Orlow auf den Tod seines Mannes reagiert. Mit einer innereren Zufriedenheit über den Erfolg seines Planes, fährt Maik in die Pension zurück. Er ist zwar zufrieden, aber auch gleichzeitig entsetzt über sich selbst. Wie kaltblütig er es doch fertig bringt einen unschuldigen Mann zu töten. Früher hatte er sich darüber keine Gedanken gemacht. Da galt es einen Befehl bekommen, einen Befehl ausführen. War er im Laufe seiner SEK-Zugehörigkeit etwa zu einer menschlichen Tötungsmaschine gewurden, zu einem Monster? Plötzlich wird Maik schlecht. Er muß anhalten. Einige Autofahrer hupten verärgert über den völlig unerwarteten Spurwechsel des Pick up´s. Maik reißt die Tür auf und steigt aus, dann muß er sich übergeben.

Gegen 15 Uhr kommt ein Mann von Alexej in Dauerlauf zu dem Pförtnerhäuschen gerannt. "Hey André, hast du Watte in den Ohren? Alexej hat schon die ganze Zeit versucht dich zu erreichen. Du sollst sofort zu ihm kommen." Doch der Wachmann scheint eingeschlafen zu sein. Als der andere Mann das sieht, sagt er verärgert: "Das kann doch nicht wahr sein, der Kerl pennt auf Posten." Er rüttelt ihn unsaft. Aber anstatt aufzuwachen, fällt der junge Mann vom Stuhl. "Scheiße, was ist mit dir?" fragt sein Kumpel und kontrolliert dessen Puls. Aber da ist keiner, er ist Tod. Entsetzt steht Alexej´s Mann auf. Jetzt sieht er auch die Visitenkarte auf dem Tisch liegen. Darauf ist ein schwarzer Engel zu sehen und darunter steht "Der Todesengel". Er dreht sie um. Auf der Rückseite steht:


Das war der Erste. Weitere werden folgen.
Und du, Orlow, wirst der Letzte sein.


Der Mann greift zu dem Funkgerät und sagt: "Alexej."
Dieser meldet sich nach kurzer Zeit. "Was ist? Warum schickst du André nicht sofort zu mir?"
"Weil es da ein kleines Problem gibt."
"Welches Problem?"
"Ich glaube, das solltest du dir lieber selbst anschauen."

5 Minuten später taucht Alexej mit 3 Leuten am Tor auf. "Was ist?" fragt er genervt. "Wo ist Andrè?" Sein Mann sieht auf den Boden und nun entdeckt auch der Boss den Toten. "Wie?" fragt er entsetzt. Denn er hatte diesem jungen Mann wie einen kleinen Bruder in sein Herz geschlossen.
"Keine Ahnung. Ich habe weder eine Schuss- noch eine Stichwunde gefunden. Nur das." Mit diesen Worten zeigt er Alexej die Visitenkarte. "Die lag neben André."
Orlow liest sie und fragt irritiert: "Will mich jemand verarschen? Todesengel? Was soll der Scheiß?" Doch keiner kann seinem Boss eine Antwort geben. "Der Kerl muß hierreingekommen sein. Ich will, daß ab jetzt jede halbe Stunde eine Kontrollrunde gedreht wird. Und zwar über das gesamte Gelände. Klar?"
"Ja."
"Gut. Und wenn ihr diesen kleinen Witzbold geschnappt habt, dann will ich sofort Bescheid wissen. Selbst wenn es mitten in der Nacht ist." So sauer haben sie ihren Chef selten erlebt.

46.

Es ist 2 Uhr am Morgen. Eigentlich müßte es draußen Stockdunkel sein, doch heute Nacht ist Vollmond. Sein heller Schein läßt den Himmel dunkelblau schimmern wie ein riesiges Meer was sich gegen die Erdanziehung entschieden hat. Schon mit bloßem Auge kann man die Krater auf dem Himmelskörper erkennen. Das gelbe Nachtlicht hüllt die kleine Pension am Rande der Stadt in eine romantische Stille. Die einzigsten die zu dieser frühen Morgenstunde bereits wach sind, sind die Vögel. Die ersten Rufe von Schwalben und Lerchen sind zu hören, ja sogar eine Amsel stimmt hin und wieder in den morgentlichen Gesang ein.
Alle Gäste der Pension schlafen noch friedlich. Alle? Nein, wohl doch nicht. Eine Person scheint schon wach zu sein. Sie verläßt leise das Haupthaus und geht in Richtung Parkplatz. Der Mond erleuchtet zwar alles, trotzdem schafft er es nicht, daß man das Gesicht des Menschen erkennen kann. Fast schon eilig geht er zu den 4 Autos die in einem der Gebäude des 3-Seiten-Hofes stehen. Damit sein zeitiger Aufbruch von niemanden bemerkt wird, öffnet er seinen Geländewagen mit dem Schlüssel und nicht wie sonst mit der Fernbedienung. Durch die helle Nacht kann man auf eine Taschenlampe verzichten. Alles was der Mann tut, tut er leise und bedacht. Doch egal wie vorsichtig er auch ist, den V8 Motor seines Silverados kann er nicht lautlos stellen. Machtvoll springt er an und bricht die Stille der Nacht. Ohne Licht verläßt der Fahrer das Grundstück. Erst auf der Straße schaltet Maik Tayler die Scheinwerfer ein und fährt in Richtung des stillgelegten Flugplatzes. Er möchte diesem russischen Kindesentführer zeigen, daß er zu keiner Tageszeit vor dem "Todesengel" sicher ist und ständig mit einem Angriff rechnen muß. Nach jeder Aktion von Maik, wird Orlow einen Mann weniger haben. Erst am Ende wird er sich diesen Bastard kaufen. Doch leider sitzt dem ehemaligen Polizisten die Zeit im Nacken, denn Maik hatte Bianca um eine Woche gebeten und heute ist bereits der Dritte Tag angebrochen.

Nach einer knappen halben Stunde ist er fast am Flugplatz angekommen. Einen Kilometer vorher schaltet er seine Scheinwerfer aus und senkt das Fahrtempo seines Chevrolet. So kann er den Geräuschpegel des Motors drosseln. Schließlich fährt er einen kleinen, fast unpassierbaren Weg hinein. Gut, daß der Mond so hell scheint und er einen Geländewagen fährt. So kann er auch ohne Scheinwerfer genug sehen, um mit seinem Auto sicher auf dem holbrigen Weg zu fahren. Mühelos überwindet der Allradantrieb des Silverado´s größere Steine und Steigungen. Auch einen kleinen Fluß überquert er ohne Probleme. Dann hält Maik hinter einem Hügel. Hier kann man sein Auto von der Straße aus nicht sehen. Nun wird er zu Fuß weitergehen. Er geht noch einmal nach Hinten und öffnet die Metallabdeckung seiner Ladefläche. Aus der Waffentasche die ihm David von Lou aus gegeben hatte, nimmt er das MP 5 SD Scharfschützengewehr heraus. Dieses einzusetzen wäre zu gefährlich, denn bei dieser nächtlichen Stille könnte man den Abschuss trotz des Schalldämpfers hören und seinen Aufenthalt leicht bestimmen und das will Maik so lange wie möglich verhindern. Alexej Orlow und seine Männer sind zwar keine Profis, aber trotzdem extrem gefährlich und daher nicht zu unterschätzen. Das Gewehr, die 250 Schuss Munition dafür, die Wärmebildkamera und das Abhörgerät läßt Maik zurück, der Rest bleibt in der Tasche. So beschränkt er das Gewicht was er tragen muß auf das Minimalste. Er zieht den Reißverschluss der Sporttasche zu, hängt sie sich über die Schulter, verschließt die Ladefläche und macht sich das letzte Stück zu Fuß auf den Weg. Schon nach wenigen Metern erreicht er einen Wald und verschwindet darin. Durch seine schwarze Kleidung ist er fast unsichtbar. Leise schleicht er durch das Dickicht, bedacht darauf, keine schlafenden Tiere aufzuschrecken. Niemand soll mitbekommen, daß sich in dem Wald jemand aufhält der nicht dorthin gehört. Seine Turnschuhe mit den weichen Sohlen passen sich wunderbar dem unwegsamen Waldboden an. Fast kein Ast bricht unter seinem Körpergewicht. Zu oft hatten sie dies bei ihrer Ausbildung üben müssen und Maik war dabei einer von den Besten gewesen.
Seine Augen haben sich schnell an die Dunkelheit gewöhnt und zeigen ihm den sichersten Weg zu seinem Ziel, dem Flugplatz. Das Mondlicht erhellt den Waldboden nur noch dürftig, der größte Teil wird von dem Baumwipfeln abgefangen. Doch für den ehemaligen SEK-Beamten ist es hell genug.
Kurz vor 3 Uhr erreicht er das Versteck des Russen. Nur an den 2 Fliegerhallen brennen Lampen, ansonsten liegt das Gelände dunkel und verlassen da. Maik sucht sich eine gute Beobachtungsstelle am Rand des kleinen Wäldchens, gleich gegenüber vom Flugplatz. Dort, wo er bereits vor 2 Tagen mit seinem Pick up gestanden hatte. Nur die Hauptstraße, die völlig verlassen daliegt, trennt beide Areale voneinander. Nachdem sich Maik kurz umgeschaut hat, findet er eine ideale Stelle um sehen zu können, aber nicht gesehen zu werden. Selbst dann nicht, wenn eine der Wachen mit einem Hochleistungsfernglas zufällig in seine Richtung schaut. Immernoch auf lautlose Bewegungen bedacht, läßt sich Tayler vorsichtig auf den Waldboden sinken. Als er sitzt, räumt er die mitgebrachte Sporttasche aus. Er holt die Armbrust vom Typ Jaguar heraus und legt sie auf den Waldboden, dazu 4 Pfeile. Um einen der Pfeile wickelt er die Visitenkarte, die er schon bei dem ersten Toten zurückgelassen hatte. Ein Gummi verhindert, daß sie sich vom Pfleil löst. Den so präparierten Pfeil legt er neben sich, spannt die Armburst und schiebt einen anderen in die dafür vorgesehene Mulde. Als er damit fertig ist, legt er sich auf dem Waldboden, nimmt die Armbrust in die Hand und schaut durch das Nachtsicht-Zielfernrohr. Jetzt erscheint die ganze Gegend in einem grünlichen Licht und Maik sieht, daß auf dem Flugplatzgelände doch mehr los ist als er noch vor paar Minuten, ohne Nachtsichtgerät, angenommen hatte. Er zählt 6 Wachleute die über das Gelände patroullieren. Anscheinend hatte sie ihr Boss dazu verdonnert, nachdem Maik einen von Orlows Leuten aus nächster Nähe vergiftet hatte.
Mit einer inneren Befriedigung lächelt Maik. Dieser Scheißkerl von Russe wird sich noch wünschen nie etwas mit der Familie Evans zu tun gehabt zu haben.
Ein weiterer Wachmann sitzt in dem kleinen Häuschen am Tor und der Letzte den Maik sehen kann, der befindet sich auf dem Dach eines der Fliegerhallen. Er läuft gelangweilt hin und her, dabei raucht er eine Zigarette. Maik erkennt es an dem roten Punkt der sich immer dann zeigt, wenn der Mann an der Zigarette zieht und die Glut so zum Glühen bringt. Dieser Kerl ist das ideale Ziel. Und schon atmet Maik ganz ruhig aus, hält die Luft an und zieht mit seinem rechten Zeigefinger den Abzugshebel der Armbrust nach hinten. Fast geräuschlos verläßt der Aluminiumpfleil mit 94 m/s die Waffe und sucht mit tödlicher Präzision sein Ziel, die Brust des Mannes auf dem Dach. Nur das Mondlicht begleitet den Flug des todbringenden Geschosses. Maik ist ein sehr guter Schütze und so trifft die Spitze des Pfeiles genau das Herz des Mannes. Ohne noch ein Geräusch von sich zu geben, fällt dieser nach hinten auf das Dach. Dort bleibt er bewegungslos liegen. "Nummer zwei." sagt Maik leise und lächelt dabei. Jetzt legt er den Pfeil mit der Visitenkarte in die Armbrust und schießt ein weiteres mal. Durch das zusätzliche Gewicht ist der Flug nicht exakt berechenbar, doch auch der 2. Pfeil trifft genau Maik`s Ziel, das Dach auf dem der Tote liegt. Nun weiß Orlow, wer auch seinen zweiten Mann auf dem Gewissen hat. Der Todesengel hat erneut zugeschlagen, unvorhersehbar und lautlos.
Maik will schon alles zusammenpacken, doch plötzlich öffnet sich eine der Hallen und dieser Sascha kommt heraus. Er ruft etwas zu seinen Leuten, was der Mann hinter der Armbrust nicht verstehen kann. Hat der Kerl auf dem Dach bei seinem tödlichen Sturz doch noch ein verräterisches Geräusch gemacht von dem Maik nichts mitbekommen hat. Der Puls von Tayler steigt und sein Körper schüttet eine hohe Dosis Adrenalin aus. Seine Aufregung fällt in dem Moment von ihm ab als er merkt, daß diese unerwartete Unruhe nicht ihm gilt. 2 Wachleute rennen zum Tor und öffnen es. Der aus dem Wachhäuschen kommt dazu und sie diskutieren über irgend etwas. Sascha bleibt vor dem Hangar, aus dem er gekommen war, stehen. Er schaut auf seine Uhr und dann in Richtung Straße. Dort tauchen plötzlich 2 Scheinwerfer auf. Maik geht sofort in Deckung, aber das Licht des Fahrzeuges spiegelt sich kurzzeitig in dem Zielfernglas auf der Armbrust. Sascha hat dieses kurze Aufblitzen am Rand des Waldes jedoch bemerkt und er schaut noch einmal dorthin. Aber nichts bewegt sich, vielleicht war es nur eine Sinnestäuschung.
Das Auto fährt auf das Gelände und Maik erkennt, als es sich den Lichtern an den beiden Gebäude nähert, daß es sich um einen roten BMW M 3 handelt, das Auto von Alexej Orlow. Was will der zu dieser frühen Stunde hier? Ist Maik wieder in einen bevorstehenden Deal geplatzt? Er hätte alles gegeben um jetzt dort unten sein zu können und Mäuschen zu spielen. Leider ist das unmöglich und so schaut Tayler weiter durch das Nachtsichtgerät auf seiner Armbrust. Sascha gibt seinem Boss die Hand, dabei schaut er noch einmal in Richtung Wald. Maik durchfährt ein eiskalter Schauer als der Kerl genau in seine Richtung blickt. Hat er etwas mitbekommen, aber woher soll er wissen, daß der Todesengel in der Nähe ist? Nein, Maiks Nerven spielen ihm einen Streich. Beide Männer gehen in die Halle. Danach ist es wieder ruhig. Doch das unangenehme Gefühl in Maik´s Magen will nicht verschwinden. Egal was da unten passiert, er wird aus Sicherheitsgründen den Rückzug antreten. Kaum setzt sich Maik auf um die Armbrust zu sichern, da gehen alle Scheinwerfer die sich an den beiden Gebäuden befinden an und erhellen die Nacht. Schüsse sind zu hören. Aber so abgelegen werden diese niemanden alarmieren. Ein Mann kommt aus der Fliegerhalle gerannt, dabei dreht er sich immer wieder um und schießt in Richtung Hangar. Leute die ihn verfolgen wollen müssen in Deckung gehen damit sie nicht getroffen werden. Erst als der Fliehende sein Magazin wechselt, schaffen 2 Männer es aus der Halle zu kommen und dem Kerl zu folgen. Sie schießen auf ihn, treffen ihn aber nicht. Miserable Schützen denkt sich Maik, die treffen bestimmt nicht mal auf dem Rummel was. 2 der Wachleute die auf dem Gelände patroullierten, gehen getroffen zu Boden. Der Flüchtende ist ein wesentlich besserer Schütze als seine Verfolger, stellt Maik fest.
Diesmal kommen 2 Autos aus der Halle indem sich Alexej noch immer aufhält, ein blauer Transporter und ein dunkelgrüner Cady. Beide Fahrzeuge hat Maik schon mehrmals gesehen. Sie nehmen die Verfolgung auf, dabei schießen die Fahrer. Bei dieser Übermacht hat der Kerl nicht die geringste Chance, daß ahnt Maik. Es wird nicht lange dauern und sie haben ihn. Wo soll er auch hin, rings um das Gelände ist ein hoher Stacheldrahtzaun. Nur durch das Tor hätte er eine Fluchtmöglichkeit gehabt, aber die hatte er vergeigt, da er in Richtung Rollfeld gerannt war. Blödheit muß bestraft werden, denkt Maik mit einer inneren Zufriedenheit. Jetzt legen sich die Gangster schon gegenseitig um. Weniger Arbeit für den Todesengel. Wer weiß, womit sich der Kerl den Unmut seiner Kollegen auf sich gezogen hat. Die Schüsse verstummen und die 2 Fahrzeuge kommen zurück. Sie stellen sich neben die Halle aus der jetzt auch Alexej auftaucht. Erst als die Gefahr vorbei ist von einer Kugel getroffen zu werden, dann taucht dieser Möchtegernboss auf. Was für ein Armutszeugnis. Er und seine Männer schauen in Richtung Rollfeld. Maik schwenkt mit der Armbrust einige cm weiter nach Rechts und jetzt sieht er den Flüchtenden, wie er von 2 Männern gezwungen wird zu seinem Boss zurückzukehren. Er versucht sich verzweifelt zu wehren, doch er ist um Jahre jünger als seine Widersacher. Vor Alexej bleiben die 3 stehen und reden miteinander. Die Antworten des jungen Mannes scheinen seinen Boss wütend zu machen, denn der holt aus und schlägt ihm seine Faust brutal ins Gesicht. Der Schlag ist so hart, daß der Gefangene Blut aus seinem Mund spuckt. Und wieder holt Orlow aus. Diesmal geht der Schlag genau in die Magengrube des Mannes, er sinkt auf die Knie. Die Wachleute lassen ihn los und er hält er sich vor Schmerz seinen Bauch. Dann zieht der Russe seine Waffe, entsichert sie und hält sie dem Mann nur wenige cm entfernt an den Kopf. Maik´s Herz rast schon seit längerer Zeit. Was soll er machen, soll er dem Mann helfen? Für ihn wäre es eine Kleinigkeit mit einem weiteren Pfeil Orlow auszuschalten, aber was würde das bringen. Der Mann bekäme dann eben von einem anderen Kerl den tötlichen Schuss verpaßt, doch Maik wäre aufgeflogen. Aus welcher Richtung der Pfeil gekommen war, das kann niemand von den Männern dort unten feststellen. Sehr wohl aber den Auftreffwinkel. Sie müßten keine Mathegenie´s sein, um den Schützen in den naheliegenden Wald zu vermuten. Maiks Auto steht einen Kilometer entfernt. Noch bevor er dort ankäme, hätten sie ihn gestellt. Viel Gegenwehr kann er nicht aufbringen, denn sein Gewehr mit 250 Schuss Munition liegt sicher eingeschlossen unter der Abdeckung seines Silverados. Tolle Idee von ihm diese dort zu lassen. Ein Schuss reißt Maik aus seine Gedanken. Als er wieder konzentriert durch das Zielfernrohr sieht, entdeckt er den jungen Mann der Tod vor Alexej liegt. Der Russe hat ihn wirklich erschossen.
Gleichzeitig geht eine kurze Geschosssalve dicht neben Maik´s Kopf in das Gras. Tayler zuckt erschrocken zusammen. "Keine Bewegung, sonst geht die nächste Kugel in deinen Rücken!" sagt eine Stimme hinter ihm. Maik begreift sofort, daß die Flucht des Mannes auf dem Flugplatz nur gestellt war, um ihn abzulenken und er war wie ein blutiger Anfänger in die Falle getappt. Eine zweite Stimme ist zu hören. "Ich komme jetzt nach vorn und werde deine Waffe nehmen. Wenn du nicht völlig regungslos liegen bleibst, knallt dich mein Kumpel ab. Ich denke, du hast mich verstanden." Schritte nähern sich und kurz darauf spürt Maik einen Druck gegen seinen Hinterkopf, der Lauf einer Waffe. Mit der anderen Hand zieht der Kerl die Armbrust aus Maik`s Händen, der wie befohlen völlig bewegungslos liegen bleibt. Was soll er auch machen?
"Schicke Waffe. Jetzt darfst du aufstehen, aber keine falsche Bewegung, sonst zuckt mein Finger und der meines Freundes auch. Und das möchtest du doch sicher nicht." Langsam steht der ehemalige Polizist auf, dabei schießt Adrenalin durch seinen Körper und sein Herz schlägt schmerzhaft in seiner Brust. Ein etwa 40 jähriger Mann mit Lederjacke und Jeans steht vor ihm und grinst ihn an. "Was machst du hier?" will er von dem ehemaligen Polizisten wissen.
"Ich habe Pilze gesucht." sagt dieser.
Der Mann von Alexej lacht. "Pflückt man die Pilze heutzutage mit einer Armbrust?"
"Nur wenn es Panterpilze sind. Die sind schneller als man denkt."
Diesmal lacht der Mann nicht, sondern er schlägt mit der Schulterstütze der Armbrust sofort zu. Maik dreht sich von der Wucht des Schlages zur Seite und er spürt, daß ihm seine Unterlippe aufgeplatzt ist und ein dünner Faden Blut über sein Kinn läuft. Völlig unbeeindruckt sieht er wieder zu dem Mann vor sich.
"Wau, was für ein harter Kerl." sagt der Mann vor Maik amüsiert. "Aber wenn mein Boss mit dir fertig ist, wird nichts mehr an dir hart sein. Nicht einmal deine Knochen, die wird er dir nämlich zu Brei geschlagen haben wenn du ihm nicht sagst, was du um diese Zeit hier zu suchen hast."
"Hab ich doch gesagt, ich habe Pilze gesucht."
Wieder holt der Mann aus, doch zum Glück von Maik geht ein Funkgerät an. "Habt ihr was gefunden?" ist die Stimme von Orlow zu hören.
Der Kerl der noch immer hinter Maik steht, antwortet: "Ja, einen Typen der uns weiß machen will, daß er um diese Zeit Pilze mit einer Armbrust sucht."
"Was für Zeug?" fragt Orlow verständnislos.
"Ach nichts. Sascha hatte Recht, daß uns jemand beobachtet. Wir kommen gleich mit dem kleinen Spanner runter."
"Beeilt euch bisschen. Ich habe noch was anderes zu tun."
"Ja. Wir wollen ihn nur noch mal gründlich filzen."
Maik ist ziemlich unwohl zwischen diesen beiden Kerlen zu stehen, deren Waffen auf ihn gerichtet sind. Doch auch diese Situation hatte er in seiner Ausbildung mehrfach geübt. Für so einen riskanten Einsatz mußte man immer einen Plan B in petto haben.
"Du hast gehört was mein Kumpel gesagt hat." spricht nun der Kerl vor Maik wieder. "Er wird dich jetzt gründlich durchsuchen und du wirst brav still halten, sonst . . . " Der Mann läßt seine Waffe sinken und schießt eine Kugel nur wenige mm vor Maik´s rechten Fuß in den Boden. Dieser zuckt nicht einmal zusammen. Überrascht über den Mut des Fremden nickt Alexej´s Mann anerkennend und sagt lächelnd: "Du scheinst nicht das erste Mal in so einer Scheiße zu stecken. Interessant." Der zweite Mann fängt in der Zeit an, Maik von Hinten gründlich zu durchsuchen. Der Typ in Lederjacke vor ihm richtet dabei den Lauf seiner Waffe auf Maik´s Kopf. Der Kerl scheint zu überlegen. Schließlich sagt er: "Ich habe deine blöde Visage schon irgendwo gesehen. Wie heißt du?"
"Darauf mußt du schon selbst kommen. Aber ich gebe dir nen kleinen Tipp. Gold kann ich nicht spinnen und ich hole mir auch nicht der Königin ihr Kind."
Maik hört, wie der Kerl der ihn durchsucht lachen muss. Nun greift er zwischen Maik`s Beine und sucht dort nach versteckten Waffen.
"Hey, sei wenigstens bei meinem besten Stück etwas vorsichtig. Das brauche ich noch."
"Wenn du Glück hast, brauchst du bald einen guten Chirurgen und falls nicht, dann einen Leichenbeschauer." flüstert der Mann ihm ins Ohr.
"Wißt ihr, daß ihr 2 ziemlich humorlose Typen seit?"
"Er ist sauber." schließt der Kerl hinter Maik seine Durchsuchung ab.
"Ich habe doch gleich gesagt, daß ich nur ein harmloser Pilzesammler bin."
Der Mann vor Maik wirft die Armbrust in Richtung der Sporttasche und sagt zu seinem Kumpel: "Pack das Zeug von dem Kerl zusammen, damit wir endlich gehen können." Dann sieht er wieder zu Maik, geht 2 Schritte auf ihn zu und sagt: "Ich bin ja gespannt wieviel Spaß du verstehst, wenn dir mein Boss jeden Finger einzeln bricht und dann mit deinen Kniescheiben weiter macht."
"Aber nur, wenn er zuvor meinen Namen errät."
Wieder schlägt der Kerl zu und diesmal geht Maik zu Boden. "Los, hoch mit dir!" schnauzt der Kerl ihn an.
Der Polizist sieht zu dem 2. Mann, wie der gerade die Armbrust in die Sporttasche steckt.
"Los aufstehen!" brüllt der Kerl erneut. Doch Maik bleibt liegen und schaut weiter zu dem anderen Mann. Dieser hebt nun die Tasche an und ein leises metallischen Klicken ist zu hören. Alle haben es gehört und sehen erschrocken auf die Tasche. Nur Maik weiß, was gleich geschehen wird. Er hält sich mit beiden Händen die Ohren zu und vergräbt sein Gesicht in dem Gras, dabei schließt er seine Augen. Ein greller Blitz und ein 180 dB lauter Knall ist zu hören. Es ist lauter als ein Überschallflugzeug beim Start verursacht. Mit dem Aufheben der Tasche ist der Sicherungsstift einer Blendgranate aus der Halterung entfernt wurden und schon ging sie mit einem ohrenbetäubenden Lärm los. Maik´s Plan B. Das Magnesium und Perchlorat was bei der Explosion verbrannt wird, erhellt das Waldstück für einige Sekunden.
Auch Alexej und seine Leute sehen es und gehen instinktiv in Deckung. Sie glauben zuerst an eine Sprengstoffexplosion.
Maik hat sich vor der Blendgranate geschützt und leidet so nur an einem leichten Pfeifen in seinen Ohren. Doch seine 2 Gegner haben die Ladung voll abbekommen und sind völlig orientierungslos, da ihre Seh- und Hörwahrnehmung durch die Explosion extrem beeinträchtigt wurde. Der Überdruck der Granate hat ihren Gleichgewichtssinn im Innenohr so stark belastet, daß beide auf dem Boden liegen und völlig desorietiert sind.

"Los, seht nach, was passiert ist!" brüllt Alexej seine Leute an und schon rennen sie los.
Nach wenigen Minuten treffen sie an der Unglücksstelle ein. Da es wieder völlig Dunkel ist, können sie sich schlecht orientieren und finden erst nach einiger Zeit ihre 2 Kameraden. Beide mit einem Kopfschuss getötet. Von der verdächtigen Person ist nichts zu sehen.
"Habt ihr sie?" brüllt wieder Alexej´s Stimme aus dem Funkgerät.
"Ja. Sie sind aber beide Tod. Erschossen."
"Was? Habt ihr eine Spur von diesem Typen den die 2 gestellt hatten?"
Die Männer sehen sich um und lauschen, aber es ist Totenstill. "Nein, hier ist niemand mehr."
"Damn дерьмом !" (Verdammte Scheiße) flucht ihr Boss auf Russisch.
"Bewegt euren Arsch wieder hierher." befielt er lauthals.
"Was ist mit Sergej und Ed? Sollen wir sie hier liegen lassen?"
"Ja, um die kümmern wir uns wenn es hell ist. Dieser Hurensohn der uns beobachtet hat ist jetzt wichtiger."

Maik hat das Ende des Waldes erreicht. Er ist völlig erschöpft. Die Explosion ist wohl doch nicht so unbeschadet an ihm vorbei gegangen, wie er anfangs gedacht hat. Das Pfeifen in seinen Ohren macht ihn verrückt. So kann er nicht hören, ob er verfolgt wird. Höchstens noch 1 Stunde, dann wird die Nacht vom Tag abgelöst und die Sonne geht auf. Dann wird er eher gesehen als jetzt, wo es noch fast völlig dunkel ist. Er muß unbedingt zu seinem Auto kommen und diese Gegend so schnell wie möglich verlassen. Orlow wird seine Leute losschicken, um den Mörder der beiden Männer zu finden. Wenn er Maik in die Finger bekommt, dann hat er garantiert nichts mehr zu lachen. Unwillkürlich muß Tayler an die Worte des Mannes denken, der ihn mit der Waffe bedroht hatte: ". . . wenn mein Boss mit dir fertig ist, wird nichts mehr an dir hart sein. Nicht einmal deine Knochen, die wird er dir nämlich zu Brei geschlagen haben. . . "
Tolle Aussichten denkt sich Maik und rappelt sich erneut auf.
Wie von einer unsichtbaren Kraft angetrieben erreicht er nach wenigen Minuten seinen Silverado. Mit letzten Elan wirft er die Sporttasche auf den Beifahrersitz, zieht sich mühevoll hoch und schließt die Tür. Im Fußraum liegt eine Flasche mit Wasser. Nach der bückt sich Maik und öffnet sie. Nachdem er einpaar Schlucke getrunken hat, gießt er sich den Rest über´s Gesicht. Schließt seine Augen und legt seinen Kopf an die Stütze hinter sich. Das aufdringliche Pfeifen in seinem Kopf macht ihn verrückt. Hoffentlich verschwindet es bald wieder. Aber es hilft alles nichts, Maik muß von hier verschwinden und das so schnell wie möglich. So startet er seinen Motor, doch der Klang ist nicht wie immer. Wie unter Wasser hört Tayler die arbeitende Maschine unter der Motorhaube. Es ist schon eigenartig wie anders sich die Welt darstellt, wenn eins der Sinnesorgane eingeschränkt ist. Langsam fährt Maik hinter dem Berg hervor, die Scheinwerfer noch aus. Da sieht er auf der Straße den blauen Transporter. Die Leute von diesem Orlow scheinen ihn zu suchen. Denen will er lieber nicht in die Arme fahren, aber hier warten, daß geht auch nicht. Denn die Kerle werden auch die Gegend durchkämmen. So entschließt er sich weiter Querfeldein zu fahren, ohne Licht und langsam, damit man seinen Motor nicht schon von weitem hört. Es wäre besser wenn seine Verfolger Maiks jetzige Gehörleistung hätten. Dann würden sich seine Fluchtchancen wesentlich verbessern. Maik hat keine Ahnung wie laut sein Baby macht, er hofft nur, leise genug um so lange wie möglich unentdeckt zu bleiben.

47.

Als die Sonne endgültig aufgeht und die Nacht von ihrer Vorherrschaft vertreibt, fährt der schwarze Silverado gerade auf den Parkplatz der kleinen Pension. Maik steigt müde und erschöpft aus. Er läßt alles in seinem Auto zurück, will nur noch so schnell wie möglich unter die Dusche gehen. Das ekelhafte und penetrante Pfeifen in seinen Ohren ist zwar weniger geworden, aber noch lange nicht weg.
An der Rezeption steht wie jeden Tag die Eigentümerin. Sie schaut Maik etwas verwundert an. Seine ungewöhnliche Kleidung und sein körperlicher Zustand lassen sie etwas böses ahnen. "Was ist denn mit ihnen passiert? Hatten sie einen Unfall oder sind sie überfallen wurden? Soll ich die Polizei rufen?"
Ihre Gast setzt ein gequältes Lächeln auf. "Nein nein, bei mir ist alles in Ordnung. Ich wollte heute Nacht im Wald paar Tiere beobachten. Aber dann habe ich mich irgendwie verlaufen und bin mehrmals hingefallen, weil es so dunkel war."
Mitfühlend lächelt die Besitzerin. "Warum haben sie nicht die Polizei angerufen, die hätte ihnen geholfen."
"Mein Handy hatte ich dummerweise im Auto zurückgelassen. War vielleicht keine gute Idee."
"Das nächste Mal sollten sie wirklich ihr Handy mitnehmen und vielleicht auch eine Taschenlampe."
"Das hätte ich wirklich machen sollen." sagt Maik abschließend und geht in Richtung Treppe.
Als er in seinem Zimmer ankommt, schließt er die Tür hinter sich und lehnt sich mit dem Rücken dagegen. Man, der Tag hätte wirklich kaum beschissener anfangen können. Hoffentlich endet er wenigstens besser. Tayler zieht sein schwarzes Shirt aus und wirft es aufs Bett, dann geht er ins Bad.

Als Alexej ein Auto vorfahren hört, verläßt er den Hangar. Sascha kommt mit dem blauen Transporter zurück.
"Und, hast du was gefunden?" will sein Boss wissen.
"Nein. Aber eins kann ich mit Sicherheit sagen, der Kerl war kein Amateur. Ich habe oben im Wald jeden cm abgesucht. Nichts. Kein Fußabdruck, keine Reifenspuren, kein noch so kleiner Hinweis, daß bei Sergej und Ed noch ein dritter Mann war."
"Willst du mir etwa erzählen, daß sich die beiden gegenseitig erschossen haben? Was ist mit dem grellen Blitz und dem Knall den wir gehört haben und was ist mit dem angeblichen Pilzsucher den die beiden gestellt hatten."
"Was wir heute Morgen gesehen haben, war eindeutig eine Blendgranate. Die bekommt man nicht in einem x-beliebigen Baumarkt oder Bastelladen zu kaufen."
"Du findest das wohl noch witzig?" motzt Alexej seinen Mann an.
"Nein, ich will dir damit nur sagen, daß ich nichts über den Kerl weiß. Bloß, daß es kein Anfänger ist." versucht Sascha seinen Boss wieder runter zu holen. Doch dessen Herz ist voller Hass auf den Mörder seiner Männer, guter Männer.
"Wenn ich wenigstens wüßte, was der Kerl um diese Zeit dort oben gemacht hat und warum er uns beobachtet hat, dann hätte ich was um anzusetzen. Aber so, suchen wir die Nadel im Heuhaufen."
Alexej tritt dicht vor Sascha hin, dabei spürt der den heißen Atem seines Bosses im Gesicht. Leise sagt dieser: "Es ist mir scheißegal wie du es anstellst, selbst wenn du jeden Heuhaufen hier in der Gegend mit einem Kamm durchsieben mußt, bring mir den Hurensohn. Am besten noch gestern."
Saschas Blutdruck steigt und seine Atmung wird schneller. Er kennt seinen Boss genau, seine Unbeherrschtheit und seine Wutausbrüche. Ein kalter Schauer aus purer Angst jagt ihm über den Rücken und läßt es in seinem Nacken kribbeln. Wenn er Alexej nicht in kürzester Zeit den Kerl präsentiert, dann wird er seinen nächsten Geburtstag wohl kaum erleben. "Ich werde mal meine Kontakte spielen lassen. Vielleicht hat jemand was gehört." sagt Sascha um irgendetwas zu antworten. Aber was soll er seinen Informanten sagen? Daß sie einen Mann ohne Namen und ohne Gesicht suchen.
Alexej setzt ein falsches Lächeln auf und klopft seinem Mann aufmunternd auf die Schulter. "Ja, das solltest du machen. Aber jetzt bereite erst mal alles für den Abtransport der Waffen vor. Paplow´s Leute werden gleich mit dem LKW hier sein. Ich muß wegen einer dringenden geschäftlichen Angelegenheit noch mal weg. Du schaffst das schon. Und wenn du fertig bist, die Drogen müssen auch noch verteilt werden." Mit diesen Worten dreht sich Orlow um und geht zu seinem BMW.
"Ja." sagt sein Mann.
"Und trete den Kids mal bisschen in den Hintern. Das letzte mal haben sich 2 Kunden beschwert, weil die toten Briefkästen nicht zur vereinbarten Zeit befüllt waren." sagt der Russe und steigt in sein Auto.
Sasche denkt bei sich: *Wäre ich doch heute lieber im Bett geblieben.* Wie soll er mit 3 Kindern, die noch in ihrer Gewalt sind, die ganzen Drogen verteilen? Am liebsten würde er seinem Chef ins Gesicht sagen, daß er die Scheiß Drogen doch alleine verteilen soll. Aber dies wäre sein Todesurteil. So gibt er sich seinem Schicksal hin und läßt seinen Unmut an den anderen Leuten aus. "Macht endlich mal bisschen hin! Die Waffen werden gleich abgeholt!" Die Männer merken sofort, daß Sascha ganz plötzlich beschissene Laune hat. Anscheinend hat ihm der Boss mal wieder die Leviten gelesen. Wenn dies geschieht, dann hat er danach miserable Stimmung und explodiert bei jeder Kleinigkeit. Mit dem Arbeitseifer seiner Männer unzufrieden, geht Alexej´s rechte Hand in den Hangar. Kurz bevor er ihn betritt spürt Sascha, daß ihm etwas auf seine linke Schulter tropft. Toll, jetzt hat ihn auch noch so ein dämlicher Vogel vollgeschissen. Was für ein Tag. Frustriert greift der Mann in seine Hosentasche und holt ein Taschentuch heraus. Damit wischt er sich den Vogelkot ab, aber der ist nicht weiß oder grau, wie sonst üblich, sondern rot, rot wie Blut. So schaut er nach oben und entdeckt einen weiteren Tropfen, der gleich über der Tür hängt. Um besser sehen zu können geht Sascha einen Schritt nach Hinten. Jetzt erst sieht er, daß das rote etwas in Form eines kleinen Rinnsals vom Dach her kommt. "Piet!" ruft er nach oben. Doch er bekommt keine Antwort. Einer der Wachleute läuft ihm gerade über den Weg. "Geh mal hoch auf´s Dach und schau nach was mit Piet ist."
"Jetzt gleich?" getraut sich der Mann zu fragen.
"Nein, erst wenn es dir zeitlich paßt." gibt Sascha ärgerlich zur Antwort. "Klar jetzt!"
Der Mann weiß sofort, daß seine Frage völlig unpassend war und er rennt auf die Rückseite des Gebäudes. Dort befindet sich eine Feuerleiter über die man auf das Dach kommt.
"Was ist mit ihm?" fragt Sascha nach einiger Zeit.
"Ich glaube, daß wird euch nicht gefallen. Ihr solltet es euch selbst ansehen." Kann der Kerl nicht einfach sagen was los ist, fragt sich Sascha insgeheim. Geht aber dann doch nach hinten um auf das Dach zu steigen. Kaum steht er oben, sieht er Piet Tod daliegen. Ein Pfeil steckt tief in seiner Brust und muß ich sofort getötet haben. Da es heute Nacht ziemlich kühl war, ist das austretende Blut noch nicht geronnen, sondern folgt den Gesetzen der Schwerkraft. In einem schmalen Streifen läuft es unter dem Körper des Toden bis zur Dachkante und tropft dort nach unten auf die Erde bzw. auf Saschas Hemd. Dieser weiß sofort, daß der Tote auf das Konto des Unbekannten aus dem Wald geht. Also hat er nicht nur beobachtet, sondern gehandelt. Aber aus welchem Grund tötet er einen nach den anderen von Alexej´s Männern. Sascha sieht sich auf dem Dach um und entdeckt einen weiteren Pfeil der dicht an der Kante steckt. Er geht dorthin, zieht ihn heraus und entfernt den Gummi der darum gewickelt ist um etwas festzuhalten. Der andere Mann kommt dazu und fragt: "Was ist das?" Sascha hat bereits einen Verdacht und der bestätigt sich. Es ist eine weitere Visitenkarte, vorn mit dem schwarzen Engel und der Aufschrift "Todesengel", auf der Rückseite steht: Nummer zwei. Wütend wirft Sascha den Pfeil auf das Dach und sagt: "Fuck."

Maik kommt frisch geduscht und dadurch etwas erholt aus dem Bad. Er fühlt sich besser, auch das Rauschen in seinen Ohren ist weg. Mit dem Badetuch um seine Hüften geht er zur Minibar. Er öffnet sie und holt eine Flasche schottischen Whisky heraus. Es ist ein Blendet Scotch, nicht gerade Maik´s Marke, aber egal. Hauptsache er bringt ihn auf andere Gedanken. Fast ein ganzes Glas füllt er mit der goldfarbenen Flüssigkeit und geht damit zum Fenster. Er schaut in den Innenhof. Sein Auto sieht vielleicht dreckig aus. Kein Wunder wenn er daran denkt, wo er heute Nacht herumgefahren ist. Die aufgehende Sonne spiegelt sich in dem Whisky und läßt in schimmern wie Bernstein. Maik trinkt einen Schluck, dabei verzieht er schmerzvoll sein Gesicht. Man, der brennt vielleicht auf seiner aufgeschlagenen Lippe. Aber den süßlichen Geschmack findet er gar nicht mal so schlecht. Die 47 % Alkoholgehalt fangen in Maiks leeren Magen sofort an eine angenehme Wärme zu entfalten. Noch einmal denkt er an die letzten Stunden zurück. Als er den Mann auf dem Dach mit seiner Armbrust erschossen hat und dann, wenig später, blindlings wie ein Trottel in eine eigens für ihn gestellte Falle getappt war. Dabei hatte er weitere Männer von Orlow töten müssen, ansonsten wären sie zu schnell auf Maik Tayler als den Todesengel gekommen. Ohne eine Spur von Mitleid hatte Maik beiden Männern, die wehrlos auf dem Boden lagen, in den Kopf geschossen. Was war bloß in den letzten Jahren aus ihm geworden? Nein, so will er nicht weiterleben. Er muß aufhören Menschen zu töten, ansonsten ist er keinen Deut besser als diese Gangster. Aber er will den Russen, der den Sohn seines Freundes entführt hat, nicht ungeschoren davon kommen lassen. Klar, er könnte der Polizei eine Tipp geben, daß sie die vermißten Kinder auf dem Gelände finden und bestimmt auch noch paar andere illegale Sachen, aber bei den Beziehungen die Orlow hat, kommt er gegen Kaution raus. Nein, Maik muß was anderes einfallen und er hat da schon eine Idee im Hinterkopf.
Wieder trinkt er einen Schluck und jetzt erfüllt die Wärme seinen gesamten Körper. Aus der Pension kommt ein Junge, etwa so alt wie Justin, gelaufen. Er rennt zu einem grauen VW Golf, der ebenfalls auf dem Parkplatz der Pension steht. "Kommt schon. Wir wollen doch heute in den Freizeitpark fahren." ruft er aufgeregt. Kurz darauf tauchen seine Eltern auf. "Ja, aber der Park macht doch erst in 2 Stunden auf." sagt sein Vater. "Ist doch egal, da gehen vor vorher halt noch mal zu Mc Donalds."
Maik steht lächelnd am Fenster. Mmm, auf einen schönen Hamburger hätte er jetzt auch Appetit.
Nach wenigen Minuten verläßt die kleine Familie das Grundstück und Maik geht zum Sofa. Er setzt sich darauf, schaut dann auf das Telefon was auf dem Tisch liegt. Stimmt, Bianca muß er auch noch anrufen, sonst macht sie sich Sorgen. So nimmt er das Telefon was zur Pension gehört und wählt die Nummer seiner Geliebten. "Leider wird dies ein recht einseitiges Gespräch . . . "
Fein, wieder dieser blöde AB, denkt Maik enttäuscht, doch dann meldet sich Bianca. "Halt, nicht auflegen! Ich bin doch schon dran. Wer ist da?"
"Ich bin´s, Maik." sagt dieser.
"Ist was passiert?" will Bianca sofort wissen.
"Nein. Mach dir keine Sorgen. Ich wollte bloß mal deine süße Stimme hören. Ich vermisse dich so sehr."
"Ist wirklich nichts?" fragt seine Freundin nach, denn in der Stimme von Maik ist etwas, was sie beunruhigt.
"Wirklich nicht. Ich komme gerade aus der Dusche und wollte gleich was essen gehen. Doch so ganz alleine schmeckt es einfach nicht. Ich vermisse deine liebevoll zubereiteten Rühreier am Morgen." und das ist nicht gelogen. Maik lächelt, stellt sich Bianca vor, wie sie mit ihm telefoniert und dabei, wie sie es immer tut, mit den Knöpfen ihrer Bluse spielt.
"Du bist lieb. Wann kommst du endlich zurück? Ich muß dir was ganz tolles sagen." Bianca scheint aufgeregt zu sein.
"Was denn, bist du zur Oberschwester aufgestiegen?"
"Nein, was viel schöneres." Dabei hört Maik wie sie lächelt.
"Komm, spann mich nicht auf die Folter. Was ist es denn?" Tayler wird neugierig.
"Nein, das sage ich dir erst wenn du wieder hier bist."
"Ich denke, wir wollten keine Geheimnisse voreinander haben." rügt Maik scherzhaft seine Freundin.
"Diesmal schon. Denn es ist ein kleines süßes Geheimnis."
"Du bist gemein." gibt sich der ehemalige Polizist enttäuscht.
"Ich weiß. Je eher du wieder bei mir bist, desto eher erfährst du es." sagt Bianca und wäre froh, wenn sich ihr Freund sofort ins Auto setzt und zu ihr kommt. Doch sie weiß auch, wenn sich Maik was in den Kopf gesetzt hat, dann zieht er es bis zum Schluss durch.
"Hast du schon was neues erfahren." wechselt sie das Thema.
Maik wird ernst, zögert mit der Antwort, doch er lügt Bianca wiederholt an. "Nein. Ich tappe noch immer völlig im Dunkeln. Wenn ich nicht in 2 Tagen was brauchbares herausbekomme, dann komme ich zurück."
Im Hintergrund hört er, daß es an Biancas Tür klingelt. "Warte mal, bei mir ist jemand an der Tür." sagt sie und legt den Hörer ab.
Tayler wird unruhig. Es ist kurz nach 6 Uhr, wer sollte um diese Zeit bei seiner Freundin klingeln. Hoch konzentriert lauscht er in den Hörer. Nervosität macht sich in ihm breit, dann hört er auch noch wie Bianca kurz aufschreit. Was ist passiert? Nein, nicht auch noch sie betet er. Maik stellt das Glas auf den Tisch, steht auf, ruft aufgeregt in den Hörer: "Bianca, was ist passiert? Melde dich doch bitte!" Doch alles bleibt still. Von einer Sekunde auf die andere schießt Maiks Blutdruck in die Höhe und er fängt an zu frieren. Was ist in der Wohnung von seiner Freundin vorgefallen? Warum hat sie aufgeschrien? Wenn sie sich nicht in den nächsten paar Minuten meldet, wird er Lou anrufen und ihm sagen, daß er mal in seiner Wohnung vorbeischauen soll.
Schritte sind zu hören und Maik wird vor Anspannung ganz schlecht. "Weißt du, wer bei mir an der Tür geklingelt hat?" fragt Bianca ihn, dabei ist sie völlig aus dem Häuschen. Tayler ist so froh die Stimme seiner Freundin zu hören. "Nein, aber du wirst es mir gleich sagen."
"Jessica."
"Welche Jessica?"
"Na Jessica, meine alte Freundin aus der Klinik wo wir uns kennengelernt haben. Sie ist für 2 Tage in der Stadt."
Jetzt fällt Maik ein Gesicht zu dem Namen ein und er muß lächeln. Gott sei Dank war bei Bianca nichts schlimmes passiert. Aber noch mehr von solchen Aufregungen und er wird mit grauen Haaren nach München zurück fahren.
"Dann wünsche ich euch beiden viel Spaß und erzählt ihr auch bisschen was gutes von mir." schlägt Maik lächelnd vor.
"Ja, mache ich. Meldest du dich Morgen wieder?"
"Aber klar. 1 x am Tag, das habe ich dir doch versprochen."
"Schön. Küßchen." Bianca macht ein Kussgeräusch und legt auf.
Erleichtert läßt sich Maik auf das Sofa fallen. Sein Herz schlägt noch lange nicht normal, zu groß war die Aufregung gewesen. Wegen dieser Frau bekommt er noch mal nen Herzinfarkt, das weiß er. Und was für ein Geheimnis hat sie vor ihm?

48.

Die Männer von Paplow hatten sich um fast 2 Stunden verspätet und so ist es bereits 10 Uhr, eh Sascha dazu kommt, die Drogen auszufahren. Jetzt muß er sich beeilen, sonst gibt es wieder Ärger. Klar, die Kunden erwarten zu einer festgelegten Zeit ihre bestellte Ware und nicht irgendwann, aber Sascha kann sich auch nicht zerreißen. Zügig fährt er die ersten beiden Punkte an, an denen die Kinder die Drogenpäckchen verstecken sollen. Als er sich auf den Weg zum Dritten "Briefkasten" macht, spinnt der Transporter auf einmal. Immer wieder fährt er ruckelnt und läuft im Leerlauf unrund. Klasse, auch noch die Karre im Arsch, heute scheint alles schief zu laufen, denkt sich Sascha und fährt eine Tankstelle an. Bevor er aussteigt, dreht er sich noch mal zu den verängstigten Kindern und sagt: "Wehe ich höre ein Wort von euch wenn ich weg bin. Ich bleibe in der Nähe und bekomme alles mit." Dann steigt er aus, geht nach vorn zur Motorhaube und öffnet sie. Vielleicht ist es nur ein kleines Problem und er kann es selbst beheben.

Zur selben Zeit fährt Maik gerade an der Tankstelle vorbei. Er will in die Stadt um die Urlaubsreise die er Bianca versprochen hatte zu buchen. Heute kann er sich eh nicht mehr in der Nähe des Flugplatzes sehen lassen. Zu sehr dürfte die Aufregung über die von ihm getöteten Männer sein. Orlow wird seine Leute in höchste Alarmbereitschaft versetzt haben und ein zweites Mal hat Maik garantiert nicht so ein Glück unbeschadet aus einer Falle zu entkommen. Also wird er den Tag ruhig ausklingen lassen. In der Stadt nett zu Mittag essen und vielleicht noch ein kleines Geschenk für seine Geliebte kaufen.
Durch Zufall schaut Maik auf seine Tankanzeige und stellt fest, daß sie fast im roten Bereich angekommen ist. Also wird er gleich hier tanken gehen. So dreht er um und fährt zu der Tankstelle zurück an der er eben vorbeigefahren ist. Vor jeder Zapfsäule stehen 2 Autos und Maik muß warten. Dabei fällt ihm ein blauer Transporter auf, der bei den Parkbuchten mit den Saugern steht und die Motorhaube geöffnet hat. Davor befindet sich ein Mann. Er scheint ein technisches Problem zu haben, denn er macht irgendetwas im Motorraum. Maik kann dessen Gesicht nicht sehen, da er mit dem Rücken zu ihm steht.
Nach 5 Minuten ist der Silverado mit tanken an der Reihe. Maik steigt aus, geht nach hinten zu dem Radkasten. Kurz davor befindet sich der Tankdeckel. Diesen öffnet der Fahrer, nimmt die Zapfpistole mit Superbenzin und tankt. Dabei schaut er sich um, denn bis sein 128 Liter umfassender Tank voll ist, das dauert etwas.
Völlig unerwartet schließt der Fahrer des blauen Transporters seine Motorhaube und schaut in Richtung Zapfsäulen. Maik durchfährt es, wie von einem Blitz getroffen. Das ist doch dieser Kerl vom Flugplatz. Shit, was macht der denn hier? Sofort dreht Maik ihm den Rücken zu. Hoffentlich hat er ihn nicht erkannt. Der Kerl wischt sich mit einem Tuch aus der Spenderbox der Tankstelle seine Hände ab, dann geht er in Richtung Eingang. Kaum ist er außer Sicht, öffnet Maik seine Beifahrertür und greift in das Handschuhfach, dort holt er einen rechteckigen Kasten heraus, kaum größer wie eine Zigarettenschachtel. Ein Blick in die Tankstelle und Maik sieht, daß der Fahrer des Transporters an der Wand mit den Ersatzteilen etwas sucht, also wird er noch länger brauchen. So zieht Maik sein Handy aus der Hosentasche und führt ein fiktives Telefonat, dabei geht er von der Tankstelle weg, denn dort ist telefonieren verboten. Niemand achtet auf ihn, als er sich dem parkenden Transporter nähert. Er verschwindet nur ganz kurz aus dem Sichtradius der Kunden und der Kameras, dann kommt er zu seinem Auto zurück. Gerade rechtzeitig, denn die Zapfpistole schaltet ab. Ein Blick zu dem nachfolgenden Fahrzeug und Maik sieht, daß der Fahrer ziemlich genervt ist, weil der Kerl vor ihm einfach nicht fertig wird. Wieviel Liter passen in dessen Tank bloß rein, das möchte er wissen. Jetzt ist er doch fertig, warum geht er nicht bezahlen und verschwindet dann? Ein kurzer Augenkontakt und Maik sagt lächelnd: "Mein Tank war fast leer. Sorry, aber jetzt bin ich gleich weg." Hoffentlich, denkt sich der Mann erleichtert.
Doch dieser Kerl von Alexej´s Leuten befindet sich noch immer in der Tankstelle. Damit Maik nicht zuviel Unruhe und Aufmerksamkeit auf sich zieht, geht er zum Eingang und betritt den Verkaufsbereich. Er hält seinen Kopf gesenkt, denn er möchte nicht das Risiko des Wiedererkennens eingehen. Aber der Kerl scheint in Eile zu sein, denn er achtet nicht auf seine Umgebung. Mit einer Zündkerze in der Hand tritt er an die Kasse, bezahlt und geht zu seinen Auto zurück. Maik geht ebenfalls an den Schalter. "Säule 6." sagt er zu der Verkäuferin. Diese ruft die Säulennummer auf. Schaut aber dann ihren Kunden verwundert an. "Ich glaube, die Säule 6 scheint defekt zu sein. Sie muß beim letzten Kunden nicht auf 0 gegangen sein." Maik lächelt, denn er kennt das. "Doch doch, die ist in Ordnung. Sehen sie den schwarzen Geländewagen da draußen?" Die Verkäuferin sieht auf den Monitor der neben ihrer Kasse steht. "Ja." "Der ist meine, der hat immer verdammt viel Durst."
"Wenn sie es sagen, dann bekomme ich von ihnen 191 Euro und 60 Cent." Tayler bezahlt wie immer mit Kreditkarte. Als er bei seinem Auto ist, zögert er mit wegfahren. Denn der Kerl an dem blauen Transporter scheint noch mit der Reparatur beschäftigt zu sein. Wieder steht er an der offenen Motorhaube und setzt die gekaufte Zündkerze ein.
"Was ist denn noch? Warum fahren sie nicht endlich weg?" fragt der Autofahrer hinter Maik nun doch etwas ungeduldig. Da der Kerl eine ziemlich aufdringliche Stimme hat, schaut der Fahrer des blauen Transporters kurz auf und entdeckt den Chevrolet Silverado.
Maik dreht sich um. "Ja, ich bin schon weg." sagt er mit verstellter Stimme und steigt in sein Auto. Zügig verläßt er die Tankstelle. Tayler schaut noch einmal in den Rückspiegel, sieht darin, daß der Kerl vom Flughafen uninteressiert seine Reparatur fortsetzt. Das ist noch mal gut gegangen. Er scheint Maik nicht von wiedererkannt zu haben.

Etwa 500 Meter nach der Tankstelle bleibt der schwarze Silverado abermals stehen. Maik nimmt sein Handy und geht ins Internet. Auf einer bestimmten Seite gibt er eine 6stellige Nummer ein. Ein grüner Balken ist zu sehen, der immer voller wird. In der Wartezeit öffnet Maik erneut das Handschuhfach und holt eine Karte der Umgebung heraus. Die hatte er sich aus der Pension mitgenommen. Eine Melodie ist aus seinem Handy zu hören und der erfahrene Polizist weiß, daß das Programm bereit ist. Auf seinem iPhone taucht eine Karte und ein roter blinkender Punkt auf. "Da wollen wir mal sehen, wohin der Kerl mit seiner Kiste fährt." sagt Maik. Als er beim Tanken telefoniert hatte und in die Nähe des blauen Transporters gegangen war, hatte er ihm unter dem Bodenblech einen GPS Peilsender angebracht. In angemessen Sicherheitsabstand von 1 km folgt er nun dem Transporter. 2 x hatte der schon in völlig verlassenen Gegenden für ca. 5 Minuten gehalten und war dann weitergefahren. Maik weiß als ehemaliger Drogenfahnder, daß der Kerl geheime Teffpunkte anfährt. Doch was versteckt er dort? Waffen, Drogen, Geld? Als er das dritte Mal hält, fährt Maik näher heran. Noch nicht zu sehen, verläßt er seinen Jeep und geht zu Fuß weiter. Diesmal hält der Transporter vor einer alten Fabrik. Maik zückt sein Handy und macht ein Video. Es dauert nicht lange und die hintere Tür geht auf. Ein kleines Mädchen steigt aus. Nicht älter als 7 Jahre. Sie hält ein braunen rechteckiges Päckchen in der Hand. Damit geht sie in die Fabrik, taucht 2 Minuten später wieder auf, steigt in das Auto und schon fahren sie weiter. Diese Schweine nutzen die Kinder als Drogenkuriere, stellt Maik entsetzt fest. Klar, wenn die Polizei die Kinder mit Drogen erwischen, sind die wirklichen Dealer schon längst weg. Tayler rennt zu seinem Auto zurück. Markiert die Stelle auf der Karte und folgt dem Drogenfahrzeug weiter. Nach 3 Stunden haben sie 15 Punkte angefahren. Nun scheint es zurück zum Flugplatz zu gehen. Dorthin folgt Maik dem Fahrzeug lieber nicht.
Nach dieser Erkenntnis ist der ruhige Nachmittag für Tayler gestrichen und er hat auch schon einen Plan, wie er diesen Drogendealer Alexej Orlow so richtig am Arsch kriegen kann. Der wird platzen vor Wut und was noch viel schöner ist, er wird nicht wissen, wer ihm so in die Suppe spuckt.

49.

Der vorletzte Tag ist angebrochen. Maik hat seiner Freundin versprochen, daß er Übermorgen zurück kommt. So langsam wird die Zeit knapp um diesen Alexej Orlow entgültig auszuschalten. Doch Maik wird sich nicht mehr selbst seine Finger schmutzig machen. Zu viele Menschen mußte er in letzter Zeit töten. Gut, es waren Verbrecher, aber auch Lebewesen. Wenn er so weitermacht, dann ist er nicht besser wie dieser Abschaum.

Gestern Abend war Maik noch einmal zu den toten Briefkästen gefahren. Natürlich waren sie bereits geleert, aber er hatte herausbekommen wo die Kinder die Drogen verstecken. Es wurden dafür stillgelegte Fabriken, Abrisshäuser oder abgelegene Parkplätze genutzt. Der ehemalige SEK-Mann hatte dort nach verborgenen Nischen, nach losen Ziegelsteinen, unter Schutthaufen und auch in Mülleimern nach den geheimen Verstecken gesucht. Er war an den 16 Stellen die dieser Kerl gestern mit seinem Transporter angefahren hatte, bei 10 fündig geworden. Die anderen Verstecke waren so gut getarnt, daß er sie nicht ausmachen konnte. Aber das war auch egal, 10 Fundorte reichten für seine Zwecke.
Falls heute alles wie geplant läuft, dann wird dieser Kindesentführer und Drogenhändler am Nachmittag paar ganz unangenehme Anrufe bekommen und Maik hat sein Ziel erreicht. Doch bis dahin muß er noch einiges erledigen.

So hatte er auch heute ziemlich zeitig die Pension verlassen und war auf dem Weg Richtung Flugplatz. An der Tankstelle dessen Besitzer Ludolf hieß und die sich in der Nähe des Airports befand, hatte er gehalten um Frühstück zu machen. . .

Schon seit 30 Minuten ist er dort, trinkt einen schönen heißen und starken Kaffee und ißt ein belegtes Brötchen dazu. Wenn dieser Sascha mit seinem Transporter alltäglich die kleine Zustellrunde dreht, dann muß er genau hier vorbeikommen und dann wird sich Maik erneut an dessen Fersen heften. Doch diesmal nicht als stiller Beobachter, sondern er hat eine ganz andere Absicht. Seinen Silverado hat er hinter dem Gebäude geparkt.
Maik muß auch nicht lange warten. Bereits kurz nach 6 Uhr taucht das Auto auf, fährt vorbei und weiter in Richtung Stadt. Ruhig trinkt Tayler seinen Kaffee aus und verläßt die Tankstelle. Er steigt in sein Auto, holt das iPhone heraus und gibt wieder die 6stellige Zahl ein. Gott sei Dank wurde der Sender unter dem Auto noch nicht entdeckt und so kann er dem Zielfahrzeug in einem Sicherheitsabstand von fast 1 km folgen. Zunächst fährt der Mitarbeiter von Orlow Punkte an, an denen er Gestern nicht war. Aber Maik beunruhigt dies nicht. Entweder werden einige Übergabestellen nicht regelmäßig angefahren oder der Kerl war gestern bereits dort, bevor Maik ihm gefolgt war. Und der SEK-Mann soll Recht behalten. Bereits kurz darauf folgt der Drogenhändler wieder der Strecke vom Vortag. Mit einem triumphierenden Lächeln läßt Maik den Kerl ziehen. Nun ist es Zeit, seinen Plan in die Wirklichkeit umzusetzen. Denn es wird nicht lange dauern und die Empfänger der heißen Ware tauchen auf. Dann muß Maik weg sein.

Kurz nach dem Mittag haben sich dunkle Regenwolken vor die Sonne geschoben. Noch fällt kein Tropfen in Richtung Erde, aber dies wird sich bald ändern. Auch hat der Wind hat ziemlich aufgefrischt und so ist niemand auf der Straße, der nicht unbedingt raus muß.
Der Mitarbeiter einer hiesigen Kurierfirma hat nicht so ein Glück. Er muß seine Fahrten machen, egal ob es sonnig ist oder Regen fällt. Vor dem Haus mit der Nummer 12 stoppt er seinen alten VW Polo und steigt aus. In der Hand hält er einen gepolsterten DIN A 5 Umschlag. Es ist eine Eilsendung mit Zustellvollmacht. Noch einmal vergleicht er die Adresse von dem Schriftfeld mit der Hausnummer. Ja, hier ist er richtig. Das erkennt er auch, als er über der Klingel das Firmenschild liest:

Alexej Orlow
In- und Export

Er klingelt 2 mal und wartet. Dabei schaut er sich das Haus genauer an. Diese In- und Exportfirma scheint nicht schlecht zu laufen, denn vor dem Haus steht ein roter BMW M 3, das Grundstück umfaßt gut und gerne 1.000 m² und das Haus darauf hat bestimmt auch einen Haufen Schotter gekostet. Es ist ein Neubau mit großen Fenstern, die über eine komplette Seite gehen. Ein mit Glas überdachter Swimmingpool ermöglich dem Besitzer auch bei schlechtem Wetter seine Bahnen zu ziehen. Unwillkürlich muß der Zusteller an seine kleine 2 Raum-Wohnung denken. Er hat schon zu tun, jeden Monat die Miete dafür aufzubringen. Selbst wenn er sein ganzes Leben alles zurücklegt was er verdient, könnte er sich so ein Haus nicht leisten.
"Ja, was wollen sie?" ertönt völlig unerwartet eine Stimme aus der Lautsprecheranlage gleich unterhalb der Klingel.
Erschrocken zuckt der Mann zusammen. "Äh, ja." stottert er. "Ich habe hier einen Brief für sie."
"Was denken sie, wofür dieser Kasten mit der Aufschrift Zeitungen wohl am Zaun hängt. Der dient nicht nur zur Dekoration, den können sie benutzen. Also, stecken sie den dämlichen Brief hinein und lassen mich in Ruhe!"
"Aber der Brief ist mit Zustellvollmacht."
Der Mann vor dem Tor hört, wie die Sprechanlage abgestellt wird. Doch niemand läßt sich blicken. Toll, was soll er jetzt machen? Erneut klingeln?
Endlich, nach 5 Minuten geht die Haustür auf. Zuerst kommt ein brauner American Staffordshire-Terrier herausgeschossen und ist schnell wie ein Blitz am Tor. Erschrocken geht der Zusteller einen Schritt nach hinten. Der Hund bellt wie verrückt und versucht seinen dicken Kopf durch die Gitterstäbe zu stecken, dabei fletscht er bösartig seine Zähne. Sofort rutscht dem jungen Mann sein Herz in die Hose. So ein schlechtgelauntes Tier hat er noch nie erlebt. Hoffentlich hört er auf seinen Besitzer. Am liebsten würde der Zusteller den Brief auf den Boden legen und verschwinden. Aber er braucht die verdammte Unterschrift des Empfängers, sonst macht ihn sein Chef einen Kopf kürzer. "AUS!" brüllt der Herr des Hauses und sofort setzt sich die 30 kg schwere Kampfmaschine brav hin. Dabei lassen die wachen Augen des Hundes den Zusteller keine Sekunde unbeobachtet. Mit festen Schritten nähert sich der Eigentümer dem Tor. Der Mann ist einen Kopf größer als der Zusteller und auch seine Körpermaße übertreffen die des Mannes vor dem Tor um einiges. Die lange Narbe auf der linken Wange lassen den jungen Mann erneut erschauern.
Auf seiner Tour trifft er immer wieder Hundebesitzer mit ihren Tierchen und ständig muß er grinsen, wenn er wieder einmal festellt, daß beide oft zusammenpassen. Erst neulich hatte er einen älteren Mann mit O-Beinen gesehen und sein treuer Freund war ein Mops mit ebenfalls O-Beinen. Auch hier passen Besitzer und Tier zusammen, aber diesmal ist dem Mann nicht nach Lachen zumute. Sein Herz hängt ihm nicht nur in der Hose, sondern noch etwas tiefer. Gott sei Dank läßt der Kerl das Tor geschlossen. Der Mann steckt das Gerät für die Unterschrift durch die Gitterstäbe. Sofort fletscht der American Staffordshire seine Zähne und knurrt angsteinflösend. Der Empfänger der Sendung unterschreibt und nimmt danach den Brief in Besitz.
"Schönen Tag noch." verabschiedet sich der Kurierfahrer. Ohne etwas zu erwidern, dreht sich der Hausherr herum und geht zurück. Der Hund steht wieder am Tor und beobachtet den Fremden, wie dieser endlich SEIN Revier verläßt. "Komm Brutus, ab ins Haus!" ruft Orlow und sofort folgt der Vierbeiner dem Befehl.
Der Russe schließt die Tür und schaut auf den Umschlag. Damit geht er in das Zimmer mit den großen Terrassenfenstern. Dort sitzt Sascha an einem alten antiken Schreibtisch. Ein Laptop der Firma Apple steht vor ihm. Die Männer hatten in den letzten Stunden neue Bestellungen für ihr "einzigartiges" Guano entgegengenommen und gleichzeitig die Finanzen der angeblichen In- und Export-Firma gecheckt.
"Was ist in dem Umschlag, daß der Kerl eine Unterschrift von dir wollte?" will sein Mitarbeiter wissen.
"Keine Ahnung." sagt Alexej und dreht den Umschlag hin und her. "Nur meine Adresse steht darauf, kein Absender."
"Dann mach ihn doch auf. Vielleicht ist es ein Kunde der dir Anonym ein kleines Dankeschöngeschenkt machen will."
"Verarschen kann ich mich alleine." sagt der Russe und reißt den Umschlag auf. Den Inhalt kippt er auf den Schreibtisch. Es ist eine CD und eine Visitenkarte mit einem schwarzen Todesengel. Die Männer sehen sich überrascht an.
"Woher hat der Kerl meine private Wohnanschrift?" fragt Alexej.
"Ich habe dir doch von Anfang an gesagt, daß der Kerl kein Anfänger ist." sagt Sascha. "Soll ich die CD mal abspielen? Vielleicht erfahren wir dadurch, was der Kerl will."
"Dann mach mal." befielt sein Boss und schon schiebt Sascha die CD ins Laufwerk des Laptop´s.
Orlow kommt herum und schaut ebenfalls auf den Bildschirm.
Ein Video ist zu sehen, wie der blaueTransporter vor einer alten Fabrik hält, ein Kind mit einem braunen Päckchen aussteigt und in das Gebäude verschwindet. Dann taucht es wenig später wieder auf und das Fahrzeug setzt sich erneut in Bewegung. "Der Scheißkerl ist mir zu den Verstecken gefolgt." sagt Sascha ziemlich ungehalten. Nun ist ein anderes Video zu sehen. Eine alte Fabrik. Überall stehen kaputte Fensterscheiben an den Wänden und der Boden ist mit Müll und Unrat übersät. Alexej sieht zu Sascha. "Kennst du die Halle?" "Nein, nie gesehen."
Die Kamera wird irgendwo abgestellt und ein Mann mit Sturmhaube und Sonnenbrille tritt vor die Linse.
"Hallo Alexej Orlow, du kleiner Drogendealer und Kidnapper von unschuldigen Kindern. Es wird langsam mal Zeit, daß dir jemand kräftig in deinen Arsch tritt und derjenige werde ich sein oder besser gesagt deine Kunden, die vergeblich auf ihre Drogen warten. Ich kann mir vorstellen, daß sie ziemlich sauer sein werden, wenn sie ihre bezahlte Ware nicht bekommen." Die Männer sehen sich an. Dabei sieht Sascha, wie das Gesicht seines Bosses sich vor Wut langsam mit Blut füllt. Beide schauen wieder auf den Bildschirm.
"Daß du nur Stümper als Angestellte hast, wirst du bestimmt schon festgestellt haben. Denn wie sonst hätte ich einfach so 4 von deinen Leuten umlegen können und du immer noch nicht den blassesten Dunst hast, wer ich bin. Und das wird auch so bleiben. Ich werde wie dieser Todesengel . . . " Der Unbekannte greift in seine Jackentasche und holt eine seiner Visitenkarten heraus. Diese zeigt er in die Kamera und spricht weiter: ". . . ständig über dir schweben und dich rund um die Uhr beobachten. Du wirst nie wissen, wann und wo ich zuschlage, aber ich werde dir ständig zeigen, daß ich ganz in deiner Nähe bin. Aber jetzt genug mit dem kleinen Geplänkel. Ich will dir ja noch was zeigen." Der Mann verschwindet, taucht kurz darauf mit einer Holzkiste auf. Diese stellt er auf den Boden. Darin kann man 10 rechteckige braune Päckchen liegen sehen. Einige der Drogen aus den Verstecken.
"Du kennst das Zeug bestimmt?" fragt der Mann in dieser Fabrik. "Richtig, das ist das Zeug, was dein kleiner Handlanger jeden Tag versteckt. Doch diesmal wird es nicht in Umlauf kommen, sondern in Flammen aufgehen. Mal sehen, wie schön das Dreckszeug brennt." Wieder verschwindet der Mann kurz, taucht dann mit einem 20 l Benzinkanister aus Plastik wieder auf und schüttet den Inhalt in die Holzkiste.
"Ich will diesen Schweinehund haben, egal wie du das anstellst." sagt Orlow wutig und sieht zu Sascha. Den Gesichtsausdruck seines Bossen kennt dieser genau und der duldet keinen Widerspruch. Alexej sieht wieder auf den Monitor und sagt leise: "Ich werde diesem Hurensohn seine Flügel stutzen, dann kann er seinen Job als Todesengel an den Nagel hängen."
"Sag bye bye zu deinen Drogen." spricht der Mann in der Halle, zündet sein Feuerzeug an und wirft es in die Kiste. Es gibt eine kleine Explosion und eine Stichflamme. Sogar die Kamera die etwas weiter weg steht, wackelt leicht.
Der Bildschirm wird kurz schwarz, dann wird ein Video von You Tube hochgeladen und abgespielt, der Soundtrack aus dem Film "Spiel mir das Lied vom Tod."
Das hat das Faß zum Überlaufen gebracht. Der Russe geht, wie seine Drogen, explosionsartig in die Luft. Er nimmt einen runden Briefbeschwerer aus Glas in die Hand und wirft ihn völlig außer sich gegen eine Wand. Dort zerbricht er mit einem lauten Knall.
"Verdammter Scheiß Bastard! Wer bist du? Von dir lasse ich mir noch lange nicht mein Geschäft kaputt machen!" Dann sieht er mit blutunterlaufen Augen seinen Mann an und sagt: "Nimm dir soviel Leute wie du brauchst und such das Dreckschwein." Aber wie soll Sascha das anstellen. Sie wissen nichts von dem Kerl. Versöhnlich sagt er: "Ich könnte mir die CD noch einmal ansehen, vielleicht finde ich was brauchbares. Irgendwann muß der Kerl doch mal einen Fehler machen." Gerade als er die Videobotschaft erneut abspielen will, klirrt Glas und wenig später wird der Bildschirm des Laptop´s von einer Kugel getroffen. Sofort gehen Sascha und sein Boss hinter dem Schreibtisch in Deckung. "Der Kerl hat wirklich nicht gelogen als er gesagt hat. *Ich werde wie dieser Todesengel ständig über dir schweben und dich rund um die Uhr beobachten. Du wirst nie wissen, wann und wo ich zuschlage, aber ich werde dir ständig zeigen, daß ich ganz in deiner Nähe bin.*" sagt Sascha nicht ohne Respekt für den Schützen. Mit einem durchdringenden und strafenden Blick schaut Orlow ihn an. "Wenn du die Seiten wechseln willst, mußt du es nur sagen." Der Russe zieht seine Tokarew aus dem Gürtel und richtet sich etwas auf. Kaum hebt er seinen Kopf, klirrt erneut Glas und eine zweite Kugel geht in die Wand hinter ihm. Seinen Hund hört er vor Angst winseln.
"Shit, der Kerl ist immer noch da. Er kann nur mit einem schallgedämpften Scharfschützengewehr auf uns schießen, also muß er ganz in der Nähe sein. Schleich dich hinten raus und such den Bastard.
*Warum sollte ich das tun und mich abknallen lassen?* würde Sascha am liebsten seinen Boss fragen, aber über dessen Reaktion wäre er bestimmt nicht erfreut. So befolgt er den Befehl und robbt in Richtung Hintertür. Genau dort schlägt eine dritte Kugel ein. Das Glas was sich im oberen Teil befindet, fällt in kleinen Splittern auf seinen Kopf. "Scheiße, wie konnte der Kerl mich sehen?" wirft er seine Überlegung in den Raum. In einer Ecke sucht er Schutz. Dort sieht er auch, wie eine der vielen großen Terrassenfenster 3 Einschusslöcher aufweist. "Der Kerl muß irgendwo vor dem Haus sein. Ich versuche mal mit dem Spiegeltrick seinen Standort zu bestimmen, dann rufe ich Hendrik an, daß er so schnell wie möglich herkommen soll. Wir 2 halten in der Zeit den Bastard etwas in Schach und Bingo, sitzt er schneller in der Falle als er denkt." "Quatsch nicht so viel, unternimm endlich was." blafft ihn sein Boss nur an, anstatt ihm für seinen Idee dankbar zu sein. Aber genauso kennt ihn Sascha. Dieser Heckenschütze kann ihn unmöglich sehen, als er flach auf dem Boden liegend in Richtung eines kleinen Spiegels kriecht, welcher auf einem Sideboard steht. Kaum hat er sich dorthin in Bewegung gesetzt, trifft eine vierte Kugel genau diesen Spiegel und er fällt zwischen Wand und Flachstrecke, unerreichbar für Sascha. "Das kann nicht sein. Kann der Kerl Gedanken lesen?" will dieser wissen. Doch sein Boss hat da eine andere Theorie. Völlig unerwartet greift er auf den Schreibtisch und holt sich von dort den Briefumschlag, worin die CD geliefert wurde. "Was hast du vor?" will sein Mitarbeiter wissen. Doch Alexej hält sofort seinen rechten Zeigefinger an den Mund, so schweigt sein Mann augenblicklich. Orlow hat seine Waffe auf den Boden gelegt und tastet nun die Luftpolster des Umschlages ab. In einem spürt er etwas. Er holt sein Taschenmesser aus der Hose und schneidet den Umschlag auf. Eine Abhörwanze, so groß wie eine Uhrenbatterie fällt auf den Boden.
"Verdammter Scheißkerl." sagt Sascha. Schon holt sein Boss mit dem Griff des Messers aus und schlägt ihn auf die Wanze. Sie zerbricht.

Ein lautes Pfeifen macht sich in Maik´s Ohr bemerkbar. Er greift ruckartig dorhin und entfernt den Sender aus seinem rechten Ohr. Die kleine Überraschung war entdeckt wurden. Verdammt schnell, das muß er ungelogen zugeben. Orlow hatte Recht gehabt mit seiner Vermutung, daß der unbekannte Schütze ganz in der Nähe ist. Maik hatte sich zu einem Haus unbefugten Zutritt verschafft, an dem "ZU VERKAUFEN" gestanden hatte. Dort war er in die obere Etage gegangen und hatte sich mit seinem Scharfschützengewehr am Fenster postiert. Seit dem dieser Zusteller vorgefahren war, seit dem hatte er durch das Zielfernrohr geschaut und alles beobachtet. Dank der großen Fenster hatte er auch einen wunderbaren Einblick in das Haus des Drogendealers gehabt. Durch das Präzisionsfernglas und die Wanze hatte er alles in dem Zimmer mitbekommen und auch, wie dieser Kerl zum Schluss der CD richtig schön ausgerastet war. Die Idee, am Ende das Video von diesem Western einzubringen, fand Maik besonders amüsant.
Aber jetzt muß er verschwinden, und zwar schnell. Denn nun kann er nicht mehr hören, was diese beiden Kerle in dem Haus sprechen und planen. Schnell baut er sein Gewehr auseinander und verläßt genauso unauffällig das Haus, wie er es betreten hatte.

Sascha hatte, nachdem sein Boss die Wanze zerstört hatte, Hendrik angerufen. Ihm die Situation geschildert und hierher zittiert. Dieser wollte mit 4 Männern dort auftauchen und in der Nähe des Hauses nach dem Schützen suchen.
Auch 15 Minuten später war von ihm nichts zu hören. Alexej und Sascha blieben in der Zeit in Deckung. Erst wenn Hendrik zurückruft und Bescheid sagt, daß er auf Posten ist, erst dann werden die Männer in dem Haus den Todesengel weiter beschäftigen. Das Handy von Orlow klingelt und er geht genervt ran. "Man, wo bleibst du denn?" Doch es ist nicht Hendrik, sondern einer von seinen Kunden der sich beschwert, daß die Drogen noch immer nicht in dem Versteck liegen. "Ich weiß. Es gab mit der Auslieferung ein kleines Problem. In 3 Stunden wird das Rauschgift zur Abholung bereit liegen. Ich lege als Entschädigung noch 100 gr. oben drauf."
Gerade als der Russe das Telefonat beendet, klingelt das Handy von Sascha. Hendrik ist mit seinen Leuten auf Posten.
"Also gut. Beschäftigen wir mal diesen kleinen Drecksack." sagt er zu seinem Boss. Zieht seine Waffe und erhebt sich etwas. Doch nichts passiert. Kein Glas klirrt, kein Schuss streift ihn um Haaresbreite. Selbst als er sich langsam erhebt, passiert nichts. Alles bleibt still und friedlich. Doch seine Sinne sind weiterhin hoch konzentriet. Bereit, bei dem kleinsten Geräusch sofort in Deckung zu gehen.
Auf der Straße sieht er seine Männer und wie diese die Gegend kontrollieren. Schließlich gehen 2 von ihnen in ein leerstehendes Haus. "Ich habe das dumme Gefühl, daß der Kerl bereits über alle Berge ist." sagt Sascha zu seinem Boss.
"Ach nein, sag bloß." gibt dieser sarkastisch zur Antwort. "Bring mir diesen Kerl oder du wirst deinen gutbezahlten Posten schneller verlieren, als du Todesengel buchstabieren kannst." sagt Orlow sauer. "Ich gebe dir dafür 2 Tage Zeit. Außerdem werde ich dir dein Gehalt kürzen. Und falls du wissen willst wieso? Weil du Trottel nicht bemerkt hast, daß du bei deiner Tour beobachtet und gefilm wurdest und auch dafür, weil ich jetzt allen Kunden, die ihre Ware nicht vorgefunden haben, 100 gr. Heroin als Entschädigung dazugebe. Diesen Verlust werde ich durch dein Geld ausgleichen."
"Das ist gerecht." sagt Sascha, findet dies aber ganz und gar nicht. Aber was soll er machen? Gegen seine Boss rebellieren? Niemals, dann kann er sich gleich selbst seine Waffe in den Mund stecken und abdrücken. Ohne ein weiteres Wort geht Sascha zu dem kaputten Laptop und nimmt ihn mit. Vielleicht findet er auf der CD einen Hinweis wer dieser "Todesengel" ist.

50.

Als Maik zurück zur Pension fährt, ist er hochzufrieden. Man, war dieser Russe vielleicht sauer, als er sich die CD angeschaut hatte. Tayler hatte noch gehört, daß dieser Sascha sich die Aufnahme genauer ansehen will um etwas über diesen geheimnisvollen Todesengel herauszubekommen. Aber er wird keinen Erfolg haben. Der ehemalige Polizist hatte sich das Video mehrfach angesehen und nichts entdeckt, was ihn verraten könnte. Der Kerl wird sich daran die Zähne ausbeißen.
Als der schwarze Silverado die letzten paar Kilometer zurücklegt, fängt es an zu Nieseln. Aber Maik stört es nicht. Heute Nachmittag wird er es sich in der kleinen Pension gemütlich machen. Bianca anrufen und mal wieder ruhig zu Abend essen. Vielleicht 1 oder 2 Gläser Bier dazu trinken und danach, ab ins Bettchen. In den letzten Tagen hat er nicht viel Schlaf bekommen, aber bald wird der Alltag zurückkehren. Wenn er dann am Morgen aufwacht, wird seine süße Krankenschwester neben ihm liegen. Sie wird wie immer sein Pyjamaoberteil tragen und so herrlich nach dem Lavendelparfüm riechen. Über Maiks Gesicht huscht ein zufriedenes Lächeln. Ach, er sehnt sich so sehr nach Biancas zärtliche Streicheleinheiten, ihrem herzlichen Lachen und ihre schelmischen Augen. Noch vor 2 Jahren hatte es nichts wichtigeres für ihn gegeben, als seinen Job. Doch mit dem Tod seiner Freundin war alles anderes geworden. Erst ab da hatte Maik begriffen, wie schnell das Leben zu Ende sein kann. Nun war er soweit, eine kleine Familie zu gründen und einer geregelten Arbeit nachzugehen. Er war nicht mehr bereit sein Privatleben hinten anzustellen und nur für seine Sondereinheit zu leben. Die Zeit würde er nie vergessen, aber jetzt war er älter, hatte eine neue Freundin und wollte diese unter keinen Umständen verlieren. Wenn er zurück in München ist, wird er sich nach einem Job als Sicherheitsberater umschauen. Festes Gehalt, regelmäßige Arbeitszeiten und ein eigenes Büro. Man, vor einigen Jahren hatte er solche Leute Spießer genannt, doch jetzt war er auf dem besten Weg, selbst einer zu werden und es klang gar nicht mal so schlecht.
Mit diesen herrlichen Zukunftsaussichten im Kopf, biegt er in die Pension ein. Der Regen hatte zugenommen und so wie es aussieht, würde er länger anhalten. Mit einem zufriedenen Grinsen, betritt er die Pension. "Hallo schöne Frau." sagt er zu der älteren Dame an der Rezeption. "Man, was für ein Wetterchen." Ungläubig schaut sie ihren Gast an. "Ist bei ihren alles in Ordnung?" will sie wissen. "Ja, und wie. Es könnte nicht besser sein. Morgen fahre ich zurück zu meiner Freundin." Die Frau lächelt verständnisvoll. Maik nimmt gleich 2 Stufen mit einmal. Er muß jetzt unbedingt Bianca anrufen und ihr sagen, daß er Morgen Abend wieder zu Hause ist. Zu Hause, man, wie gut das klingt.
Als er sein Gästezimmer betritt, fällt sein Blick als erstes auf den frischen Blumenstrauß der auf seinem Tisch steht.
Genau, Blumen. Die muß er für Bianca auch noch besorgen und diese Reise buchen, die er ihr versprochen hatte. Dies alles wird er Morgen Vormittag erledigen.
Das Thema Alexej Orlow ist für ihn abgehakt. Alles weitere werden dessen Drogenkunden klären, denn Maik hatte nicht nur die geheimen Verstecke geleert, sondern noch eine kleine Vorkehrung getroffen, damit diese nicht gleich wieder gefüllt werden konnten. Oh man, diese Drogenkäufer werden vielleicht sauer auf den Russen sein. Eine einfache Entschuldigung wird da nicht reichen.
Maik nimmt das Festnetztelefon von der Ladestation und wählt die Nummer seiner Freundin.

Sascha war mit Hendrik und den anderen zurück zum Flugplatz gefahren. Sein Boss war nicht mitgekommen, da er geschäftliche Termine zu erledigen hatte.
Gleich als sein Mitarbeiter auf dem Airportgelände angekommen war, hatte er 6 von den Männern beauftragt, die toten Briefkästen erneut zu füllen. Jeden von ihnen hatte er einen Zettel mitgegeben, wo sich die geheimen Drogenumschlagplätze befanden. Die Kinder konnten sie diesmal nicht einsetzen, das hätte zulange gedauert. Die Käufer waren eh schon sauer genug.
Bereits seit einer Stunde sitzt Sascha an dem alten Tisch mitten im Hangar und schaut sich auf einem neuen Laptop die CD von diesem "Todesengel" an. Er kann jedoch darauf nichts entdecken, was ihm Aufschluss über die Identität des Kerls gibt. Es ist zum verrückt werden. Jeder macht mal einen Fehler, auch so ein Survival-Man. Saschas Augen brennen von dem andauernden Blick auf den Monitor. Er reibt sie sich, da klingelt sein Handy. Müde greift er danach. "Ja." Einer von den Leuten die die Briefkästen füllen sollten, ist am anderen Ende. Sein erster Satz lautet: "Ich glaube, wir haben ein kleines Problem." Wie oft schon hatte Sascha diesen Satz in letzter Zeit hören müssen und ständig hatte die Aussage etwas mit diesem anscheinend unsichtbaren Bastard zu tun. "Was gibt es nun schon wieder?" will der Mann am Schreibtisch resigniert wissen.
"Ich habe zwar das Versteck problemlos gefunden wo ich die Drogen reintuen soll, aber. . . "
"Was aber?" Einfach nur noch abgespannt und genervt hört Sascha den Ausführungen seines Mannes zu.
"Naja, wie soll ich dir das erklären?"
"Versuch es doch mal mit Worten." sagt Sascha ruhig, dabei schließt er seine Augen und fährt sich mit der linken Hand ins Genick. Sein Nacken schmerzt und so langsam machen sich Kopfschmerzen breit.
"Das kann man schlecht in Worte fassen. Ich schicke dir eine MMS." Und schon hat der Mann aufgelegt. Es dauert nur einige Sekunden und eine Melodie verrät, daß die Bildmitteilung angekommen ist. Sascha öffnet sie und kann kaum seinen Augen trauen, was er da sieht. Meistens befanden sich die toten Briefkästen hinter lose sitzenden Steinen in einer Mauer aus vielen gleichaussehenden Ziegelsteinen. Wer nicht genau weiß, wo der entsprechende Stein locker ist, der kann lange suche. Auch hier hätte es eigentlich so sein müssen, doch anstatt des lockeren Steins konnte man auf ein mit Bauschaum ausgefülltes Stück Mauerwerk blicken. In dem breits hart gewordenen Polyurethanschaum steckte wieder einmal die Visitenkarte mit dem Todesengel. Irgendwie war Sascha nicht überrascht. Wieder klingelt das Telefon und sein Mann meldet sich erneut. "Hast du die MMS bekommen? Was soll ich jetzt machen?"
Ja, was soll er nun machen? Sascha weiß darauf auch keine Antwort. Die Drogenkäufer wissen von dem geheimen Versteck und nur von dem. Das Zeug einfach woanders zu verstecken, war sinnlos. Genauso sinnlos wie es war, jeden einzelnen Kunden anzurufen und ihm zu erklären, daß der große Drogenbaron Alexej Orlow von einem kleinen unbekannten Wichser an der Nase herumgeführt wird.
"Bist du noch dran?" will der Mann am anderen Ende wissen.
Sascha reibt sich mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand seine Augen. Er überlegt angespannt. "Ja, ich bin noch dran. Leg das Zeug einfach auf den Boden und mach dich auf den Weg zu den anderen Briefkästen."
"Was soll ich? Die Drogen einfach so auf den Boden legen. Bist du dir sicher? Wenn die jemand klaut?"
"Das wird schon niemand. Ich überleg mir später was anderes. Jetzt müssen erst einmal die Kunden zufrieden gestellt werden." Alexej´s Mann unterbricht die Verbindung, aber schon wieder klingelt es.
"Ja."
"Äh, ich wollte die Drogen gerade hinterlegen, aber . . . "
"Ich weiß, es gibt ein Problem. Leg das Zeug einfach auf den Boden."
"Was soll ich?" fragt auch der zweite Mann überrascht nach.
Jetzt geht Sascha explosionsartig in die Luft. Er brüllt in den Hörer: "Du sollst das Scheißzeug auf den Boden legen! Rede ich so unverständlich!"
"Ist ja schon gut. Ich leg es dann einfach auf den Boden." Schnell unterbricht der Anrufer die Verbindung. Doch Sascha soll keine Ruhe bekommen. Wieder klingelt sein Handy. Diesmal wirft er es voller Wut gegen die Wand, dabei schreit er: "Verdammte Scheiße! Ich hasse diesen Kerl!"
Erschrocken sehen ihn seine restlichen Männer an.
"Was klotzt ihr so blöd? Habt ihr nicht zu tun?" Schnauzt er sie an. Um wieder runter zu kommen, verschränkt Sascha seine Finger hinter dem Kopf und läuft aufgebracht wie ein Panther im Kreis herum. Sein Puls rast, sein Körper ist mit Adrenalin vollgepumpt. Dieses Stresshormon läßt seine Herzfrequenz ansteigen. Sein Kopf scheint von dem ansteigenden Blutdruck zu explodieren.
Hendrik hebt die Überreste des Handy´s auf und geht zu Sascha. Alle starren ihn an. Ist er Lebensmüde geworden? Nur ein falsches Wort von ihm und Alexej´s rechte Hand geht wie eine Zeitbombe hoch.
"Hat das was mit dem Kerl der euch beschossen hat und dem Video zu tun, was du dir schon seit einer Stunde ansiehst?" will er wissen.
Zornig sieht Sascha zu ihm. Doch wiedererwartend geht er nicht hoch, sondern sagt sachlich: "Ja. Der Kerl legt einen nach dem anderen von unseren Leuten um, läßt die Drogenübergabe platzen und macht sich noch über uns lustig. Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wer der Kerl ist. Auf alle Fälle ein Profi, aber das bringt mir gar nichts."
"Vielleicht kann ich dir helfen. Zeig mir doch mal das Video. 4 Augen sehen manchmal mehr als 2."
Warum nicht, was hat Sascha schon zu verlieren? Wenn Alexej nicht binnen von 2 Tagen weiß wer der Kerl ist, dann kann er sein Testament machen. So geht er zu dem Tisch zurück, setzt sich hin und läßt das Video erneut laufen. Sascha kennt es schon fast auswendig. Hendrick legt die Reste vom Handy auf den Tisch und schaut sich die Aufnahme an. Als am Ende dieser Soundtrack läuft, muß er schmunzeln. "Humor hat der Kerl jedenfalls." sagt er. Doch ein Blick in die Augen seines Vorgesetzten lassen ihn sofort erschauern. "Sorry, ist mir nur so rausgerutscht." versucht er zu schlichten. "Kann ich es noch einmal sehen?"
"Da ist nichts. Ich habe mir das Ding mindestens schon 150 mal angeschaut. Der Kerl macht einfach keinen Fehler."
"Vielleicht sehen wir ihn nur nicht. Laß das Video mal etwas langsamer laufen."
Wieder startet Sascha die Aufnahme, diesmal etwas langsamer. Die Stimme des mysteriösen Todesengels klingt verzerrt und unrealistisch. Als sie an der Stelle sind, wo der Kerl sein Feuerzeug in die Kiste wirft und es die kleine Explosion gibt, sagt Hendrik plötzlich: "Hast du das gesehen?"
Aber Sascha hat nichts gesehen. "Was meinst du?"
"Geh noch mal zu der Stelle zurück, kurz bevor er das Feuerzeug fallen läßt und nimm noch etwas mehr Geschwindigkeit raus."
Was soll das bringen? Da ist nichts, denkt sich Sascha, aber er macht es.
Fast schon in Zeitlupe läßt der Mann in Sturmhaube und Sonnenbrille das Feuerzeug fallen. Eine Stichflamme steigt langsam hoch und die Kamera wackelt etwas. Hendrik drückt plötzlich auf den Pausenknopf. "Da ist es wieder."
"Was meinst du? Ich kann nichts sehen." sagt Sascha.
"Nicht der Kerl, schau dir mal die Glasscheibe da hinten an." Hendrik zeigt mit seinem Zeigefinger auf die rechte Seites des Bildschirms. Genau, jetzt erkennt es auch Sascha. Er vergrößert diese Stelle. Die Druckwelle von der Explosion war zwar nicht groß, hatte aber ausgereicht um die Kamera und eben diese Scheibe kurzzeitig zum Wackeln zu bringen. Doch das Bild war noch zu undeutlich. So vergrößert Sascha diesen Ausschnitt auf 150% und läßt auch ein spezielles Bearbeitungsprogramm starten. Langsam wird das Bild deutlicher. In der Scheibe kann man die Scheinwerfer eines Autos sehen, eines großen Autos, wie die von einem Geländewagen.
"Ich würde mit dir glatt um 1.000 Euro wetten, wenn das nicht das Auto von dem Kerl ist." sagt Hendrik freudig.
"Du hast Recht. Aber was für ein Fabrikat ist das?" will Sascha wissen.
Der Mann der neben ihm steht, zuckt mit seinen Schultern. "Keine Ahnung."
"Ich hab da vielleicht eine Idee." Nun ist Sascha wieder hochkonzentriert. Sie stehen kurz davor, den Kerl zu enttarnen. Schnell öffnet er das Internet und gibt bei Google als Suchbegriff: Pick up ein. Dann geht er auf Bilder und sofort werden alle Modelle angezeigt die es diesbezüglich gibt. Immer wieder vergleicht er die Fotos mit dem Bild in der Glasscheibe. Es ist kein Dodge, kein Ford, kein Nissan und auch keins der Fabrikate auf den ersten Seiten. Doch dann, auf der 5. Seite findet er den gesuchten Wagen. Die 2 untereinander angebrachten Scheinwerfer sind einzigartig. "Bingo." sagt Sascha mit einem Grinsen. "Der Kerl fährt einen Chevrolet Silverado."
"Blöd ist bloß, daß wir nicht noch das Nummernschild sehen können."
"Warte mal." Sascha schließt seine Augen, reibt sich mit beiden Händen die Schläfen und überlebt. "Irgendwo habe ich vor kurzem so ein Auto gesehen. Wo war das gleich?"
Plötzlich fällt es ihm wieder ein. Laut sagt er: "Richtig, an dieser Tankstelle."
"An welcher Tankstelle?" will Hendrik wissen.
"Gestern, als ich die Drogen verteilt habe, da hat meine Karre gesponnen. So bin ich an der nächsten Tankstelle rausgefahren. Gott sei Dank war es nur eine defekte Zündkerze, aber genau da habe ich das Auto gesehen."
"Kannst du dich an das Nummernschild erinnern?"
"Nein, aber ich weiß was." Sascha steht auf und geht zu dem dunkelgrünen Caddy. Mit dem Transporter ist einer von den Leuten unterwegs die die Drogen verteilen. Wortlos verläßt er die Halle und das Gelände.

Nach einer Stunde taucht er wieder auf. Hendrik kommt ihm sofort entgegen. "Wo warst du?"
"Ich habe mir das Überwachungsband aus der Tankstelle besorgt."
"Wie bist du daran gekommen?"
"Mit genügend Geld kann man alles kaufen." sagt er und geht zu seinem Laptop. Er setzt sich davor und schiebt nun diese CD ins Laufwerk. "Ich war so gegen 10 an der Tankstelle." sagt er und spult bis dahin vor. Als er seinen blauen Transporter sieht, hält er das Band an und geht wieder auf Normalgeschwindigkeit. Er sieht sich, wie er die Motorhaube öffnet. "Da." sagt er plötzlich und zeigt auf den Bildschirm. Zur gleichen Zeit fährt dieser schwarze Pick up auf das Gelände der Tankstelle. Der Fahrer reiht sich ordentlich in die Warteschlange an den Zapfsäulen ein. Geduldig ausharrend, bis er dran ist. Noch ist die Überwachungskamera so eingestellt, daß man sein Gesicht nicht sehen kann. Doch irgendwann muß er ja aussteigen um zu tanken. Der Fahrer des blauen Transporters geht in die Tankstelle. Endlich, der Pick up ist an der Reihe und der Fahrer steigt aus. Aber er steht so schlecht, daß man nur seine rechte Gesichtshälfte sehen kann.
"Kennst du den Kerl?" fragt Hendrik.
"Nein. Der sagt mir nichts. Vielleicht bekommen wir noch ein besseres Bild."
Der unbekannte Mann hängt die Zapfpistole in seinen Tank, dann scheint er zu telefonieren. Dabei verläßt er die Tankstelle und geht wie zufällig zu dem blauen Transporter. Wieder steigt Saschas Blutdruck an. Hat der Kerl vielleicht ins Innere seines Autos geschaut? Dann hat er garantiert auch die Kinder gesehen. Doch er tut nichts dergleichen. Für einige Sekunden verschwindet er hinter dem Auto und wird so von der Kamera nicht mehr erfaßt. Gleich darauf taucht er wieder auf. Jetzt kann man auch ganz deutlich sein Gesicht sehen. Sofort hält Sascha das Bild an und vergrößert es. "Das kann jetzt nicht wahr sein." sagt er überrascht. "Was ist, kennst du den Kerl doch?" "Und ob." Schnell rückt er mit seinem Stuhl etwas nach hinten und kommt so an eine Schublade heran, die sich unter dem Tisch befindet. Darin liegen Massen von irgendwelche Papiere. Nach einigem Suchen findet er das Objekt der Begierde, eine neutrale gelbe Mappe. Nachdem er die Schublade wieder geschlossen hat, öffnet er die Dokumentenmappe und ein Foto von Maik Tayler ist zu sehen. "Das ist dieser Bulle der uns schon bei der Entführung von dem Millionärssöhnchen dauert dazwischen gefunkt hat. Aber ich dachte, der ist Tod."
"Anscheinend nicht oder er hat einen Zwillingsbruder."
"Jetzt paßt auch alles zusammen." Sascha schneidet das Bild aus dem Tankstellenvideo aus und kopiert es in eine Dokumentendatei.
"Was hast du vor?" will Hendrik wissen.
"Ich werde das Foto und die Beschreibung seines Wagens an alle Informaten schicken. Und bereits heute Abend werden wir wissen, wo der Kerl untergekrochen ist."

Ahnungslos, daß sich nicht nur dunkle Wolken draußen am Himmel zusammenziehen, sondern auch über seinem eigenen Kopf, telefoniert Maik noch immer mit seiner Freundin. Sie lachen hin und wieder herzhaft.

51.

Gegen Abend hat der Regen noch zugenommen. Der Feierabendverkehr quält sich durch die Straßen. Die Menschen die zu Fuß unterwegs sind, versuchen sich mit ihren Schirmen vor den Wassermassen die von oben kommen zu schützen. Keinen Schutz dagegen haben sie von unten. Autos fahren durch große Pfützen und machen die Fußgänger nass. Viele von ihnen schimpfen über die Unvernunft der Fahrer, doch diese hören es nicht und setzen unbeirrt ihren Weg fort.
Ein blauer Kleintransporter verläßt gerade die stark befahrene Bundesstraße und biegt in eine Tankstelle ein. Auf dem Dach ist eine Leuchtschrift angebracht: Die Ludolf-Tankstelle ist für sie 24 Std. geöffnet. Der Fahrer des Autos hat nicht die Absicht zu tanken. So parkt er sein Fahrzeug gleich neben dem Eingang und betritt wenig später die Verkaufsräume. "Grüß dich Karl." sagt er zu dem Besitzer. Dieser ist schon älter, seine Haare bereits grau. Er trägt wie immer einen Blaumann der seinen gut genährten Körper etwas schlanker aussehen läßt.
"Hey Tomi, du warst aber schon lange nicht mehr da." Dann schaut der Mann hinter der Kasse nach draußen zu dem Transporter. "Sag mal, hast du deinen Suburban gegen diese alte Karre eingetauscht?"
"Nein, wo denkst du hin. Mit dem Transporter fahre ich nur Sachen aus."
"Was für Sachen?"
"Das ein oder andere." blockt Tom der Fahrer sofort ab. "Ich habe auch nicht viel Zeit. Ich brauche wieder mal paar belegte Brötchen."
"Klar doch. Und wieviele?"
"3 Stück."
"Du kaufst auch ständig weniger? Schmecken meine Brötchen deinen Freunden nicht mehr?" will der Mann wissen.
"Doch doch, aber die Meisten essen zu Hause." lügt der Fahrer. Denn er kann dem Tankstellenbesitzer nicht die Wahrheit sagen. Diese wäre, daß sie immer weniger entführte Kinder haben, weil sich sein Boss mehr auf das Waffengeschäft konzentriert und dieses ausbauen will. Die Drogen werden zunehmend sein 2. Standbein und nicht mehr Haupteinnahmequelle. Aber Tom ist es egal. Hauptsache er bekommt pünktlich seinen Anteil. Alles andere interessiert ihn nicht.
Nachdem er bezahlt hat, verläßt er die Verkaufsräume der Tankstelle und geht zu dem Transporter. Da es sehr stark regnet, hat sich rings um das Auto eine große Pfütze vom ablaufenden Nass gebildet. Tom öffnet die Tür und will einsteigen, plötzlich stutzt er. Was war das? Hat er es sich nur eingebildet oder blinkert unter seinem Auto wirklich ein kleines rotes Licht? So legt er die gekauften Brötchen auf den Sitz und schließt die Tür erneut. Langsam geht er wieder nach hinten. Nein, er hat es sich nicht eingebildet. In einer Pfütze spiegelt sich ein Teil des Unterbodens und genau an dieser Stelle geht rhythmisch blinkend ein kleines rotes Licht an und aus. Was ist das? Er kniet sich hin und schaut unter das Auto. Als er sieht was es ist, schießt sein Blutdruck in die Höhe. Unter dem Transporter befindet sich ein Peilsender. Scheiße ! ! ! Wie lange hängt der schon dort und wer hat ihn angebracht? Was soll er machen? Zum Flugplatz kann er mit diesem Ding unmöglich fahren. Vielleicht wird er noch immer überwacht? Er schaut sich um, aber ihm fällt nichts verdächtiges auf. So holt er sein Handy aus der Hosentasche und will Sascha anrufen. Doch es kommt nur eine Bandansage: "Diese Nummer ist vorübergehend nicht erreichbar." Wie auch, Sascha hatte vor Wut sein Handy gegen die Wand geworfen. Nervös läuft der Fahrer hin und her. Dabei überlegt er, was er machen soll. Karl, der Tankstellenbesitzer sieht es und kommt nach draußen. "Ist was mit dem Auto?" will er wissen.
"Nein. Mir hat bloß jemand nen Peilsender an den Arsch geklebt."
Etwas irritiert schaut Karl ihn an. "Was hat dir jemand?"
"Nen Peilsender an den Arsch geklebt." sagt Tom aufgeregt.
Der Besitzer der Tankstelle glaubt an einen Scherz. So schaut er dem Fahrer auf den Hintern und sagt grinsend: "Also ich kann nichts sehen."
"Man, laß den Scheiß. Ich meine es ernst." sagt Tom. Nervös läuft er hin und her, fährt sich mit den Fingern durch die Haare, als ob er dadurch sachlicher denken könnte.
"Ich meine es auch ernst. An deinem Hintern klebt nichts." antwortet Karl lächelnd. Tom schaut ihn böse an. Jetzt erst begreift der Mann, daß es kein Witz ist. "Ok ok. Ich sehe schon, du machst keinen Scherz. Also, wo hast du den Peilsender gesehen?"
Tom zeigt auf die Pfütze am Auto und nun sieht auch der Tankstellenbesitzer das blinkende Licht. "Hey, dir hat ja wirklich jemand einen Peilsender an den Arsch geklebt."
"Denkst du, ich mache mit so etwas Spaß? Ich muß das Teil loswerden."
"Warum machst du ihn dann nicht einfach ab?" will Karl wissen.
Wieso ist Tom nicht selbst auf diese banale Idee gekommen? So kniet sich der Fahrer erneut hin und entfernt den Sender, der nur durch einen Magneten am Unterboden hält. Mit dem Daumen stellt Tom einen kleinen Schalter von on auf off und sogleich geht das rote Licht aus.
"Siehst du, war doch ganz einfach und hat gar nicht weh getan." sagt der Tankstellenbesitzer scherzhaft, klopft Tom dabei auf die Schulter. Er kann schließlich nicht wissen, welchen Ärger dieses Teil dem Fahrer einbringen kann.
"Ich möchte bloß wissen, warum dich jemand mit dem Ding überwachen will? Bis du an was illegalem beteiligt und dieser Sender gehört den Bullen? Oder gehst du deiner Freundin fremd und sie hat nen Detektiv beauftragt deine Fahrtroute zu kontrollieren. Schau mal sicherheitshalber auch unter deinem Suburban nach. Vielleicht hat dieses kleine Ding..." Der Mann zeigt auf den Peilsender in Tom´s Hand "... noch einen kleinen Bruder."
Damit hat der Besitzer der Tankstelle natürlich Recht. Wer weiß, vielleicht haben auch die anderen Autos so ein Teil am Boden kleben. Tom muß so schnell wie möglich zum Flugplatz zurück und Sascha sagen, was er entdeckt hat.

Dieser sitzt noch immer am Laptop. Er hatte versucht über das Nummernschild des Pick up´s an die Wohnanschrift des ehemaligen Bullen zu kommen. Doch die Suche war erfolglos. Laut Meldedaten wohnt Maik Tayler noch hier in der Stadt. Sascha hatte mit dem Handy von Hendrik einen Kontaktmann angerufen und zu besagter Wohnung geschickt. Aber diese stand leer. Und so wie der Briefkasten mit Werbung überfüllt war, schon seit längerer Zeit.
Toll, somit ist Sascha wieder bei 0 angekommen. Alexej Orlow, sein Boss, will aber Erfolge sehen. Doch damit kann er nicht dienen, noch nicht. Aber sobald dieser Bulle oder besser gesagt, dieser Todesengel, sich in der Stadt blicken läßt, wird er es erfahren und den Kerl zu einem toten Engel machen.
Das Tor zum Hangar wird geöffnet und der blaue Transporter fährt hinein. 2 Männer schließen es sofort wieder. Tom steigt aus und geht mit den Brötchen in der einen Hand und den Sender in der Anderen zu dem Mann am Tisch. Sascha schaut nur kurz auf, dann sagt er: "Die Brötchen kannst du gleich den Bälgern bringen."
"Ja, sofort. Zuvor muß ich dir unbedingt was zeigen." Tom legt den Peilsender auf den Tisch.
Sascha sieht ihn verwundert an. "Das ist ein Peilsender. Und?"
"Rate mal, wo ich den her habe?"
"Laß mich mit deinen blöden Ratespielchen in Ruhe, ich habe wichtigeres zu tun." blafft Sascha ihn an und arbeitet weiter am Rechner.
"Der hat unter dem Transporter geklebt." sagt Tom unbeirrt.
Durch diese Aussage hat er nun die volle Aufmerksamkeit von Sascha. Der muß sofort an das Video denken, was diese Tankstellenkamera aufgenommen hatte. Der Bulle war an dem Transporter mit den Kindern. Man konnte nur nicht sehen, was er dort getrieben hatte. Jetzt war es klar.
Sascha nimmt mit einem Grinsen den Peilsender in die Hand und sagt amüsiert: "Du kleiner Wichser. So also hast du mich beobachtet und die toten Briefkästen gefunden."
Tom hatte angenommen, daß Sascha ausrastet wenn er von dem Sender hört, aber dieser reagiert völlig anders. So fragt sein Mann: "Hab ich was verpaßt?"
Lächelnd sagt Sascha: "Ich weiß jetzt, wer dieser Scherzkeks mit den Visitenkarten ist. Und auch, daß dieser Sender auf das Konto von dem Dreckskerl geht. Aber schon bald werden wir ihn in die Finger kriegen. Mal sehen, ob er unsere kleinen Spielchen auch so lustig findet."
Das Funkgerät was auf dem Tisch liegt geht an. "Hey Sascha. Ich will dich nur vorwarnen. Alexej ist gerade durchs Tor gefahren und er scheint echt schlechte Laune zu haben."
"Oh oh, das riecht nach Ärger." sagt Sascha und Tom macht sich sofort aus dem Staub. Er bringt den Kindern die Brötchen von der Tankstelle. Es dauert nicht lange und Alexej kommt in die Fliegerhalle gestürmt. Als er Sascha entdeckt, geht er energisch zu ihm. Bereits von weitem brüllt er ihn an: "Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Wieso hast du dein scheiß Handy aus? Ich versuche dich schon seit einer Stunde zu erreichen! Ständig bekomme ich Anrufe von Kunden die sich über die Zustellung ihrer Ware beschweren!"
"Ich weiß, es gab paar Probleme bei der Zustellung der Drogen." Versucht sich Sascha zu rechtfertigen. "Ich hoffe, daß trotzdem jeder bekommen hat wofür er gezahlt hat."
"Zum Glück ja. Ansonsten hätte ich dir sofort eine Kugel in deinen verdammten Schädel gejagt." Alexej sieht das kaputtes Handy von Sascha auf dem Tisch liegen. "Was ist damit passiert?" will er wissen.
"Es ist mir runtergefallen. Ich besorge mir gleich Morgen ein Neues."
"Runtergefallen?" fragt sein Boss misstraurisch. Er scheint sich wieder beruhigt zu haben.
"Ja und dann ist noch ein Auto darüber gefahren."
"Das ist mir Scheißegal was mit deinem Handy passiert ist. Ich verlange von dir, daß ich dich 24 Std. lang erreichen kann. Selbst wenn ich dich anrufe weil mir der Hintern juckt, hast du anzutreten. Klar?" Alexej scheint sich noch nicht wirklich beruhigt zu haben.
"Ist klar." Bestätigt Sascha kleinlaut.
"Gut, lassen wir das. Hast du was neues über diesen Mistvogel, diesem Todesengel wie er sich nennt, in Erfahrung gebracht." fragt sein Boss und schaut auf den Laptop.
Jetzt kann Sascha punkten. "Und ob. Ich habe einen Namen und ein Gesicht dazu. Ich weiß nur noch nicht, wo er untergekrochen ist. Aber es ist ein alter Bekannter." Alexej´s Mann greift zu der gelben Mappen die auf dem Tisch liegt. Dreht sie zu seinem Boss und öffnet sie.
"Wieso zeigst du mir das Bild von diesem toten Bullen?" will der Russe wissen.
"Weil der Kerl gar nicht Tod ist. Er ist quicklebendig. Ed hat ihn nicht in den Himmel geschickt. Nein, er wandelt noch auf dieser Erde." Sascha kostet seinen Triumph etwas zu lange aus.
Orlow sieht ihn scharf an und sagt: "Ich hab´s ja kapiert. Vielleicht ist er bei diesen Evans untergekommen?"
"Nein, das habe ich schon gecheckt. Die sind bereits seit einer Woche in London. Der Kerl eröffnet dort irgend eine neue Filiale. Die Familie hat er mitgenommen."
Der Russe sieht auf das Photo von Maik. Leise fragt er: "Also, in welchem Rattenloch hast du dich dann versteckt?" Alexej sieht zu Sascha auf. "Hast du mal die Hotels und Pensionen kontrolliert?"
"Nein, aber es würde mich auch wundern wenn der Kerl, falls er wirklich in einem ist, sich unter richtigen Namen eingetragen hat. Nein, ich hatte da eine viel bessere Idee."
"Und die wäre." fragt sein Boss interessiert.
"Ich habe das Foto von dem Kerl und von dem Wagen den er fährt, an alle Kontaktleute geschickt. Sobald er von einem gesehen wird . . . Bingo, bekomme ich einen Anruf und wir haben ihn."
Sein Boss sieht auf das kaputte Nokia und fragt: "Etwa einen Anruf auf dieses Handy?"
Wieder einmal hat Sascha ein Fettnäpfchen voll erwischt. Klar, sein Telefon ist ja im Arsch. Wie konnte er dies vergessen.
"Und deshalb wirst du immer die zweite Geige spielen, weil du niemals eine Sache bis zum Ende durchdenkst." Sein Boss dreht sich um. Dann ruft er zu einem seiner Mitarbeiter: "Gregor, komm her!"
Dieser kommt fast angerannt. "Ja Boss?"
"Gib mir dein Handy." Fordert Alexej und hält ihm die Hand hin. Anstandslos rückt Gregor sein Handy heraus.
"Du kannst wieder verschwinden." sagt der Russe und der Mann geht zurück auf seinen Posten.
"Hier." Orlow wirft das Telefon zu Sascha. "Paß aber diesmal besser auf, daß es dir nicht wieder herunterfällt." Sagt er ironisch zu seinem Mitarbeiter.
"Werde ich." bestätigt Sascha und wechselt die SIM-Karten aus. Bis jetzt hatte niemand versucht, ihn zu kontaktieren.
"Und?" will Alexej wissen.
"Nichts."
"Wielange ist es her, daß du deine Kontaktleute beauftragt hast nach dem Kerl Ausschau zu halten?"
Sascha sieht auf seine Uhr. "Ca. 3 Stunden."
"Und womit hast du sie animiert, damit sie nicht nur schauen, sondern intensiv nach dem Bastard suchen?"
"Animiert?" fragt Sascha.
"Muß ich denn hier alles allein machen." Stellt Orlow resigniert fest. "Sag deinen Leuten, wer mir den Kerl bringt, der bekommt 5.000 Euro. Aber ich will ihn lebend haben."
"Ein Kopfgeld aussetzen. Klar, warum bin ich nicht auf die Idee gekommen." sagt Sascha und schlägt sich mit der flachen Hand auf die Stirn. Dann setzt er sich wieder an den Rechner und gibt die neue Suchanzeige sofort heraus.
Sein Boss sieht ihn dabei grinsend zu. "Du wirst sehen wie schnell er von einen deiner Leuten entdeckt wird. Für 5.000 Euro lohnt es sich jeden Stein umzudrehen." Für Orlow ist damit die Sache erst mal erledigt. Er sagt: "Ich werde jetzt nach Hause fahren und mich auf´s Ohr legen. Sobald du die Kopfgeldprämie für den Schweinehund auszahlst, will ich angerufen werden."
"Geht klar Boss." sagt sein Mitarbeiter und schickt die letzte Mail los. Jetzt ist warten angesagt.

Maik ißt gerade zu Abend. Hätte er da schon gewußt, daß sich so langsam eine Schlinge um seinen Hals legt und immer enger wird, wäre er noch heute Nacht zurück zu Bianca gefahren.

52.

In der Nacht hatte der Regen aufgehört und der Himmel lockerte sich auf. Sogar die ersten Sterne konnte man schon wieder sehen. Vögel zwitscherten fröhlich ihre Morgenlieder und kündigten den neuen Tag an. Doch noch lag die Stadt in ihren Träumen, die Stadt und auch diese Pension etwas Abseits vom Trubel. Hier waren nur die Kinder der Gäste Frühaufsteher. Alle anderen blieben länger in ihren Betten. Wie auch der Gast in dem Zimmer mit der Nummer 3.
Maik schläft noch tief und fest. Er hatte gestern zum Abendbrot 3 Bier getrunken und war erst kurz vor Mitternacht ins Bett gegangen. Noch lange hatte er sich mit der Besitzerin der Pension unterhalten. Wie schön es hier ist und daß er sehr gern mit seiner Freundin wiederkommen würde. Ach Bianca, wie vermißt er sie. Doch schon heute Nachmittag wird er sie wieder in seinen Armen halten.

Gegen 7 Uhr klingelt Maik´s Handywecker. Müde macht er ihn aus. Warum hatte er ihn überhaupt gestellt? Plötzlich fällt es ihm wieder ein und er muß zufrieden lächeln. Stimmt ja, er will heute Früh noch mal schnell in die Stadt fahren. Blumen für Bianca kaufen und endlich diese Reise buchen. Mit beiden Geschenken wird er seine Geliebte heute Nachmittag vom Dienst abholen. Diesmal ist es an ihm, sie zu überraschen. Vielleicht gehen beide dann noch schön Essen. Maik wird richtig leicht ums Herz als er sich Biancas Gesicht vorstellt, wie er mit den Blumen vorm Krankenhaus steht. Er dreht sich auf den Bauch, greift nach dem zweiten Kopfkissen auf dem seine Freundin vor einiger Zeit gelegen hatte und zieht es an sich heran. Mit einem tiefen Atemzug versucht er Biancas Duft zu riechen. Aber er ist schon längst verflogen. Doch Maik stellt sich vor, wie Bianca immer so schön nach Lavendel duftet und schon glaubt er, ihn zu spüren. Wieder lächelt er zufrieden und Schmetterlinge fliegen in seinem Magen herum. Wie er diese Frau liebt, das kann er gar nicht in Worte fassen. Er könnte sich niemals verzeihen wenn ihr etwas passiert. Aus diesem Grund bricht er auch den Rachefeldzug gegen Alexej Orlow und seine Männer ab.

Das hauseigene Telefon klingelt und so muß Maik doch aufstehen. An der Nummer auf der Anzeige sieht er, daß es Bianca ist. "Guten Morgen mein Schatz." meldet er sich fröhlich. "Ich habe gerade an dich gedacht."
"Hoffentlich nichts schlechtes." scherzt sie. "Bevor ich zum Dienst muß, wollte ich dich noch fragen, wann du heute kommst. Vielleicht könntest du mich vom Krankenhaus abholen und wir gehen zur Wiedersehensfeier was schönes essen. Was hälst du davon?" Wieder muß Maik lächeln. Als ob seine Freundin Gedanken lesen kann. "Ja, das wäre wirklich schön. Ein netter Abend nur zu Zweit. Wann soll ich am Krankenhaus sein?"
"Ich habe kurz nach 15 Uhr Feierabend." sagt sie.
"Gut, ich werde da sein und beim Essen kannst du mir dann erzählen, was für eine Überraschung du für mich hast. Ich bin schon ganz neugierig."
Maik hört, wie Bianca leise lacht. "Ich bin auch gespannt was du dazu sagst."
"Kannst du mir nicht einen Tipp geben? Nur einen ganz Klitzekleinen." bettelt ihr Freund.
"Nein, ich will dein Gesicht dabei sehen." sagt sie und wieder lacht sie.
"Weißt du was? Ich habe da eine Idee. Du sagst es mir gleich und ich mache ein Handybild von meinem Gesicht. Das schicke ich dir dann."
"Du bist ein Spinner." Stellt sie kichernd fest. "Nichts da, du erfährst es erst heute Abend, nicht eher."
"Och man, du bist gemein." sagt Maik mit spielerischer Enttäuschung.
"So mein Schatz, ich muß jetzt wirklich los, sonst bekomme ich einen Anschiss von der Oberschwester. Bis heute um 3. Ich freue mich." sagt sie und gibt einen Kuss auf den Hörer.
"Ich mich auch." sagt Maik und erwidert den Kuss. Dann wird die Verbindung beendet.
Er würde zu gern wissen, was das für eine Überraschung ist, aber die paar Stunden kann er auch noch warten."
Maik geht unter die Dusche.

Sascha hatte diese Nacht kein Auge zugetan. Er hatte Angst gehabt einzuschlafen und sein Handy vielleicht nicht zu hören. Doch es hatte die ganze Nacht geschwiegen. Keiner von seinen zahlreichen Informanten hatten sich gemeldet und wollte die Kopfgeldprämie für diesen Bullen einfordern. Dementsprechend schlecht war auch heute Früh seine Laune. Die Drogentour drückte er einem anderen auf. Dazu hatte er heute wirklich keinen Bock. Auch blieben die Kinder in ihrem kleinen Gefangenenraum eingesperrt. Sein Mann mußte die Verteilung alleine durchziehen. Bald hätten sie eh keine Kids mehr. Das letzte der 3 Kinder die noch in ihrer Gewalt sind, würde in 5 Tagen zu seinen Eltern zurückkehren.
Sascha braucht unbedingt einen starken Kaffee und was zu Essen. So verläßt er mit dem grünen Caddy den Flugplatz. Am Tor meldet er sich ab. "Falls mich der Alte sucht. Ich bin gleich wieder da. Ich fahre nur mal schnell zur Tankstelle." Der Mann am Tor nickt nur.

Soeben hat Maik seine letzten Sachen zusammengepackt. Jetzt wird er Frühstücken und dann noch mal schnell in die Stadt fahren, wegen den Blumen und der Reise. Mit einem fröhlichen Pfeifen verläßt er sein Zimmer und geht die Treppe nach unten. Zu der Frau an der Rezeption sagt er: "Würde sie bitte für heute Mittag die Rechnung fertig machen. Ich fahre bloß noch mal schnell in die Stadt, dann werde ich abreisen." "Ist gut, dann weiß ich Bescheid." sagt sie.
Maik macht Frühstück und ist bereits 1 Stunde später unterwegs in Richtung Stadt. Er wird erst mal ein Reisebüro suchen. Die Blumen will er zum Schluss kaufen, dann halten sie länger. Er fährt parallel zu einer großen Einkaufsstraße. Da, ein Reisebüro. Jetzt muß er nur noch eine Parkmöglichkeit finden und er hat Glück, auf einem fast völlig überfüllten Parkplatz findet er noch eine freie Lücke.

Einige Stunden später verläßt er das Reisebüro. Die Frau dort hat ihn wirklich sehr gut beraten und Maik ist hochzufrieden über die Reise die er gefunden hat. Ein romantisches Wochenende in einem bayrischen Hotel. Dazu gehört: Ein Kuschelfrühstück auf dem Zimmer und ein Candle-Light-Dinner am Abend. Genau das Richtige für Frischverliebte wie sie es sind.
Maik geht zu seinem Auto. Aus den Augenwinkeln heraus sieht er eine junge Frau mit 2 großen Einkaufstüten. Bei einer reißt auf einmal der Griff und ein Großteil der Einkäufe fällt heraus. Joghurt, Nudeln, Eier, Brot und auch 2 Äpfel liegen nun auf dem Fußweg. Ein Apfel rollt genau auf Maik zu. Der hebt ihn auf und bringt ihn zu der Frau zurück. Diese schimpft mit sich selbst und ihre Ungeschicktheit.
"Ich glaube, der Apfel gehört ihnen." sagt der ehemalige Polizist. Die Frau schaut zu ihm auf, während sie versucht die Einkäufe wieder einzupacken. "Danke schön. Das ist sehr nett von ihnen. Legen sie ihn einfach auf den Boden. Ich schaffe das schon." Doch sie scheint sich zu überschätzen. So fragt Maik lächelnd: "Kann ich ihnen helfen?" Schon bückt er sich und hilft ihr. Ein Ei aus der Packung ist kaputt. Scherzhaft sagt Maik: "Ich glaube, da hilft wohl auch kein Pflaster mehr."
Die Frau muß lachen. "Ja, so sieht es aus. Das taugt nicht mal mehr als Rührei." Als sie fertig sind, gibt sie Maik die Hand und sagt: "Ich danke ihnen recht herzlich. Jetzt schaffe ich es allein."
"Das habe ich doch gern getan." sagt Maik und will wieder zu seinem Auto gehen. Doch die junge Frau scheint weiterhin Probleme mit dem Einkauf zu haben. Die eine Tüte hat zwar noch einen Henkel, aber die andere müßte sie auf den Arm tragen. Das kann unmöglich funktionieren, das sieht Maik auf den ersten Blick. "Ich glaube, sie brauchen auch weiterhin meine Hilfe."
"Nein nein, das geht schon." sagt sie.
"Kommen sie, ich bin keiner der Frauen überfällt. Sie können mir vertrauen. Müssen sie zum Bus oder steht ihr Auto wo?" fragt Maik höflich nach und schon nimmt er die Tüte mit dem kaputten Griff auf den Arm. Sie ist wirklich sehr schwer.
"Sie haben doch bestimmt was wichtiges zu tun?" stellt die Frau fest. Sie scheint dem fremden Mann nicht so recht zu trauen.
"Wenn sie noch lange diskutieren, dann lasse ich sie wirklich allein stehen." sagt Maik mit einem Augenzwinkern. "Bus oder Auto?"
"Auto." sagt die Frau jetzt auch mit einem Lächeln auf ihrem jugendlichen Gesicht. Sie ist bestimmt 10 Jahre jünger als Maik und sehr hübsch, das muß er zugeben.
"Und wo?" will Maik wissen.
"Es steht im Parkhaus, gleich hier um die Ecke."
"Also dann, worauf warten wir?" Und schon läuft Tayler langsam los. Auf dem Weg zu ihrem Auto erfährt Maik, daß die Frau Mandy heißt und eigentlich immer mit ihrem Freund die Einkäufe erledigt, aber heute muß er arbeiten und deshalb ist sie allein losgefahren.
Nach 10 Minuten erreichen sie das Parkhaus. "Mein Auto steht gleich hier drüben." sagt sie und geht zu einem silbernen Mercedes. Dieser ist schon älter und hat etliche Beulen und Kratzer. Die Frau öffnet den Kofferraum. Stellt ihre eigene Tüte hinein und sagt: "Schmeißen sie das ganze Zeug einfach hinten rein." Maik tut es und schließt anschließend die Klappe.
"So, alles verstaut." sagt er.
"Wie kann ich ihnen nur danken." erwidert die junge Frau.
"Das war doch selbstverständlich." erklärt Maik.
"Nein nein, das ist nicht selbstverständlich. Warten sie, ich gebe ihnen was als Dankeschön." Und schon öffnet die Frau die Beifahrertür.
Ihr Helfer hebt abwehrend die Hände. "Lassen sie stecken. Ich nehme nichts."
Doch plötzlich steht die junge Frau mit einer Waffe in der Hand vor ihm. "Ich bestehe aber darauf ihnen was zu geben." sagt sie nun mit einer völlig selbstsicheren Stimme, dann schießt sie.
Der ehemalige Polizist spürt, wie er von einem Betäubungspfeil getroffen wird. Es dauert nur wenige Sekunden bis das Mittel wirkt. Um Maik herum dreht sich alles. Er bekommt nur noch schemenhaft mit, daß sich ein weißer Transporter nähert und mit quitschenden Reifen neben ihm hält. Die hintere Tür geht auf und 4 kräftige Männerhände packen ihn und zerren ihn in das Auto. Die Tür wird wieder geschlossen und so plötzlich wie das Auto aufgetaucht ist, verschwindet es wieder. Niemand hat von der Entführung etwas mitbekommen. Während Maik langsam in einen Dämmerzustand fällt spürt er noch, wie ihm seine Hände gefesselt werden, dann tritt er weg.

Eine halbe Stunde später biegt der weiße Transporter, gefolgt von einem schwarzen Silverado, auf eine abgelegenen Straße ab. Dort wartet bereits ein grüner Caddy. 3 Männer stehen daneben und rauchen eine Zigarette. Als sie das Auto sehen, werfen sie sie weg. Gleich neben ihnen hält der Transporter und der Fahrer steigt aus. Einer von den Wartenden ist Sascha. Er fragt: "Habt ihr die Ware?"
"Ja. Ging alles problemlos. Niemand hat was mitbekommen."
"Das ist schön. Dann zeigt ihn mal. Schließlich bekommt ihr das Geld nur, wenn er noch lebt." klärt Sascha gleich am Anfang.
"Wir haben ihm kein Haar gekrümmt." sagt der Fahrer und öffnet die Schiebetür an der Seite. In dem Laderaum sind 3 Männer. 2 von seinen Leuten und Maik Tayler. Er liegt gefesselt und bewußtlos auf dem Boden.
"Was ist mit ihm?" will Sascha wissen.
"Wir haben ihn mit Carfentanyl ruhig gestellt."
"Gefällt mir." sagt Sascha mit einem hämischen Grinsen auf dem Gesicht. "Der große Todesengel ausgenockt von einem Betäubungspfeil. Gebt ihm das Gegenmittel damit ich weiß, daß ihr ihn nicht mit einer Überdosis versehen habt."
Der Fahrer des Transporters nickt zu seinem Kumpel der neben Maik kauert. "Gibt ihm das Naloxon." sagt er. Der Angesprochene greift in seine Jackentasche und holt die Spritze mit dem Gegenmittel heraus. Er entfernt die Schutzkappe und sticht die Nadel in Maiks Arm.
"Während wir warten daß der Kerl wieder aufwacht, könnte ich doch schon mal nachzählen. Nicht daß ich euch mißtraue." sagt der Fahrer zu Sascha. Dieser grinst und dreht sich zu Tom um. Der greift in seine hintere Hosentasche und holt das Geld heraus. Das Papierbündel wirft er zu dem Mann. Dieser fängt es auf und zählt es sofort nach. Als er damit fertig ist, bewegt sich auch Maik. Er scheint wieder zu sich zu kommen. Sascha tritt einen Schritt näher. Er will sehen, ob es dem Kerl wirklich gut geht. Mit der linken Hand faßt er an Maiks Kinn und dreht dessen Kopf in seine Richtung. Dieser versucht Gegenwehr zu zeigen, doch er ist noch zu schwach. Zwar versucht er mit seinen gefesselten Händen den Mann abzuwehren, aber einer von den anderen hält augenblicklich dessen Hände fest und so kann Sascha ungestört weitermachen. Mit der rechten Hand öffnet er ein Augenlid des Gefangenen und sieht in dessen Pupille. Diese reagieren sofort auf die Helligkeit und zieht sich zusammen. "Ok, dem Kerl scheint es gut zu gehen." stellt Sascha zufrieden fest. Erneut dreht er sich zu seinen beiden Mitarbeitern herum. "Ihr könnt ihn umladen." Diese gehen sofort zum Transporter und setzen den Gefangenen auf. Maik hat noch immer Schwierigkeiten sich zu konzentrieren. So haben die Männer leichtes Spiel mit ihm. Tom zieht aus seiner anderen hinteren Hosentasche eine Leinensack. Diesen stülpt er dem Polizisten über dessen Kopf. So kann er nichts mehr sehen. Zusammen mit dem anderen Mann bringt er den Gefangenen zu dem Caddy. Maik kann kaum laufen. Noch immer bestimmt das Betäubungsmittel seinen Geist und seinen Körper. Er bekommt alles wie in einem bösen Alptraum mit. Außerstande sich dagegen zu wehren. So liegt er kurz drauf im hinteren Teil des Caddys mit dem diese Kerle schon Justin entführt hatten. Sascha sieht dies wohlwollend. Ein letztes Mal wendet er sich an den Mann, der ihm den Todesengel ausgeliefert hat. "Und jetzt bitte noch die Schlüssel für seine Handschellen und die von dem Pick up." Als er beides in den Händen hält, gibt er dem Mann die Hand und sagt: "Es ist immer eine Freude mit euch Geschäfte zu machen." Dabei lacht er. Auch der andere lacht. "Mit euch auch. Falls ihr mal wieder was braucht. Für eine ensprechende Bezahlung bin ich euer Mann."
"Vielleicht komme ich noch mal darauf zurück." sagt Sascha und geht zu dem Caddy. Er wartet noch, bis der weiße Transporter wieder auf der Straße ist und zurück in Richtung Stadt fährt. Dann wendet er sich an seine Männer. "Also gut, bringen wir unseren schwarzen Engel mal in seinen Käfig." sagt er hocherfreut darüber, daß er seinem Boss endlich den Kerl vor die Füße werfen kann.

53.

Durch das Carfentanyl was sich noch immer in Maik´s Muskeln befindet, ist er den Männern hilflos ausgeliefert. Solange der Stoff in seinem Blut ist, wird er sich nicht effektiv wehren können.
Maik hat keine Ahnung wielange sie schon fahren. Er hat jegliches Zeitgefühl verloren. Auch Umwelt- bzw. Fahrgeräusche die ihm einen Hinweis auf die Gegend geben könnten, bekommt er nicht richtig mit. Sein Gehirn scheint durch die Droge auf Standby zu stehen. Sobald er wieder über seine Sinne und seinen Körper bestimmen kann, muß er versuchen abzuhauen. Ansonsten könnte der Tag schlecht für ihn enden und Bianca eher zur Witwe machen als zur Ehefrau.
Als Maik die CD für den Russen gebrannt hatte, fand er am Schluss die Melodie aus dem Film "Spiel mir das Lied vom Tod" noch lustig. Damals konnte er nicht ahnen, daß schon wenige Stunden später Charles Bronson dieses berühmte Todeslied für ihn spielen wird.
Sein Leben hängt an einem seidenen Faden. Damit dieser nicht zu schnell reißt, muß Maik stark sein, denn dieser Russe wird einige unschöne Dinge mit ihm anstellen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber solange noch ein Tropfen Blut in seinen Adern fließt, solange wird er nicht aufgeben. Maik weiß jedoch auch, daß sein Überlebenswille bald auf eine harte Probe gestellt wird. Dieser ausländische Drogendealer wird eine Stinkwut auf ihn haben. Nicht nur wegen seinen Männern die Maik ins Jenseits geschickt hat. Nein. Eher wird dieser Alexej sauer auf ihn sein, weil er ihm ins Drogengeschäft gepfuscht hat. Warum ist er nicht gleich heute Früh zurück nach München gefahren? Er hätte auch dort die Reise für seine Freundin buchen können. Wie dumm konnte er nur sein, die Gefahr enttarnt zu werden so zu unterschätzen. Es war doch klar, daß dieser Drogenmensch alle Hebel in Bewegung setzt, um hinter die Identität des Todesengels zu kommen. Doch wie war er letztendlich auf den ehemaligen Polizisten gekommen? Wo hatte Maik einen Fehler gemacht? Er hatte sich die CD einige male angeschaut und nichts entdeckt, was auf ihn schließen ließ. Aber er mußte etwas übersehen haben. Ansonsten wäre er nicht hier.

Sascha biegt von der Hauptstraße ab und nähert sich einem alten Industriegebiet. Tom folgt ihm mit Maik´s Silverado. Der dritte Mann sitzt im Caddy auf dem Beifahrersitz und sieht hin und wieder zu dem Gefangenen im hinteren Teil des Fahrzeuges. Dieser sitzt schweigend in einer Ecke. Die Hände mit Handschellen vorm Körper gefesselt und einem Sack über dem Kopf. Anscheinend noch unter dem Einfluss des Betäubungsmittels stehend, versucht er nicht einmal sich den Sack vom Kopf zu ziehen oder Krach zu schlagen, um fremde Menschen auf seine Entführung aufmerksam zu machen. "Wielange wirkt das Zeug noch?" will der Mann von Sascha wissen. Dieser sieht grinsend in den Rückspiegel und zu Maik. "Durch das Antidot Naloxon was ihm der eine Kerl im Nachhinein gespritzt hat, hat sich die Wirkzeit wesentlich verkürzt. Dieses Carfentanyl wird seine Muskeln aber noch einige Zeit fest im Griff haben. Ich schätze mal in 1 oder 2 Stunden wird es vollständig abgebaut und somit der Kerl wieder extrem gefährlich sein. Diese Sondereinheiten nehmen nicht jeden X-Beliebigen. Und das dieser Hurensohn gut ist, das hat er uns schon einige Male bewiesen. Aber jetzt werden wir ihm seine Flügel stutzen, ein für alle mal." Sascha lacht niederträchtig. Nicht zum Lachen zumute ist Maik, der die Äußerung von Sascha gehört hat.

Der VW und der Pick up sind an ihrem Ziel angekommen, einem schon vor Jahren verlassenen Industriegebiet. Hier hatten sie früher ihr Domizil, bevor Alexej dieses Flugplatzgelände gekauft hat. Zielsicher fährt Sascha zu einem bestimmten Gebäude und hält an. Er steigt aus, sieht zu Tom und dem Silverado. Dann geht er zu einer Tür, die zu einer verlassenen Autowerkstatt gehört. Über dem Eingang hängt ein Schild: Alles rund ums Auto. Noch einmal schaut sich Sascha um, dann tritt er mit dem Fuß hart gegen die Tür. Sofort bricht das Schloss und die Tür knallt nach innen gegen die Wand. Er geht hinein. Kurz darauf wird das große Tor von innen geöffnet und Sascha winkt in Richtung des Silverados. Tom kommt langsam angefahren. Als er in der Werktstatt steht, macht er den Motor aus und steigt aus.
"So und jetzt noch unser kleiner Todesengel, dann sind wir fertig. Alexej müßte auch bald kommen." sagt Sascha und geht zu dem grünen Caddy. Er öffnet die hintere Tür. "Sie haben ihr Ziel erreicht, die Engelauffangstation." sagt er mit einem hinterhältigen Grinsen zu seinem Gefangenen. Dann wendet er sich an seine Männer: "Bringt unser Vögelchen mal rein." Mit diesen Worten dreht er sich um und geht bereits in die Werkstatt. Maik wird unsanft aus dem Wagen gezogen. Er merkt, daß er noch immer mit diesem Dreckszeug in seinem Körper zu kämpfen hat. Ihm fällt es schwer ein Bein vor das Andere zu setzen. Doch die Männer interessiert es nicht. Sie fassen ihrem Opfer derb an die Oberarme und bringen ihn nach drinnen. Maik kann durch den Sack absolut nichts sehen. Er hat keine Ahnung wo sie ihn hingebracht haben. Da sich Sascha hier auskennt, hat er den Stromkasten sofort gefunden und angestellt. Flackernd gehen die Neonröhren in der verlassenen Werktstatt an. "Bringt ihn her." befielt er und geht zu einem elektrischen Flaschenzug. Er greift nach der Bedienung die an einem Kabel von der Decke hängt. Während er zu seinen Männern sieht, läßt er die Kette an dem ein Haken hängt herunterfahren. "Dann wollen wir unseren Vogel mal an die Kette legen, damit er nicht mehr davon fliegen kann." sagt er hämisch lächelnd.
Maik spürt, wie das ansteigende Adrenalin in seinem Körper dazu führt, daß sich das Betäubungsmittel schneller abbaut und er langsam wieder seine Motorik kontrollieren kann. Er weiß zwar, daß er gegen die 3 Männer chancenlos ist, aber sich einfach so an die Kette legen zu lassen, nein, das widerstrebt ihm. Für die Männer völlig unerwartet, zeigt er plötzlich massive Gegenwehr. Mit beiden Beinen stemmt er sich vom Boden ab und versucht gleichzeitig die Kerle die ihn festhalten abzuwehren. "Und wenn ich nicht an die Kette gelegt werden will?" fragt Maik laut. Aber er hat noch immer nicht seine alte Kondition wieder und so ist er eindeutig unterlegen.
Wenige Minuten später steht er unter dem elektrischen Flaschenzug. Seine gefesselten Hände über seinem Kopf an dem Haken fixiert. Noch immer blind, hört er Schritte näherkommen. Jemand sagt leise: "Was du willst oder nicht, ist mir so was von scheißegal." Es ist Sascha der zu ihm spricht. Er sagt weiter: "Gleich wird mein Boss eintreffen. Und soll ich dir was verraten, der ist etwas sauer auf dich."
"Ich kann mir auch denken warum. Weil seine Kunden ziemlich angepießt waren, daß die toten Briefkästen heute wirklich Tod waren, sprich leer." Man hört in Maik´s Stimme eine Spur von Freude heraus.
"Dein kleiner Plan ist aber nicht aufgegangen. Jeder hat das bekommen was er wollte." Widerspricht Sascha. "Und auch du wirst das bekommen, was du verdienst."
"Hey, du machst mich ja richtig neugierig. Als Dank würde mir schon reichen, wenn du mich losmachst, mir meine Knarre zurück gibst und den Autoschlüssel."
"Ich bin doch keine Fee die dir 3 Wünsche erfüllt."
"Stimmt, für eine Fee hast du eine viel zu häßliche Visage."
Da Maik nichts sieht, hat er auch die Faust des Mannes nicht kommen sehen. Sascha versetzt ihm mit seiner geballten Hand einen Leberhaken. Da er jahrelang Kampfsport betrieben hat weiß er genau, wie er so einen Schlag ausführen muß. Dem Gefangenen wird sofort klar daß es dumm war, diesen Mann zu unterschätzen. Maik schwinden fast die Sinne. Das Blut was durch den Schlag aus seiner Leber gepreßt wurde, schießt ihm in den Kopf und er spürt, wie sein Körper zusammensackt. Ein brennender Schmerz zieht sich durch seine gesamten Eingeweide und er bekommt fast keine Luft mehr.
"Überleg dir in Zukunft lieber was du sagst, sonst breche ich dir beim nächsten Mal einige Rippen." droht Sascha. Maik sagt nichts. Er hat noch immer mit den Auswirkungen des Schlages zu tun.

Der Motor von einem Auto ist zu hören. "Los, beeilt euch. Alexej ist gleich da." sagt Sascha zu seinen Leuten und läßt somit von seinem Opfer ab. Der rote BMW des Drogendealers hält genau vor dem großen Tor. Orlow steigt aus seinem Wagen. Bereits von hier kann er den Rücken den ehemaligen Polizisten sehen, der an einem Flaschenzug gefesselt da steht. Der Russe lächelt zufrieden. Er betritt die Werkstatt, schließt das Garagentor und schottet somit die Außenwelt von dem ab, was sich hier in den nächsten Stunden ereignen wird.
Maik´s Blutdruck steigt in einen kritische Bereich und sein Herz leistet Höchstarbeit. In seinen Schläfen pocht das viel zu schnell fließende Blut schmerzhaft. Kleine Schweißperlen laufen ihm von der Stirn und über den Rücken. Gleichzeitig durchzieht ein eiskalter Schauer seinen Körper, läßt ihn leicht frösteln. Die ersten Anzeichen für einen drohenden Kreislaufzusammenbruch. Ob es an diesem Betäubungszeug oder dem Gegenmittel liegt, daß kann er nicht sagen. Um nicht jetzt schon Schwäche zu zeigen, muß er sich in den nächsten paar Minuten wieder unter Kontrolle bekommen. Maik atmet tief ein, hält die Luft an und zählt bis 3. Das gleiche macht er beim Ausatmen. Das nächste Mal zählt er bereits bis 4, dann bis 5 und schon spürt er, daß sein Herzschlag in den Normalbereich sinkt.
Die Stimme von diesem Russen hört er wie durch einen Schleier hindurch: "Schön, daß wir uns endlich persönlich kennenlernen. Ich nehme mal an, daß du dir unser erstes Treffen bestimmt etwas anders vorgestellt hast. Ich in Handschellen und weggesperrt wie ein reutiger Hund. Manchmal kommt es halt anders als man denkt. Die mir zugedachte Rolle steht dir aber auch gut." Orlow lacht und seine Männer stimmen ein. Maik schweigt dazu. "Unserem kleinen Todesengel hat es wohl die Stimme verschlagen?" will der Mann mit der langen Narbe auf der Wange wissen. Tayler hört, wie sich ihm Schritte nähern. Daß er nichts sehen kann macht ihn nervös. Genau vor ihm verstummen sie. Die Körperwärme des Mannes kann der Gefangene genau spüren. Er muß ganz nah an ihm dran stehen. Eine Hand legt sich schwer auf seine linke Schulter. Der Daumen des Fremden drückt dabei genau auf sein Schlüsselbein. Maik weiß, was der Kerl vor hat. Langsam wird der Druck verstärkt. Ein leichter Schmerz zieht sich durch Taylers Schulter. Der Russe drückt bei seinem Gefangenen auf einen ganz bestimmten Atemi-Punkt. Dort befinden sich Nervenbahnen die schon bei leichtem Druck höllische Schmerzen verursachen können. Orlow drückt immer stärker auf die kleine Vertiefung unterhalb von Maik´s Schlüsselbein. Dieser stöhnt vor Schmerz auf, schweigt aber weiterhin beharrlich. "Wollen wir mal sehen, ob wir deine Zunge nicht doch lösen können." sagt sein Peiniger leise, aber nicht minder gefährlich. Maik geht mit seiner Schulter instinktiv nach unten, entkommt durch diese Aktion aber nicht dem Griff. Langsam wird der Schmerz unerträglich. Der Gefangene fängt an zu zittern, beißt sich so sehr auf die Zähne, daß sein Kiefer knackt. Endlich läßt der Kerl von ihm ab und Maik atmet erleichtert auf. "Du bist doch härter im nehmen als ich dachte." sagt Orlow anerkennend. Anschließend befreit er den Gefangenen von dem Sack. Maik ist ganz blass und in seinen Augen kann man Tränen sehen. Durch das plötzliche Licht muß er kurzzeitig die Augen schließen.
Wütend über seinen Mißerfolg den Willen des Gefangenen schnellstmöglich zu brechen, wirft Orlow den Sack in eine Ecke. "Habt ihr den Kerl schon durchsucht?" will er von Sascha wissen. "Nein, wir sind auch erst angekommen." entschuldigt sich dieser und bleibt stehen. Sein Boss sieht ihn strafend an: "Worauf wartest du noch?" Endlich geht sein Mann zu dem Gefangenen und durchsucht ihn. Alexej lehnt sich mit dem Rücken gegen eine alte Werkbank. Er greift in seine Hemdtasche, holt seine Zigaretten heraus und steckt sich eine an. Genüßlich inhaliert er den Rauch. Dabei beobachtet er Sascha, wie er zu dem Gefangenen geht. Dieser sagt: "Ich hoffe, du hast keine kalten Hände und außerdem bin ich ziemlich kitzlig. Also mach bitte etwas vorsichtig." An den Augen seines Gegenüber erkennt der ehemalige Polizist, daß der Kerl am liebsten ein weiteres mal zuschlagen würde. Doch jetzt ist sein Boss da und der hat nun das Sagen. Sascha reißt seinem Gefangenen das Hemd auf, um ihn genauer durchsuchen zu können.
"Hey, was soll das? Mein Hemd hat auch Knöpfe. Das kann ich jetzt wegschmeißen und dabei hat es fast 50 Euro gekostet."
Alexej bläst den Nikotinrauch langsam aus. Dabei sagt er lächelnd: "Na also, du hast ja doch eine Zunge und kannst reden. Aber du hast dein Maul nur aufzumachen, wenn ich dich was frage, ansonsten hast du brav zu schweigen. Und damit du es nicht gleich wieder vergießt, bekommst du einen kleinen Denkzettel. Sascha...." Dieser dreht sich zu seinem Boss. "Brich dem Kerl für seine vorlaute Klappe und als kleine Gedächnisstütze einen Finger. Und zwar den rechten Zeigefinger. Dann kann er auch nie wieder eine Waffe bedienen und es noch einmal wagen auf mich zu schießen."
"Hey, warum denn gleich so rabiat werden. Mein Gehirn funktioniert noch 1 A. So eine Kleinigkeit kann ich mir ohne weiteres merken. Ich habe die Klappe zu halten oder ich bekomme was auf dieselbe." Der Russe grinst und sagt: "Ich will lieber auf Nummer sicher gehen." Maik versucht Sascha mit seinen Füßen von sich fern zu halten, damit er nicht tun kann, was ihm befohlen wurde. Der Russe schnippt mit seinem Finger und zeigt danach auf Maik, dabei sieht er Tom an. Dieser versteht und kommt seinem Partner zu Hilfe. Zu Zweit halten sie nun den Gefangenen fest. Maik hat seine rechte Hand geballt, damit der Kerl nicht an seinen Finger kommt. Doch Sascha schafft es dessen Faust zu öffnen. Er zieht Maiks rechten Zeigefinger nach hinten und drückt gleichzeitig mit dem Daumen gegen das Mittelgelenk. "Ich hab dich gewarnt, in Zukunft erst dein Gehirn einzuschalten eh du deine Klappe zu weit aufreißt. Wenn du nicht hören willst, dann mußt du eben fühlen." sagt Sascha und schaut Maik an, dann bricht er ihm den Finger mit einem Lächeln. Zuerst ist nur ein dumpfes Knacken zu hören und anschließend Maik, wie er schmerzvoll aufschreit. Tränen schießen ihm in die Augen. Dieser Scheißkerl hat ihm tatsächlich den Abzugsfinger gebrochen. Eine Welle aus Schmerz und heißem Blut schießt durch Maiks Körper und in seinem Finger spürt er das dumpfe pulsieren seines Herzens.

Bianca ist gerade dabei die Medikamente auf ihrer Station zu verteilen. Plötzlich hat sie einen stechenden Schmerz in der Magengegend und ihr wird schlecht. Sofort läßt sie alles stehen und liegen, rennt in Richtung Toiletten. Dort muß sie sich übergeben. Clair, ihre Freundin, kommt ihr nachgelaufen. "Was ist denn mit dir los?" will sie wissen. Bianca kniet vor einem Klo. Sie ist weiß wie eine Kalkwand. "Ich weiß nicht. Erst hatte ich einen brennenden Schmerz im Magen und dann ist mir schlecht geworden." Clair lächelt. "Das wird von der Schwangerschaft kommen. Da ist Übelkeit was ganz normales." "Mir war noch nie übel. Nein, dafür muß es einen anderen Grund geben. Hoffentlich ist Maik nichts passiert." "Wollte er heute nicht zurück kommen?" will ihre Freundin wissen. "Ja. In 2 Stunden habe ich Feierabend, da wollte er mich abholen." "Weißt du was? Du legst dich bis zum Dienstschluss hin. Ich übernehme deine Arbeit. Mach dir keine unnötigen Gedanken, deinem Freund geht es garantiert gut. Er ist bestimmt schon auf der Autobahn. Du mußt jetzt an das Baby denken."

Daß es Maik ganz und gar nicht gut geht, können die beiden Frauen nicht wissen.

Sascha ist mit der Durchsuchung des Gefangenen fertig und geht zu seinem Boss zurück. Er hat das Handy von Maik in der Hand, ebenso die Buchungsbestätigung für die Reise mit Bianca, den Zimmerschlüssel von der Pension und die Visitenkarten mit dem aufgedruckten schwarzen Engel. Die Sachen legt er neben seinem Boss auf die Werkbank. Zuerst nimmt dieser die Reisebestätigung und liest vor: "Ein romantisches Wochenende im Herzen von Bayern. Hier werden sie mit ihrer Liebsten wundeschöne Stunden verbringen. Bei einem Kuschelfrühstück im Bett oder einem Candle-Light-Dinner am Abend werden sie sich wie im siebten Himmel fühlen." Alexej sieht zu Maik und fragt sarkastisch: "Ich hoffe, du hast eine Rücktrittversicherung abgeschlossen. Denn du wirst die Reise nie antreten. Deine Liebste wird alleine fahren müssen. Wie heißt sie überhaupt, damit ich ihr eine Beileidskarte schicken kann." Maik spürt, wie ihm eine Träne über die Wange läuft. Sein gebrochener Finger tut höllisch weh. "Ihr werdet von mir den Namen nie erfahren." "Wenn ich ihn wissen will, werde ich ihn auch erfahren. Da muss ist bloß in diesem Reisebüro anrufen und mir die Reservierungsdaten sagen lassen. Aber jetzt beschäftige ich mich erst einmal weiter mit dir." Orlow legt die Bestätigung zurück auf die Werkbank und nimmt eine der Visitenkarten in die Hand. "Du bist also dieser geheimnisvolle Todesengel der mir in den letzten Tagen das Leben etwas schwer gemacht hat. Dabei habe ich geglaubt, daß du schon längst in der Erde verrottest." Maik versucht trotz des Schmerzes zu lächeln: "Ich habe den Platz auf dem Friedhof lieber mit eurem Auftragskiller getauscht. Um mich aus dem Weg zu räumen, dürft ihr keine blutigen Anfänger schicken." Für diese vorlaute Äußerung geht Sascha einen Schritt auf den Gefangenen zu. Doch er wird von seinem Boss zurückgepfiffen. "Nein, laß ihn." Dieser wirft die Visitenkarte auf den Boden, lehnt sich erneut mit dem Rücken an die Werkbank, verschränkt seine Arme und überkreuzt die Beine. Amüsiert sieht er seine Leute an und sagt: "Da habe ich diesmal wohl mehr Glück mit meiner Auswahl gehabt. Denn nun haben wir dich geschnappt. Und ich garantiere dir, deine letzten Stunden auf dieser Erde werden ziemlich schmerzhaft sein." Maik muß schlucken, obwohl sein Hals ausgetrocknet ist. Er weiß, daß dieser Russe seine Drohung wahr machen und ihn quälen wird. Unter den jetzigen Umständen kann er eine Flucht glatt vergessen. Doch irgendwann müssen diese Kerle ja auch mal schlafen und falls Maik dann noch am Leben ist, kann er den Gedanken an einen Ausbruch wieder an erste Stelle setzen.
"Habt ihr bei ihm das Gewehr gefunden mit dem er in meinem Haus auf mich geschossen hat?" will Alexej wissen. "Ja." sagt Tom und bringt die Sporttasche mit dem Waffen nach vorn. Er stellt sie vor seinem Boss auf den Boden und tritt beiseite. Diesere kauert sich hin, zieht den Reißverschluss auf und greift hinein. Mit dem Scharfschützengewehr in der Hand erhebt er sich wieder. Er sieht auf die vollautomatische Maschinenpistole und sagt begeistert: "Eine Heckler & Koch MP 5 SD. Gute Waffe. Das praktische daran ist, daß sie über einen integrierten Schalldämpfer verfügt. Daher ist sie besonders gut geeignet um heimtückisch auf Leute zu schießen, die sich friedlich in ihrer Wohnung aufhalten." Dies sollte eine Andeutung auf Maiks Anschlag in Alexejs Haus sein. Mit einem boshaften grinsen entsichert der Kerl die Waffe, richtet sie auf Maik und sagt: "Die erste Kugel ist was ganz besonderes. Daher darfst du dir auch aussuchen, wohin du sie möchtest." Wieder muß Maik schlucken und wieder schlägt sein Herz schmerzhaft gegen seine Rippen. Durch die erhöhte Herzfrequenz pocht es in seinem gebrochenen Finger wie wild. Langsam nähert sich der Russe. Maik kann genau in den Lauf der Waffe sehen. Noch nie zuvor hatte er so direkt seinem baldigen Tod ins Auge geblickt. Alexej hält die Waffe in der ausgestreckten Hand. Sie liegt ganz ruhig und zielt genau zwischen die Augen des Gefangenen. An der schnellen Atmung von Maik sieht der Russe, daß dem Polizisten der Arsch sprichwörtlich auf Grundeis geht. "Du hast eine Minute Zeit, dann suche ich mir eine Stelle aus." Tayer bekommt kein Wort über die Lippen. Ihm ist es völlig egal, wohin er eine Kugel bekommt. Auf alle Fälle wird es sehr schmerzhaft werden. Sascha steht noch an der Werkbank. Er holt sein Handy heraus und drückt auf einige Tasten herum. Plötzlich ertönt eine Melodie. Der unverwechselbare Klang eine Mundharmonika ist zu hören, wie sie die Filmusik aus Sergio Leones Western spielt. Maik sieht auf dem Gesicht des Russen ein amüsiertes Grinsen während dieser weiter langsam auf ihn zu kommt. Tayler würde sich am liebsten übergeben. Ihm ist vor Anspannung kotzübel. Dieser Kerl mit der Waffe weiß wirklich, wie man einen Menschen nervlich fertig machen kann. Der Polizist mimt den Coolen und schließt seine Augen. Er spannt seine Muskeln an, damit Alexej nicht sieht, daß sein gesamter Körper vor Angst zittert. Wieder muß er schlucken. Sein ausgetrockneter Hals brennt bereits. Maik versucht an etwas schönes zu denken, an Bianca. Wie er mit ihr über die Wiese tollt. Doch durch diese blöde Handymelodie gelingt ihm das Abschalten seines Gehirns nicht zu 100 %. Die Stimme von Alexej Orlow klingt in seinen Ohren wie Hohn. "Die Minute ist gleich um. 5 . . . 4 . . . 3 . ." Maik getraut sich nicht die Augen zu öffnen um zu sehen, wohin dieser Mistkerl schießen wird. "2 . . . 1." Eine langanhaltende Geschossserie geht dicht neben seinem Ohr los und läßt ihn zusammenzucken. Aber er spürt keinen weiteren Schmerz an irgendeiner Stelle seines Körpers. Überrascht öffnet er seine Augen. Dieser Drogendealer steht noch immer grinsend vor ihm. Die Maschinenpistole hat er aber gesenkt. Durch die Schüsse ist der Lauf wahnsinnig heiß geworden. Diesen drückt er nun genau auf Maiks alte Schussverletzung am Bauch. Die Narbe ist erst 5 Wochen alt und noch ziemlich schmerzempfindlich. Der laute Aufschrei des Gefangenen vermischt sich mit der Mundharmonikamelodie. Tayler verliert das Bewußtsein. Schlaff hängt sein Körper an der Kette des Flaschenzuges.

54.

Kurz nach 15 Uhr hat Bianca endlich Feierabend. Sie freut sich so sehr Maik wiederzusehen. Doch noch immer hat sie diesen komische Gefühl im Magen. Fast wie eine Vorahnung, die sie nicht deuten kann. Erwartungsvoll verläßt sie den Fahrstuhl im Erdgeschoss, rennt fast nach draußen. Bitter enttäuscht bleibt sie stehen. Wo ist Maik? Weit und breit ist nichts von ihm zu sehen. Weder von ihm, noch von seinem Auto. Vielleicht gab es auf der Autobahn einen Stau. Sie wird einfach etwas warten. Gleich in der Nähe befindet sich ein kleines Café. Von dort hat sie einen uneingeschränkten Blick auf den Eingang des Krankenhauses. So kann sie ihren Geliebten nicht verpassen. Sie ist wahnsinnig aufgeregt, möchte ihm endlich davon erzählen, daß bald 2 kleine Füßchen in ihrer Wohnung herumtappsen werden. Fast wie die von der kleinen Rebecca.

Währenddessen kommt Maik in der Autowerkstatt langsam wieder zu sich. Seine Handgelenke brennen von den Handschellen die tief in seine Haut einschneiden. Da er einige Zeit bewußtlos war, hatte sein gesamtes Körpergewicht an seinen Handgelenken gehangen. Vorsichtig stellt sich Maik auf seine Füße und lockert somit den Druck auf die Gelenke. Kaum durchbluten seine Hände, spürt er erneut den pochenden Schmerz in seinem gebrochen Zeigefinger. Er schaut nach oben und stellt fest, daß dieser bereits auf seine doppelte Größe angeschwollen ist.
Außer ihm scheint niemand hier zu sein. Die Sporttasche mit den Waffen steht noch immer auf dem Boden und auch sein Handy und die anderen Sachen sind noch dort, wo sie vor seiner kleinen Ohnmacht gelegen hatten. Bloß die Männer sind verschwunden. Er könnte jetzt um Hilfe rufen, aber daß ihn jemand hört, davon geht er nicht aus. Wer weiß, wohin sie ihn verschleppt haben. In was für eine gottverlassene Gegend. Nein, er muß seine Flucht allein durchziehen. Allein und leise. Aber erst einmal muß er von diesem beschissenen Haken loskommen. Als er Stimmen hört, spielt er wieder den Bewußtlosen. Eine Tür wird geöffnet und Maik hört diesen Sascha und noch einen anderen Mann. "Man, wielange ist dieser Kerl noch weggetreten? Ich will ihn bisschen Ärgern bevor ich weg muß."
Maik hat wie ein echter Bewußtloser seinen Kopf gesenkt und die Augen nur einen Spalt breit offen. Jetzt sieht er, daß Füße vor ihm stehen. Sofort schließt er seine Augen. Eine Hand faßt ihn an den Hinterkopf und zieht diesen an den Haaren nach hinten. So muß er seinen Kopf heben. "Hey du kleiner Bulle. Wieso kommst du nicht endlich zu dir?" Maik riecht, das der Kerl bis eben noch geraucht haben muß. "Tom, bring mir einen Eimer mit Wasser." befielt Sascha seinem Partner. Dieser verschwindet wortlos. Frustriert läßt Alexej´s Mann den Gefangenen los. Dann schaut er sich in der Werkstatt um. Er sucht etwas, aber was? Schließlich geht er erneut nach hinten. Maik wird es unwohl in seiner Haut. Was hat der Kerl vor? Wenige Minuten später taucht Tom wieder auf. "Hey Sascha. Hier gibt es keine angestellte Wasserleitung mehr. Ich habe bloß diesen alten Blecheimer mit abgestandenen Regenwasser gefunden. Da scheint aber schon Viehzeug drin rumzuschwimmen." "Stell hin, ich komme gleich." ruft Sascha aus einem anderen Raum. Dann hört Maik, wie der Kerl zurück kommt. Er zieht irgendetwas hinter sich her. "Was willst du mit dem alten Generator?" will Tom wissen. "Na rate mal." sagt Sascha und grinst. "Ich will diesen Hurensohn mal bisschen Tanzen lassen. In seinem scheiß Karren findest du bestimmt ein Starthilfekabel. Bring mir das." Maik weiß jetzt, was der Kerl vor hat. Er will seinen Gefangenen mit Strom foltern. Wieso hatte Maik nicht auf den Rat seiner Freunde gehört und die Finger von der Sache gelassen? Sie war eindeutig eine Nummer zu groß für ihn. Maik hofft zutiefst, daß dies nur ein böser Alptraum ist, er jeden Moment aufwacht und neben seiner Freundin liegt.

Doch ein kalter Guß läßt ihn spüren, daß es bittere Realität ist. Das alte Regenwasser riecht faul und nach Motorenöl. Maik hat etwas davon in Mund und Nase bekommen. Er bekommt einen Hustenanfall, will so viel wie möglich von diesem Dreckszeug wieder los werden. Ein plötzlich eintretender Würgereiz macht sich in seinem Hals breit. Schließlich erbricht er einen Teil seines Mageninhalts. Tom kommt zurück und gibt Sascha die beiden Kabel zum Überbrücken einer Autobatterie. Der nimmt sie in die Hand. Schaut zu seinen Gefangenen und fragt ihn: "Na, wieder munter? Wird auch Zeit, hast dich lange genug ausgeruht." Maik würgt es zum wiederholten Mal, doch diesmal bleibt sein Mageninhalt dort, wo er hingehört. "Das was mein Boss mit dir angestellt hat, war nur ein kleines Vorspiel. Jetzt fangen wir richtig an. Am Ende wirst du mich anbetteln, daß ich dich mit einer Kugel aus meiner Waffe von deinen Qualen erlöse. Doch bis es soweit ist, werden wir noch viel Spaß haben." "Tauschen wir auch mal die Rollen?" will Maik wissen und blickt Sascha dabei tief und fest in die Augen. Dieser lächelt nur und sagt: "Du lernst es wohl nie?" Dann befestigt er eine Klemme des Kabels genau an Maik`s Narbe die durch den heißen Waffenlauf dunkelrot unterlaufen ist. Tayer stöhnt laut auf und verzieht schmerzvoll sein Gesicht. Dabei umgreifen seine Hände krampfhaft die Kette an der sie gefesselt sind. Sein gebrochener Finger ist bereits so stark angeschwollen, daß er ihn nicht mehr bewegen kann. Sascha stellt den Generator unmittelbar neben Maik hin. Da klingelt sein Handy. Etwas genervt holt er es aus seiner Hosentasche. "Ja." meldet er sich. "Hat das nicht Zeit? Ich bin gerade beschäftigt." Er schaut seinem Gefangenen ins Gesicht. "Ok. Ich bin schon unterwegs." Es scheint doch noch einen Gott zu geben, denkt sich Maik und ist dem Anrufer so dankbar.
"Ich muß leider sofort weg. Aber aufgehoben ist nicht aufgeschoben. Ich komme wieder und dann machen wir weiter." "Laß dir ruhig Zeit." sagt Maik erleichtert. "Ich werde hier einfach noch bisschen rumhängen und auf dich warten." Sascha tritt noch einmal ganz dicht an sein Opfer heran. "Dir werden deine blöden Witze bald vergehen." sagt er und zieht mit einem kräftigen Ruck die Klemme von Maik´s Narbe. Dieser beißt sich vor Schmerz auf die Zähne. Der Mann vor ihm legt die Kabel auf den Generator und sagt zu seinem Kollegen: "Du bist mir für den Kerl verantwortlich, daß er noch da ist, wenn ich wiederkomme." "Ich werde auf ihn aufpassen wie auf einen Diamanten." antwortet Tom und sieht grinsend zu Maik.
Kurz bevor Sascha die Werkstatt verlassen will, greift er in seine Hosentasche, holt den Schlüssel für die Handschellen heraus, zeigt ihn Maik und sagt triumphierend: "Den werde ich mal lieber mitnehmen."
"Wenn ich dir 20 Euro gebe, steckt du ihn mir dann in meine Hosentasche?" will Maik wissen.
"Du willst den Schlüssel haben?" fragt Sascha und sieht Maik fest in die Augen.
Dieser versucht unschuldig zu lächeln. "Sieh es mal so. Du könntest ihn draußen verlieren und das wäre doch echt blöd für mich. Ich dagegen bleibe hier und kann ihn gar nicht verschlampen."
"Ich traue dir so sehr, wie ich einem Obdachlosen trauen würde, auf meinen Hot Dog aufzupassen."
"Jetzt hast du mich aber beleidigt." sagt Maik mit gespielter Enttäuschung.
"So einen Abschaum wie dich, den kann man doch gar nicht beleidigen."
"Was heißt hier Abschaum? Bloß weil ich besser bin als eure Leute, bin ich noch lange kein Abschaum."
"Das ist Ansichtssache." sagt Sascha. Dann steckt er den Schlüssel zurück in seine Hosentasche. "So, wie schon gesagt, ich muß jetzt los." sagt er weiter. Völlig überraschend für Maik, faßt Sascha mit seiner rechten Hand zwischen den Gürtel des Gefangenen und dessen linker Hüfte. Genau dort, wo wenige cm oberhalb die Narbe ist. Dann dreht er seine Hand langsam nach links, verengt dadurch den Gürtelumfang. Ein heftiger Schmerz breitet sich auf Maiks linker Bauchseite aus, strafft die Haut und dehnt die Narbe. Er schließt seine Augen und stöhnt auf. Seine Hände rucken vor Schmerz an der Kette. Sascha genießt es, wenn er seinen Gefangen so leiden sieht. "Wehe ich erfahre von Tom, daß du versucht hast abzuhauen. Dann nämlich müßte ich mich um deine Beine kümmern, daß du nie wieder laufen und türmen kannst. Ich hoffe ich habe mich, auch für dich, verständlich ausgedrückt?"
Auf Maiks Stirn sind kleine Schweißperlen zu sehen, so weh tut ihm Sascha´s Aktion. Seine Muskeln verspannen sich, eine schmerzfreie Atmung ist fast nicht mehr möglich. So hält er die Luft an um der Pein zu entkommen. Vergebens.
Sascha dreht seine Hand noch etwas weiter nach links, schaut seinem Opfer lächelnd ins Gesicht. Maik läßt seinen Kopf nach hinten in den Nacken fallen, verzieht sein Gesicht schmerzvoll. Seine Arme, die über ihm an dem Flaschenzug gefesselt sind, fangen an zu zittern, seine Knie werden weich und seine Bauchmuskeln treten vor Anspannung hervor. Tom steht hinter Sascha und sieht emotionslos zu.
"Ob du mich verstanden hast?" will Sascha von Maik wissen. Dieser merkt, wie seine Sinne langsam anfangen zu schwinden. Nein, er darf jetzt nicht ohnmächtig werden. Für ihn zählt jede Minuten um von hier weg zu kommen. Die Zeit die ihm eine Ohnmacht kosten würde wäre verstrichene, wertvolle Zeit. Wer weiß, wielange dieser Kerl weg ist. Vielleicht nur 30 Minuten, vielleicht auch länger. Aber dieses Risiko konnte Maik nicht eingehen. So sagt er mit zusammengebissen Zähnen. "Ich habe verstanden." Doch Sascha hört nicht auf. Er genießt es viel zu sehr. "Wie war das?" fragt er nach. "Ich werde nicht abhauen und hier auf eure Rückkehr warten." Seinen Triumph genießend, diesen Bullen jedenfalls teilweise gebrochen zu haben, dreht Sascha seine rechte Hand weiter gegen den Uhrzeigersinn und dehnt Maik´s Narbe noch mehr. Tayler schreit vor Schmerz auf. Erneut rettet ihn das Handy von dem Kerl. Endlich läßt dieser von dem Polizisten ab, der atmet erleichtert auf. Sein Körper ist mit kaltem Schweiß bedeckt und vor seinen Augen tanzen schwarze Schatten die ihn in die Welt der Bewußtlosigkeit ziehen wollen. Die Flecke auf dem Hemd sind durch seine Transpiration größer geworden. Deutlich zeichnen sie sich unter seinem Armen und im Rückenbereich ab. Maik fühlt sich so schwach und hilflos wie selten zuvor. Zwischen wach sein und ohnmächtig werden, hört er die Stimme von Sascha, der in sein Handy spricht: "Ja, ich bin doch gleich da." Schon hat er die Verbindung unterbrochen, steckt das Telefon zurück in seine Hose und greift Maik mit der rechten Hand an dessen Kinn. Somit zwingt er seinen Gefangenen ihm in die Augen zu sehen. Doch Maiks Augen sind unkonzentriert. Seine blaugefärbte Iris wandert schnell von links nach rechts. Er kann sich nicht auf sein gegenüber konzentrieren. Zufrieden lächelnd, läßt Sascha los und verläßt die Werkstatt. Er ist sich sicher, dieser Kerl wird noch hier sein, wenn er zurück kommt. Lange wird er nicht weg sein. Sein Boss sucht bloß eine wichtige Datei auf dem Laptop. Wie unter Hypnose hört Maik, daß der Caddy gestartet wird und schnell davon fährt.

Nach 10 Minuten kann Tayler wieder einigermaßen klar denken. Doch die Narbe schmerzt unbeschreiblich. Alexej´s Mann wird sich auch weiterhin auf diesen Punkt konzentrieren, das weiß Maik. Denn sie ist der einzigste Schwachpunkt des Gefangenen.

Weitere 5 Minuten später kommt Tom, sein Bewacher, von draußen. Er bläst weißen Rauch aus seinen Mund. Anscheinend hat er vor der Werktstatt geraucht.
"Schade daß nicht noch einer von deinen Freunden da ist, ansonsten könnten wir es uns bisschen gemütlich machen und mit Skaten die Zeit vertreiben." sagt Maik scherzhaft.
"Wenn du denkst du kannst mich mit deinem dummen Gelaber die ganze Zeit nerven, dann stopf ich dir dein großes Maul." sagt Tom und hebt drohend seinen Finger.
"Mach doch wenn du es dir zutraust. Aber paß auf, ich könnte von diesem scheiß Regenwasser ne ansteckende Krankheit in mir tragen und dich durch beißen infizieren. An deiner Stelle würde ich das Risiko nicht eingehen." sagt Maik. Es scheint so, als ob es seine letzte Rebellion wäre. Er sieht extrem geschwächt aus. Scheint sich kaum auf den Beinen halten zu können.
"Ok, wie hat Sascha gesagt: Wer nicht hören will, muß eben fühlen." Tom dreht sich um und geht zu der Werkbank. Er zieht einige Fächer auf und findet schließlich eine breite Rolle Klebeband. Mit der geht er zu dem Gefangenen zurück. Bereits auf den Weg dorthin, reißt er ein großes Stück ab. Die Rolle selbst legt er auf dem Generator ab. Er steht nur den Bruchteil einer Sekunde mit dem Rücken zu Maik, das reicht diesem. Plötzlich, wie von einer unsichbaren Macht mit Kraft versorgt, zieht er sich sofort an der Kette des Flaschenzuges nach oben und legt seine beiden Beine um den Hals des Mannes, dann drückt er zu. Somit blockiert er die Halsschlagader und unterbricht dabei die Blutzufuhr zum Gehirn. Außerdem drückt sein Unterschenkel auf Tom´s Luftröhre und Kehlkopf. Er bekommt keine Luft mehr. Es dauert weniger als eine Minute und Tom verliert das Bewußtsein. Der Plan von Maik hat funktioniert. Jetzt muß er noch von diesem blöden Haken runter und dann ... nichts wie weg, bevor dieser Sascha oder ein anderer Kerl zurück kommt. In einem Rausch aus Euphorie und Glücksgefühlen fühlt sich Maik wie Superman. Er wirft diesen blöden Generator um, steigt darauf und kann sich so von dem Haken befreien über den seine Handschellen liegen. Als er zurück auf den Boden springt, sacken ihm vor Schmerz seine Beine weg und er muß sich hin knien. Seiner geschundenen Narbe hat der Sprung nicht gut getan, gar nicht gut. Maik muß sich mit seinen gefesselten Händen auf diese Stelle fassen. Wieder stöhnt er schmerzvoll auf, schließt seine Augen und hält für einige Sekunden inne. Er spürt, wie seine Hände warm und feucht werden. Ein Blick darauf verrät ihm, daß es Blut ist. Ein zweiter Blick auf die schmerzende Stelle und Maik stellt entsetzt fest, daß seine Narbe von dem heißen Waffenlauf, dem ihm Alexej darauf gedrückt hatte, eine unnatürliche dunkelrote Färbung angenommen hatte. Kleine Bläschen zeichnen sich rund um diese Stelle ab und lösen Teile seiner Haut, die verbrannt sind. Die Klemme von dem Starthilfekabel hatte beim unsanften Entfernen sein übriges getan und die lose Haut teilweise abgerissen. Dort tritt Blut aus. Fast mehr Schaden hatte die letzte Aktion von diesem Sascha angerichtet. Die eh schon extrem verletzte Haut rund um die Narbe ist stellenweise aufgegangen und blutet dort stark.
Maik sieht sich um, entdeckt die Kleberolle mit dem dieser Tom ihm den Mund verbieten wollte. Bei seiner Ausbildung hatte Tayler auch etwas über Erste-Hilfe im Kampfeinsatz gelernt. Er reißt mit Hilfe seines Mundes ein Stück von der Rolle ab und klebt es sich auf die Wunde. Lange wird es nicht halten, aber erst einmal muß es gehen. Maik erhebt sich mit einem lauten Stöhnen, geht zu dem bewußtlosen Mann, nimmt ihm das Feuerzeug aus der Hemdtasche und macht sich auf den Weg zu seiner Sporttasche, die noch immer auf dem Boden steht. Schnell sucht er ein volles Magazin von seinem Scharfschützengewehr. Dabei schaut er hin und wieder zu dem bewußtlosen Mann. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieser wieder zusich kommt. Doch bis es soweit ist, muß Maik diese blöden Handschellen abbekommen. Endlich, er hat das Magazin gefunden. Daraus entfernt er die erste Patrone. Mit seinen Zähnen beißt er das Zündhütchen ab und spuckt es auf den Boden. Nun versucht er vorsichtig den Inhalt der Patrone in das kleine Schloss seiner Handschellen zu schütten. Shit, der Kerl am Boden bewegt sich. Die Zeit drängt, doch Maik darf nicht wackelt, sonst reicht das Pulver aus der Patrone nicht aus, um das Schloss zu sprengen. Geschafft, alles ist drin. Jetzt noch schnell das Feuerzeug angemacht und dann PENG, ist er frei. Schneller als Maik erwartet hat, kommt Tom zu sich. Durch den Würgegriff stark hustend und noch etwas orientierungslos sucht er den Gefangenen. Maik wird nervös und fängt an zu zittern. Er bekommt dieses blöde Feuerzeug nicht an. Immer wieder versucht er die Flamme zu zünden und immer wieder funkt zwar der Feuerstein, mehr passiert aber nicht. Tom dreht sich auf den Bauch, sieht Maik hinter sich knien. Diese Bulle versucht ein Feuerzeug zu entzünden. Wozu? Noch einmal bekommt Alexej´s Mann einen schrecklichen Hustenanfall. Sein Kehlkopf schmerzt wie verrückt. Aber er schafft es, nach seiner Waffe zu greifen. Mühsam entsichert er sie und ziehlt auf den Gefangenen. Eine plötzliche Stichflamme sorgt dafür, daß er seinen rechten Arm hebt und sein Gesicht von dem Feuer wegdreht. Als er sich mit seiner Waffe wieder dorthin wendet, sieht er in den Lauf einer Sig Sauer. Eine Fünftelsekunde später ist ein ohrenbetäubender Knall zu hören. Eine ausgestoßene Patronenkugel fällt auf den Boden. Ihr Klang ist ungewöhnlich laut. Ansonsten ist nichts zu hören. Beide Männer sehen sich mit weit aufgerissenen Augen an, ihre Waffen auf den jeweiligen anderen gerichtet. Einige Sekunden herrt tödliche Stille in der Werkstatt. Nur die laut schlagenden Herzen der beiden Konkurrenten sind zu hören. Langsam erkennt man auf der linken Brustseite von Tom, daß sich dort sein Shirt rot färbt. Er ist derjenige der getroffen wurde und als Verlierer aus dem Kampf hervorgehen wird. Entsetzt sieht an sich hinunter und wie die Stelle auf seiner Brust immer größer wird. Dann kippt er zur Seite und ist kurz darauf Tod.
Maik`s Herz rast wie nach einem Geländemarsch in Kampfausrüstung. Seine linke Hand mit der Sig Sauer darin zittert vor Aufregung. Wenn die Explosion nur etwas später seine Handschellen gesprengt hätte, läge er jetzt an der Stelle von Tom. Aber er hat noch einmal Glück gehabt. Glück hat er auch, daß er mit rechts und links schießen kann. So behindert ihn sein gebrochener rechter Zeigefinger nicht zu sehr. Von der Anspannung gezeichnet, muß sich Maik auf den Boden setzen. Er atmet schwer. Doch er hat nicht viel Zeit um sich auszuruhen. Jede Sekunde die verstreicht, läuft gegen ihn. Daran hat sich nichts geändert. Mit unsäglicher Kraftanstrengung erhebt sich Maik und geht zu der Sporttasche. Dabei drückt er seine rechte Hand auf die Wunde, die durch den erhöhten Blutdruck seines Körpers noch mehr blutet. Degegen hilft auch nicht das Klebeband. Sein Hosenbund färbt sich bereits Rot. Mühsam schleppt sich Maik zu der Sporttasche. Dort steckt er sich seine Sig Sauer in den Hosenbund auf der rechten Seite. Danach nimmt er das Scharfschützengewehr aus der Sporttasche, entfernt das leere Magazin und ersetzt es durch ein neues. Dafür braucht er mehr Zeit als sonst, denn sein geschwollener Finger behindet ihn dabei und er schmerzt auch ziemlich. Außer sein hin und wieder schmerzvolles Stöhnen und die Waffengeräusche ist nichts zu hören. Eine mörderische Stille liegt in der Luft. Außer den Waffen nimmt Maik noch den Reisegutschein und sein Handy mit. Sein Scharfschützengewehr auf Dauerfeuer gestellt und im Anschlag, nähert er sich fast geräuschlos der kleine Ausgangstür. Draußen ist alles ruhig. Maiks Herz rast wie so oft in den letzten Tagen. Er glaubt, den Duft der Freiheit zu riechen. Doch noch ist er nicht außer Gefahr. Ein vorsichtiger Blick nach draußen verrät ihm, daß er ganz alleine ist. Kein Auto steht mehr vor der alten Werktstatt. Die Sonne geht langsam unter und hüllt den Horizont in ein feuriges Rot. Maik geht zu dem getöteten Mann zurück und durchsucht dessen Taschen. Vielleicht hat er Glück und der Kerl hat seine Autoschlüssel. Fehlanzeige. Das wäre auch zu schön gewesen. Kurzschließen kann er seinen Pick up nicht, denn die Wegfahrsperre wäre dann immer noch in Takt. Und zu Fuß fliehen. Er blutet wie ein Schwein und würde nicht sehr weit kommen. Vielleicht stecken die Wagenschlüssel am Fahrzeug. Dieser Kerl hatte doch die Starthilfekabel von dort geholt. Schnell schleppt sich Maik zu seinem Silverado. Schon von weitem sieht er die Schlüssel an der Kofferraumabdeckung stecken. Freudig zieht er sie ab und steigt in sein Auto. Fix den Zündschlüssel ins Schloss, das Gewehr auf den Beifahrersitz gelegt, Tür zu und dann mit Vollgas, ab durch die Mitte. Als sich Maik zur Wagentür beugt um sie zu schließen, stöhnt er auf. Ein unbeschreiblicher Schmerz zieht sich von seiner Hüfte bis zum Bauchnabel. Hoffentlich erleidet er durch den starken Blutverlust keinen Schwächeanfall und baut bei seine Flucht einen tödlichen Unfall. Dann wäre alles umsonst gewesen und Bianca würde allein zurück bleiben.
Als Maik die Wagentür schließen will sieht er, daß das Tor noch zu ist. "Oh Shit." sagt er zu sich selbst. Steigt wieder aus und geht dorthin. Immer wieder verzieht er sein Gesicht. Als er am Tor ist, bückt er sich um es nach oben zu schieben, dabei muß er auf seine Verletzung drücken, damit sie nicht weiter auf geht. So, jetzt ist der Weg in die Freiheit offen. Wieder schleppt sich Maik zu seinem Auto. Dabei hinterläßt er auf dem Fußboden die ersten Blutstropfen. Ein weiteres Mal steigt Maik in sein geliebtes Auto. Seine mit Blut verschmierten Hände verteilen dieses auf das Lenkrad, die Tür und noch andere Teile die Maik in dem Silverado berührt. "Bitte, geh an." betet Tayer als er den Zündschlüssel herumdreht. Kraftvoll springt der V 8 Motor an und erfüllt die verlassene Schrauberwerkstatt mit seinem dumpfen Klang. Mit seinem über 6 Meter langen Pick up hat er Probleme rückwärts aus der Werkstatt zu kommen. Da er sich in dem Gelände nicht auskennt weiß er auch nicht, wie er es am besten verlassen kann. Mühsam wendet Maik in der doch ziemlich engen Werkstatt. Nach 5 Minuten hat er es geschafft und steht mit der Schnauze in Richtung Tor. Ein Blick in seinen Rückspiegel verrät ihm, daß dieser Tom noch genauso daliegt wie vorhin. Maik sagt grinsend: "Goodbye Loser." Gleichzeitig steckt er seine linke Hand aus dem Fenster und zeigt dem toten Mann den Stinkefinger. Noch einmal läßt er seinen Motor aufheulen, dann verläßt er das Gelände. Noch nie empfand er einen Sonnenuntergang so herrlich. Er kommt sich vor wie John Wayne der nach einem schweren Kampf mit seinem Pferd zufrieden gen Westen reitet. Doch Maik hat etwas mehr als nur 1 PS unter seinem Hintern. Er verfügt über 349 Pferdestärken. Langsam fährt Tayler um das nächste Gebäude. Da es hier ziemlich eng zu geht, muß er aufpassen, daß er sein Auto nicht an eine Mauer setzt. Er kann bereits die Hauptstraße sehen. Er hat es geschafft. Er ist frei ! ! !

Wie aus heiterem Himmel schlagen plötzlich mehrere Kugeln in sein Fahrzeug ein. Maik kann nicht sagen, von wo sie abgefeuert wurden, aber sie zerstören gezielt die beiden Vorderreifen und den Kühler seines Fahrzeuges. Instiktiv tritt Maik auf die Bremse und zieht seinen Kopf ein. Die Beifahrertür des Silverados wird aufgerissen. Ein Mann mit einer Glock 20 in der Hand zielt auf Maik. "Hände ans Lenkrad! Sofort!" brüllt er ihn an. Dann nimmt er das Scharfschützengewehr vom Beifahrersitz. Maik ist von dem völlig unterwarteten Überfall wie gelähmt. Kaum hat er seine Hände auf das Lenkrad gelegt, sieht er, wie Sascha aus einem Haus gleich neben dem Fahrzeug kommt. Auch seine Waffe zielt auf Maik. Dieser sinkt enttäuscht in sich zusammen. Als er wieder nach vorn auf die kleine Straße schaut sieht er, wie sich von dort ein Suburban nähert. Mit diesem Fahrzeug hatte er schon bei Justins Entführung fast einen Zusammenstoß gehabt. Die ganze Situation kommt ihm wie ein böses Deja vu vor. Nun ist Sascha bei ihm. Er öffnet die Fahrertür. "Du wolltest dich einfach so verdrücken ohne uns Tschüß zu sagen. Das ist aber sehr unhöflich." Maik lacht kurz auf. "Mir einen Finger zu brechen oder mich an einen Stromgenerator anzuschließen, das nenne ich auch nicht gerade höflich." Da mehrere Waffen auf Maik zielen versucht er nicht seine Sig Sauer aus dem Hosenbund zu ziehen. Er wäre durch seine Verletzung eh viel zu langsam. "Du legst jetzt ganz brav deine Hände an den Kopf und steigst langsam aus. An deiner Stelle würde ich hastige Bewegung vermeiden. Meine Männer haben einen ziemlich nervösen Zeigefinger." Maik gehorcht und steigt vorsichtig aus. Bei jeder Bewegung stöhnt er vor Schmerz. Als er mit dem Rücken an seiner Wagentür steht, drückt Sascha ihm seine Beretta gegen die Stirn und zieht mit der anderen Hand die Sig Sauer aus Taylers Hosenbund. "Du gestattest doch?" fragt er zünisch. Als er damit fertig ist, nimmt er seine Waffe wieder von Maiks Stirn. Schlägt dann urplötzlich zu und trifft den ehemaligen Polizisten mit dem Griff seiner Waffe im Gesicht. Der Schlag ist so kraftvoll, daß Maik sich 90° nach rechts dreht und mit dem Kopf hart gegen seine Autotür schlägt. Der Hieb und der Zusammenprall mit seiner Fahrertür ist so extrem, daß Maik sofort das Bewußtsein verliert und zu Boden geht.

Es ist bereits spät und Bianca sitzt noch immer allein in dem Café. Sie macht sich wirklich Sorgen um ihren Freund. In der Pension hatte sie bereits angerufen und erfahren, daß er gegen Mittag auschecken wollte. Doch von seinem Stadtausflug war er nicht zurückgekommen. Sie kann doch nicht einfach tatenlos hier rumsitzen und warten, daß er sich meldet. Wenn er wirklich in Schwierigkeiten steckt, dann muß sie handeln. So entschließt sie sich dazu, ihn zu suchen.

55.

Irgendwann holt die Realität Maik wieder ein und er erwacht aus einer tiefen Bewußtlosigkeit. Er liegt mit dem Rücken auf dem kalten harten Zementfußboden der Werkstatt, daß fühlt er. Sein Kopf dröhnt wie nach einer durchzechten Nacht. Maik getraut sich nicht die Augen zu öffnen, aus Angst, daß das grelle Licht der Neonröhren seinen Kopf platzen lassen wie eine überreife Melone. Stimmen sind zu hören. Diese kommen aber nicht aus seinem Unterbewußtsein, sondern sie sind wirklich da. Mehrere Männer unterhalten sich, unter ihnen ist auch Sascha. Diese Tonlage würde Maik unter vielen wiedererkennen. Er kann nicht verstehen, worüber sie reden. Dafür sind sie zu weit weg. Je mehr Maik in das hier und jetzt zurückkehrt, desto mehr spürt er seinen schmerzenden Körper. Es gibt kaum keine Stelle, die ihm nicht weh tut. Seine Hände liegen über seinem Kopf. Als er sie ganz vorsichtig bewegt, spürt er einen Wiederstand. Er trägt erneut Handschellen. Auch hört er das Scheppern einer Kette. Diese Leute haben ihn also nicht nur gefesselt, sondern auch wieder an diesen Flaschenzug festgemacht. Somit hat sich für ihn nichts geändert. DOCH, eins hat sich geändert. Er steckt nun noch tiefer in der Scheiße als vor seinem Fluchtversucht. Denn was hatte dieser Ker ihm angedroht: "Wehe ich erfahre von Tom, daß du versucht hast abzuhauen. Dann nämlich müßte ich mich um deine Beine kümmern, daß du nie wieder laufen und türmen kannst." Seine Beine sind so ziemlich das einzigste an seinem Körper, was noch keinen Schaden genommen hat. Bis jetzt. Maik versucht zu schlucken, aber sein Hals ist ausgetrocknet. Er hat Durst, wahnsinnigen Durst. Durch den hohen Blutverlust hat er viel Flüssigkeit verloren. Sein Kreislauf wird nicht mehr lange mitspielen. Eine angenehme Benommenheit umhüllt bereits jetzt seinen geschundenen Körper und läßt die Verletzungen an Finger und Hüfte nicht ganz so schmerzen, als wenn er völlig klar im Kopf wäre. Wenn er Glück hat, dann erlebt er den nächsten Sonnenaufgang, bevor seine Organe durch den hohen Blutverlust versagen. Um aus dieser unerträglichen Situation zu flüchten, triftet Maik´s Gehirn zum Eigenschutz in eine Parallelwelt ab. Er kann nichts dagegen tun. Sein Kopf schafft sich eine Ersatzwirklichlichkeit.

... Maik sieht sich, wie er mit seiner jetzigen Freundin vor einem wunderschönen Mehrfamilienhaus steht. Dieses Haus kommt ihm so vertraut vor. Dann fällt es ihm ein, beide stehen vor ihrer ersten gemeinsamen Wohnung in München. Sie hatte sich die Schlüssel von dem Makler geben lassen und wollte nun das erste Mal ihre Entdeckung mit Maik teilen.
Aufgeregt wie ein kleines Kind öffnet sie die Tür zur Dachgeschosswohnung. Nach einer kurzen Besichtigung fragt sie ihn: "Und, wie gefällt dir die Wohnung? Sie hat sogar ein Zimmer mehr als wir bräuchten. Daraus könnten wir später ein Kinderzimmer machen." Bianca plant immer schon weiter. Das liebt Maik an ihr. "Naja, sie ist ja ganz nett." hatte er auf ihre Frage geantwortet und dabei enttäuscht geschaut. Ihr Lächeln verschwand daraufhin. "Was gefällt dir daran nicht?" will sie wissen, denn sie hatte sich schon längst in die Wohnung verliebt. "Also Erstens. Sie liegt viel zu Nah an deiner Klinik. Du wärst innerhalb von 5 Minuten hier." sagt Maik völlig ernst. "Was ist daran falsch?" Bianca schaut verständnislos ihren Freund an. "Wenn ich mal eine Zweitbeziehung haben sollte, dann müßte ich immer gefaßt sein, daß du ganz plötzlich auftauchst und uns in flagranti erwischst." erklärt Maik und muß sich das Grinsen verkneifen. "Und außerdem, wo sollen unsere anderen 5 Kinder schlafen?" Jetzt kann er nicht mehr und muß lachen. "Du bist ein Blödmann." sagt sie nun wieder lächelnd und wirft ihre Autoschlüssel nach ihm. Er dreht sich weg. "Hey, wir sind noch nicht mal Verlobt und du beschießt mich schon. Wie soll das erst in unserer Ehe werden." ...

In Maiks Phantasiewelt schleicht sich ein komisches Geräusch und holt ihn aus seiner Zwischenwelt zurück. Es klingt wie die Atemgeräusche eines Lebewesens, dann hört er ein leises Quitschen. Etwas kitzelt ihn an seiner rechten Wange. Was ist das? Als Maik seine Augen öffnet, sieht er in das Gesicht einer ziemlich großen Ratte. Er schreit vor Schreck auf und will sie mit seinen Händen davon jagen. Doch die Kette an der er gefesselt ist, ist zu kurz für diese Aktion. Ein Schuss fällt und befördert das Tier bis zur Wand. Dort bleibt es halb zerfetzt liegen. Maiks legt sich erleichtert zurück auf seinen Rücken, sein Herz und seine Lungen arbeiten auf Hochtouren. Er sieht wie 3 Männer von Alexej die Werkstatt betreten. Maiks Aufschrei hatte sie dazu veranlaßt, nach dem Gefangenen zu schauen. Sascha war der Schütze gewesen. Er geht zu dem toten Tier. Steckt seine Waffe hinter seinen Rücken in den Gürtel, kauert sich hin und faßt der Ratte vorsichtig an ihren Schwanz. Damit geht er zu Maik. Dieser versucht sich aufzusetzen. Was hat der Kerl mit diesem Mistvieh vor? Kurz vor Maik kauert sich Alexejs Mann erneut hin und schaut grinsend auf die Ratte, die vor seinem Gesicht leicht hin und her schaukelt. Ihren Kopf kann man fast nicht mehr erkennen, er wurde von der 9 mm Patrone deformiert. "Siehst du, sogar die Ratten spüren schon, daß es mit dir bald zu Ende geht. Sie können dein Blut und deine Angst riechen." Sascha schaut nun zu seinem Gefangenen der Leichenblass vor ihm sitzt. Dessen Brustkorb hebt und senkt sich schnell, seine Atmung rast. Das Blut der Ratte tropft unaufhörlich auf den Boden. Nur darauf achtet Maik. Übelkeit macht sich in seinem Magen breit.
Von draußen nähert sich ein Fahrzeug und Sascha schaut in die Richtung. Als ein Mann von ihm sagt: "Der Dok kommt." wendet sich Alexejs Gehilfe wieder Maik zu. Lächelnd sagt er: "Sieh dir das kleine Tierchen noch einmal genau an. Genau so wirst du enden. Aber bis es soweit ist, wird noch einige Zeit vergehen. Dabei wird es immer wieder Momente geben, wo du Gott anbetteln wirst, mit der Ratte tauschen zu dürfen." Saschas eiskalter Blick verrät Maik, daß der Kerl keinen Spaß macht. Endlich steht dieser auf und geht mit dem toten Tier nach draußen. Maik legt sich wieder auf den Boden. Die Wunde an seiner Hüfte brennt wie die Hölle und auch sein Finger meldet sich schmerzhaft zurück.
Er hört die Männer vor der Werkstatt reden. Danach klappt eine Autotür. Nach einigen Minuten kommt ein älterer Mann mit Vollbart und Anzug in die Halle. Er hat einen schwarzen Aktenkoffer in der Hand. Mit diesen geht er zu Maik und stellt sich vor: "Ich bin Doktor Möbius und soll mir ihre Wunde ansehen."
"Wozu? Diese Kerle werden mich doch eh bald umbringen."
"Ich stelle keine Fragen und das sollten sie auch nicht tun."
Der Arzt kniet sich auf den Boden, legt seine Aktentasche neben Maik und öffnet sie. Tayler kann darin medizinische Zubehör sehen: Pflaster, Binden, Tabletten, Spritzen, verschiedene Ampullen und noch anderes Zeug. Der Doktor zieht sich Einweghandschuhe über und untersucht Maiks Bauchverletzung. "Das sieht böse aus." stellt er fest.
"Das weiß ich auch, denn es tut verdammt weh." sagt Maik schnippisch und zuckt zusammen als der Mann die Wunde berührt.
"Das muß genäht werden."
"Toll. Dann überzeugen sie die Kerle davon, daß ich unbedingt in ein Krankenhaus muß." sagt Maik und klammert sich an einen Strohhalm der Hoffnung heißt und ihn vielleicht lebend von hier weg bringt. Doch dieser Strohhalm löst sich augenblicklich in Luft auf als der Arzt antwortet: "Die Männer haben mir ausdrücklich verboten, einen Krankenwagen zu rufen. Also werde ich sie hier so gut es geht verarzten."
Maik schaut den Doktor entsetzt an. Dann sieht er in Richtung Tür. Die Männer sind noch immer draußen und warten dort. "Das ist jetzt nicht euer ernst? Was ist mit der Hygiene? Die Wunde könnte sich infizieren?"
Doch der Doktor antwortet nicht auf Maiks Fragen. Er öffnet bereits die sterile Verpackung einer Spritze. Als er diese mit eine der Ampullen befüllt, sagt er: "So wie ich die Sache einschätze, dürfte eine Infektion ihr kleinstes Problem sein."
Wieder sieht Maik zur Tür und noch immer sind sie alleine. Leise sagt der ehemalige Polizist: "Das haben sie völlig richtig erkannt. Diese Kerle werden mich umbringen. Vorher werden sie mich foltern. Das können sie doch nicht zulassen? Was ist denn mit dem hippokratischen Eid den sie abgelegt haben, Menschenleben zu retten?"
Der Arzt steckt eine Nadel auf die Spritze und hält sie in die Luft. Er entfernt die Luftblasen. Gleichzeitig betritt Sascha die Halle und kommt zu beiden Männern. "Alles in Ordnung?" will er von dem Doktor wissen.
"Ja. Die Wunde muß allerdings genäht werden. Ich werde dem Mann jetzt eine lokale Betäubung geben."
"Dann machen sie mal." sagt Sascha und sieht zu, wie der Arzt die Nadel mehrmals um Maiks Wunde einsticht und somit die angrenzenden Nerven betäubt. Dieser stöhnt bei jedem Einstich auf. Alexej´s Mann lächelt zufrieden.
"In 5 Minuten müßte es wirken und ich kann nähen." sagt der Doktor und greift erneut in seinen Koffer.
"Wielange werden sie brauchen?" will Sascha wissen.
Der Arzt sieht erneut auf die Wunde des Gefangenen und sagt: "So wie es aussieht, müßten 5 Stiche reichen. In 15 Minuten bin ich fertig."
"Gut, ich warte draußen auf sie." Mit diesen Worten verläßt Sascha die Werkstatt.
"Bitte, helfen sie mir." bettelt Maik den Doktor an.
"Ich kann nicht. Sie halten meine Familie gefangen." Dann setzt der Arzt den ersten Stich an. Vorsichtig führt er die Nadel mit dem Faden wenige mm neben der Wunde ein. Maik stöhnt auf, verkrampft sich. Das Betäubungsmittel scheint noch nicht richtig zu wirken. Der zweite Stich. Tayler glaubt vor Schmerzen verrückt zu werden. Bei jedem weiteren Einstich zieht er ungewollt mit seinen Händen an der Kette die ihn in diesem Raum gefangen hält. Maik hat das Gefühl, als ob die Zeit stehen bleibt. Ein paar qualvollen Minuten später setzt der Doktor zum letzten Stich an. Als er damit fertig ist, atmete Maik erleichtert auf. Er hat es überstanden.
"Die Fäden lösen sich von selbst auf. Sie müssen also nicht gezogen werden." sagt der Doktor, legt Nadel und Faden beiseite und öffnet ein eingeschweißtes dünnes Päckchen. Er erklärt: "Ich werde ihnen noch einen sterilen Verband auflegen. Den sollten sie erst nach einer Woche wechseln."
"Wenn sie mir nicht helfen, bin ich bis dahin längst Tod." sagt Maik geschwächt und sich aufgebend.
"Wie ich ihnen schon gesagt habe, ich kann ihnen nicht helfen. Dann würden sie meine Familie umbringen."
Tayler denkt krampfhaft nach, wie er dies hier überleben kann und trotzdem den Arzt und seine Familie nicht in Gefahr bringt. "Haben sie einen Stift bei sich?" fragt er plötzlich.
"Ja. Warum?" will der Doktor wissen.
"Ich sage ihnen die Telefonnummer von einem Freund. Den rufen sie an, wenn ihre Familie in Sicherheit ist. Von mir aus von einer Telefonzelle aus. Dann kann man den Anruf nicht zurückverfolgen. Sie brauchen nur zu sagen, daß Maik Tayler in Schwierigkeiten steckt und Hilfe braucht. Sie sollen mein Handy orten, dann finden sie mich."
"Ich weiß nicht." sagt der Arzt unsicher und sieht in Richtung Tür. Niemand ist dort.
"Bitte, ansonsten bin ich erledigt. Meine Freudin würde nie über meinen Tod hinweg kommen." versucht Maik nun an die Gefühle des Mannes zu appelieren.
"Also gut." Der Doktor sucht einen Stift in seinem Aktenkoffer und ein Blatt, dann schreibt er die Zahlen auf, die ihm dieser Maik Tayler ansagt. Es ist die Telefonnummer von Lou, seinem alten SEK-Kameraden und Freund. Er wird ihn hier rausholen.
"Sind sie endlich fertig?" fragt Sascha ungehalten aus Richtung Tür. Erschrocken zuckt der Doktor zusammen. "Ja ja. Ich bin schon fertig. Muß nur noch mein Zeug zusammenpacken." seine Stimme zittert.
Als sie wieder alleine sind, flüstert Maik: "Sie müssen ruhig bleiben. Lassen sie sich nichts anmerken. Der Kerl hat keine Ahnung."
"Das ist leichter gesagt als getan."
"Ich weiß." bestätigt Tayler und versucht trotz der Schmerzen zu lächeln. "Danke." sagt er noch.
Dann steht der Doktor auf und verläßt die Halle.
Gott sei Dank, das Martyrium hat für Maik bald ein Ende.

56.

Der Tag neigt sich dem Ende entgegen. Die Sonne ist fast verschwunden, nur noch ganz hinten am Horizont kann man ihr fahles Licht erkennen. Für die nächsten Stunden hat sie ihre Vorherrschaft an den Mond abgetreten. So, also müßte sie sich für den kommenden Tag ausruhen, um dann wieder ihre wärmenden Strahlen Richtung Erde zu schicken. Immer mehr Sterne leuchten am nächtlichen Himmel und kündigen eine romantische Nacht an.
Im nahegelegenen Englischen Garten von München ist schon seit längerer Zeit Ruhe eingekehrt, nur noch vereinzelte Hundebesitzer drehen mit ihren geliebten Vierbeinern eine allabendliche Runde. Die restlichen Bewohner sitzen entweder vor ihrem Fernseher und genießen das Abendprogramm oder sie befinden sich in eine der zahlreichen gutbesuchten Gaststätten der bayrischen Landeshauptstadt. Unter ihnen wären heute Abend auch Bianca und Maik gewesen. Doch es war anders gekommen.
Warum die hübsche Krankenschwester den Abend nun allein in ihrer Wohnung verbringen muß, dies kann nur ihr Freund beantworten. Aber Maik ist seit 10 Stunden spurlos verschwunden. Bianca macht sich große Sorgen um ihren Geliebten. Erst hatte sie auf Arbeit so ein komisches flaues Gefühl im Magen gehabt und dann hatte Maik sie auch noch versetzt. Das hätte er nie getan. Für die werdende Mutter steht fest, ihr Freund muß in echten Schwierigkeiten stecken.
Bianca hatte sich nach Dienstschluss noch lange in diesem Café aufgehalten und darüber nachgedacht, was Maik an ihrer Stelle getan hätte, wenn sie so plötzlich wie er verschwunden wäre. Er würde sie suchen. Und genau dies wird sie tun, ihn suchen.
Als sie schließlich am späten Nachmittag nach Hause gekommen war, hatte sie einige Anrufe getätigt. Unter anderem hatte sie sich für die nächsten Tage auf Arbeit krank gemeldet.
Morgen früh wird sie sich noch schnell mit einem Bekannten treffen und dann in ihr Auto setzen um zu der Pension zu fahren wo Maik bis zu seinem Verschwinden gewohnt hat. Vielleicht findet sie dort einen Hinweis auf seinen Verbleib.

Wieder hört Maik Autotüren klappen. Kurz darauf betreten 2 Männer die Werkstatt. Es sind Sascha und noch ein anderer Mann. Beide gehen nach hinten in einen angrenzenden Raum, wo sich noch weitere Leute von Alexej aufhalten. Seit dem der Arzt gegangen war, hatte niemand mehr Notiz von dem Gefangenen genommen.
Durch die lokale Betäubung die er von dem Doktor bekommen hatte, verspürt Maik keine Schmerzen. Außer diesem benommenen Gefühl in seinem Kopf, geht es ihm ganz gut.
Einer von den Männern kommt aus dem Nebenraum. Er hat eine Plastikflasche Wasser in der einen und einen Pappbecher in der anderen Hand. Damit geht er zu dem Gefangenen. "Der Doktor hat gesagt, daß du viel trinken mußt, um den Blutverlust auszugleichen." Der Kerl füllt den Becher mit Mineralwasser und gibt ihn Maik. Der Polizist versucht sich hinzusetzen, dabei stöhnt er kurz auf. Doch der Schmerz an seiner Hüfte ist nicht so stark, wie er angenommen hat. Völlig ausgetrocknet greift er nach dem Becher, setzt ihn an und trinkt ihn in einem Zug aus. Der Mann schaut auf ihn herab und grinst. Er füllt den Becher nach und wieder trinkt Maik diesen aus. Die angenehm kühle Flüssigkeit tut seinem überhitzten Körper gut. Warum Maik so ein brennen in sich spürt, weiß er nicht. Wahrscheinlich, weil seine Organe mit sehr wenig Blut auskommen müssen oder sich in seinem Inneren bereits eine Infektion ausbreitet. Doch Maik sieht einen leuchtenden Hoffnungsschimmer in dieser verdreckten und verlassen Werkstatt. Sobald dieser Doktor Möbius bei Lou angerufen hat, wird sein Freund alle Kräfte mobilisieren und ihn hier rausholen. Diese Tatsache verleiht Maik eine gewisse Stärke und Kraft. Er braucht sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, wie er am schnellsten von hier weg kommt. Nein, er muß nur noch abwarten bis seine alten Kameraden sein Handy geortet haben und zuschlagen.
Nach einem weiteren Becher verschwindet der Kerl wieder in das Nebenzimmer. Er macht sogar das Licht in der Werkstatt aus. Die Männer scheinen sich ziemlich sicher zu sein, daß der Gefangene keinen weiteren Fluchtversuch unternimmt. Daß sie damit Recht haben, können sie jedoch nicht wissen. Maik wird kein weiteres gesundheitliches Risiko mehr eingehen. Viel zu greifbar ist seine Befreiung. Durch den harten Boden, die Handschellen und die Kette, findet der ehemalige Polizist in dieser Nacht nicht wirklich einen erholsamen Schlaf. Er fällt nur ganz selten in einen tiefen Dämmerzustand, dabei träumt er von seiner Freundin.

Auch sie findet in dieser Nacht nicht die erhoffte Ruhe. Ihre Gedanken kreisen immer wieder um Maik und wie es ihm wohl gerade geht.

57.

Als Maik aufwacht hat er keine Ahnung wie spät es ist. Ihm tut jeder einzelne Muskel seines Körpers weh. Die Nacht auf so einem harten Boden zu verbringen, war nicht gerade angenehm gewesen. Sein Silverado steht wieder in der Werkstatt. Unter dem Motor ist eine große Pfütze zu sehen. Da Alexej´s Männer gezielt auf den Kühler geschossen hatten, konnte es nur das Wasser-Glykol-Gemisch aus dem Behälter sein was nun auf den Boden tropft. Indem sie diesen zerstört hatten, wäre Maik nicht mehr weit gekommen bevor er mit einem Motorschaden liegen geblieben wäre. Außerdem waren da noch die 2 getroffenen Vorderreifen. Diese Kerle wußten wirklich was sie tun müssen um seiner Flucht ein jähes Ende zu setzen.
Maik sieht dem heutigen Tag nicht mehr ganz so pessimistisch entgegen wie noch kurz nach seinem mißglückten Fluchtversuch. Wenn alles glatt läuft, dann wird er bereits heute Abend in einem schönen weichen Bettchen liegen, zusammen mit Bianca. Man, sie wird sich die ganze Nacht Sorgen gemacht haben, wo er abgeblieben ist. Hoffentlich kommt sie nicht auf die dumme Idee und taucht in der Pension auf, um ihn zu suchen. Die Kerle könnten einen Mann abgestellt haben, der diese überwacht und seinem Boss sofort Bescheid gibt, falls jemand nach Maik Tayler fragt. Nein, so leichtsinnig wird sie nicht sein.
Das große Tor zur Werkstatt ist verschlossen. Doch durch die Fenster die sich im oberen Teil befinden, kann man den Tagesanbruch erahnen. Es müßte also so gegen 6 Uhr sein. Ansonsten ist alles ruhig. Die Stille wirkt schon fast unnatürlich. Von seinen Aufpassern ist niemand zu sehen oder zu hören. Aber Maik weiß, daß sie da sind. Sie schlafen vielleicht im Nebenraum. Hoffentlich noch sehr lange, denn wer weiß, wann der Arzt bei Lou anrufen wird. Maik hebt seinen Kopf und schaut in Richtung Werkbank, dort liegt noch immer sein Handy. Über dieses kann sein Freund die Stelle orten an dem Maik gefangengehalten wird. Er schätzt mal, daß nach dem Anruf etwa 5 oder 6 Stunden vergehen werden, eh Lou mit dem halben SEK-Team hier auftaucht und ihn rausholt. So lange hält er durch. Auch wenn diese Leute bis dahin noch einiges mit ihm anstellen werden, was schmerzhaft werden könnte. Bei seiner SEK-Ausbildung mußte er u.a. auch folgenden Punkt absolvieren: Wie verhalte ich mich bei einer Gefangennahme. Mal sehen, ob die Lehrbücher ihm im wahren Leben wirklich hilfreich sind.
Aus dem Nebenzimmer ertönt die Titelmelodie von Mission Impossible. Danach ist ein verschlafenes: "Ja." zu hören. Einer von seinen Wachen ist durch einen Anruf geweckt wurden. "Warte, ich schaue mal nach." sagt dieser und dann hört Maik Schritte. Der Gefangene stellt sich sofort schlafend. "Alles in Ordnung, der schläft noch. . . OK, ich wecke ihn und bereite alles vor. . . Was denkst du, wielange du brauchen wirst?" Der Mann schaut auf seine Uhr. "Geht klar. Bis gleich." Dann beendet er das Gespräch und steckt sein Handy in die Hosentasche. Maik hört wieder Schritte, diesmal kommen sie in seine Richtung. Er versucht ruhig zu atmen, damit der Kerl nicht mitbekommt, daß der Gefangene bereits wach ist. Ein leichter Tritt trifft ihn am rechten Oberschenkel. "Hey, du, aufwachen. Du bekommst gleich Besuch."
Maik stellt sich verschlafen und fragt: "Wie spät ist es denn?"
"Gleich 6 Uhr 20." antwortet der Mann.
"Spinnst du mich so zeitig zu wecken? Ich habe gerade von einer scharfen Frau geträumt und dann tauchst du auf. Verschwinde und laß mich weiter pennen."
Ohne auf die Provokation einzugehen, geht der Mann wieder nach hinten.
"Na also." sagt Maik und dreht sich auf die andere Seite. Nur wenige Sekunden später sind wieder Schritte zu hören. Diesmal von mehr als nur einer Person. Das Herz des ehemaligen Polizisten fängt an zu rasen. Das hat garantiert nichts gutes zu bedeuten. Warum kann er auch nicht seine Klappe halten. Die anstehende Befreiung macht ihn leichtsinnig. Vielleicht zu leichtsinnig. Eigentlich erwartet Maik jetzt Schläge und Tritte, doch es kommt anders. Ein kalter Wasserguß auf seinem Gesicht läßt ihn die gefesselten Hände heben und zur Abwehr in Richtung Quelle strecken. "Hey, was soll der Scheiß?" will Maik wissen.
"Ich habe es dir zuerst im Guten gesagt, aber wenn du es halt nur auf die unsanfte Art kapierst." sagt der Mann lachend. Der Gefangene schaut ihn böse an. Dabei entdeckt er eine Flasche Mineralswasser in dessen Hand. "Wenigstens war es diesmal nicht so eine Drecksbrühe wie gestern." kontert Maik.
"Daß ist deine Belohnung dafür, daß du heute Nacht so brav warst." sagt ein weiterer Mann der jetzt ebenfalls bei Maik steht.
"Und weil ich so brav war, bekomme ich einen schönen heißen Kaffee und eine frische Semmel zum Frühstück."
"Träum weiter." sagt der Mann und wendet sich ab. Auch sein Kumpel geht von Maik weg.
"Hey du da!" ruft Maik hinter dem Mann hier.
"Was?" blafft ihn dieser an.
"Könnte ich den Rest aus der Flasche bekommen? Ich habe wahnsinnigen Durst."
"Wie heißt das Zauberwort." will der Mann wissen.
Am liebsten hätte Maik Arschloch gesagt, aber er behält es klugerweise für sich und sagt stattdessen: "Bitte."
Grinsend wirft ihm der Mann die Plastikflasche vor die Füße und geht zu seinem Kumpel nach draußen. Gierig trinkt Maik den Rest Mineralwasser.

Bianca hatte in der Nacht sehr schlecht geschlafen. Immer wieder sah sie Maik in ihren Träumen vor sich. Schließlich war sie kurz nach 5 Uhr aufgestanden und unter die Dusche gegangen.
Jetzt sitzt sie am Tisch und macht Frühstück. Wieder einmal allein. Obwohl es anderes geplant war. Weder der Kaffee noch die frischen Semmeln schmecken ihr so wirklich. Was wird ihr Freund wohl heute zum Frühstück essen? Hoffentlich ist er noch am Leben. Ihr Blick fällt auf ein Bild. Es wurde kurz nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus aufgenommen. Beide waren das erste Mal zusammen auf dem Oktoberfest. Bianca in einem wunderschönen Dirndl, bestehend aus einer ziemlich freizügigen weißen Bluse und einem roten Überrock und Maik. Der hatte eine dunkelbraune Lederhose und ein blau kariertes Hemd an. Beide kamen sich in ihrer Verkleidung so albern vor. Doch mit der Zeit fanden sie gefallen an dem Outfit und hatten einen wirklich herrlichen Tag. Auf dem Foto sind beide zu sehen, wie Maik Bianca gerade auf den Arm nimmt. Sie hatte damals Angst gehabt, daß er sie fallen läßt. Aber Maik war stark und hatte sie gut festgehalten. Wieso war? Nein, er IST stark. Sie kann den Gedanken, daß er vielleicht schon Tod ist, nicht zulassen. Maik lebt und ist gesund. Ihr schießen Tränen in die Augen. Sie bekommt keinen Bissen mehr hinunter, im Gegenteil. Schnell steht sie auf und geht ins Bad.

Wieder einmal nähert sich ein Fahrzeug dem alten Gewerbegebiet. Maiks Wachen stehen draußen, sie scheinen bereits auf den Fahrer zu warten. Nachdem der Motor verstummt ist, hört Maik die Simme von diesem Sascha. "Helft mir mal." weist er seine Leute an. Diese tragen einen Rucksack und eine Reisetasche in die Halle. Tayler kennt die Sachen, es sind seine Sachen aus der Pension. Dann taucht dieser Sascha auf. Er hat den Laptop von Maik in der einen Hand und in der Anderen eine Papphalterung für Kaffeebecher. Darin stehen 2 Becher. Sofort wird die Werkstatt mit Kaffeeduft durchzogen. Ein kurzer Blick zu Maik verrät Alexej´s Mann, daß wirklich alles in Ordnung ist. "Gut geschlafen?" will er von seinem Gefangenen wissen.
"Geht so." antwortet dieser wortkarg.
"Wie ich sehe, warst du bereits duschen." sagt der Kerl und lacht.
Maik fährt sich durch seine noch immer nassen Haare und sagt: "Ja. Eure Männer waren mir dabei behilflich."
"Schön, daß du dich so gut mit ihnen verstehst." erwiedert Alexej´s Mitarbeiter scherzhaft. Dann gibt er beide Kaffeebecher seinen Leuten. "Hier, den könnt ihr bestimmt gebrauchen." sagt er dabei.
"Und ich?" fragt Maik leise.
Sascha sieht zu ihm und meint lächelnd. "Das wäre rausgeschmissenes Geld. Den würdest du bei unserer kleinen Unterhaltung, die wir in den kommenden Stunden haben werden, eh wieder auskotzen."
Dem Gefangenen läuft bei den Worten des Mannes ein eiskalter Schauer über seinen Rücken. Maik betet insgeheim darum, daß Lou bereits Bescheid weiß und nach ihm sucht. Ansonsten könnte es echt hart für ihn werden.
"Wie du siehst, habe ich deine Sachen geholt. Du hattest ja den Schlüssel bei dir. Wirklich eine hübsche kleine Pension in der du untergekrochen bist. Natürlich habe ich die Bezahlung übernommen. Die ältere Dame an der Rezeption war wirklich sehr erfreut zu hören, daß es dir gut geht. Sie hatte sich schon Sorgen gemacht."
"Was für eine Lüge hast du ihr aufgetischt?"
"Nur, daß du einen alten Bekannten getroffen hast und nun bei ihm wohnst. Übrigens, ich habe mir heute Nacht mal deinen Computer vorgenommen. Kompliment, du hast über unsere Geschäfte ganz schön was rausbekommen, hätte ich nicht gedacht." sagt Sascha und sieht zu seinem Gefangenen.
"Tja, ich bin eben einer von den Besten." stellt Maik triumphierend klar.
"Gewöhne dich mal lieber an den Gedanken, daß du der Beste W A R S T ! ! ! " antwortet Sascha kalt.
"Noch bin ich nicht Tod."
"Diesmal muß ich dir Recht geben: Noch nicht. Bis es soweit ist, werden wir ne nette Zeit verbringen." Dabei grinst dieser Typ unheilvoll. "Also, zurück zu deinem PC. Wie schon gesagt, du hast wirklich paar Dinge herausgefunden, die meinem Boss und mir echt den Hals brechen könnten. Bloß gut, daß du sie niemanden gezeigt hast." Sascha hat Maiks Laptop auf die Werkbank gestellt und fährt ihn hoch.
"Wieso seit ihr euch so sicher, daß ich die Daten nicht weiter verschickt habe? Vielleicht an einen guten Freund von mir, der sein Gehalt noch immer vom Staat bekommt."
"Ach, du spielst auf deinen Kumpel, diesen Lou, beim SEK an. Nein, der ist vollkommen ahnungslos. Ich habe dein Postausgangsfach überprüft, da war nichts."
Wieso weiß der Kerl von Lou? fragt sich Maik sofort. Weder in seinem PC taucht Lou namentlich auf, noch hat ihn Maik irgendwann erwähnt. Sein Telefonspeicher im Handy? Nein, den hatte er so angelegt, daß nur die Telefonnummern auftauchen, aber keine Namen. Also, woher weißt der Kerl von ihm?
Sascha interpretiert den Gesichtsausdruck seines Gefangenen richtig. "Oh, du überlegst jetzt wohl krampfhaft, woher ich den Namen habe. Damit du dir dein kleines Köpfchen nicht zu sehr anstrengen muß, gebe ich dir den Tipp." Sascha holt einen Internet Stick aus seiner Hosentasche und steckt ihn in Maiks PC. Dann googelt er etwas bestimmtes. Maik ist irgendwie komisch zu mute. Seine 2 Bewacher trinken genüßlich ihren Kaffee und schauen zu, was Sascha macht. "So, fertig." sagt dieser und dreht den Rechner so, daß Maik auf den Bildschirm sehen kann. Der Nachrichtensprecher der Tagesschau ist zu sehen. "Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau. Guten Morgen meine Damen und Herren. Gleich am Anfang möchte ich über ein grauenvolles Verbrechen berichten, was sich letzte Nacht im Landkreis Mannheim zugetragen hat und was der Polizei Rätsel auf gibt. In den gestrigen späten Abendstunden ging in der Notrufzentrale ein Anruf ein, daß es im Haus des Herrn Doktor Möbius zu einer Schießerei gekommen sei. Als die Polizei und die Rettungskräfte eintrafen, fanden sie ein Blutbad vor. Doktor Möbius und seine gesamte Familie waren Tod. Getötet durch mehrere Schüsse in den Kopf." Nun ist ein Bild zu sehen, wie der Doktor, seine Frau und seine beiden Kinder, etwa 8 und 12 Jahre, in ihrer Wohnung liegen, blutüberströmt. Der Sprecher kommentiert weiter: "Es waren keine Einbruchsspuren zu sehen und es wurde nichts gestohlen. Außzuschließen ist auch ein Familiendrama. Kolleginnen und Kollegen haben ausgesagt, daß die Familie in Takt war. Die Polizei bittet um sachdienliche Hinweise. Jede Dienststelle nimmt ab sofort Aussagen entgegen." Sascha unterbricht das Video. Maik wird plötzlich schlecht und er muß sich übergeben. Wozu sind diese Kerle fähig? Sie töten einfach so 4 Menschen. Unter ihnen 2 unschuldige Kinder. Als es dem Gefangenen wieder etwas besser geht, fragt er: "Wieso habt ihr den Dok und seine Familie getötet. Sie waren doch keine Gefahr für euch."
"Wieso?" fragt Sascha und sein Blick ändert sich von eiskalt zu verärgert. "Du fragst mich allen Ernstes WIESO? Dann denk mal darüber nach. Ich bin mir sicher, daß du die Antwort kennst."
"Was habe ich damit zu tun?" fragt Maik, doch ihm schwant schon etwas.
Der Kerl greift in seine Hosentasche und nähert sich seinem Gefangenen. Als er vor ihm steht, wirft er ihm ein zusammengelegte Stück Papier vor die Füße. Die Kette die er an den Händen trägt, reicht gerade noch bis dahin. Mit zitternden Fingern greift Maik nach dem Stück Papier und öffnet es. Er hatte es bereits geahnt, auf dem Blatt stand eine Telefonnummer und der Name Lou. Dies war der Zettel den der Doktor benutzt hatte, nachdem Maik ihn um Hilfe gebeten hatte. In Wirklichkeit ist Maik am Tod dieser Menschen Schuld, dies steht für ihn augenblicklich fest.
"Hast du wirklich geglaubt, daß ich den Doktor nach dem Kontakt mit dir, nicht durchsuchen lasse? Falls du das angenommen hast, dann bist du echt blöd. Ich habe dich nur mit ihm alleingelassen weil ich sehen wollte, ob du es noch einmal versuchst von hier wegzukommen. Du weißt bestimmt noch, was ich dir in dem Fall angedroht habe." Der Kerl wendet sich an seine Männer. "Los, stellt ihn auf die Beine!" befielt er laut und streng.
"Hey, können wir nicht noch mal in Ruhe darüber reden!" schreit Maik und versucht sich gegen die Kerle zu wehren. Was natürlich sinnlos ist.
Sascha geht in der Zeit zu der Reisetasche von Maik in der seine Waffen liegen. Er nimmt die Armbrust heraus, dazu einen Pfeil. Diesen legt er erst einmal auf die Werkbank, spannt die Sehne der Waffe und legt den Pfeil ein. Als er damit fertig ist, schaut er zu seinem Gefangenen. Dieser steht wieder unter dem Flaschenzug, seine Arme weit noch oben gezogen. Sein Herz rast und er zieht wie verrückt an der Kette. "Du bist doch krank, du und deine ganzen Männer!" schreit Tayler. Davon völlig unbeeindruckt, richtet der Kerl die Armbrust auf Maik und betätigt den Abzug. Mit einer Geschwindigkeit von 406 km/h bohrt sich der Aluminumpfeil ins Maiks linken Oberschenkel und bleibt im Knochen stecken. Ein lauter Schmerzensschrei erfüllt das gesamte stillgelegte Gewerbegebiet.





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58.

Diesmal klingelt das Handy von Maik. Er bekommt es vor Schmerz gar nicht richtig mit. Sascha hat die Armbrust zurück in die Tasche gelegt und schaut auf das Display. Es erscheint nur eine Handynummer, kein Name dazu. "Dich scheint jemand zu vermissen." sagt der Kerl und sieht grinsend zu Maik. Dieser hängt Leichenblass an der Kette. Ein unbeschreiblicher Schmerz zieht sich durch seinen gesamten Körper. Der Pfeil steckt noch immer im linken Oberschenkel. Es blutet nicht sehr stark, doch es tut bestialisch weh. Es klingelt noch 2 x, dann legt der Anrufer auf und Sascha das Handy zurück auf die Werkbank. Langsam geht er zu seinem Gefangenen. Er faßt diesem in die Haare und zieht dessen Kopf brutal nach hinten. Maiks blaue Augen sind mit Tränenflüssigkeit gefüllt. Sein Peiniger grinst. "Tut weh, habe ich Recht?" will er wissen. Maik fühlt sich nicht im Stande zu antworten. "Ich habe dich gefragt, ob es weh tut?" wiederholt der Kerl leise. Da Maik erneut schweigt, schaut Sascha an ihm herab, greift mit der rechten Hand nach dem Pfeil und zieht ihn leicht nach oben. Die Wunde wird gedehnt und sein Gefangener schreit erneut auf. "Jetzt tut es bestimmt weh." sagt Sascha mit einem sardistischen Grinsen. Maiks gesamter Körper zittert vor Schmerz. "Wenn ich aufhören soll, dann sag lieb: Bitte bitte Onkel, hör auf mir weh zu tun." Taylers Folterknecht will seinen Gefangenen mit diesem Satz erniedrigen. Doch so leicht ist Maik nicht zu brechen. Wieder klingelt dessen Handy. Erst ignoriert Sascha das klingeln, aber als es nicht aufhört, läßt er von seinem Gefangenen ab und geht erneut zur Werkbank. Maik atmet schnell und oberflächlich. Auf seiner Stirn sind Schweißperlen zu sehen. Er schließt seine Augen, versucht sich zu konzentrieren um dann das Schmerzzentrum in seinem Gehirn lahmzulegen. Da er auf diesem Gebiet ein ziemlicher Laie ist, gelingt es ihm kaum. Sascha kehrt mit dem Handy in der Hand zurück. Dieses ist wieder still. "Sagt dir die Nummer 0172 548 2415 etwas?" will er von dem Gefangenen wissen. Sofort ist Maiks Konzentrationsversuch gescheitert. Und ob er diese Nummer kennt, sie gehört zu Bianca. Wieso ruft sie ihn auf dem Handy an? Er hatte es ihr doch ausdrücklich verboten! Aber er versteht sie auch. Schließlich hat er sich seit 24 Stunden nicht mehr gemeldet. Sie wird sich Sorgen machen.
"Ich sehe es in deinen Augen, daß du die Nummer kennst." sagt Sascha. "Sei lieb und gib mir einen Namen."
"Schau doch mal im Telefonbuch nach unter: Leck mich."
Der Mann vor Maik lacht und sieht seine Männer an. Amüsiert fragt er sie: "Habt ihr noch ne Idee, wie wir ihn kooperativer bekommen?"
"Wie wäre es mit bisschen Tanzunterricht." sagt einer von ihnen zweideutig und geht zu dem Generator der in einer Ecke steht.
"Oh ja, den hätte ich doch fast vergessen." antwortet Sascha und grinst. Als das Gerät neben ihm steht, schließt er eine Klemme des Startkabels an dem Generator an und die andere an dem Pfeil der noch in Maiks Bein steckt. Dieser stöhnt vor Schmerz auf, denn jede noch so kleine Berührung des Pfeils löst einen heftigen Schmerzanfall aus. Die zweite Klemme schließt Sascha am anderen Pohl an. "Kannst ihn starten." sagt er zu seinem Mitarbeiter. Dieser drückt auf einen Knopf und nach kurzer Zeit springt der Generator an. Sascha nimmt die letzte Klemme in die Hand, schaut zu Maik und fragt: "Bist du immernoch bockig und willst mir den Namen nicht verraten?" Das Herz des ehemaligen Polizisten tobt in seinem Brustkorb als ob es herausspringen wolle. Seine Halsschlagader schwillt fast schon schmerzhaft an. Nein, er wird Biancas Namen nicht preisgeben, egal was diese Kerle mit ihm anstellen werden. Diesmal bekommt er von einer völlig unerwarten Seite Hilfe. "Was ist denn hier los?" fragt ein Mann aus Richtung Tür. Es ist dieser Drogendealer der Maik vor der Stromfolter rettet. Jedenfalls erst einmal. Erleichtert atmet dieser auf, als der Kerl vor ihm die Klemme sinken läßt. "Ich habe doch bloß bisschen mit ihm gespielt." sagt Sascha versöhnlich zu seinem Chef.
"Jetzt übernehme ich die Rolle des Spielleiters und du gehst wieder auf die Reservebank." fährt er seinen Mitarbeiter an. Sascha ist darüber nicht erfreut, doch was soll er tun? So macht er den Generator wieder aus und legt die Klemmen darauf.
"Laß das Teil aber hier. Falls der Kerl nicht auf meine Fragen antworten will, können wir immer noch darauf zurückgreifen." sagt Alexej.
Wieder klingelt Maiks Handy. Fragend sieht der Russe zu Sascha. "Das ist schon der Dritte Anruf in kürzester Zeit. Irgendjemand versucht ihn zu erreichen. Der Bastard will mir nur nicht sagen wer es ist. Aber ich habe es an seinen Augen, daß er die Nummer kennt."
Alexej schaut zu Maik, dieser sagt: "Ich habe eurem Lakaien schon gesagt, unter welchen Namen er im Telefonbuch nachschauen soll."
Ein heftiger Hieb in seine rechte Niere lassen den Gefangenen verstummen. Einer von seinen Entführern hatte ohne Vorwarnung zugeschlagen. Das Telefon verstummt wieder.
"Gib mir das Handy." sagt der Drogendealer und hält seine Hand hin. "Wenn er uns den Namen sind sagen will, dann werde ich eben den Anrufer zurückrufen. Mal sehen, wer sich meldet."
Der Mann wählt die Nummer und läßt es klingeln. Als der Kontakt zu stande kommt, schreit Maik:
"Bian . . . !" Mehr kann er nicht sagen, denn einer von den Kerlen hält ihn den Mund zu. Sofort unterbricht Alexej die Verbindung, schaut zu seinem Mitarbeiter und nickt in Richtung des Polizisten. Sascha versteht sofort. Er holt die Kleberolle die auf der Werkbank liegt. Dann bückt er sich und hebt einen alten Lappen auf der in einer Ecke ist. Mit beiden geht er zu Maik. Dieser versucht sich zu wehren um den Anruf zu verhindern. Was eine völlig blödsinnige Idee ist. Wieder meldet sich Maiks Handy. Der Russe läßt es klingeln. Der Kerl der noch immer hinter Maik steht, zieht dessen Kopf erneut an den Haaren nach hinten und Sascha versucht dem Gefangen den Lappen in den Mund zu stecken. Doch dieser beißt sich auf die Zähne, läßt es nicht zu, ihn so einfach Mundtod zu machen.
"Soll ich euch helfen?" will Alexej spöttisch wissen. Maik schaut in die haßerfüllten Augen von Sascha. Plötzlich hebt dieser sein rechtes Knie und rammt es seinem Gefangenen mit voller Wucht auf die Stelle wo der Pfeil in der Wunde steckt. Maik schreit auf, verliert durch den heftigen Schmerz fast sein Bewußtsein. Doch Sascha hat damit erreicht, was er wollte. Sofort steckt er den dreckigen Lappen in den Mund des Gefangenen. Dann klebt er Klebeband darüber. Seinem Opfer laufen Tränen über die Wange.
"Na endlich." sagt der Russe, drückt auf Wahlwiederholung und Freisprechen.
Es klingelt gerade ein Mal und schon ist die aufgeregte Stimme von Bianca zu hören: "Mensch Maik, warum meldest du dich nicht? Ich habe mir Sorgen gemacht. Du wolltest doch Gestern zurück kommen. Wo zum Teufel steckst du?"
Ihr Freund versucht sie zu warnen, doch der Knebel in seinem Mund läßt dies nicht zu.
Alexej meldet sich, ruhig und freundlich: "Oh, sie sind wohl die Freundin von Maik?"
Einige Sekunden ist Stille, dann fragt Bianca: "Wer sind sie und wie kommen sie an das Handy von meinem Freund?"
Der Russe lacht: "Ach wissen sie, das ist eine ganz komische Sache. Ihr Freund wollte gestern zu ihnen fahren, doch ich habe ihn leider an einer Kreuzung übersehen und bin voll in sein Auto reingedonnert."
"Geht es ihm gut?" unterbricht Bianca den Anrufer.
"Ja, ihm ist nichts passiert, bloß sein Silverado hat ganz schön was abbgekommen. Ich habe ihm vorgeschlagen, den Schaden in einer Werkstatt reparieren zu lassen. Deshalb ist er noch immer hier."
"Das beantwortet nicht meine Frage, wie sie an sein Handy kommen."
"Ihr Freund muß es im Auto vergessen haben. Ich war gerade in der Werkstatt um zu sehen, wieweit die Reparatur ist, da hat mit der Chef gesagt, daß das Handy im Wagen bereits mehrfach geklingelt hat."
"OK." sagt Maiks Freudin gedehnt. Sie scheint diesem Kerl die fadenscheinige Ausrede abzukaufen. "Und wo ist mein Freund jetzt? Wo kann ich ihn erreichen?"
"Natürlich übernachtet er in meinem Haus am Rhein. Leider ist durch einen Blitzschlag meine komplette Elektrik ausgefallen. Sie können ihn also nicht telefonisch erreichen. Aber er kommt in einer halben Stunde in die Werkstatt um nach seinem Auto zu sehen. Leider dauert die Reparatur doch etwas länger, weil ein Teil erst geliefert werden muss. Wenn sie wollen, könnte ich ihren Freund zu ihnen bringen. Wo wohnen sie denn?" fragt Alexej scheinheilig.
Maik betet, daß Bianca nicht auf den ältesten Trick der Welt hereinfällt und ihre Adresse einem Fremden preisgibt.
"Ich kenne sie doch gar nicht. Warum also sollte ich ihnen meine Adresse sagen? Außerdem kennt sie mein Freund, fragen sie ihn doch." sagt sie und dem Polizisten fallen tausend Steine vom Herzen. Doch im gleichen Atemzug packt sich die doppelte Menge wieder dazu. Seine Freundin sagt: "Ich bin eh schon auf dem Weg weil ich ihn suchen wollte. Sagen sie mir den Namen der Werkstatt und ich hole ihn von dort ab."
NEIN, das darf jetzt nicht wahr sein! Schreit jede einzelne Faser in Maiks Gehirn. Seine Freundin tappt blindlings in eine Falle. Wenn sie sie erst haben, dann haben sie gegen Maik etwas in der Hand. Das darf einfach nicht geschehen, aber wie soll er es verhindern?
Alexej sieht lächelnd zu dem Gefangenen, dann unterhält er sich wieder mit Bianca: "Wissen sie was? Die Werkstatt liegt ziemlich abgelegen, sie ist nicht so leicht zu finden. Ich werde sie abholen. Kommen sie aus Richtung Autobahn?"
"Ja."
"Gut, dann sehen sie gleich kurz nach der Abfahrt eine Park and ride Möglichkeit. Dort warte ich in einem roten BMW M 3 auf sie."
"Oh ja, das gleiche Auto fährt meine Freundin." sagt Bianca und in ihrer Stimme hört man nichts was darauf schließen läßt, daß sie diesem Kerl irgendwie mißtraut.
"Wann könnten sie dort sein?"
Bianca scheint zu rechnen. Schließlich sagt sie: "In 20 Minuten."
"Oh schon. Dann muß ich mich sofort auf den Weg machen. Falls ich es nicht pünktlich schaffen sollte, werden sie doch auf mich warten."
"Aber natürlich." sagt sie. "Dann bis später." Sie hat aufgelegt.

59.

Als Alexej eine halbe Stunde später an der Park and ride Station eintrifft, wartet Bianca bereits. Sie sitzt in ihrem kleinen VW Polo mit der Two-Tone-Optik. Als der rote BMW auf den Parkplatz fährt, steigt sie aus. Ihr Herz pocht wild in ihrer Brust und sie ist nervös. Was wird sie in den kommenden Stunden erwarten? Wie wird es Maik gehen? Auf alle Fälle wird sie ihn zur Rede stellen.
Alexej parkt neben Bianca und steigt aus. Mit einem freundlichen Lächeln geht er zu ihr. Gibt ihr die Hand und fragt: "Sind sie die Freundin von Maik Tayler?"
"Ja. Mein Name ist Bianca Bauer." Sie lächelt und gibt dem Mann ebenfalls die Hand.
"Und ich heiße Alexej Orlow. Es ist mir wahnsinnig peinlich, daß ich ihnen so viel Sorgen bereitet habe. Klar hätte ich daran denken können, daß sich ihr Freund bei ihnen meldet. Aber durch das kleine Malheur waren wir beide ziemlich von der Rolle. Ich bin ihrem Freund so dankbar, daß er nicht die Polizei gerufen hat. Wissen sie, das Auto mit dem ich ihn gerammt habe, war nicht mal meins. Das hatte ich mir von einem Freund geborgt. Laut Versicherungsvertrag hätte ich es nicht mal fahren dürfen. Entschuldigen sie noch einmal."
Bianca versucht den aufgeregten Mann zu beschwichtigen. "Ich bin froh, daß meinem Freund nichts passiert ist. Alles andere ist Nebensache. Und da sie den Schaden bezahlen wollen denke ich, daß es schon in Ordnung geht."
"Wirklich?" fragt Alexej und setzt einen erleichterten Gesichtsausdruck auf.
"Wenn Maik auch der Ansicht ist, denke ich schon. Schließlich kann jeder mal einen Fehler machen."
"Da bin ich aber erleichtert." sagt Alexej und faßt sich mit seiner rechten Hand auf die Brust. "Es gibt wenige Menschen die so nett wie sie beide sind. Dafür revanchiere ich mich heute Nachmittag mit einem wunderschönen Essen. Was halten sie davon? Nur sie, ihr Freund und meine Wenigkeit."
"Aber das müssen sie nicht tun." wirft Bianca freundlicher Weise ein.
"Oh doch. Ich habe ihnen beiden ziemlich viel Unannehmlichkeiten bereitet. Ein Essen ist das Mindeste. Aber jetzt kommen sie, ihr Freund wird bestimmt schon in der Werkstatt sein."
"Wie ist er denn überhaupt dorthingekommen wenn er kein Auto hat?" will Bianca wissen.
"Ein Bekannter von mir hat ihn gefahren." lügt der Russe die Frau an. "Ich werde vorfahren und sie folgen mir einfach."
"Aber bitte, fahren sie nicht zu schnell, damit ich sie nicht verliere."
"Nein nein. Ich werde schon aufpassen, daß sie an mir dran bleiben."
Alexej geht zurück zu seinem Auto und steigt ein. Dabei denkt er: Das war ja leichter als gedacht. Die kleine Lady hat ihm die Geschichte von wegen Unfall problemlos abgekauft.
Er fährt vor und Bianca folgt ihm. Ein Blick in den Rückspiegel und Alexej lächelt. Die Kleine ist echt süß, denkt er sich. Bevor er sie vor den Augen ihres Freundes tötet, wird er sich noch etwas mit ihr amüsieren. Die Frauen mit denen er in der letzten Zeit geschlafen hatte, waren ihm viel willig. Er mochte eher die, die sich etwas sträuben. Diese hübsche kleine Lady wird ihn nicht so schnell ranlassen. Der Gedanke gefällt ihm und er spürt, wie seine Hose in dem entsprechenden Bereich seines Unterleibes enger wird.

Nach 20 Minuten fahren sie an einer Tankstelle vorbei. Ein schwarzer Suburban verläßt diese gerade und folgt den beiden Fahrzeugen. Bianca sieht ihn im Rückspiegel und erkennt darin 2 Männer. Noch denkt sie sich nichts dabei. Sie wird erst etwas nervös, als das Fahrzeug auch nach mehrmaligen Abbiegen noch immer hinter ihnen ist.
Der rote BMW fährt weiter stadtauswärts. Hier sind kaum noch Häuser zu sehen. Bianca hat ein ganz komisches Gefühl in der Magengegend. Diese Werkstatt wo Maiks Silverado repariert wird, scheint wirklich sehr abgelegen zu sein. Endlich wird das Leitfahrzeug langsamer und biegt in ein Gewerbegebiet ab. Unsicher schaut Bianca in den Rückspiegel. Auch der Suburban biegt ab. Was soll das? fragt sie sich. Seit dem Alexej von der Hauptstraße abgebogen ist, schaut er ebenfalls ständig in den Rückspiegel. Die Frau wirkt nervös, aber sie folgt ihm noch brav. Jetzt sitzt sie eh in der Falle, egal ob sie den Braten riecht oder nicht.
Noch ein paar Meter weiter und der rote BMW parkt vor einem großen Tor. Über der Eingangstür hängt ein altes Schild: Alles rund ums Auto. Doch die Werkstatt scheint verlassen zu sein. Was soll das? In was für eine gottverlassene Gegend hat sie der Mann gebracht? Und wer sind diese beiden Kerle in dem Suburban der sie schon die ganze Zeit verfolgt?
Die Türen des BMW öffnen sich und der Russe steigt aus. Seine Freundlichkeit ist wie weggeblasen. Auf seinem Gesicht kann man jetzt eiskalte Berechnung sehen. Bianca bekommt Angst und verriegelt die Türen ihres Polos. Alexej lächelt als er dies mitbekommt. Langsam nähert er sich der Frau.
"Wo ist mein Freund?" will sie wissen.
"Hier in der Werkstatt. Ich hatte ihnen doch gesagt, daß er auf die Reparatur seines Autos wartet."
"Veralbern kann ich mich alleine. Hier ist doch niemand. Also, wo ist Maik?" Wieder schaut Bianca nervös in den Rückspiegel. Aus dem anderen Fahrzeug was genau hinter ihr steht und den Rückweg blockiert, steigen die 2 Männer. Nun steht Alexej neben Bianca und will die Tür ihres Fahrzeuges öffnen. Er lächelt sie siegessicher an und sagt: "Komm, sei ein liebes Mädchen und mach die Türen auf." Die Freundin von Maik ist aufgeregt. Auf was hat sie sich da eingelassen. Was wollen die Männer von ihr? Orlow zieht wieder an dem Türgriff, doch Bianca tut nicht dergleichen. So langsam wird er sauer. Wütend schlägt er mit seiner rechten Hand auf das Wagendach und schreit: "Mach die verdammte Tür auf!"
Bianca erschrickt und sie glaubt, ihr Herz wolle ihr aus dem Hals springen. "Erst will ich meinen Freund sehen, dann steige ich vielleicht aus." erwieder sie mutig.
Erbost sieht dieser Kerl ihr in die Augen. "Du glaubst wirklich, daß du kleine Bitch mir was befehlen kannst?" sagt er leise und Bianca läuft es eiskalt über den Rücken. "Ich bitte dich ein letztes Mal im Guten die Türen zu öffnen und auszusteigen. Ansonsten werde ich andere Seiten aufziehen."
"Wie schon gesagt, erst will ich Maik sehen. Falls es ihm nicht gut geht, werde ich auf der Stelle die Polizei rufen." Bianca nimmt ihr Handy aus der Halterung am Amaturenbrett. Sie fängt an, die ersten beiden Zahlen der Notrufzentrale einzugeben 1 1.
"Ok ok." sagt dieser Mann an ihrem Auto und hebt versöhnlich die Hände. "Ich werde ihren Freund holen."
Langsam dreht sich Alexej um und scheint in Richtung Werkstatttor zu gehen. Doch plötzlich faßt er mit seiner rechten Hand unter seine Jacke, dreht sich herum und richtet eine Waffe auf die Fahrzeugführerin. "Du legst sofort das Telefon beiseite oder ich verpasse dir eine Kugel."
Bianca ist erschrocken. Was soll sie tun? Bevor sie so richtig zum Überlegen kommt, drückt Orlow ab. Ihre Frontscheibe zerbricht in tausend kleine Splitter. Sie schreit entsetzt auf und versucht ihr Gesicht vor dem Glas zu schützen. Dann wird auch noch ihre Seitenscheibe eingeschlagen und eine Hand faßt ihr derb in die Haare. Sie schreit auf, diesmal vor Schmerz. Ein kurzer kräftiger Ruck in Richtung Amaturenbrett und ihr Kopf schlägt hart auf ihr Lenkrad auf. Sie verliert für einige Sekunden die Kontrolle über ihren Körper. Etwas benommen bekommt sie mit, wie der Kerl die Entriegelung betätigt und die Autotür öffnet. Erneut greift er ihr in die Haare und zieht sie daran brutal aus dem Fahrzeug. Sie versucht seinen Griff zu lockern, aber der Russe läßt nicht los. So bringt er sie in die Werkstatt. Ungehalten wirft er sie auf den Boden. Heulend bleibt sie dort liegen.
Maik versucht sie zu rufen, aber wie, er hat noch immer den Knebel im Mund. Mit einem Grinsen reißt Sascha das Klebeband von dem Mund seines Gefangenen. Dieser spuckt sofort das Tuch aus und ruft: "Bianca! Mein Gott Bianca! Geht es dir gut?" Dann wendet er sich an den Russen: "Ich bring dich um wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst!"
Dieser lacht. "Oh, in dir steckt ja noch richtig viel Power. Das hätte ich nicht gedacht. Aber schön zu wissen."
Bianca schaut auf. Sie hat ein ganz verheultes Gesicht und über ihrem rechten Auge eine kleine Platzwunde. Blut sickert aus der Verletzung. Mit einem fiesen Lächeln geht Orlow zu seinem Gefangenen. Bianca läßt er ungeachtet am Boden liegen. Die 2 Männer aus dem Suburban stehen in der Tür und verhindern so einen unerwarteten Fluchtversuch der Frau. Als der Drogendealer vor Maik steht, sieht er ihn an. "Irgendwie kommt mir die Situation doch recht bekannt vor." sagt er und schaut zu Sascha der neben dem Polizisten steht. Dieser weiß worauf sein Boss anspielen will. "Du hast Recht. Hat uns nicht erst vor paar Tagen Schmidt erzählt, daß er schon mal Ärger mit dem Kerl hier hatte." Alexejs Mann schaut Maik in die Augen und erzählt weiter. "Am Anfang hatte er als Undercoverbulle noch alle Trümpfe in der Hand. Aber Schmidt hat ihm das Blatt schnell wieder abgenommen und ihn, sowie seine Freunde vom SEK, in eine Falle gelockt. Ich glaube, dabei sind einige von deinem Arbeitskollegen draufgegangen. Und auch du hast paar ganz schöne Kugeln abbekommen, aber du hast es überlebt. Nicht so ein Glück hatte deine Freundin. Als Schmidt dann letztendlich geflüchtet ist, hat er vorher deine kleine Bettgespielin noch gen Himmel geschickt. Ein sauberer Schuss in den Hals. Damit hat er dich mehr getroffen, als wenn er DICH erschossen hätte." Sascha und Alexej lachen, doch in Maik kommt pure Wut hoch. Jetzt erfährt er endlich, wie seine Freudin wirklich gestorben ist. Sie wurde nicht zufällig getroffen, sondern kaltblütig hingerichtet. "Das gleiche wird heute mir ihr geschehen." sagt der Russe und schaut zu Bianca. "Aber vorher werde ich mich mit ihr im Hinterzimmer noch etwas amüsieren."
"Wehe du rührst sie an." sagt Maik und seine blauen Augen funkeln angriffslustig.
"Was wenn doch?" will Alexej wissen und grinst. Dann schaut er zu Maiks gefesselte Hände hoch, die über seinem Kopf an dem Flaschenzug fixiert sind. "Ich denke du hast wenig entgegenzusetzen. Ich werde deine Feundin schänden, ob es dir paßt oder nicht. Sie wird es genießen, glaube mir."
"Rühr sie an und ich töte dich." sagt Maik wutentbrannt. Orlow lacht nur und wendet sich ab. Er nähert sich der hübschen jungen Frau die noch immer auf dem Boden liegt. Diese sieht flehend zu ihrem Freund. Heulend bettelt sie: "Bitte, hilf mir." Doch wie soll Maik ihr helfen?
Als Alexej bei ihr ist, gibt es plötzlich eine heftige Explosion und das große Tor wird aus den Angeln gerissen. Schüsse fallen und die 2 Männer von Alexej die in der Nähe der Tür standen, fallen getroffen zu Boden. Es dauert nur wenige Sekunden und mindestens 20 SEK-Beamte stürmen die Halle. Eine weitere Geschosssalve trifft Sascha der noch versucht hat, den einzigsten Zeugen Maik Tayler zu töten. Die beiden anderen Leute von dem Drogendealer werfen sofort ihre Waffen weg und ergeben sich. Ihr Boss gibt jedoch nicht so schnell auf. Er greift Bianca erneut in die Haare und zieht sie noch oben. Dann nimmt er seine Waffe und hält sie ihr an den Hals. "Noch einen Schritt weiter und ich töte diese Frau." sagt er und benutzt Maiks Freundin als Schutzschild. "Nicht schießen!" ruft einer von den SEK-Leuten und läßt seine Waffe sinken. Langsam nähert sich Alexej mit der Frau im Schlepptau dem Hinterzimmer. Bianca läßt ihren Kopf ängstlich nach vorn sinken. Doch dann, für alle Beteiligten völlig unerwartet, schlägt sie diesen mit voller Wucht nach Hinten, genau in Alexejs Gesicht. Dieser schreit auf, als ihm durch den heftigen Kopfschlag die Nase gebrochen wird. Sofort wird er von 2 SEK-Beamten überwältigt. Bianca rennt zu Maik und umarmt ihn. Dieser stöhnt auf, als sie an den Pfeil kommt. "Oh entschuldige, das wollte ich nicht." sagt sie und ihre Augen füllen sich mit Tränen. Der Befehlshaber der Einsatzgruppe sagt in sein Heatset: "Schickt sofort die Sanitäter rein!" Dann geht er zu dem Gefangenen. Dort nimmt er seinen Helm ab, es ist Lou. "Man, bin ich froh dich zu sehen." sagt Maik und ist echt erleichtert.
Bianca heult und küßt ihren Freund. Sie sagt: "Ich dachte schon, daß du Tod bist."
"So schnell wirst du mich nicht los." scherzt Maik und verzieht erneut schmerzvoll sein Gesicht.
"Warte, ich helfe dir." sagt Lou und greift nach der Bedienung für den Kettenzug. Vorsichtig läßt er seine alten Kameraden herunter. Immer wieder stöhnt dieser auf. Als er auf dem Boden liegt, treffen sie Sanitäter ein. Sie kümmern sich sofort um den Verletzten. Bianca sieht hilflos aber überglücklich zu. Lou hält sie dabei zärtlich im Arm.
5 Minuten später haben die Rettungskräfte Maik eine Infusion gelegt, durch diese bekommt er die dringend benötigte Flüssigkeit und auch ein starkes Schmerzmittel. Während sie sich noch um die Schußverletzung am Bein kümmern, kauert sich Bianca hinunter. Sie hält die linke Hand ihres Freundes fest. Tränen der Erleichterung laufen ihr übers Gesicht.
"Wie hast du mich gefunden?" will Maik wissen. Aber seine Freundin ist mit den Nerven so am Ende, daß sie nicht antworten kann. Lou steht ebenfalls noch da und er gibt Maik Antworten. "Als du gestern Nachmittag Bianca versetzt hast, hat sie sich natürlich Sorgen gemacht. Sie rief in der Pension an und erfuhr dort, daß du eigentlich Abreisen wolltest aber seit deinem Stadtausflug vermißt wirst. Da hat sie mich angerufen und um Hilfe gebeten. Nachdem wir alle Krankenhäuser überprüft hatten stand fest, daß es nur noch eine Erklärung für dein plötzliches Verschwinden gibt: deine Tarnung ist aufgelogen und die Kerle haben dich entführt. Ich habe zwar sofort dein Handy orten lassen. Aber damit stand noch lange nicht fest, daß du auch dort bist, wo dein Handy ist. Bianca hat sich draufhin als Köter zur Verfügung gestellt. Wir haben sie verwanzt und ihr nen GPS-Sender verpaßt. Somit konnten wir alles mithören und waren immer in ihrer Nähe. Als wir hörten, daß du hier wirklich gefangengehalten wirst, haben wir zugeschlagen. Ich denke, keine Minute zu spät. Oder was sagst du?" Lou lächelt und auch Maik lächelt.
Liebevoll sieht er zu Bianca die ihn anscheinend gar nicht mehr loslassen will. "Ich bin so stolz auf dich." sagt er.
"Wir müssen ihn jetzt wirklich in ein Krankenhaus bringen." sagt einer von den Sanitätern. "Wenn sie wollen, dann können sie mitfahren." Und Bianca will mitfahren. So verlassen sie gemeinsam die Halle des Schreckens.
Ein weiterer SEK-Mann meldet seinem Vorgesetzten: "Wir haben niemanden mehr gefunden."
"Ok, dann beenden wir den Einsatz." sagt Lou und bricht die erfolgreiche Befreiungsaktion ab. Noch einmal geht er zu Orlow der gefesselt in einer Ecke sitzt und von einem anderen Sanitäter verarztet wird. "Ich hoffe, die gebrochene Nase tut richtig schön weh." sagt er und verläßt die Werkstatt. Draußen fährt gerade der Krankenwagen mit Blaulicht und Martinshorn ab.

* * * * * * *

Maik wird operiert. Die Ärzte kämpfen 10 Stunden lang darum, daß er sein Bein nicht verliert und es gelingt ihnen. Als er auf die Intensivstation verlegt wird, wartet seine Freundin bereits auf ihn. Bianca ist so glücklich, daß er lebt.

* * * * * * *

Als Maik transportfähig ist, läßt sie ihn nach München verlegen. In dasselbe Krankenhaus, wo sie arbeitet. So kann sie ihn täglich besuchen. Er erholt sich erstaunlich schnell. Sein gebrochener Finger mußte zwar erneut gebrochen werden, um ihn wieder in die richtige Postion zu bringen, aber jetzt heilt er gut. Seine Bauchwunde war durch Doktor Möbius erstklassig versorgt wurden und auch seine Beinverletzung wird heilen.

* * * * * * *

Chris, Janine, Justin und Rebecca besuchen ihn ebenfalls sehr oft. Sie haben nach ihrer Rückkehr aus London von Maiks Verletzung erfahren und sich sofort auf den Weg nach München gemacht. Als sie dann noch erfuhren, daß er bald Papa wird, haben sie ihm von ganzen Herzen gratuliert.

In dem Moment wo Maik von seiner baldigen Vaterrolle erfahren hatte, war für ihn alles perfekt und er machte Bianca einen Heiratsantrag.

Auch Lou, sein alter Kumpel, besucht ihn so oft es sein Dienst zu läßt. Er hält seinen Freund auf dem Laufenden wegen der Verhandlung von Alexej. Ihm wird der Handel mit Drogen und Waffen vorgeworfen. Ebenso Erpressung und Kidnapping. 2 Kinder konnten bei der Befreiungsaktion auf dem Flugplatz noch gerettet werden. So wie der Richter sagt, wird er wohl zu 42 Jahren Haft verurteilt, dann ist er über 80 Jahre alt, eh er wieder raus kommt.

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9 Monate später rast ein schwarzer Chevrolet Silverado durch die Stadt. Rote Ampeln ignoriert der Fahrer. Schließlich hält er mit quitschenden Reifen auf dem Parkplatz einer Frauenklinik. Schnell springt der rücksichtslose Fahrer aus seinem Auto und rennt in Richtung Eingang. Es ist Maik Tayler. Am Informationsschalter fragt er die dort sitzende Schwester aufgeregt: "Wo ist der Kreissaal?" "In der 5 Etage." sagt sie und schon rennt der junge Mann nach oben. Er nimmt nicht den Fahrstuhl, das dauert ihm viel zu lange. Die Schwester sieht ihn lächelnd hinterher.

Nach 4 Stunden hält Maik sein erstes Kind in den Armen. Er kann sein Glück nicht fassen. Er ist Vater einer gesunden kleinen Tochter. Ihr und der Mama geht es gut. Bianca und Maik entschließen sich dazu, ihr Engelchen Amélie zu nennen.

E N D E

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Wer von Maik Tayler nicht genug bekommen kann, für den geht es nächsten Dienstag weiter. Die 2. Geschichte über ihn lautet:

"Wenn das Gestern zum Heute wird".

Auch da wird es wieder spannend. Diesmal geht es um seine eigene Familie. Und da versteht der ehemalige SEK-Agent nun gar keinen Spaß.


© sylvi


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Beschreibung des Autors zu "''Flucht vor dem Gestern'' Teil 2."

Maik Tayler macht sich auf die Suche nach diesen Kindesentführern.

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