Regenwetter beherrschte die Tage. Trotzdem machte sich Erna Spur auf den Schmalspurweg um die Ecke bei dem Kreisverkehr links drüben. Sie hatte das Bedürfnis, sich die Regentropfen durch die Nase zu ziehen. Hans Guck in die Luft, der unbeschwerte Schelm aus Kindheitstagen ließ sie ihre Nase gen Himmel heben. Nur für die Regentropfen, die in die Löcher ihrer Nase sollten.

Just gerade, es hörte auf zu regnen.
Pech gehabt!

Na ja, …  rotzfrech überholte sie ein Knilch der Unterstufe mit seinem neongelb/schwarzgestreiften Tretroller. Im Anschluss fuhr eine Vespa in einer Geschwindigkeit der durchbrechenden Schallmauer, anstandshalber durch eine Pfütze mittleren Ausmaßes direkt an Erna vorbei. Oh, Erna wurde nass. In gnu-farbiger Bermuda und mit unzähligen Strohblumen auf weiß bedruckten Gummistiefeln unterwegs, spielte es keine Rolle, dass dieses kleine Stück Haut zwischen Stiefelanfang und Bermudaende dunkle Rinnsale der Schmutzpfütze aufwies.

Auf gähds … rächds ummi.

Sie ließ sich nicht beirren, schubste fröhlich mit den Gummistiefelspitzen Kieselsteine vor sich her, trat (der Liebe wegen schon abgezählte) Gänseblumen platt, stieg in glückbringende Masse, die zwischen Moos und vierblättrigem Klee in allen Farben schillerte, vorbei an Einkaufscenter, an Ladenhüter, über die Brücke am Bach zum Café „ Komm doch mal rü-hü-ber“. Es schien ihr der Weg trotz des Wetters und der hohen Anzahl an Pfützen alles andere als trostlos. Sie juchzte ins Universum.
Zwischen der vermeiden sollenden Eiche und der suchenden Buche machte sie Halt. Dort befand sich in etwa der Größe eines transportablen Wc´s eine Lotterie. Sie las das Plakat an der Eiche; jedes dritte Los gewinnt … einen Euro, oder mehr. Kostenpunkt pro Los: Zwei Euro! Erna kramte in ihrer gnu-farbenen Hosentasche nach Metall. Es sollte eine Runde Form aufweisen, möglichst in silberner Farbe. In der einen Hosentasche fand sie nur den silbernen Deckel einer Coke-flasche.
In der anderen Hosentasche wurde Erna lukrativ fündig, stolzierte mit schillernder Sohle in die Lotterie und kaufte für diese zwei Euro ein Los. Mit zitternden Händen fummelte sie die Losnummer aus der Plastikhülle. Sie wagte es, mit einem Auge auf die Losnummer zu sehen, um festzustellen, sie hatte … gewonnen! Fünf Euro und fünfzig Cent in Scheinen. Das Glückslos brachte Glück in die glücklose Zeit. Was würde sie damit machen?

Sie ließ sich den Gewinn formlos, sprich; ohne Vermerk ihrer Daten, ihrer BIC, ihres Sternzeichens, ihrer Körpergröße, ihrer Vorlieben und Abneigungen, ihrer Religion, ihrer Parteizugehörigkeit auszahlen, und verließ den Raum der Wcgrößenlotterie ohne mit der künstlichen Wimper zu zucken.

Unbedingt musste sie den Gewinn umsetzen in fruchtiges Gemüse. Sie schlenderte auf regennassem Gehsteig weiter zum Biodiscounter. Sie kam an geschlossenen, zeitlosen Uhrgeschäften, an Hipp Baby- und Erwachsenenkost-läden  vorbei …
Sie stand da, die  Doppeltür des Bioladens verschwand irgendwo rechts und links zwischen Unerklärlichem. Erna wurde nicht über die Schwelle getragen, sie trat eigenständig über diese, strebte zielstrebig zur Abteilung Gemüse und Obst. Doch wo war die Abteilung? Ah, die Rolltreppe führt ins Untergeschoss. Vorbei an dem Regal von Playboy und Häkelhefte für Babymützen kam sie der gesunden, vermutlich genfreien Abteilung näher.

Speicheltriefend machte sie die Runde um die Ablagen für Obst und Gemüse. Eine, für sie schwere Entscheidung fiel; sie wollte Obst und kein Gemüse. Kernlos musste es sein. Welches Obst war an einem verregneten Tag im August kernlos? Äpfel, Birnen, Melonen? Sie entschied sich  für eine neuartige Obstsorte; die Quadronina. Sie schillert äußerlich ebenso in allen Farben, ist kernlos, erinnert an Papilitschaya, ist zuckersüß und zergeht auf der Zunge. Für fünf Euro fünfzig bekam sie 2,5 Stück. Sie bezahlte, ließ ihre Quadronina´s in eine biologische PVCtüte gleiten und machte sich auf den Weg nach Hause. Dort angekommen, zog sie ihre Gummistiefel aus, und ihre purpurnen Sommer-Tigerpuschen an, setzte sich auf ihre zitronengelbe Ottomane, schlug die Beine, mit inzwischen verkrusteten Pfützenrinnsalen  übereinander, und verputzte ihre auf der Zunge zergehende Obstneuheit.

Die Sonne scheint mittlerweile maßlos grell durch den schwarz/rotmelierten Fadenstore … an einem verregneten Tag im August.

© Teresa Rübli co./ MR. Juni 14


© Teresa Ruebli


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Kommentare zu "Regenwetter"

Re: Regenwetter

Autor: TeresaRuebli   Datum: 22.06.2014 18:36 Uhr

Kommentar: lol ***

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