Kapitel 2
„Tamara! Jetzt beruhige dich doch mal und sag mir, was los ist!“ Marita schüttelte mich durch, während ich nur panisch irgendetwas brabbeln konnte. Als sie merkte, dass das Schütteln nichts brachte, schlug sie mir mit der flachen Hand ins Gesicht, sodass ich ins Taumeln geriet und rücklings gegen die harte Wand prallte.
Ich schüttelte mich erschrocken und blaffte sie an. „Hey! Musst du so aggressiv sein?!“
„Tut mir leid.“, sagte sie höflich, wie es eben ihre Art war, und zog mich wieder zu sich. Sie sah mir tief in die Augen und brachte mich automatisch dazu, mich etwas abzuregen. „So. Jetzt noch einmal. Was ist los und warum riecht es im ganzen Haus nach Simons 2 Wochen alten Fußballsocken?“ Sie schnüffelte angeekelt in der Luft herum, als wäre sie ein Hund.
Ich holte tief los. „Es ist alles in Ordnung, bis auf die Tatsache, dass eine Ratte unser Klo als perfekten Sterbeort gewählt hat…“
Ungläubig wurde ich von meiner Schwester beäugt. „Eine Ratte? In unserem Klo?“
Ich nickte aufrichtig. „Sie ist riesig. Und nicht unbedingt gepflegt.“
„Sie ist eine Ratte. Niemand erwartet von ihr, sich täglich zu waschen.“
„Trotzdem hätte sie es zu Lebzeiten tun sollen, denn ihr Geruch ist wirklich widerlich. Und das liegt nicht nur an ihrer Verwesung.“, antwortete ich trocken.
„Wieso hat denn keiner gemerkt, dass dort oben eine Ratte ist?“, wunderte meine Schwester sich laut. „Wenn sie verwest, muss sie doch länger dort liegen…“
Ich zuckte mit den Achseln. „Ist doch auch egal. Jetzt ist sie da und ich will, dass sie weg ist, denn ich steh echt nicht drauf, eine Geisterratte im Klo zu halten. Simon sieht das wahrscheinlich anders, also sollten wir sie fortschaffen, bevor er wieder da ist.“
Meine Schwester schien immer noch nicht ganz überzeugt und fing an, auf und ab zu laufen. Das tat sie immer, wenn sie sich entscheiden musste. Überall, zu jeder Zeit und egal bei wem. Für Menschen, die sie nicht kannten, war das sicher seltsam anzusehen, aber für uns war diese Angewohnheit vollkommen normal. „Ich weiß nicht.“, sagte sie und hielt ruckartig an, dann drehte sie sich wie beim Tanzen um und sah mich direkt an. Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ihre blauen Augen mich quasi durchstachen. „Vielleicht sollten wir erst Dad einen Blick darauf werfen lassen.“
„Und du willst keinen Blick darauf werfen?“, fragte ich nach. Ihr angewiderter Gesichtsausdruck sagte alles und das anschließende energische Kopfschütteln unterstrich dies noch einmal.
„Dad kommt erst morgen wieder.“, redete ich weiter. „Er muss die Nacht über im Büro bleiben, weil irgendein Idiot nicht mit Zahlen klarkommt, sagt er zumindest. Ich will nicht, dass dieses Ding die Nacht über im Klo bleibt.“
„Redest du über Charly?“, erklang eine krächzende, mir allzu bekannte Stimme lautstark und ich fuhr erbost herum. Simon grinste breit und frech. „Da gehört sie ja schließlich hin.“
Ich knurrte hörbar, doch das schreckte meinen frechen kleinen Stinkstiefel von Bruder nicht ab. „Nein!“, schrie ich wütend. „Und lass Charly in Ruhe, du kennst sie ja gar nicht und sie hat dir nie etwas getan!“
Charly war meine beste Freundin, die ich schon seit der 5 Klasse kannte. Sie war lustig, freundlich und einfach eine rassige Schönheit. Als Halb-Italienerin war sie zwar ziemlich klein, aber dafür hatte sie auch eine natürliche Bräune, gepflegte lange Haare, die in glänzendem Schwarz ihr bis über den Rücken gingen und stechende braune Augen, in denen sich schon viele Jungen verloren hatten. Sie hatte viele Verehrer und ich stand neben ihr wie ein Bauerntölpel, aber das machte mir nicht sonderlich viel aus. Sie verdiente diese Aufmerksamkeit, vor allem nach dem, was sie durchmachen musste.
Aber ich schweife ab.
Da stand er also.
In seinen miefigen, verschwitzten Fußballsachen, die er im Training anhatte. Duschen war für ihn wohl ein Fremdwort. Seine Trainingstasche hatte er achtlos in die Ecke gepfeffert, er trug ein ekelhaftes Schweißband um seinen Kopf und wagte es dennoch, meine beste Freundin zu beleidigen! Ich wusste einfach nicht, was er gegen sie hatte. „Ich will sie auch gar nicht kennenlernen.“, meinte er patzig und riss sich das Stirnband, welches anschließend gegen mich geschnallt wurde, vom Kopf. Angewidert sprang ich zurück und schüttelte mich. Ekelhafter Scheißkerl. „Ich hab gehört, wie sie redet. Eingebildeter geht es nicht. Ich kann gar nicht verstehen, was ihr alle mit der wollt.“
„Du bist doch nur eifersüchtig!“, kläffte ich bissig zurück. Wäre ich ein Hund, hätte mich wahrscheinlich jeder für tollwütig gehalten. Vielleicht war ich das ja auch. Ich sollte mich untersuchen lassen.
Marita wollte etwas Beschwichtigendes sagen, doch noch bevor sie ein Wort herausbekam, fing Simon wieder zu reden an. „Ja klar, als ob ich das bräuchte. Apropos…“ Er schnüffelte mit hoch erhobener Nase und ich war mir sicher, nicht der einzige Hund dieser Familie zu sein. „Was stinkt hier denn so? Habt ihr wieder mit eurem Deo herumgesprüht?“
Sobald Simon anwesend war, wurde meine aggressive Seite geweckt. Und sie wurde aus dem Schlaf gerissen, wenn auch alle seine Kumpel bei uns waren oder ich auch nur irgendwo einen von ihnen sah. Vor allem dieser Cade Finney mit seinen herausfordernden grünen Froschaugen und den zerwuschelten braunen Haaren, die er nie zu kämmen schien und die trotzdem immer perfekt lagen. Die anderen waren jedoch auch nicht weniger schlimm, sie waren auf eine Stufe zu setzen, auch wenn Cade mich öfter zur Weißglut brachte als die anderen.
„Wenigstens benutzen wir Deo!“, konterte ich giftig und er zwang sich zu einem Grinsen. „Und nein, was da stinkt ist eine tote Ratte. Und falls du jetzt denkst, ich rede von einem deiner Freunde, nein, das wäre eine Beleidigung für die Mutantenvergewaltigerratte.“
„Aha.“ Er schien mir nicht wirklich glauben zu können, aber dann stürmte er ohne etwas zu sagen die Treppe hoch.
Es dauerte ungefähr eine Minute bis er wieder runterkam. Er war in einem tranceähnlichen Zustand und war leichenblass, als hätte man alles Blut aus seinem Körper gezogen. So hatte ich ihn zum letzten Mal gesehen, als er ins Bad ging, als Mama gerade duschte. Ich kicherte in mich hinein, als ich daran dachte. Er war ihr daraufhin eine Woche aus dem Weg gegangen und hatte auch mit niemand sonst gesprochen. Es war wohl ein prägendes Ereignis, was leider nichts an seinem scheiß Charakter änderte, aber die Woche war die beste meines Lebens.
„Was hat sie gebissen?“ Die Frage von ihm, die er mit zittriger Stimme stellte, war so plötzlich gekommen, dass sie mich aus meinen Gedanken riss. Ich musste mich erst wieder finden, um ihm antworten zu können.
„Ich… ich weiß es nicht. Irgendetwas anderes.“, antwortete ich.
„Vielleicht von einer anderen Ratte.“, meinte Marita unsicher und man hörte ihr an, dass sie sich selbst nicht so ganz glaubte.
„Ach, wenn ich das bei einem Streit mit Simon nur auch machen könnte.“, seufzte ich und streckte ihm die Zunge heraus.
Er ging nicht darauf ein, sondern starrte weiter Löcher in die Luft, was sowohl mich als auch Marita etwas besorgte. So eine Chance ließ er sich normalerweise nie entgehen, aber irgendetwas schien ihn wirklich zu beschäftigen. Ich wedelte mit meiner Hand vor seinem Gesicht herum. „Hallo?! Erde an Simon?!“
Er schreckte zusammen und schlug meine Hand weg. „Lass das!“, fauchte er. Dann wurde er wieder stiller. „Ich habe das was im Radio gehört.“ Er senkte den Kopf, wagte es nicht, uns in die Augen zu sehen. Ich wusste nicht, ob es war, weil er log und uns es nicht zeigen wollte oder ob er wirklich nicht wollte, dass wir ihm Angst oder ähnliche Gefühlszustände ansehen konnten. „Es war ein Bericht darüber, dass solche Funde in letzter Zeit öfter vorkommen. Wissenschaftler sind dahinter, aber bis jetzt weiß niemand, wie es zu so etwas kommen kann.“
Marita zuckte mit den Schultern. „Das kommt doch bestimmt öfter vor. Nur in letzter Zeit häuft es sich eben und das finden irgendwelche Leute, die nichts Besseres zu tun haben, komisch. Ich glaube nicht, dass es etwas Unnormales ist. Medien versuchen eben mit allem eine Sensation landen und Wirbel machen. Das heizt ihren Profit an.“
Marita war nicht nur schön, sie war auch intelligent. Während ich und Simon uns noch mit der Wurzel von 9 herumplagten, hatte sie eine ganze Gleichung gelöst. Meistens war sie zu ihrer Schulzeit Klassenbeste gewesen, was unsere Eltern, besonders unseren Vater, unglaublich stolz machten. Simon und ich waren so ein Mittelding, wir waren weder gut noch schlecht. Bei einer 4+ in Mathe feierten wir schon, während Marita noch bei einer 2+ enttäuscht war.
„Und was jetzt?“, fragte ich unsicher. Ich wollte nicht bei diesem Gestank im Haus bleiben und warten, bis Dad wieder kam. Andererseits wollte ich auch nicht, dass Mama von ihrer Arbeit als Krankenschwester zurückkam und die Ratte alleine zu entdecken. Sie würde einen Herzanfall bekommen, so schreckhaft war sie. Sie war eine zierliche, sanfte und stets höfliche Person, genau wie Marita. Simon und ich waren ihr ziemlich misslungen, aber Marita war das Vorzeigekind. Ich seufzte ohne es zu wollen. Mein Leben lang hatte Marita im Vordergrund gestanden und ich hatte sie immer bewundert, das tat ich übrigens immer noch.
„Wir sollten Mom eine Sms schreiben und dann was essen gehen, denn ich hab echt Hunger.“, erwiderte Simon.
Ich schüttelte den Kopf. „Mom weiß nicht mal, wie man Handy schreibt. Wie soll sie denn dann eins bedienen?“ Wir beide prusteten los, Marita hielt sich dezent zurück. Sie sah erst zu mir und dann zu Simon.
„Ihr seid unmöglich.“, meinte sie schließlich. „Jetzt schick ihr eine SMS und dann nichts wie weg hier.“ Sie rümpfte die Nase. „Ich will hier endlich raus, es wird mit jeder Minute ekelhafter.“
Bevor wir antworten konnten, war sie schon zur Haustür geschlendert. Simon zückte sein Handy und ging ihr hinterher.
„Wartet!“, rief ich, als sie die Tür aufrissen und hinaustraten. Ich stolperte durchs Haus und zog mir die unterschiedlichsten Sachen über, ein paar Chucks an und rannte ihnen hinterher.

Nachdem hitzigen Streit darum, ob wir lieber Pizza essen oder in ein griechisches Restaurant gehen, hatte unser Schnick-Schnack-Schnuck-Spiel entschieden, dass wir in die Pizzeria Ricoli gingen, obwohl ich darauf bestand, dass Simon geschummelt hatte. Seinen frechen Augen zu urteilen, hatte er das auch, aber der Klügere, was eindeutig ich war, gibt ja sprichwörtlich nach.
Also saßen wir zu dritt eingeengt in einer überfüllten Pizzeria und wurden von allen Seiten plattgedrückt. Ich wusste, dass es eine schlechte Idee war. Ich hasste solche Orte. Von jeder Seite irgendein Mensch direkt an dir, das war ekelhaft. Nicht, dass ich etwas gegen Menschen hatte, mir gefiel die Nähe nur nicht. Ich fühlte mich festgehalten und bedrängt, nicht in der Lage, mich zu bewegen und frei zu sein. Ich brauchte meine Freiheit und das war wohl auch der Grund, weshalb ich dem dicken –verzeihung- gut gebauten Mann neben mir einen kleinen Schubs gab, sodass dieser einige Zentimeter wegrückte.
„Wo bleibt denn nun unsere Pizza?“, meckerte Simon empört und sein Bauch grummelte automatisch los. Egal, wie sehr ich die Situation verabscheute, ich musste in diesem Moment einfach kichern. Das war so typisch Simon. Er war so euphorisch und in der nächsten Sekunde änderte seine Miene sich ruckartig. Er hatte mehr PMS als ich während meiner Periode.
„Verzeihung…“, murmelte Marita beschämt und lief rot an, kurz nachdem sie ausversehen den Busen einer älteren Dame mit ihrem Ellenbogen gestreift hatte. Simon und ich prusteten vor Lachen und Marita versteckte ihr Gesicht hinter ihren dunklen Haaren, als wollte sie sich vor der Welt verstecken. Einfach mal ins schwarze Nichts abtauchen und nicht mehr rauskommen, das wollte ich auch mal.
Sie zischelte noch etwas, was wir beide aber nicht verstanden, denn das Radio war laut aufgdreht worden, sodass es nur so dröhnte. Ich hielt mir schmerzhaft die Ohren. Ich konnte keine italienischen Lieder mehr hören. Immer wieder das Gleiche. Jedes Mal, wenn wir hier waren, passierte das und dennoch wollte Simon wieder und wieder in diesen Saftladen von Pizzeria. Ich wette, die Besitzer waren nicht einmal wirkliche Italiener. Einfach nur billig.
Eine junge Kellnerin mit schönen blauen Augen und langen Wimpern, die vielleicht der Grund war, weshalb Simon so gern herkam, stellte zwei Pizzen auf unseren Tisch. Simon zwinkerte ihr zu und sie lächelte, war dann aber auch so schnell wieder weg, wie sie aufgetaucht war.
Die Pizzen dampften. Marita und ich verzogen unser Gesicht. Sie waren quasi in Käse gebadet und dass sie angebrannt waren, konnte man wohl im ganzen Raum riechen. Außerdem tropften und trieften sie, was nicht unbedingt gesund schien.
„Die kann ich mir auch gleich auf die Rippen klatschen.“, murmelte ich sarkastisch, während Simon sich das erste Stück in den Mund schob und gierig darauf herumkaute.
„Das Beste, was es in dieser Stadt gibt.“, schmatzte er lautstark und ich und Marita verzogen unsere Gesichter erneut.
„Du Schwein.“, antwortete ich und dieses Mal hatte Marita nichts gegen die Dinge, die wir sagten, einzuwenden, sondern nickte mir zustimmend zu.
Ich schnappte mir ein Stück Pizza und beäugte es, doch bevor ich es in den Mund schieben konnte, hörte ich eine bekannte Stimme und legte die Pizza zurück.
„Hey Aaaaaaarschgesicht!“, ertönte die Stimme.
Simon grinste. „Du Sau! Was machst du denn hier?!“
Cade.
Cade Finney. Wer denn sonst? Klar, wenn ich einmal hier war, kam der nervigste Typ natürlich auch. Er hatte wohl einen speziellen Sensor, um mich überall aufzufinden, wo ich gerade war. Ich knurrte, als ich sah, wie er sich durch seine braunen Haare wuschelte und meinen Bruder mit seinen Froschaugen fixierte. Sein Lächeln war eher ein schiefes Grinsen und ließ sich einfach neben Marita neben mir, wodurch er mir und Simon gegenüber saß.
Ohne zu fragen grabschte er sich ein Stück Pizza, was mir eigentlich nichts ausmachte, denn weder mir noch Marita schmeckte sie, dennoch war es unfreundlich und grob. Aber was anderes konnte man von diesem Idioten auch nicht erwarten.
„Finney, hast du sie heute schon gesehen?“, fragte Simon und grinste verschmitzt.
Marita sah verwirrt aus, aber ich wusste genau, von wem sie redeten.
„Nein.“, sagte Cade und klang ein wenig enttäuscht. „Ich glaube, ich konnte vorhin nur einen Blick auf ihren sexy Hintern erhaschen, aber mehr nicht.“
„Ich habe heute schon ihr Gesicht gesehen. Mann, die wird jeden Tag heißer.“, schwärmte Simon, was meine Theorie bestätigte.
Marita erhob sich langsam. „Nun…“, sagte sie und quetschte sich an der begrabschten Busenfrau vorbei. „Ich glaube, ich gehe dann mal kurz aufs Klo. Wir sehen uns gleich.“ Mit diesen Worten war sie verschwunden und ich alleine mit den beiden Jungs.
Cade, der sich inzwischen schon das zweite Stück in den Mund schaufelte, sah sich aufgeregt um. „Wo steckt sie nur? Ich kann es nicht glauben! Ich habe immer noch nicht ihre Handynummer!“ Das Wort „Handynummer“ sprach er extra laut aus und grinste mich schief an. Ich hingegen rollte nur theatralisch mit den Augen, um ihm zu zeigen, dass mir das vollkommen egal war.
Er leckte sich über die Lippen und ich drehte mich um, um zu sehen, wen er da anstarrte. Wer hätte das gedacht? Die sexy Bedienung von vorhin, die schon von Simon so beäugt wurde! Naja, so toll war die auch nicht.
„Ich würde gerne wissen, wie sie unter dieser Uniform aussieht…“, sagte Cade mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, aber es verschwand, als ich ihm so fest gegen das Bein trat, wie ich nur konnte. Er machte mich wütend. Verdammter Frauenunterdrücker. Sex, Sex, sex. Das war das Einzige, an das Jungs in diesem Alter denken konnten. Ich verabscheute sie dafür.
„Sie will eh nichts von jemanden wie euch.“, meinte ich trocken, in der Absicht, sie beide zu verletzen. Das klappte nicht, denn sie waren wohl immun gegen meinen Sarkasmus und meine gezischelten Worte. Sie hatten ja auch genug Zeit, sich daran zu gewöhnen.
„Wieso sollte sie denn nicht?“, lachte Cade und setzte ein bezauberndes Lächeln auf. Dann fuhr er sich durch die Haare, als sie ganz nah an unserem Tisch vorbeikam. Lächerlich, einfach nur lächerlich.
„Hallo? Schon mal in den Spiegel gesehen?“, fragte ich, schon fast amüsiert.
„Du?“ Er streckte mir die Zunge heraus.
Ich rollte mit den Augen und stand auf. Simon sah mich ein wenig verwirrt an, denn so leicht ließ ich mich eigentlich nicht von Cade unterkriegen. „Was machst du denn jetzt? Musst du auch aufs Klo?“
„Nö.“, sagte ich und lächelte verschmitzt. „Ich denke, ich gehe mal zu eurer Traumfrau und unterhalte mich etwas mit ihr.“
Cade und Simon klappte entgeistert die Kinnlade runter und zufrieden wandte ich mich ab. Gekonnt ignoriert ich Simons aggressives: „Bleib sofort stehen! Wenn du das machst, dann…!“ Mehr konnte ich leider nicht verstehen, war mir aber auch egal. Es waren nur blöde Drohungen, die er nie durchführen würde.
Und noch bevor ich es mir anders überlegen konnte, stand ich vor ihr. Sie hatte sich auf die Theke gesetzt und verführerisch die Beine übereinander geschlagen. Wollte sie so erotisch wirken? Hatte sie das so nötig? Ihre blauen Augen durchstachen mich förmlich. Ihre schwarzen Locken lagen perfekt und schon hatte ich diese Minderwertigkeitskomplexe. Die Jungs hatten Recht, sie war scharf!
„Hey!“, stieß ich aus. Es kam nur ein Quietschen aus meinem Mund und ich schämte mich sofort dafür und wollte am Liebsten hinter den schwarzen Haaren meiner Schwester verschwinden, aber stattdessen wandte ich nur meinen Blick ab. Peinlicher konnte ich ja gar nicht anfangen, dabei wollte ich doch nur meinen Bruder blamieren, obwohl er das ohnehin schon selbst tun würde, aber man konnte ja nachhelfen, wenn es einem zu lange dauerte.
Sie lachte gestellt auf, was sehr einstudiert wirkte, und ich hatte keine Ahnung, was das sollte, aber es klang überheblich. Als mein Blick auf sie zurückfiel, sah ich, dass sie auch so aussah. Sie sah von oben auf mich herab und kaute ihr Kaugummi. Dann schnalzte sie lautstark mit der Zunge. „Nee, sorry. Du bist nicht mein Typ.“
„Ach so… ja…“, antwortete ich leise, bis mir klar wurde, was sie da tatsächlich gesagt hatte. „Warte. WAS?! Ich… ich… das ist doch nicht… das wollte ich nicht… ich… oh mann!!!“
Sie schob mir einen Zettel zu. „Na gut. Hier, damit du mir nicht mehr auf die Nerven gehst, Süße.“, sagte sie erotisch zwinkernd und ich drehte mich ruckartig um und verschwand in der Menge.
Wie konnte die nur glauben, dass ich etwas von ihr wollte?! Was war ihr Problem? Hielt sie sich für so unwiderstehlich, dass sogar Weiber auf sie standen? Und warum drückte die Tusse mir einen Zettel in die Hand?!
Der Zettel.
Ruckartig blieb ich stehen und sah auf meine Hand, in der ich den Zettel eingepresst hatte. Nicht, weil ich das wollte, sondern weil meine Hand sich einfach verkrampft hatte. Sollte ich ihn öffnen? Noch bevor ich über die Vor- und Nachteile nachdenken konnte, hatte ich ihn entfaltet und aufgerissen. Panisch las ich die Buchstaben, die auf dem Papier krakelig standen und mir stockte der Atem.
Ilaria Bandini.
Darunter standen einige Zahlen, die verdächtig nach einer Handynummer aussahen. Ich schluckte und rannte so schnell durch die Menge, wie ich nur konnte. Egal, ob ich gegen Leute stieß, meine Scharm ließ sich nicht verärgern.
Ich stoppte erst, als ich an unserem Tisch ankam, wo ich durch große Augen angeguckt wurde. Marita war wieder da und machte einfach mal mit, obwohl sie wahrscheinlich keine Ahnung hatte, was geschehen war.
„Was hast du getan?“, zischte Simon erbost und voller Misstrauen. Ich konnte nichts dagegen tun, ich musste einfach grinsen.
„Hab dir ne Handynummer besorgt.“, sagte ich, drückte ihm den Zettel so cool wie möglich in die Hand und streifte mir gleichzeitig meine blaue Sportjacke über. „Ich gehe. Bis dann.“
„Und wo willst du hin?“, fragte Marita ungläubig. Es war süß, wie sie sich immer Sorgen machte, wenn ich alleine wegging, während das Simon total Schnuppe war.
„Ach, ich denke, ich gehe etwas spazieren. Wir sehen uns später daheim. Bis dann!“ Mit diesen Worten raste ich aus der Pizzeria. Ich wollte nicht einmal Marita erzählen, was mir gerade Dummes passiert war. Sie würde es nicht einmal glauben. Ich kicherte leicht in mich hinein, als ich aus der Pizzeria sprang, ohne mich auch nur umzudrehen.


© Nikki


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Beschreibung des Autors zu "Little Beasts - Der Tod kommt auf leisen Pfoten Kapitel 2"

Hier ist auch schon der zweite Teil der Story:D hoffentlich gefällt sie euch. Ich würde mich über Feedback sehr freuen, egal ob positiv oder negativ.:)

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