Kapitel 1
Ein verwester Geruch durchzog das ganze Haus, betrat, ohne zu fragen, jeden einzelnen Raum und füllte ihn mit seinem ekelhaften Duft. Wäre es ein Parfum, so hätte dieses nicht sehr viele begeisterte Käufer gefunden und wäre schnell vom Markt genommen worden. Gut so, denn er war abscheulich.
Und noch schlimmer war es, dass außer mir jeder weg war. Ich war alleine mit diesem unangenehmen Gast und wusste nicht, wie ich ihn bezwingen konnte ohne meine gemütliche Couch zu verlassen. Ich war zu faul, um auch nur die Augen aufzumachen, aber im Gegensatz zu dem Rest meines Körpers war ausgerechnet meine Nase hellwach und alarmierte mich nun. Ich blinzelte genervt und verfluchte mich selbst, ein solch tüchtiges Sinnesorgan zu besitzen.
Erneut blinzelnd richtete ich mich aus, denn dieser Geruch war sogar schlimmer, als wenn Simon seine stinkigen Fußballsocken überall im Haus verteilte, dass sogar die stärksten Pflanze verwelkten und unsere Katze in eine fast ohnmächtige Trance fiel, bis jemand sie von den Socken wegzog. Für einen 15 jährigen Jungen war Simon wirklich sehr kindisch, aber man sagt Jungs ja sowieso nach, dass sie geistlich zwei Jahre hinterherhinken. Bei ihm waren das mindestens 10 Jahre, da war ich mir vollkommen sicher. Andauernd fing er mit und Streit an und wenn wir dann richtig abgingen und er merkte, dass er keine Chance mehr hatte, rief er immer nach Mama, die sich besonders um ihn kümmerte, denn er war ja schließlich der Jüngste.
Meine ältere Schwester Marita hingegen versuchte immer freundlich zu sein, denn so war sie erzogen worden. Mit ihren 20 Jahren, die sie vor zwei Monaten erreicht hatte, war sie die Älteste von uns Kindern und ich war mit meinen frischen 17 Jahren das Sandwichkind und das ätzte. Während Simon und Marita beide die blauen Augen meiner Mutter und zudem noch ihre dunklen vollen schwarzen Haare, hatte ich als Mittlere natürlich die braunen Glubschaugen von meinem Dad geerbt und außerdem seine dunkelbraunen Haare. Wenn ich mit meinen Geschwistern unterwegs war, dachten die Leute immer, ich wäre eine Freundin, denn ich sah den beiden gar nicht ähnlich. Die beiden hingegen wurden andauernd gefragt, ob sie Geschwister waren, obwohl man das auf den ersten Blick sah. Wenigstens war ich individuell. Oder so.
Nun reichte es aber! Der Geruch füllte den ganzen Raum aus und ich fühlte, dass mein Mittagessen mir noch einmal „Guten Tag!“ sagen wollte. Hastig stand ich auf und stolperte aus dem Zimmer. Dieser Duft musste verschwinden! Ich ging den Gang entlang, stets auf der Suche nach der Ursache dieses muffigen Gestanks. Es roch wirklich nach Verwesung und das gefiel mir gar nicht. Hatte Simon seine verhasste Englischlehrerin wirklich umgebracht? Und das obwohl ich ihm gesagt hatte, er sollte keine Leichen mehr mitbringen.
Der Geruch wurde stärker. Ich musste ganz nah daran sein, das konnte ich wortwörtlich riechen. Ich öffnete die Badezimmertür und das stinkige Aroma strömte mir zugleich entgegen, sodass ich würgen musste. Tränen standen in meinen Augen, so ekelhaft war es. Der Klodeckel stand offen und ich ging ein Stück näher heran.
„Oh nein…“, flüsterte ich entsetzt. „Tamara, bleib jetzt ganz ruhig und schrei bloß nicht…“
Ich hörte aber nicht auf mich und schon kamen die erschrockenen und schrillen Laute aus meinem Mund und weckte wahrscheinlich die halbe Nachbarschaft. Das war mir egal, ich wollte meinen Ekel einfach nur mit der ganzen Welt teilen.
Eine Ratte. Eine gigantische Mutantenratte. Eine tote gigantische Vergewaltigermutantenratte mit scharfen Zähnen und einer klaffenden Wunde im Bauch lag im Klo und verweste, mehr oder weniger fröhlich, vor sich hin. Was glaubte die eigentlich, wer sie war? Es war unhöflich im Klo eines anderen zu sterben und dann noch anzufangen zu miefen. Daran hatte die Ratte offensichtlich nicht gedacht.
Ich stürzte aus dem Zimmer, um ihrem schreckenerregenden Anblick zu entkommen, aber das Bild hatte sich schneller in meinen Kopf geschweißt, als ich „A“ sagen konnte.


© Nikki Sullivan


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Beschreibung des Autors zu "Little Beasts - Der Tod kommt auf leisen Pfoten"

Tamara lebt das ganz normale Alltagsleben einer ganz normalen Teenagerin (tolles Wort ;D), bis sie einen grausigen Fund macht und das nur der Anfang ist...
Dies ist nur der 1. Teil der Geschichte:)

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