Endlich fahre ich wieder in meine alte Heimat zurück. Ich habe schon viel zu lange für mein Vaterland gedient. Es waren schwere Zeiten. Nun kann ich endlich wieder nach Hause.

Es regnet wie aus Eimern und es kommt mir so vor, als ob der Bus, in dem ich sitze, nicht weiterfahren will. Wie auch in meinem Leben es Situationen gab, die einfach nicht vorwärts wollten. Mir kommt hier alles so fremd und doch so vertraut vor. Die Straßen, die Bäume und die Häuser. Alles sieht noch genau so aus wie damals und doch hat sich vieles verändert. Ich spüre Kälte und Leere.

Als ich aus dem Bus aussteige und nach vorne blicke, sehe ich nun das lang ersehnte Haus. Mein Zuhause. Nun bin ich endlich daheim. Doch als ich in den Hof gehe überkommen mich Zweifel – ein ganz merkwürdiges Gefühl.

Ich blicke umher, schaue mir alles genau an. Es hat sich nichts geändert. Das Dach an der Scheune ist immer noch undicht und der Traktor hat seinen Platz seit ich weg bin auch nicht verlassen und doch – bin ich wirklich hier? Ist jetzt endlich alles vorbei? Meine Beine wollen sich einfach nicht bewegen. Ich stehe wie angewurzelt da und schaue nun das Haus ganz genau an.

Es hat immer noch nicht aufgehört mit regnen. Meine Stiefel versinken im Schlamm, doch ich konnte mich einfach nicht bewegen. Wie würden meine Eltern reagieren? Wohnen sie überhaupt noch hier? Was ist wenn sie mich nicht erkennen oder schon gestorben sind? Mein Herz möchte sich bei diesen Gedanken gar nicht beruhigen.

Auf diesem Augenblick habe ich schon so lange gewartet. Ich muss es einfach wissen. Mit langsamen Schritten gehe ich Richtung Tür. Was durch diese Tür schon Leute ein und aus gegangen sind. Wie viel Freude und Trauer sie erlebt hat.

Ich klingle und warte. Noch keine Reaktion.

Plötzlich. Dieser Duft. Dieser wundervolle Duft meiner Kindheit. Die Tür öffnet sich und eine alte Dame empfängt mich herzlich. Ihr Lachen war mir so vertraut. Ist das meine Mutter? Kann das wirklich meine Mutter sein? Warum bin ich mir so unsicher? Was soll ich sagen? Ich folge ihr ins Wohnzimmer. Es sieht noch alles so aus wie damals. Sie muss meine Mutter sein. Erkennt sie mich nicht? Habe ich mich in der Zeit so verändert? Warum sagt sie nichts? Was soll ich nur tun?

Sie bietet mir einen Platz an und ich setze mich hin. So aufgeregt war ich noch nicht mal während dem Krieg. Ich blicke mich um. Mir kommt es vor, als ob sich meine ganze Kindheit noch mal vor Augen abspielt und dieser wundervolle Duft der Heimat. Ich bin wirklich zu Hause. Sie fragt mich mit alter, zittriger Stimme, ob sie mir einen Tee anbieten könne und das war meine Gelegenheit. „Einen Tee mit viel Liebe, bitte“. Das sagte ich immer zu meiner Mutter, wenn sie mir einen Tee angeboten hat. Sie schaut mich mit großen Augen an. Warum sagt sie nichts? Sie kommt näher und tastet mein Gesicht ab. Schaut mich noch mal ganz genau an und fängt an zu weinen. Ja. Es ist wirklich meine Mutter. Sie fällt vor mir auf die Knie und weint.

Wir haben uns viel zu erzählen. Endlich bin ich zu Hause.


© DaisyPaul


4 Lesern gefällt dieser Text.








Kommentare zu "Die Gedanken eines Soldaten"

Re: Die Gedanken eines Soldaten

Autor: noé   Datum: 01.04.2014 5:37 Uhr

Kommentar: Daisy, hast Du diesen Text schon mal woanders eingestellt? Und ist er in der Originalfassung nicht mindestens doppelt so lang, wenn nicht noch länger, und dies ist nur der Anfang? Ich KENNE diesen Text von irgendwo her... Aber schon vor einigen Jahren.
In der Originalfassung steht der Soldat unschlüssig im Gang hinter dem Eingang vom Hof, soll er jetzt rechts die Tür nehmen in den Stall oder links die? Und er nimmt die linke und betritt die Küche usw.
Also wenn das nicht eine stark verkürzte Version dieses Textes ist, dann schreibst Du auf alle Fälle verdammt ähnlich, in Stil und Inhalt...
Jedenfalls gefällt mir die Geschichte!
noé

Re: Die Gedanken eines Soldaten

Autor: Olivia   Datum: 28.09.2014 15:39 Uhr

Kommentar: gefällt mir ebenfalls !;))

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