Kapitel 2




Als ich wieder zu Hause war, rannte ich erst mal in mein Zimmer. Ich brauchte jetzt Zeit für mich. Meine Mom rief nach mir, aber ich blieb reglos in auf meinem Bett sitzen. Ich stand immer noch unter Schock. Und trotzdem hatte ich verdammt viel Glück gehabt. Vorsichtig betastete ich meine Unterarme. Sie kribbelten unangenehm. Dort wo das Seil in meine Haut geschnitten hatte, waren noch rote Abdrücke zu sehen. Das durfte sie auf keinen Fall zu Gesicht bekommen. Ich zog die Ärmel meiner Jacke darüber. Genau rechtzeitig. Meine Mom betrat das Zimmer. Als sie mich sah, hellte sich ihr Gesicht auf. „Gott sei Dank! Da bist du ja! Ich hab mir schon Sorgen gemacht.“, sagte sie und setzte sich neben mich. Sie sah mich an, dann fragte sich besorgt: „Ist irgendetwas passiert?“ Ich zwang mich zu einem Lächeln. „Nein. Alles in Ordnung!“,antwortete ich. Sie glaubte mir. Wir sagen uns in der Familie immer die Wahrheit. Ich fühlte mich nicht gut dabei sie anzulügen. Aber ich konnte Ryan's Worte einfach nicht vergessen: „Wenn du dicht nicht an die Regeln hältst, wirst du es bitter bereuen!“ Ein kalter Schauer durchlief meinen Körper. Zum Glück hatte meine Mom nichts bemerkt. Sie stand auf. „Komm Liebes, es gibt jetzt Essen.“,lächelte sie. Ich stand auf und folgte ihr in die Küche. Mein Dad saß schon am Tisch und wartete auf uns. Wir setzten uns zu ihm. Während ich meine Suppe löffelte, beobachtete ich meine Eltern aus dem Augenwinkel. Mein Dad war groß und blond. Seine kurzen Haare waren meistens ungekämmt, aber das stand ihm irgendwie. Er hatte dieselben türkisen Augen wie alle in der Familie. Meine Mom hingegen war klein und zierlich. Ihr sommersprossiges Gesicht wurde von wunderschönen, braunen Haaren umrahmt. Sie wellten sich bis auf ihre Schultern, doch meistens trug sie einen Pferdeschwanz. Ich hatte keine Sommersprossen wie sie. Meine Haare fielen mir bis zu meinen Ellbogen und ich trug sie meistens offen. Ich war größer als meine Mom und kleiner als mein Dad. Geschwister hatte ich keine. Nach dem Abendessen half ich abräumen und verzog mich danach wieder in mein Zimmer. Ich versuchte mich durch lesen abzulenken, aber ich verstand kein Wort von dem was ich las. Also schmiss ich mich auf Bett und hörte eine CD nach der anderen, bis ich einschlief.

Es waren jetzt mehrere Wochen vergangen. Wir hatten Herbstferien. Die Blätter färbten sich und die Wälder erstrahlten in den schönsten Farbtönen. So gut wie immer schien die Sonne. Fast jeden Tag waren um die 23C° und ich traf mich wieder öfter mit Emma. Wir radelten die Landstraße entlang oder warfen uns gegenseitig mit Laub ab. Wir sammelten Eichen,Blätter,Äste und vieles andere um daraus Dekoration zu basteln. Aber wir gingen nie zu dem Container. Ich hatte Emma nichts von meinem Erlebnis erzählt. Ich hatte zu große Angst. Und sie hatte seitdem kein einziges Wort über diesen Ort verloren. Warum wusste ich nicht. Stattdessen gingen wir oft zusammen shoppen. Wir kauften uns immer die selben Sachen und gingen dann so zur Schule. Wir waren beide in der Klasse 10 auf der Realschule. Gymnasium war uns zu hoch. Und wir hatten sogar beide im Juli Geburtstag. Emma am 3. und ich am 10. Juli. Meistens trafen wir uns dann am 6. Juli, gaben uns gegenseitig unsere Geschenke, machten eine Pyjamaparty, gingen ins Kino usw. Heute wollten wir zusammen durchs Dorf laufen und einfach das schöne Wetter genießen. Ich wartete vor ihrem Haus auf sie. Die Tür flog auf und Emma kam heraus gerannt. Wir umarmten uns stürmisch. Ich war so froh sie zu sehen. Lächelnd schlenderte ich neben ihr her. Keiner von uns sagte ein Wort. Aber das musste auch keiner. Ich wusste, dass sie genauso froh war wie ich, mich zu sehen. Dass sie mich auch vermisst hatte. Im gleichen Augenblick wanden wir den Kopf und lächelten uns an. Ich sah auf in den marineblauen Himmel und war einfach glücklich. Doch dann schob sich eine einzelne Regenwolke vor die Sonne. Es wurde etwas dunkler und auch leicht kühler. Ich fröstelte. Plötzlich sah ich dieses Gesicht vor mir. Dieses triumphierende Lächeln. Mir wurde schlecht. Ich schluckte laut. Ruckartig wandte Emma ihren Kopf zu mir. Ein kalter Schauer durchlief meinen Körper. Das war ihr nicht entgangen. „Was ist los?“, fragte sie. Die Regenwolke zog weiter und die Sonne schien in mein Gesicht. Augenblicklich wurde mir warm. „Nichts!“, log ich. Sie musterte mich skeptisch, aber beließ es dabei. Wir gingen noch eine ganze Weile im Dorf herum und unterhielten uns dabei angeregt. Dennoch behielt ich mir dieses Geschehnis im Hinterkopf. So konnte das nicht weitergehen. Ich durfte mich nicht so unterdrücken lassen. Beobachten! Ha! Von wegen. Oder? Nein. Sie wollten nur sicher sein dass ich dicht halte. Bestimmt sind das Schmuggler die nur kein Aufsehen erregen wollen. Das würde auch die Kartons erklären. Sollte ich es Emma sagen? Schließlich wollten wir uns doch immer alles erzählen! Also fragte ich leise: „Emma? Ich muss dir was erzählen. Ungestört. Komm mit. Bitte.“ Ich führte sie zu einer einsamen Bank hinter einem verlassenem Haus. Hier gingen wir immer hin um uns sehr wichtige Geheimnisse zu erzählen. Sie wusste deshalb, dass ich ich etwas streng vertrauliches erzählen wollte. Wir setzten uns nebeneinander auf die Bank. Zögernd erzählte ich ihr alles. Detailliert. Ich ließ nicht aus. Also ich geendet hatte, sah ich sie erwartungsvoll an. Eine kurze Stille dauerte an. Dann brach Emma in schallendes Gelächter aus. Sie glaubte mir nicht. Sie hielt es für einen Scherz. Es war einfach zu schrecklich, zu aufregend für dieses kleine Kaff. So etwas passierte hier nicht. Ich hätte bei jedem mit dieser Reaktion gerechnet. Nur nicht bei Emma. Ich dachte, wenigstens sie würde mich verstehen. „Mia! Wie kannst du mich nur so erschrecken?“, prustete sie und konnte sich kaum halten vor Lachen. „Fast hätte ich's dir geglaubt. Aber nur fast.“ , zwinkerte sie vergnügt. Ich versuchte mein Pokerface aufzusetzen, damit sie nicht sah wie enttäuscht ich war. Deshalb brachte ich auch kein Wort heraus und nickte nur. Wir standen auf und gingen schweigend weiter. Emma schien von meiner düsteren Stimmung nichts zu merken. Als wir schon zum vierten mal an dem verrosteten Zaun hinter dem Bäcker vorbeikamen, sah ich auf die Uhr. „Um drei.“, murmelte ich und sah meiner Freundin ins Gesicht. Sie merkte, wie sehr ich nach Hause wollte. Und dass ich nicht darüber reden wollte. Sie nickte. „Danke.“, hauchte ich, drehte mich um und rannte nach Hause. Ich schlüpfte durch die Hintertür ins Haus, lief durch den Flur, sprang die Treppen hoch, huschte in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Kurz entschlossen kramte ich eine gemütliche Skinny Jeans und ein hübsches Sweatshirt aus dem Schrank. Ich schlüpfte schnell in die Sachen, zog mir meine schwarzen Sneakers an und steckte mein Handy in die hintere Hosentasche. Als ich alles hatte, hüpfte ich wieder runter auf den Flur. Meine Mom kam aus dem Wohnzimmer und fragte mich: „Wo willst du hin?“ - „Spazieren gehen.“ Sie nickte und ich machte mich auf den Weg.

Ich lief zur Landstraße und folgte ihr, bis der Wald in Sicht kam. Dann verließ ich die Landstraße wieder. Ich wanderte am Waldesrand entlang. Doch als ich den Container entdeckte blieb ich stehen. Das war verrückt! Ich konnte doch nicht einfach wieder hierher kommen! Wenn ich nur an die drei dachte, wurde mir schon ganz mulmig zumute. Aber genau das war das Problem. Ich durfte mich nicht so einfach kontrollieren lassen. Es waren mittlerweile fast fünf Wochen her! Ich musste einfach wissen, was die vorhatten und ob die überhaupt noch hier waren. Doch als ich auf den Container zuging fühlte ich mich auf einmal beobachtet. Ich sah mich um, aber anscheinend war niemand in der Nähe. Doch plötzlich registrierte ich eine Bewegung. Sven kam etwas weiter rechts von mir aus dem Wald. Natürlich rannte ich. Er folgte mir nicht. Schlechtes Zeichen. Zum Glück hatte ich diesmal mein Handy dabei. Hektisch zerrte ich es aus meiner Hosentasche. Ich musste kurz stehen bleiben, damit ich mich nicht verwählte. Nur drei Ziffern. Unvermittelt traf mich etwas an der Hand und mein Handy fiel zu Boden. Als ich aufblickte standen Liam und Ryan direkt vor mir. Ryan kam einen Schritt auf mich zu, ich wich zurück. Liam hob mein Handy auf. „Und so sehen wir uns wieder.“, lachte er. Wegrennen war nicht, denn Sven war hinter mich getreten und packte mich an der Schulter. Ohne Vorwarnung trat er mir jäh in die Kniekehlen. Ich verlor den Halt und stürze. Sven drückte meinen Kopf gewaltsam auf den Boden, während Ryan und Liam an meinen Armen rissen und sie gut verknoteten. Danach bugsierten sie mich wieder in diesen abscheulichen Container. Sie schlossen die Tür. Altbekannte Ohnmacht überkam mich. „Du warst ungehorsam.“, raunte Ryan. Sein Gesichtsausdruck war unergründlich. „Wir hatten dir verboten darüber zu reden, und doch hast du deiner kleinen Freundin alles erzählt.“, fuhr er fort. Mir drehte sich der Magen um. Dann sagte er gedämpft: „Ein Glück für dich, dass sie dir kein einzigstes Wort geglaubt hat. Und trotzdem... Du erinnerst dich sicher an meine Worte?!“ Ich nickte. In meinem Kopf hallte der Satz. Immer wieder.
'Wenn du dicht nicht an die Regeln hältst, wirst du es bitter bereuen!'
Ryan kam einen Schritt auf mich zu. „Du bist doch ein schlaues Mädchen?!“, fuhr er fort „Ich gebe dir noch eine Chance. Sag uns, was du weißt. Sei nicht dumm.“ Ich sah zu Sven und Liam. Sie standen etwas abseits und guckten schweigend zu. Ryan machte noch einen Schritt auf mich zu und lenkte so meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Aber ich hatte meine Meinung nicht geändert. Wenn sie erfuhren, dass ich sie als Schmuggler verdächtigte... Ich durfte gar nicht daran denken. Ich wich einen Schritt zurück und schüttelte trotzig den Kopf. Ryan's Gesicht verdüsterte sich. „Entweder, du sagst es uns freiwillig oder wir werden dich dazu zwingen.“, drohte er. Das Herz rutsche mir in die Hose. Trotzdem schüttelte ich stur den Kopf. Diese Antwort mussten sie schon aus mir heraus prügeln. Mit sadistischen Grinsen kamen Liam und Sven auf mich zu. Liam hielt mich fest. Ich hätte ihm dieses widerliche Lächeln gerne aus dem Gesicht geschlagen. Leider war ich total handlungsunfähig. Sven kam ganz dicht vor mich. Auch er lächelte überlegen. Dann traf sein Knie mit aller Wucht meinen Bauch. Meine Beine hielten mich nicht mehr. Mir wurde schlecht. Nur mit Mühe konnte ich einen Brechreiz unterdrücken. Mein Magen brannte und meine Augen füllten sich mit Tränen. Liam und Sven schubsten mich auf den Boden. Wimmernd lag ich vor ihnen und versuchte meine beißenden Bauchschmerzen auszublenden. „Bereit zu reden?“, fragte Liam drohend. „Wir pressen es sowieso aus dir heraus. Du hast keine Chance.“, fügte Sven höhnisch hinzu. Doch Ryan schien der Geduldsfaden zu reißen. Er zerrte mich hoch und stieß mich brutal gegen die Wand. Ich schlug heftig dagegen und fiel dann kraftlos nach unten. Bedrohlich kam er auf mich zu. Sein Gesichtsausdruck war mörderisch. „Du redest jetzt besser.“ Seine Stimme war vor unterdrückter Wut nicht mehr als ein Flüstern. Ängstlich presste ich mich auf den Boden. Er riss mich auf die Füße und ohrfeigte mich. Ich presste die Lippen zusammen. Als er meine Sturheit bemerkte, fing er an mich brutal zu schütteln. Tränen füllten meine Augen. Aber ich schwieg beharrlich weiter. Mit einem wütenden Schnauben hob Ryan mich hoch und warf mich auf den Boden. Ich schlug heftig auf. Die Luft wurde aus meinen Lungen gepresst. Ich schrie gequält. Japsend rang ich nach Luft.
Mein Bauch schien von innen verätzt, ich hatte einen bitteren Geschmack im Mund, meine Handgelenke waren wund und taub.
Alle drei bedachten mich mit beißendem Spott, bevor sie mich alleine ließen. Ich war verloren. Morgen würden sie von vorne beginnen.
Es wurde dunkel und schließlich fiel ich in einen unruhigen Schlaf.
Als ich die Augen wieder öffnete, war es immer noch Nacht. Nicht nur meine Hände sondern auch meine Arme waren so taub, dass sie bei der kleinsten Bewegung unangenehm kribbelten. Ich hatte schrecklichen Hunger. Dadurch war ich wohl aufgewacht. Mein Magen zog sich immer wieder krampfhaft zusammen und knurrte laut. Ich hatte seit über 24 Stunden nichts mehr gegessen. Gestern hatte ich nicht gefrühstückt und war dann mit Emma unterwegs. Deshalb fiel das Mittagessen für mich aus. Ich setzte mich auf. Lächerlich genau darauf bedacht, dass ich meine Arme nicht bewegte. Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn im nächsten Moment dämmerte es bereits. Anscheinend hatte mich das Geräusch geweckt. Jemand schloss die Tür auf. Sven, Ryan und Liam kamen herein. Mühsam richtete ich mich auf. „Gut geschlafen?“, spottete Sven. Gott, wie ich ihn hasste. Ich hasste alle drei. Liam zischte: „Immer noch nicht bereit zu reden?!“ - „Weißt du, unsere Geduld ist so langsam zu Ende!“, knurrte Ryan wütend. Ich starrte sie nur hasserfüllt an. „Wie du willst.“, flüsterte Ryan. Alle drei kamen auf mich zu. Ich rührte mich nicht. Sven griff mir ins Haar und zwang mich flach auf den Boden. Dann setzte er sich auf meinen Rücken und löste meine Fesseln. Allein das ließ meine Arme schon sehr schmerzhaft kribbeln. Liam und Ryan hockten sich neben mich. Mit wachsendem Entsetzen sah ich zu, wie Ryan meinen linken und Liam meinen rechten Arm packten. Die konnten doch nicht.. - Ich schrie vor Schmerz auf. Beide hatten angefangen meine tauben Arme zu massieren. Ich fühlte mich, als ob tausend glühende Nadeln jeden Zentimeter meiner Arme zerstachen. Ich wand mich verzweifelt, aber Sven drückte mich auf den Boden. Alle drei ergötzen sich an meinem Leid. Es war unerträglich. Ich zappelte und stöhnte vor Schmerz. Aber sie hörten erst auf, als der Schmerz nachließ und ich allmählich ruhiger wurde. Die drei ließen von mir ab. Ich war zu erschöpft um aufzustehen. Obwohl ich nicht gefesselt war, dachte ich gar nicht erst an Flucht. Ich hätte keine Chance. Aber meine Peiniger waren noch nicht fertig mit mir. Schließlich hatte ich ihnen immer noch nichts erzählt. Voller Schadenfreude fesselten Sven und Liam meine Hände wieder hinter dem Rücken und zerrten mich auf die Füße. Mir war übel vor Angst. Ryan schien noch wütender als Gestern. Ohne ein weiteres Wort schmetterte er mich gegen die Wand und griff mir an die Kehle. Der Würgegriff tat mehr als weh. Meine Zehenspitzen berührten kaum noch den Boden. Tränen schossen mir in die Augen. Wollte dieser Bastard mich umbringen?!! Gerade als ich dachte, ich müsste ersticken, ließ er los. Hustend rang ich nach Luft. Eine einsame Träne rann mir über die Wange. Ich zitterte am ganzen Körper. Mein Magen knurrte laut. Mir war schlecht. Ich konnte den Brechreiz nicht unterdrücken. Krampfhaft würgend krümmte ich mich. Zum Glück war mein Magen leer. Ich schnappte nach Luft. Wieder fing ich an heftig zu husten. „Es reicht! Ich hab die Nase voll von dir! Rede!“, drohte Ryan aufgebracht. Ich schüttelte den Kopf. „Na warte!“, knurrte er erbost. Sven und Liam hoben mich wieder einmal auf die Beine und hielten mich fest. Ryan trat vor mich, holte aus. Oh Gott, bitte nicht. Ich war durch die vorherigen Quälereien enorm geschwächt und durch meinen brutalen Hunger würde sich der Schmerz noch potenzieren.
Ich konnte nichts tun.
Sein Knie traf mit aller Wucht meinen Unterleib. Das gab mir den Rest. Ich schrie auf. Ein riesiger Feuerball explodierte in meinem Magen. Meine Eingeweiden brannten. Sven und Liam ließen mich los, als ich schluchzend zusammen brach. „Nochmal?“, fragte Ryan sanft. Panisch schüttelte ich den Kopf. Doch Sven hatte mich schon wieder hoch gezerrt. Ryan packte mich. Unbarmherzig holte er aus. „Nein!“, keuchte ich. Er hielt inne. „Bitte. Ihr habt gewonnen. I-Ich kann nicht mehr.“ flehte ich wimmernd. Ryan lachte freudlos auf. Kurz und hart. „Ja, das sehe ich.“, antwortete er zynisch. Hass wallte in mir auf. Er zwang mich in die Knie. „Rede. Jetzt.“, befahl er. Mir tat alles weh. „Ich seid verdammte Schmuggler, okay?! Ja, ich weiß es!! - Ihr könnt mich hier nicht ewig festhalten! Meine Mutter hat bestimmt schon die Polizei gerufen!!“, schluchzte ich außer mir vor Wut. Für diese Frechheit verpasste mir Ryan eine schallende Ohrfeige. Die drei sahen sich mit versteinerten Mienen an. „Sie weiß zu viel.“, murmelte Liam. Ryan nickte. Dann ließen sie mich alleine. Meine Eingeweide brannten wie Feuer. Die Panik vor der Zukunft stürzte mich in tiefe Verzweiflung.

Als sie wieder kamen waren meine Tränen bereits getrocknet. „Wir nehmen dich mit.“, sagte Liam kalt. Fassungslos starrte ich ihn an. Dann stand ich mühsam auf. „Nein.“ Ich hatte es nicht laut gesagt, und doch hallte das Wort klar durch den Raum und hinterließ eine angespannte Stille. „Soso. Die Prinzessin will nicht, hm?“, drohte Ryan gefährlich leise. Mit einem Satz war er bei mir und schlug mir heftig ins Gesicht. „Denkst du tatsächlich, du hättest eine Wahl?“, höhnte er. Er ergriff mein Sweatshirt und zerrte mich hinter sich her zu dem Van. Dann stieß er mich auf den Rücksitz. Die Scheiben waren getönt. Niemand konnte mich von außen sehen. Ich wollte schreien, aber Liam rutschte neben mich und hielt mir den Mund zu. Ich wehrte mich, aber er hielt mich fest. Ich zappelte und schlug um mich. Er verpasste mir ein paar heftige Ohrfeigen. Schließlich gab ich auf. Wir fuhren los. So würde mich nie jemand finden. Ich war verloren. Nach etwa zehn Minuten ließ Liam von mir ab. Die ganze Fahrt lang mied ich seine Blicke. Meistens starrte ich aus dem Fenster. Ich dachte an meine Familie, an meine Freunde, an Emma. Ich hatte gelogen. Meine Mutter wird die Polizei nicht rufen. Das war einfach nicht unsere Art. Sie würde darauf hoffen, dass ich wieder kam. Sie vertraute mir. Aber ich würde vielleicht nie mehr wiederkommen. Emma würde mich schrecklich vermissen, aber keine Polizei würde nach mir suchen. Ich war verloren. Emotionslos starrte ich auf die vorbeirauschende Landschaft und versuchte an nichts zu denken.




......
Fortsetztung folgt


© Lucy


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Beschreibung des Autors zu "Es fing so harmlos an (2)"

Manchmal kommt man an den Punkt, an dem man sich wehrt. An dem mal aufsteht und seine Meinung sagt. Und manchmal wünscht man sich, man hätte lieber den Mund gehalten.




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