Es war einmal ein kleiner Floh, der lebte so lange er denken konnte in einem Flohzirkus. Zusammen mit seinen Artgenossen zeigte er den ganzen Tag über Kunststücke, die der Zirkusdirektor ihm beigebracht hatte und wenn es Nacht wurde, legte er sich in die Ecke des Behälters und schlief selig ein.
So lebte er ein paar Wochen zufrieden vor sich hin. Dann aber, eines Abends, lief er aufgeregt in dem Behälter herum und konnte nicht mehr schlafen, dass ihn ein älterer, erfahrener Floh fragte:
„Kleiner Floh, was ist mit dir?“
„Ach“, seufzte der kleine Floh, „den ganzen Tag verbringen wir hier im Behälter und zeigen unsere Kunststücke. Das Leben ist so kurz und ich habe noch nichts von der Welt gesehen.“
„Was willst du draußen?“ fragte der Ältere. „Hier haben wir alles was wir brauchen. Der Zirkusdirektor sorgt gut für uns.“
„Ich möchte wissen, was es außerhalb unseres Zuhauses noch gibt“, entgegnete der kleine Floh.
„Die Welt ist so groß, dass du nur einen Bruchteil von ihr sehen wirst.“
„Nein, nein. Ich will die ganze Welt sehen!“ rief der kleine Floh. „Alles was es gibt.“
„Das kannst du nicht!“
„Ich werde hier herauskommen und die Welt bestaunen. In acht Tagen!“ behauptete der kleine Floh
„Acht Tage?“ fragte der Ältere zweifelnd. „Das schaffst du niemals!“
„Wollen wir wetten?“
Der Ältere überlegte einen Augenblick. Dann lächelte er, so gut Flöhe eben lächeln können und antwortete:
„Abgemacht! Ich werde dir dabei helfen, hier heraus zu kommen. Du musst dich direkt unter dem Deckel verstecken, wenn der Direktor kommt. “
Der kleine Floh freute sich sehr.
Am nächsten Morgen kam der Zirkusdirektor zu seinem Flohzirkus und der kleine Floh saß direkt unter dem Deckel, wie der Ältere es ihm geraten hatte. Als nun der Zirkusdirektor den Deckel einen Hauch weit öffnete, hüpfte der kleine Floh heraus.
„Bis in acht Tagen!“ rief er dabei und winkte den Alten zu, der in seiner Ecke lag und noch vor sich hinschlummerte.
Der Zufall wollte es, dass gerade in dem Augenblick, als der kleine Floh auf den Tisch hüpfte, ein Schäferhund unter dem Tisch entlang lief. Der kleine Floh sprang hinunter und landete im dichten Fell direkt hinter den Ohren, dass er sich daran festhalten konnte. Der deutsche Schäferhund schüttelte den Kopf, aber dann lief er weiter. Inzwischen hatte sich der kleine Floh in dem Fell festgekrallt und die trägen, gleichmäßigen Schritte des Schäferhundes halfen ihm dabei, nicht den Halt zu verlieren.
„Wunderbar“, sagte der kleine Floh zu sich, „nun beginnt mein Abenteuer.“
Der Schäferhund hatte einen Herrn, der in der Stadt wohnte und so trotteten sie den ganzen Nachmittag über durch die Straßen. Der kleine Floh hatte es sich inzwischen im Fell gemütlich gemacht und döste vor sich hin. Es war herrlich, den blauen Himmel über sich zu sehen und er hatte sich an das gemütliche Schaukeln gewöhnt. Doch mit der Zeit wurde es ihm langweilig.
„Ich will die Welt sehen und Abenteuer erleben“, sagte der kleine Floh zu sich. „Aber dieser Hund trottet den ganzen Tag nur über die Straße. Morgen will ich weiterreisen.“
So schlief der kleine Floh in der Gewissheit ein, ab morgen Abenteuer zu erleben.
Am nächsten Tag ging der Herr wieder mit seinem Schäferhund hinaus. Schon früh war der kleine Floh wach und sah sich um, wann er den Hund wechseln konnte. Sie kamen an einem großen Park vorbei und der Herr hielt an, um sich etwas zu trinken zu kaufen. Der Schäferhund blieb neben ihm stehen und wartete, als ein Karelischer Bärenlaika vorüber kam. Der Bärenlaika sah unruhig den Schäferhund an und der kleine Floh, der das beobachtete, sagte zu sich:
„Mit diesem Reisegefährten werde ich sicher mehr erleben!“
Schon sprang er hinüber in das fuchsfarbene Fell. Der Herr ging hinüber zum Park und der karelische Bärenlaika folgte ihm an der Leine. Dann aber, als die die Wiesen erreicht hatten, nahm der Herr das Halsband ab und der Hund jagte hinaus auf die Wiesen.
War das eine Lust für den kleinen Floh! Er krallte sich in dem Fell fest und zusammen mit seinem Reisegefährten jagte er über die endlosen Ebenen des Parks hinweg. Wenn er aus dem Fell herauslugte sah er die Bäume am Waldesrand so schnell hinter sich, dass er sie gar nicht richtig betrachten konnte. Aber nichts von alledem konnte ihm die Lust an diesem Rennen verleiden und als der Herr des Abends mit der Bärenlaika nach Hause ging, war der kleine Floh so müde, dass er schon früh einschlief.
Am nächsten Tag gingen sie wieder in den Park und erneut jagte der Hund über die Wiesen. Es war windig an diesem Tage und ein kalter Hauch strömte durch das Fell, dass der kleine Floh fror.
Der karelische Bärenlaika machte des Mittags eine Pause und legte sich neben die Bank, auf die sein Herr sich gesetzt hatte. Der kleine Floh war froh darüber.
„Nun habe ich genug gesehen und ich zittere am ganzen Körper“, sagte der kleine Floh. „Bei dieser Kälte brauche ich die Wärme, sonst sterbe ich.“
Gerade als er dies gesagt hatte, kam ein Himalaja Schäferhund vorbei.
„Der hat ein dichtes Fell, da wird es mir sicher wärmer werden“, sagte der kleine Floh und kaum hatte er es ausgesprochen, sprang er hinüber. Eine Zeit lang krabbelte der kleine Floh durch die dichte blaugraue Wolle bis hinunter auf den festen Flor. Hier war es warm und der kleine Floh machte es sich gemütlich, während der Himalaja Schäferhund weitertrottete.
Das Fell des Hundes war so dicht, dass der kleine Floh nicht mehr hinauf in den Himmel sehen konnte und in die dichte Wolle umschloss den Abenteurer wie ein Dschungel, dass er versuchte, hinauf zu krabbeln. Das war eine mühselige Arbeit und immer wieder rutschte er hinunter auf den Flor, dass er dabei ins Schwitzen kam.
Der Himalaja Schäferhund trottete vor sich hin und so wurde es für den kleinen Floh eine gemächliche Reise. Das Fell war so dicht, dass kaum Luft hineindrang und der Reisende nach Atem rang.
„Puh, ist das eine Hitze“, dachte der kleine Floh, „aber nach der wilden Jagd mit dem karelischen Bärenlaika ist dies eine wahre Erholung.“
Doch als es Abend wurde, hatte er genug davon.
„Wie soll ich mir die Welt ansehen, wenn ich noch nicht einmal das Tageslicht erblicke?“ fragte er sich. Da es jedoch bereits dunkel geworden war, entschloss er sich, bis zu dem folgenden Tag zu warten. Der Himalaja Schäferhund legte sich zum Schlafen nieder und der kleine Floh nutzte die Gelegenheit und kletterte das Fell bis zu den Spitzen empor, dass er die Sterne sehen konnte. Der Weg erschöpfte ihn. Er krallte sich fest in die Wolle und schlief ebenfalls ein.
Am nächsten Tag erwachte er, als der Himalaja Schäferhund bereits wieder unterwegs war und der kleine Floh krallte sich noch krampfhafter im Fell fest, um nicht wieder zurück auf den Flor zu rutschen.
„Nun habe ich genug von dem Dschungel“, dachte er sich und hielt nach einer Gelegenheit Ausschau, auf einen anderen Reisegefährten hinüber zu springen und als ein kleiner Pekinese auf einem Mauervorsprung vorüberkam, murmelte er: „Wie schön wäre doch ein wenig Ruhe nach all der Aufregung!“ und schon saß er auf dem Fell des Pekinesen.
Der kleine Hund trippelte vor sich hin. Dann aber hob ihn seine Herrin empor und trug ihn auf dem Arm, dass der kleine Floh so sanft schaukelte, als reise er auf einer Dschunke. Er hatte sich auf das Ohr des Pekinesen gesetzt und besah sich die Gegend. Auch die Herrin war in den Park gegangen und als sie eine Weile über die breiten Wege wandelten, kamen sie an einen See, in dessen Mitte eine kleine Insel lag. Der kleine Floh blickte hinüber und seufzte:
„Ach, so eine Insel würde ich auch gern einmal besuchen.“
Neben dem Fußweg lag ein kleiner Anlegesteg, an dem die Herren Ruderboote mieten konnten und auf dem See herumfuhren. Manche von ihnen fuhren auch hinüber auf die Insel und spazierten auf ihr umher.
Die Herrin mit dem Pekinesen aber wandte sich um und schlenderte weiter den Weg entlang. So trafen sie einen Herrn, der mit seinem kleinen japanischen Spitz zu ebendieser Anlegestelle schlenderte. Der Floh sah hinunter und dachte:
„Diese Gelegenheit will ich mir nicht entgehen lassen. Aber, ach, es ist so tief und der Hund läuft hin und her. Doch will ich es wagen!“
Mit einem Satz sprang er hinunter und konnte sich gerade noch am Schwanz des Spitzes festhalten. Der Hund jagte aufgeregt um das Ruderboot herum und der kleine Floh hatte Mühe, sich an dem langen, weißen Fell festzukrallen. Mit einem Satz sprang der Hund ins Ruderboot und sein Herr folgte ihm. Der Spitz setzte sich aufrecht an den Bug und beobachtete starr die Insel, auf welche der Herr zuhielt.
Somit hatte der kleine Floh Zeit, den Schwanz empor zu krabbeln und am Hals des Hundes vorbei, neugierig hinüber zum Ufer zu blicken. Die Insel war klein und einige Menschen waren mit dem Ruderboot hinüber gefahren, dass es eng auf ihr wurde. Der Herr aber fuhr weiter und kaum legte er an der Insel an, sprang der Spitz hinaus und jagte das Ufer entlang.
Nur am Abend wurde der Hund ruhiger. Er legte sich im Hause des Herrn in seine Ecke und schlief. Der kleine Floh war froh darüber, dass er nun auch ein wenig Ruhe haben würde und morgen, so versicherte er sich, müsste er weiterziehen.
Am folgenden Tage tollte der Spitz wieder durch den Park, dass es dem kleinen Floh schwerfiel, sich festzuhalten.
„Nun ist es genug“, dachte er sich und sah sich nach einem anderen Reisegefährten um. Der japanische Spitz bemerkte einen American Foxhound, der nicht weit entfernt auf der Wiese herumlief und der Spitz raste auf ihn zu, um ihn zu beschnuppern. Diese Gelegenheit ergriff der kleine Floh und sprang hinüber.
Er landete im gelblich braunen Fell und verschnaufte.
„Das wird nun wesentlich gemütlicher“, sagte er zu sich und machte es sich auf dem Foxhound bequem. Der Hund mochte es nicht, dass der Spitz ihn beschnupperte und lief über die Wiese hinweg zu einem Volleyballplatz, der nur aus Sand bestand und niemand darauf spielte. Er trottete gemächlich über das Feld hinüber zu den großen Steinen, die nun, während die Sonne hoch am Himmel stand und die Hitze über den Park verbreitete, ein wenig Schatten spenden konnte. Der kleine Floh schwitzte und als der Foxhound sich niederlegte, döste der kleine Floh ein wenig ein. Später lief der Hund zurück über die Wiesen zu seinem Herrn.
„Das ist ein wundervoller Platz“, sagte der kleine Floh zu sich. „Hier will ich eine Weile bleiben.“
Am folgenden Tag war die Sonne verschwunden und es wurde kalt im Park. Der Foxhound stapfte gemächlich über die Wiesen, dass es für den kleinen Floh eine Wonne war, auf ihm zu reiten. Doch plötzlich kam Wind auf und kurz danach fing es heftig an zu regnen. Der Hund rannte über die Wiesen zurück zu seinem Herrn und der kleine Floh wurde pitschnass. Der Himmel war so dunkel geworden, dass er befürchtete, die Welt würde unter gehen.
„Oh bitte, lieber Hund. Eile schnell, dass wir nicht ertrinken“, flehte er und klammerte sich fest an einem einzigen Haar des Fells.
Der Herr eilte mit dem Foxhound nach Hause und rubbelte ihn dort mit einem Handtuch trocken, dass der kleine Floh umherspringen musste, um nicht erdrückt zu werden.
„Was für ein fürchterlicher Ort“, sprach er zu sich selber. „Morgen will ich sehen, dass ich nach Hause komme“, und schlief daraufhin ein.
Die Sonne war im Park wieder hervorgetreten, der kleine Floh aber hatte genug von dem American Foxhound und langsam plagte ihn Heimweh. So sprang er gegen Mittag auf einen English Setter, dessen Herr gerade im Begriff stand, den Park zu verlassen. Der English Setter trottete gemütlich die Straße entlang, dass der kleine Floh endlich Zeit fand, zu verschnaufen.
Herr und Hund spazierten einträchtig nebenher und der kleine Floh betrachtete die Schaufensterauslagen in der Fußgängerzone, während sie schon früh nach Hause gingen. Um fünf Uhr legte der Setter sich auf seine Decke neben dem Kamin und schlabberte sein Wasser. Dem kleinen Floh wurde es so wohlig, dass er kurz darauf schon einschlief.
Früh morgens des nächsten Tages nahmen Herr und Setter den Bus, um in die Stadt zu fahren. Der kleine Floh fühlte sich ausgeruht und nun, nachdem er all diese Abenteuer überstanden hatte, fiel ihm ein, dass heute der letzte Tag seiner Reise angebrochen war. Er musste zurück in den Flohzirkus. So überlegte er, was nun zu tun sei.
Der English Setter lag neben seinem Herrn und der Floh wurde unruhig. An der nächsten Haltestelle mussten sie hinaus, doch der Reisegefährte schien sich nicht darum zu kümmern. Als der Bus hielt, kam ein Herr mit einem Dackel vorüber und kurzentschlossen sprang der Floh in dessen Fell. Der Dackel schüttelte sich ein wenig, doch trottete er dann weiter.
Nun krallte sich der kleine Floh fest an die Spitze des Fells. Er musste aufpassen, dass er sicher nach Hause kam und konnte es sich nicht leisten, den Tag mit Abenteuern zu vertrödeln.
Der Herr holte ein Kind ab und das Kind streichelte den Dackel, dass der kleine Floh sich festhalten musste, um nicht herunter zu fallen. Dann gingen sie alle gemeinsam in Richtung des Rummelplatzes. Schon von weitem sah der kleine Floh die Stangen des Zeltes und freute sich.
„Nun bin ich endlich wieder zu Hause“, sagte er zu sich.
Nachdem sie eine Weile über den Rummelplatz geschlendert waren, kamen sie am Flohzirkus vorbei. Der kleine Floh wusste, dass er nun sehr hoch springen musste, krabbelte dem Dackel auf den Kopf und spannte seinen ganzen Körper an. Als sie am Tisch vorbeiliefen sprang der kleine Floh mit einem Satz so hoch, wie er nur konnte und bekam die Tischkante zu fassen. Er zog sich auf die Platte hinauf und musste verschnaufen.
„Der Direktor wird nachher kommen und dann habe ich die Gelegenheit, wieder in mein Haus zu schlüpfen“, dachte der kleine Floh. Und tatsächlich, viel später kam der Direktor. Der kleine Floh hüpfte ihm auf die Hand und als sie die Glasplatte ein wenig zur Seite schob, sprang er hinein.
All die anderen Flöhe freuten sich, dass er wieder da war und der ältere Floh hüpfte auf ihn zu.
„Da bin ich wieder“, sagte der kleine Floh freudestrahlend. „In acht Tagen um die Welt.“
„So?“ fragte der Ältere. „Was hast du denn erlebt?“
Der kleine Floh setzte sich hin und antwortete:
„Ich bin auf einem deutschen Schäferhund bis an die Grenzen des Ural gereist. Von dort aus brachte mit ein karelischer Bärenlaika durch die Steppen von Sibirien. Der Himalaya Schäferhund führte mich durch das Gebirge und den indischen Dschungel bis wir die chinesische Mauer erreichten. Von dort aus begleitete mich ein Pekinese an das große Meer und ein Spitz fuhr mit mir nach Japan hinüber. Der Amercian Foxhound trug mich sicher durch die Savannen, am Fuße des Grand Canyon entlang und über weiten Felder der Vereinigten Staaten, bis mich der English Setter schließlich zurück nach London führte. Dem Dackel war es zu verdanken, dass ich nun wieder nach Hause gelangte. Ich habe die ganze Welt gesehen und doch ist mir nichts lieber, als endlich wieder hier zu sein.“


© Mark Gosdek


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