X-Files - Das Unfassbare - Episode 4: Der Tod an der Tür

Episode 4 beruht auf einer wahren Begebenheit und stammt aus den Federn meiner Uroma. Sie hat mir diese Geschichte selbst vor wenigen Jahren als sie noch lebte viele Male erzählt. Noch heute habe ich Gänsehaut, wenn ich davon schreibe...

Maria Quinten saß wie jeden Abend mit ihren Nachbarinnen im Hinterhof und spielte Karten. Der "Hinterhof" war nichts anderes als eine schmale Gasse, in der kaum der Tisch und die Stühle Platz fanden. Es war ein Ritual, an dem immer alle Frauen gern teilnahmen. Wenn die Arbeit getan war und das Tageslicht langsam verschwand, zündete man Kerzen an und stellte sie draußen auf. So wurde die gesamte Gasse ins helle Licht getaucht. Man unterhielt sich über den Tag, über die Arbeit und über den Krieg, in dem sich befanden. Alle ihre Männer waren einberufen worden und kämpften weit entfernt an der Front für ihr Land. Sie alle hatten von ihren Männern lange nichts mehr gehört, denn Briefe erreichten sie nur selten mal. Der Mann einer Nachbarin war bereits im Krieg gefallen, aber sie zeigte ihren Schmerz nicht nach außen und wirkte eher eisig und abgehärtet, wenn man so sagen wollte. Sie sprach nicht über den Tod. Man hielt den Krieg für notwendig, um für seine Rechte einzustehen. Niemand bezweifelte, dass der Krieg wirklich falsch war und sie alle hatten die Hoffnung, dass ihre Männer gesund und munter zurück kamen. Und so ging auch dieser späte Abend irgendwann zu Ende und die Karten wurden eingesammelt. Obwohl sie eben erst komplett neu gemischt wurden.

Maria lebte in einem Haus, das man heute wohl gar nicht mehr als solches bezeichnen würde. Die Decken waren viel niedriger als heute und man durfte keine 2 Meter groß sein, sonst konnte man niemals aufrecht stehen. In ihrer Wohnung gab es gerade mal zwei Zimmer, wobei das eine davon nur winzig klein war. Sie schlief auf einer Art Couch und in dem gleichen Raum befand sich noch ein Schrank und ihre Kleider. Im hinteren, kleineren Zimmer bewahrte sie ihre Essensmarken auf, die sie vor den anderen gut versteckt hielt. Eine Toilette gab es nur im Freien und die benutzte jeder, der in dieser Gasse wohnte. Ob tagsüber oder nachts. Maria dachte an diesem Abend besonders viel an ihren Mann. Viel gehabt von ihm hatte sie nicht. Kaum hatten sie gearbeitet, war er einberufen worden und seither schrieb er nur ab und an mal. Die Briefe wirkten einerseits stolz und andererseits verbittert. Er wollte eigentlich lieber bei ihr sein, aber er konnte das nie so formulieren, wie er das gern gemocht hätte. Doch Maria konnte viel mehr darin lesen, als die pure Schrift hergab. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, aber sie hatte schon lange keinen Brief mehr bekommen von ihm. Vielleicht dachte sie deshalb so oft an ihren Mann. Sie wusste es nicht. Als die anderen schon lange nicht mehr zu hören waren, schlief auch Maria endlich ein und ahnte nicht, dass diese Nacht ihr Leben verändern würde.

Welche Uhrzeit genau es war, konnte Maria nicht sagen, aber es musste so gegen zwei Uhr nachts gewesen sein. Jemand klopfte an ihre Tür. Bis sie sich den Schlaf aus den Augen gerieben hatte und aufgestanden war, war das Klopfen bereits verhallt und verschwunden. Sie zündete eine Kerze an und ging langsam Richtung Tür. "Wer ist da?", fragte sie und bekam keine Antwort. Es war sicherlich stockdunkel draußen. Es war doch mitten in der Nacht. Vielleicht war es ihre Nachbarin? Sie vermutete nichts Schlimmes dahinter und öffnete kurz darauf die Tür und hielt ihre Kerze dabei fest in der Hand. Vor ihr war nichts zu sehen. Es stand auch niemand in der Gasse. Sie schaute nach rechts und nach links. Niemand war zu sehen. Auch keine Nachbarin wanderte umher, weil sie nicht schlafen konnte. Soviel sie erkennen konnte, war auch niemand auf der Toilette, da man sonst zumindest ein Geräusch hätte hören müssen. Sie fühlte sich merkwürdig. Irgendwas stimmte hier nicht. Es hatte ganz sicher geklopft und das nicht nur einmal. Als sie gen Himmel schaute, bemerkte sie, dass es auch nicht windig war, ansonsten hätte man das ja auch durch den Wind erklären können. Die Bäume standen still und bewegten sich kein Bisschen. Maria schloss die Tür wieder hinter sich ab und legte sich kurz darauf wieder in ihre Couch. Schlafen konnte sie in dieser Nacht allerdings nicht mehr. Sie lag bis in den frühen Morgen wach und erzählte diesen Vorfall sofort jedem, der ihn hören wollte, als sie am Morgen die Gasse betrat.

Wenige Tage später war sie schon im Begriff mit den anderen Frauen Richtung Feld zu gehen, als sie ein Mann anhielt, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. Und so jemand überbrachte am frühen Morgen wohl nur schlechte Nachrichten.

Als er Maria einen Brief in die Hand drückte, ahnte sie bereits, was geschehen war. Die anderen Frauen wussten es auch, denn sie blieben etwas abseits stehen und sagten kein Wort. Sie öffnete den Brief und verzog dabei keine Miene. Sie wollte sich nichts anmerken lassen. Und doch wusste sie innerlich, was sie darin lesen würde. Ihr Mann war tot. Er war im Krieg gefallen. So sehr hätte sie sich etwas anderes gewünscht. Es fiel ihr schwer, ihre Tränen zurückzuhalten. Doch sie tat es. Sie hatte zwei Kinder und die musste sie jetzt alleine versorgen. Die Zeiten waren nicht schon schwer genug. Als sie den Brief nochmal durchlas, fiel ihr etwas auf, dass ihr den Atem verschlag. Der genaue Todeszeitpunkt konnte zwar nicht festgestellt werden, aber man hatte ihn trotzdem vage angegeben. Ihr Mann war vor genau 5 Tagen zwischen 2 und 3 Uhr nachts gefallen. Der Ort, an dem es geschehen war stand darunter und der Name des Einsatzes auch. Und in dem Moment wusste Maria, dass ihr Mann ihr noch ein Zeichen gegeben hatte, als er starb. Er war genau in der Nacht gestorben, als es bei ihr an der Tür geklopft hatte in der Nacht. Es musste zwischen 2 und 3 Uhr nachts gewesen sein. Sie erinnerte sich noch viele Jahre bis in ihr hohes Alter daran und verlor nie den Glauben daran, dass ihr Mann ihr in dieser Nacht "Lebewohl" gesagt hatte...

Seralgo Refenoir


© Seralgo Refenoir


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Kommentare zu "X-Files - Das Unfassbare (Staffel 1, Episode 4/7)"

Re: X-Files - Das Unfassbare (Staffel 1, Episode 4/7)

Autor: Pia Koch-Studiger   Datum: 05.02.2015 23:27 Uhr

Kommentar: Ganz gebannt habe ich die Geschichte von deiner Uroma gelesen. Du hast sie auch fantastisch bewegend zu Papier gebracht. Und ja: Ich glaube dies absolut. Es gibt feinfühlige Menschen, die solche Zeichen sehen, erkennen und zu deuten wissen. Meine Mutter gehörte auch zu ihnen. Oft hat sie mir erzählt, wie sich ihr Lieblingsonkel von ihr verabschiedet hatte, indem er die Wanduhr in Mutters Zimmer zum Schlagen brachte, und dies zu einer unpassenden Zeit. Die Uhr zeigte auch danach immer die richtige Zeit an.

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