"Wenn er doch nur alles wusste!", dachte sie und arbeitete weiter. Sie blickte aus dem Fenster, ein typischer Apriltag; nass, windig, ein wenig Schnee und ab und zu traut sich auch mal die Sonne raus. Sehr abwechslungsreich. Aber so ist sie eben; mal denkt sie sehr intensiv über ihre Zukunft nach, mal sehr intensiv über ihre Vergangenheit und dann denkt sie auch mal darüber nach, wie ihre Vergangenheit die Zukunft beeinflussen wird.
Welche Rolle spielt sie? Die Vergangenheit. Ist sie wichtig? Sie merkt, erst wenn alles erzählt ist, erst wenn er alles weiß, dann wird sie diese Spannung verlieren. Die Spannung lenkt sie ab, ab von der Arbeit, ab vom Essen, ab vom Schlafen. Ab wann hört das auf? Immer wieder diese eine Frage, immer wieder diese eine Suche nach der Antwort. Alles dreht sich nur darum, wie wichtig die Vergangenheit sein wird. Aber merken tut er es doch eh. Es ist nicht die Frage, ob er es wissen muss, denn das wird er auf jeden Fall, es ist die Frage, wann und unter welchen Bedingungen?
Am besten alles weg wischen. Sie holt sich gerade einen Lappen und reinigt die Arbeitsfläche. "So, alles weg!" Aber genau das ist es ja, es war nie was da. Die Vergangenheit besteht aus Löchern, da wo was sein sollte, fehlt was. Das wurde ihr gerade klar.
Sie war hübsch; langes Haar, blaue Augen, ein bezauberndes Lächeln. Fast scheint es so, als würde der Erzähler in sie verliebt. Verliebt war sie auch, und umso mehr verabscheut sie den Gedanken, von diesen Nichts zu erzählen. Es ist nichts. "Es könnte alles so einfach sein.", aber das ist es eh nie. Deshalb macht sie weiter.
Der Himmel hat sich gerade zugezogen, alles scheint nun trüb und grau, grelles Licht von den Neonröhren erleuchten den Raum. Im Fenster sieht sie ihr Spiegelbild reflektieren, sie sieht keinen glücklichen Menschen gerade. Doch ein Sonnenstrahl zeigt sich. Er ist schön und sie möcht diesen Moment festhalten. Sie denkt in diesen Moment nur noch an ihn. Es scheint, sie hat ihren Mut und ihr Lächeln wieder gefunden. Sie blickt kurz zur Arbeitsfläche und ihr fällt auf, dass etwas fehlt. Dann ist es ihr eingefallen, das, was fehlt, holt sie einfach nach.


© Benjamin B. Buro


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