Ich renne durch die Straßen. Habe keine Ahnung wo ich mich befinde. Meine Gedanken spielen verrückt. Das was gradepassiert ist kann unmöglich real sein. Bitte lass es einen Traum sein. Ich versuche aufzuwachen, doch ich schaffe es nicht. Mit schrecklichen Gewissensbissen lasse ich mich in einer spärlich beleuchteten Gasse auf den Boden sinken. Mit meinen Armen umschlinge ich meine Knie und stelle erschreckender Weise fest, dass an meinen Händen noch Blut klebt. Es fühlt sich noch warm an. Spätestens jetzt steht fest, dass es kein Traum sein kann. „ Das war unmöglich ich! Das war ich nicht!“, murmle ich zu mir selbst und fange an zu zittern. Niemand darf ihn finden. Wenn er gefunden wird, werden sie wissen, dass ich es war. Noch nie in meinem Leben habe ich so eine Angst ausgestanden. Noch nie habe ich mich so alleine gefühlt wie jetzt und noch nie war ich so auf mich alleine gestellt. Mein Magen verkrampft sich und mir wird schlecht. Ich versuche es zurück zuhalten, aber ich schaffe es nicht und schließlich muss ich mich übergeben. Scheinbar ist dies eine Nachwirkung meiner rücksichtslosen Handlung. Noch einmal fange ich an darüber nachzudenken, doch alles was mir durch den Kopf geht sind die Fragen was er sich dabei gedacht hat und wie er mir das jemals antun konnte. Nicht nur ihn habe ich verloren, sondern auch ein Stück von mir selbst. Damit ihn niemand findet, rapple ich mich wieder auf und gehe zurück in die Gasse in der alles verlassen ist. Bloß ein paar Mülltonnen stehen allein gelassen an einer Hauswand. Dass mir kein Mensch begegnet beruhigt mich etwas. Wie sind wir überhaupt hier her gekommen? Ich weiß es nicht, weiß ja nicht einmal wo ich mich tatsächlich befinde. Was ich aber weiß ist, dass ich ihn los werden muss und zwar so schnell wie möglich. Ich trete um die Ecke und fange an zu weinen. Dort liegt er in einer völlig verdrehten Position. Die großen blauen Augen weit aufgerissen und sein Mund; über den sonst immer ein Lächeln huschte; zu einem stummen Schrei geöffnet. Sein Gesicht wirkt blass und steht somit in krassen Kontrast zu seinen dunklen Haaren. Ich knie mich nieder und lasse den Blick zu dem Messer wandern, welches ich ihm in die Brust gerammt habe. Plötzlich wird mir klar, dass ich eine eiskalte Mörderin bin, die ihren eigenen Freund umgebracht hat. Sein weißes Hemd ist blutdurchtränkt und das Blut ist immer noch warm. Ich ziehe ihm das Messer heraus und zum Vorschein kommt eine klaffende Wunde aus der das Blut langsam hinaussickert. Damit niemand das Messer findet, reiße ich mir ein Stück von meinem Ärmel ab und wische es ab. Anschließend wickel ich es darin ein und werfe ich in eine der vier Mülltonnen. Ich versuche den leblosen Körper zu bewegen, um ihn hier weg zu schaffen aber ich habe nicht genug Kraft. Wie soll ich ihn los werden wenn ich keine Kraft habe? Mir bleibt nichts übrig außer mich dazu zu zwingen. Diese Situation bringt mich an meine Grenzen. Ich nehme seine Beine und ziehe den leblosen Körper mit aller Kraft die ich auf bringen kann durch die dunklen Gänge. Es muss schon Mitternacht sein, denn irgendwo in weiter Ferne höre ich eine Glocke schlagen. Als wir hier her kamen, nahmen wir einen Weg durch den Wald, da muss ich ihn hinbringen. Dort ist er am sichersten versteckt. Vielleicht besteht ja eine Chance ihn zu verbuddeln, doch vorerst muss ich mir den Weg dorthin suchen. Hoffentlich finde ich eine geeignete Stelle weit genug entfernt von der Unfallstelle. Die Blutlache die dort zurückgeblieben ist konnte ich nicht bereinigen. Plötzlich höre ich Schritte auf mich zukommen. Oh nein was mache ich jetzt? Wenn die Person mich finden sollte bin ich geliefert. Sie darf auf keinen Fall hier entlang kommen. Eine Möglichkeit sie abzulenken besteht aber auch nicht. Also bleibt mir nichts Anderes außer hier zu warten und zu Hoffen. Ich habe Glück, denn kurze Zeit später höre ich wie die Schritte verebben. Jetzt heißt es wieder den Leichnam in Richtung des Waldes zu schleifen. Die Blutspur die ich hierbei hinterlasse bereitet mir allmählich sorgen. Doch was bleibt mir anderes übrig? Es bestehen zwei Möglichkeiten. Ihn hier einfach liegen lassen und Hoffen das ihn niemand findet, damit sie meine Spuren nicht finden oder ihn hinter mir her zu schleifen und ihn irgendwo im Wald vergraben. Wenn ich ihn vergraben habe könnte ich sogar noch versuchen die Spuren zu verwischen. Ich drehe mich um und schaue auf den Boden zu meiner Überraschung stelle ich fest, dass die Blutspur nur noch ganz dünn ist. Da ich aber möchte, dass uns keiner findet muss ich mir was einfallen lassen wie er ganz aufhört zu bluten. Nach kurzem nachdenken kommt mir eine Idee. Dass ich darauf nicht früher gekommen bin! Erneut reiße ich mir ein Stück von meinem Ärmel ab und presse es auf die Wunde. Das Stück fetzen saugt das Blut auf und ich hinterlasse keine Spuren mehr.
Endlich habe ich den Wald erreicht. Jetzt muss ich nur noch einen geeigneten Platz finden. Den reglosen Körper lasse ich zuerst noch hier am Waldrand liegen und mache mich ohne die Last auf die Suche. In der Nähe finde ich einen Hohlraum unter einem Baum. Hier dürfte ihn niemand finden. Ich hohle die Leiche und schmeiße sie hinein. „ Es tut mir Leid. Ich wollte das nicht. Ich werde dich immer lieben.“, sage ich zum Abschied und renne los weil mich die Trauer und meine Wut völlig überwältigt. Ich muss zurück zum Mutterhaus, doch ich weiß nicht in welche Richtung es liegt. Eine Weile irre ich durch den Wald bis ich endlich die Landstraße finde auf der sich das Mutterhaus befindet. Als ich ankomme ist alles dunkel, kein Wunder denn eigentlich sollten alle schon wieder zurück sein. Ich versuche es an der Vordertür doch die ist verschlossen, also muss ich durch den Hintereingang. Ich habe Glück auch in der Küche die sich am Hintereingang befindet brennt kein Licht und ich schleiche mich hinein. Leise laufe ich durch das Haus bedacht darauf keines der anderen Mädchen zu wecken, nachdem ich das Bad erreicht habe schließe ich mich dort ein. Zuerst wasche ich mir die Hände damit der Dreck und das Blut nicht an mir kleben wie die Pest. Danach gehe ich auf mein Zimmer. Die Hose und das T-Shirt zerschneide ich und werfe beides in den Müll. Mit frischen Klamotten lege ich mich in mein Bett doch ich kann nicht schlafen, denn der Gedanke, dass ich meinen Freund umgebracht habe zerstört mich innerlich. Und ich weiß er kommt niemals mehr zurück und nichts wird mehr wie früher sein.


© Jennifer Svenja Weichbrodt


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Kommentare zu "Ein schreckliches Versehen"

Re: Ein schreckliches Versehen

Autor: noé   Datum: 02.03.2014 11:01 Uhr

Kommentar: Spannend und mit großer Dynamik geschrieben (und hoffentlich Fiktion...)
noé

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