Es war einmal ein wunderschöner, blauer Planet. Die Galaxis, in der er seine Kreise, um eine goldene Sonne zog, hieß „Milchstraße“ (benannt nach einem weiblichen Körpersekret) und auf ihm lebte eine Vielzahl der erstaunlichsten Lebewesen.

Da gab es welche, die konnten krabbeln, welche die schwammen und ganz ähnlich aussehende, die sich auf der Erde wanden, einige bohrten sich sogar durch ihre Krume. Manche konnten unglaublich schnell laufen, wieder andere beherrschten die Kunst des Springens. Einige wurden sagenhaft dick. Ein paar hatten ganz lange Hälse, einige konnten bei Nacht sehen und es gab sogar welche, die zu fliegen vermochten.

Am kuriosesten verhielt sich eines, das, z.B. wie ein Laufvogel, auf zwei Beinen ging, aber keine Eier legte. Es tat sich durch eine Eigenschaft hervor, die alle anderen Geschöpfe auch irgendwie hatten, aber bei ihnen war sie nicht so stark ausgeprägt. Der Zweibeiner nannte es „Denken“.

Darauf war er sehr stolz! So stolz, daß er sich sehr häufig dafür Urkunden verlieh. Denn er glaubte intuitiv zu wissen: dieses spezielle Talent befand sich noch in einem sehr frühen Stadium – es musste daher unbedingt darauf aufmerksam gemacht werden.
Schon die unscheinbarsten Denkversuche, noch im kindlichen Alter befindlicher Zweibeiner, wurden umständlich benotet. Das sollte den Ehrgeiz derselben anspornen.

Damit erreichte diese Spezies die absolute Vorherrschaft über den wundervollen Planeten (zu Wasser zu Lande und in der Luft), auf dessen Oberfläche es immer noch um das archaische Ritual des Fressens und Gefressenwerdens ging, wie eh und je.

Die Lebenslust gedieh durch die Instinkte, verwandelte sich in Glück oder Unglück, in Freude und Pein – wobei Freude und Glück stets auf der Seite der Fressenden, nie jedoch auf Seiten der Gefressenen lag.

Auch die Tiere mit den Denkurkunden fraßen und wurden gefressen, doch bei ihnen spielte sich der Vorgang ein klein wenig abstrakter ab. Da sie, in der Regel, kein großes und scharfes Gebiss mehr besaßen, mussten sie sich anderer Mittel bedienen. Sie überlisteten einander, sie ruinierten sich wirtschaftlich und brachten sich auf viele Arten brutal zum Scheitern.

Das nannten sie „kreativ“ oder „flexibel“. Die „Kreativen“ verlangten von den „weniger Kreativen“ „Flexibilität“, damit sie in der Ausübung von Frondiensten nicht auf die Einhaltung bestimmter Arbeitszeiten, oder auch auf den Ort, an dem sie ihre Frondienste ausüben durften, bestanden. Doch, weil es immer wieder Leute gab, die es wagten Ansprüche zu äußern, waren Arbeitskräfte generell „Mangelware“.

Dieser Umstand wurde zunächst von den „Kreativen“ in der reicheren Hemisphäre (= die herrschende Klasse), dadurch geändert, daß sie zunächst einfach Gewalt anwendeten (Prügelstrafe, Folter, Haft), bis sich kostengünstigere Lösungen ergaben, die darin bestanden, „willige“ Arbeitskräfte aus fremden Ländern einzuführen. Denn armutgewohnte Fremde anderer Erdteile entsprachen den Wunschvorstellungen der Obertiere, in Sachen „Lohnvorstellungen“, „verständlicherweise“ weit eher. Die Methode findet, auf dem bewussten Planeten, auch heute noch Anwendung, ist aber umbenannt worden. Womit wiederum den Instinkten voll Genüge getan wird.

Dabei werden weiterhin Denkurkunden verliehen, die Artgenossen auszeichnen sollen, die ganz besonders brav – innerhalb eines Systems tierischer Verfahrensweisen – gedacht haben. Sie heißen „Schulzeugnis“, „Doktor, der…“, oder „Nobelpreis“.

Das Verhalten der Art an sich, bleibt dabei, insgesamt gesehen, gleich. Es vollzieht sich unbekümmert weiterhin auf dem bescheidenen Niveau der Instinkte (Nestbau- und Fortpflanzungstrieb, dem „gesunden“ Egoismus, usw.) und folgt den bevorzugten Werten, die schon seit Jahrmillionen prägend dominieren. Somit selektiert es effizient alle Kräfte aus, die sich auf dem Weg zur nächsthöheren Stufe befinden: auf der Stufe des instinktfreien Denkens.

Dies manifestiert sich im Geheimen, durch eine Form des „Terrorismus“, den keiner gewöhnt ist, weshalb er auch nicht als etwas Anderes erkannt werden kann! Ein sehr guter Beobachter dürfte es bestenfalls in eigenartig belanglosen Gesten erfassen, die meist nichts mit Erfolg und ganz wenig mit Raffinesse zu tun haben.

Da wendet sich beispielsweise einfach einmal ein geschocktes Individuum ab – womöglich auf offener Straße – um sich herzzerreißend zu übergeben. Ein anderes bekommt Lachkrämpfe, angesichts einer Parlamentssitzung, oder es leidet unter Platzangst bei Aktionärsversammlungen. Andere versuchen eine Teufelsaustreibung im Petersdom. Sie beginnen wie verrückt zu schreien, beim Lesen heiliger Schriften, werden nicht selten in Sanatorien eingewiesen, wo sie dann auf „den rechten Weg“ zurückgeführt werden sollen. Manche werden auch, ganz unvermittelt, in anderen Regionen der Erde, zu „Kuren“ verdonnert, in deren Verlauf ihnen, aus vorgetäuschten Therapiegründen, lebensnotwendige Kleinigkeiten, wie Essen und Trinken weitestgehend entzogen werden. Dafür gibt es dann Prügelstrafen. Solche segensreichen Einrichtungen heißen dann offiziell „Umerziehungslager“. Man soll auch schon Weibchen beobachtet haben, die es förmlich auf die Spitze trieben, indem sie Sex aus Spaßgründen betrieben, ohne sich instinktiv absichern zu wollen.

Das Frevelhafte all jener Taten, die nicht unmittelbar gewinnversprechend sind, folgt jedoch der „Sünde“ auf dem Fuß!
Was Tier ist, muss eben Tier bleiben. So „denkt“ eine Natur, die dabei ist, sich und ihre Grundgesetze der Evolution, durch Fressen und Gefressenwerden, in der Anwendung auf die Hoffnungsträger des Seins, die aufrechtgehenden Zweibeiner, selber zu pervertieren.

Wo sie nur kann, unterdrückt/verhindert sie das instinktfreie Denken, nach bestem Unwissen, ohne intaktes Gewissen, und ermöglicht so die Ablösung aller vorhandener Tierarten durch ein völlig „weltfremdes“ Wesen, das leider offensichtlich erst dann entstehen kann, wenn alle Arten ausgelöscht wurden. Es fragt sich logischerweise nur, woraus es dann entsteht…

Für eine Weiterentwicklung sollte doch immer ein Ursprung vorhanden sein! Allein in dem bloßen Vorhandensein abstrakter Denkurkunden kann er aber kaum liegen. Papier kann keine Kinder kriegen! Sind demnach die Verfahrensweisen der beurkundeten Tiere nicht so ganz richtig? Als Erfolgsmodell sind sie so gut wie veraltet. Sollte es darüber hinaus noch eine, bisher weitestgehend unbeachtete, ganz andere, erfolgversprechende Überlebensmethode geben?

Wer darauf eine richtige Antwort hat, kann sie zumindest nicht erlernt haben!


...und hier noch etwas Blödsinn zum Nachspülen:


Doch nur darum


Gib diesem Nichts noch die Bedeutung,
die du verdienst, wenn du es denkst.
Es hat dich leidenschaftlich? – lasch?
Bist du verkörpert? Hast du Träume?
Du weißt genau: in der Erbeutung
der Flausen, die du für dich lenkst,
wie du doch meinst - da bist du rasch –,
da liegt der Zustand der Verkrümmung
des Schabernacks, verführt, verkettet.
Das hebt bei dir auch noch die Stimmung.
Darauf hat keine wilde Sau gewettet!

Nur auf dich kommt’s eben an,
wie schwer ein Umstand wiegt, der sich,
in deiner Fantasie ins Glückliche verdreht –
was dir dein Sein ermöglicht, als Crètin.
Das Irgendwas schlägt dich in seinen Bann,
der die Bemühung schürt, die doch vergeblich,
dich enden lässt als Coq au vin,
und du entehrst dich, voller Freuden
und meinst, daß alles wirklich ist –
das möchtest du nicht mal vermeiden,
hat dich Verzweiflung erst einmal geküsst.

Vergrabe dich in deinen welken Scherben,
sei in der sturen Einfalt ewig aufgehoben,
bestimme deinen Standpunkt nicht im Kreis
der Seligen, den du erschaffen hast, als Pfuhl.
Dein großes Lebensziel nennt sich Verderben,
es will dich, wo du bist, umtoben,
weil es, statt dir, den letzten Ausweg weiß?
So schreite stolz, mit hoch erhob’nem Haupt,
in die Misere, die du immer hoch geschätzt,
sei dümmer als die Polizei erlaubt,
doch bleibe aufrecht, zeig dich nicht verletzt!

Du würdest dir die Schwäche niemals glauben,
die dich so sehr erfüllt, seitdem du meinst,
du hättest hier ein Anrecht auf die Zeit,
die zu verwalten dessen ist, was möglich wäre.
Du darfst dir nicht den Anspruch rauben,
der dich so stark macht, wie du scheinst –
und sei für jeden Unfug gern, im Ernst, bereit!
Denn nichts zu wissen, aus Erfahrung klug
und doch, nicht enden wollend, dumm
zu sein, das nennst du keinen Selbstbetrug.
Nein, tröste dich – es geht doch nur darum!


© Alf Glocker


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