1.Kapitel
„Na, du auch hier?“ Ich wirbelte herum und versuchte etwas zu erkennen. Das gedämpfte Licht spiegelte sich leicht in den Augen eines Jungen der 13. Klasse wieder. Riley Miller. Beliebt, gut aussehend und zugleich der beste Freund von Owen. Owen feierte in seinen Geburtstag rein und machte eine große Party. „Natürlich, wo denn sonst?“, lachte ich und warf meine glatten, blonden Haare zurück. „Gut siehst du aus“, meinte er. Die Musik war laut und man konnte sich kaum unterhalten. Der Raum war voll von angetrunkenen, tanzenden Freunden Owen’s. „Danke“, antwortete ich und musterte ihn. „Maddy, hier bist du!“ Caitlins quietschende Stimme drang an mein Ohr und riss mich aus meinen Gedanken. „Ich habe dich überall gesucht!“ Riley verschwand zwischen den ganzen Leuten. Hinter Caitlin tauchte auch gleich meine andere beste Freundin auf, Zoe. „Was gibt’s denn?“, fragte ich wenig begeistert. Immer in den ungünstigsten Momenten. „Hast du denn nicht mitbekommen wer auch hier ist?“, mischte sich Zoe ein. „Wer denn?“, sagte ich desinteressiert. „Ach, komm mit“, meinte Caitlin und zog mich unsanft mit sich mit. Am Eingang stand diese Person dann auch. Sich nett unterhaltend mit irgendwelchen anderen aus meiner Parallelklasse. „Wen haben wir denn da?“, tönte ich. Der Junge drehte sich um und als er mich entdeckte verdrehte er nur die Augen. „Musst du nicht schon längst ins Bett?“ „Genau, was machst du hier?“, wollte auch Zoe wissen. „Ähm, feiern?“, antwortete er genervt. „Rhys, lies lieber deine Bücher.“ Die Gruppe um ihn herum löste sich endlich auf. Ich verstand gar nicht warum die sich überhaupt mit ihm abgaben. Rhys, der Streber. Überall gute Noten. Okay, schlecht sieht er nicht aus, aber ob der wohl shoppen geht? „Lass mich doch in Ruhe“, murmelte er und drehte sich weg. „Dass du dich mit ihm unterhältst verwundert mich ja schon“, fand Caitlin. „Tja, so ist das eben.“ Wir gingen zur Bar und stießen mit einem kleinen Sekt an. „Auf die letzten, unvergesslichen Ferientage!“, rief ich. Und unvergesslich wurden sie dann auch…

Mein Herz schlug schneller. Ich wurde von irgendwem auf den Boden gedrückt. Erfolglos versuchte ich mich zu wehren. Der riesige, dunkle Saal fiel langsam in sich zusammen und die Spiegel gingen nach und nach kaputt. Das Glas flog um mich herum und meine Arme bluteten, durch die Splitter, die sich rein rammten. Auf meinem Arm stand blutverschmiert: Some day it stops beating. Auf dem anderen stand: Terrified. Ein Mann lachte laut und höhnisch. Die Schritte wurden leiser und überfordert fiel mein Kopf auf den Boden zurück.

Panisch wachte ich auf und suchte nach dem Lichtschalter meiner Nachttischlampe. „Oh my god, just a dream“, wisperte ich atemlos. Mir war auf einmal sehr heiß. Bereits sind drei Tage nach der Feier vergangen. In zwei Tagen ist wieder Schule und meine Motivation im Keller. Ich versuchte wieder einzuschlafen, aber es ging nicht. Bilder schossen durch meinen Kopf. Ich konnte nichts erkennen. Um auf andere Gedanken zu kommen schnappte ich mir ein Buch und setzte mich mit einer kuscheligen Wolldecke auf einen Stuhl, auf dem Balkon. Der eisige Herbstwind pfiff an meinen Ohren entlang, aber das störte mich keineswegs. Als ich auf die Uhr sah, war es 4 Uhr morgens. Hoffentlich sind meine Augenringe nicht allzu schlimm. Völlig vertieft ins Buch, bekam ich nicht mit wie die Balkontür leise quietschend zufiel. Das Knacken eines Astes vom nebenan liegenden Wald schrak mich auf. Auf einmal fror ich sehr und stand auf, um in mein Zimmer zu gehen. Mein Buch fiel dabei runter und das Lesezeichen, aus Silber angefertigt, viel auf den Boden, klimperte bis zum Rand des Balkons und fiel schließlich geräuschlos in den Garten der Villa. „So ein Mist“, fluchte ich. Langsam war mir all das nicht ganz Geheuer und ich verließ fluchtartig den Balkon. An der Tür rüttelte ich. Normalerweise ging diese sofort auf, ich war es bereits gewohnt, dass sie etwas klemmte. Allerdings ließ sich diesmal nichts machen. Verzweifelt schaute ich umher. Es war immer noch recht dunkel draußen und in meinem Zimmer brannte auch noch die Lampe. Ich versuchte irgendwas zu erkennen und einen Grund zu finden, warum die Tür nicht aufging, aber auch die Lampe erlosch mit einem Mal. Ich zitterte, weil es so eisig kalt war. Mit der Zeit wurde ich panisch und fühlte mich hilflos. Beängstigt setzte ich mich in die Ecke und machte mich so klein, wie es nur ging. Dabei fühlte ich mich total blöd. Wenn das die aus meiner Schule wüssten… Unvorstellbar.

„Ich frag mich immer noch, wie du das geschafft hast“, amüsierte sich meine Mutter am Frühstückstisch. Ich stocherte missmutig in meinem Müsli rum. „So lustig ist das jetzt auch nicht, wie soll ich mich denn aussperren?“, fragte ich genervt. „Das war…“ „Worüber ihr euch Gedanken macht…“, fiel mir mein Vater ins Wort. „Auf jeden Fall sinnvolle“, grummelte ich. „Nein, verschwendete.“ „Was machst du denn heute, Madison?“, wollte meine Mutter wissen. „Ähm, shoppen? Du weißt doch, dass wir drei jeden Samstag shoppen fahren!“ „Auch gut“, meinte sie daraufhin nur kurz. Wie vergesslich sie doch war! „Naja, wir können’s uns ja leisten“, sagte mein Vater, nahm die Zeitung und trank einen Schluck Latte Macchiato. So sieht’s aus. „Ich bin dann auch weg.“ Ich stand auf, stellte den Stuhl zurück, nickte der Putzfrau Luisanna kurz zu und verschwand in meinem Zimmer. „Wie sieht es denn hier aus?!“, stieß ich erschrocken hervor. Das Fenster stand offen und ich wusste nicht ob es der Wind war und ich vergessen habe das Fenster zu schließen oder es was mit heute zu tun hatte. Anstatt dies meinen Eltern zu sagen, die es sowieso nicht interessierte, rief ich Luisanna damit sie das Chaos beseitigt. Sie eilte sofort herbei. „Ach, wo ist denn nur meine Tasche?“, murmelte ich. „Wie bitte?“, fragte Luisanna. „Nichts, schon gut.“ Ich nahm eine andere, stopfte Handy, Geld und alles Wichtige ein und machte mich auf den Weg. „Und das alles nachher aufgeräumt ist!“, verabschiedete ich mich und begab mich nach draußen.

Der Tag hat sich echt gelohnt. Ich habe zwar nicht viel ausgegeben, nur 300 Euro, aber was ich gefunden habe reicht bis zum nächsten Samstag. Ich legte mich abends gemütlich auf mein großes Bett und schaute einen Film bis ich irgendwann einschlief…

„Fall nicht!“, rief ein schwarz gekleideter Mann und lachte laut. Er holte aus und schlug zu. Mir wurde schwarz vor Augen und ich merkte, dass der Boden unter meinen Füßen weg war… Für kurze Zeit öffnete ich meine Augen und während ich fiel las ich aus den Wolken: Some day it stops beating.Terrified. Plötzlich war der eben noch so helle Himmel schwarz, wie die Nacht. Das Lachen dröhnte mir bis in die Ohren und ich schlug auf…

Panisch, wie die letzte Nacht, wachte ich schweißgebadet auf. Das gleiche Lachen, wie aus dem anderen Traum. Der gleiche Schriftzug, wie aus dem anderen Traum. Langsam hatte ich Angst. Das war nicht einmalig. Das hatte irgendwas zu bedeuten, aber ich wusste nicht was. Ich wusste nur, dass ich Angst hatte. In der Zimmerecke raschelte es. „Hallo?“, wisperte ich vorsichtig. Jemand lachte leise. Das bilde ich mir jetzt nicht nur ein, oder? „Wer ist da?“, fragte ich, jetzt etwas lauter. Ängstlich zog ich meine Beine an den Körper und guckte mich verstört um. Mein Radiowecker zeigte an, dass es halb 1 ist. Sonntag. Plötzlich war es still. Zu still. Langsam kroch ich unter meine Decke und schlief nach einer gefühlten Ewigkeit ein…

„Du siehst müde aus.“, stellte meine Mutter schlicht fest und hantierte weiter in der Küche. „Bin ich auch“ Irgendwie machte es mich traurig mit niemandem so wirklich reden zu können. Meine Mutter interessierte sich nicht sehr für meine Gesundheit oder meine Probleme. „Das lösen die Ärzte“, meinte sie immer. Mein Vater ist schon mal gar nicht ansprechbar. Das Einzige was ich habe ist mein Tagebuch. Ich hatte aber eigentlich nie Probleme, also warum sollte ich mich mit meinen Eltern unterhalten. Alles was geschehen war, ist nur Einbildung. „Dann solltest du mal früher schlafen gehen“, sagte meine Mutter und setzte sich. „Als ob ich es nötig hätte“, schnaubte ich. Genervt verließ ich die Küche und ging eilig in mein Zimmer.

Diese Tage machen mich wahnsinnig. Entweder ich bilde mir alles nur ein oder irgendwas geistert hier ernsthaft herum. Ich weiß echt nicht was das soll, sowas hatte ich noch nie. Und jetzt bin ich auch total müde, weil ich in der Nacht wieder einen Albtraum hatte. In den Wolken stand: Some day it stops beating. Terrified. Was hat das zu bedeuten? Was wird aufhören zu schlagen?
Cu.

Ich las nochmal genau durch, was ich in mein Tagebuch geschrieben hatte. Plötzlich rauchte es. Ein großer Fleck brannte nach und nach die Wörter Some day it stops beating. Terrified. weg. Den Rest konnte man nur noch mühsam entziffern. Erschrocken schlug ich das Buch zusammen und warf es weg. Meine Hand zitterte. Das war nicht mehr normal. Gar nicht mehr.

2. Kapitel
In der Schule empfing mich Caitlin mit bleichem Gesicht. „Was ist los?“, fragte ich sie und bewegte mich Richtung Eingang. „Ich… Ich weiß nicht ob…“ Fragend blieb ich stehen. Es musste doch was Schlimmes passiert sein. „Ob es stimmt.“, fuhr sie fort. „Es geht das Gerücht rum, dass…“ „Nun sag schon!“, forderte ich sie neugierig auf. „Er hat sich umgebracht und hat einen Brief hinterlassen.“ „Wer?!“, rief ich. „Rate mal…“ „Nein…Das ist nicht wahr, oder?“ „Ich weiß es nicht“, meinte sie kurz und ging zur Klasse. Auch die Anderen diskutierten heftig. Ich weiß nicht wieso, aber ich bekam nicht viel mit. Auf einmal hatte ich unglaubliche Kopfschmerzen und mir war schwindelig. Die Klasse drehte sich. Alles war mit einem Mal verschwommen. Leise hörte ich gedämpft Caitlins Stimme. „Alles okay?“ Ich versuchte mich zusammen zu reißen und stolzierte zu meinem Platz. Stops beating hallte es in meinem Kopf. Ich schüttelte ihn. Der Lehrer kam rein und alle eilten zum Platz. „Wie ihr sicherlich gehört habt, ist etwas Schreckliches vorgefallen…“ „Schrecklich? Pah.“ Ich war wieder ganz die Alte. Einige sahen mich erschrocken an, aber niemand widersprach mir. „Ruhe, Madison“, befahl der Lehrer. Ich verdrehte desinteressiert die Augen und betrachtete meine Nägel, während er fortfuhr. Er faselte etwas von Selbstmord und Abschiedsbrief, dass er keine Lust mehr zu leben hatte, auch wenn er nicht unbeliebt war. Aber er würde sich rächen. Ist klar. Doch an dem Tag war ich noch naiv, ich selbst und eingebildet.

Wir bekamen früher Schluss, weil nicht alle mit dem Vorfall klar kamen. „Wie geil, früher Schluss!“, jubelte ich. Caitlin nickte nur und Zoe ging weiter. „Oh, wartet, eine SMS.“ Zügig kramte ich mein Handy aus der Tasche und las die Nachricht. „Was gibt’s?“, wollte Zoe wissen. „Mein Fahrer kommt nicht.“ Wütend bugsierte ich mein Handy in die Tasche und eilte schleunigst nach draußen. „Das kann doch wohl nicht wahr sein“, stöhnte ich. „So weit hast du es ja auch nicht“, warf Caitlin ein. Haben die denn gar kein Mitleid mit mir? „Doch, weit genug!“, pampte ich sie an. „Ich geh dann auch mal los.“ „Tschüßii“, rief Zoe mir nach.
Schon nach kurzer Zeit taten mir die Beine weh. Der Wald sah nicht einladend aus und am liebsten wäre ich sofort umgedreht, aber da musste ich durch. Ich versuchte auf dem Weg zu bleiben, allerdings lagen unglaublich viele, orangefarbene Blätter auf dem Boden. Eigentlich sah es ganz nett aus, aber darunter war es matschig und die neuen Schuhe waren auch für die Tonne. Der Weg streckte sich ziemlich lang hin. Plötzlich zogen Wolken auf und der eben noch so schöne, herbstliche Wald sah nicht mehr ganz so schön aus. Er kam angsteinflößend rüber. Eine Windböe verwuschelte meine Haare und ich fing an, trotz des Mantels, zu frieren. Eine Gestalt näherte sich. Bis ich diese Person wahrnahm, war es schon zu spät zu flüchten. „Rhys?“, brachte ich atemlos hervor. „Du lebst?“ Er verzog keine Miene. Sein bitterer Gesichtsausdruck machte mir Angst. „War es das was du wolltest?“, fragte er mit bebender Stimme. „Was wollte ich denn?“, flüsterte ich mit erstickter Stimme. Er trat näher. „Tust du so blöd?“ Ich schüttelte heftig den Kopf und wich zurück. Dabei stolperte ich über einen Ast und landete auf dem Boden. „Da gehörst du hin und dahin werde ich dich auch bringen“, meinte er verächtlich. „Was ist denn los?“, wollte ich verzweifelt wissen, doch diese Person war weg. Einfach so. Und schon wieder dachte ich, dass dies alles eingebildet war…Wo würde es sowas sonst geben?


Verstört, wie in Trance, lief ich die Treppen hoch, riss die Tür auf und plumpste erschöpft auf den Boden. Mein Kopf sank auf die Knie. Langsam ist das nicht mehr lustig. Nach langer Zeit stand ich auf um mich irgendwie abzulenken. Dann erlebte ich etwas, was man wirklich niemanden wünschen könnte. Als ich meinen Kopf nach rechts drehte und mein Blick im Spiegel hängen blieb, stockte mir der Atem. Mit meinem roten Lippenstift wurde etwas ran geschrieben.
„Irgendwann passiert dir auch sowas. Pass auf.“
Was soll ich denn tun? Ich kann doch nichts dafür, dass er sich umgebracht hat! War er es überhaupt? Mit einem kleinen, gelben Schwamm versuchte ich die Wörter abzuschrubben. Am Ende war alles verwischt, aber nicht weg. Ich hatte Angst, doch niemandem mit dem ich reden könnte. Ich will hier nicht länger bleiben, ich kann nicht mehr. Niemals hätte ich gedacht, dass aus einem Traum jemals die Realität werden könnte, nicht bei so einem schlechten Traum. Ich wusste, dass ich nicht einfach zu meinen Eltern gehen könnte und ihnen erzählen, was vorgefallen war. Sie würden lachen und Witze machen. Erst jetzt fiel mir auf, wie oberflächlich meine Eltern waren. Wie gut, dass ich nicht so bin. Plötzlich durchzuckte mich ein Schmerz. Stöhnend sackte ich zu Boden.
„Du bist genauso.“, wisperte eine Stimme dicht an meinem Ohr. Ich sah keinen, aber die Stimme war so dicht und ich spürte den Atem. Ich bekam Gänsehaut. „Ich mache doch nichts, ich will nur in Ruhe gelassen werden!“, protestierte ich mit halblauter Stimme. „Du lässt andere auch nicht in Ruhe“, widersprach die Stimme. „Rhys…?“ „Madison, ist alles okay? Mit wem redest du da bitte?“, rief meine Mutter aus dem Nachbarzimmer. Ohne ihr zu antworten stand ich ächzend auf und verließ so schnell es ging mein Zimmer. Damals war dies der Ort, wo ich mich am Wohlsten fühlte und jetzt würde ich ihn am Liebsten nie wieder betreten müssen. Ich konnte es nicht glauben. Wenn es stimmt und meine Vermutungen wahr sind, steckte hinter der ganzen Sache Rhys. Allerdings verstand ich nicht, warum er es auf mich abgesehen hatte. Es waren noch genug andere da. Draußen dämmerte es bereits und mit einer grauen Wolljacke setzte ich mich auf die Bank vor der Villa. Freudestrahlend kam meine Nachbarin rüber. Sie ist schon ziemlich alt und wohnt sehr lange nebenan. Ihre grauen Haare waren gepflegt nach hinten gekämmt und ihre Brille saß wie immer leicht schief. „Madison, könntest du mir helfen?“, bat sie. „Wobei denn?“, fragte ich. An ihren Händen klebte schwarze Erde und als sie ihren Wörtern Ausdruck verleihen wollte, flog etwas Erde auf meine Jacke. „Pflanzen umtopfen!“ Angeekelt schüttelte ich den Kopf. „Nein, tut mir leid. Mir geht es nicht so gut und ich spiel‘ auch nicht gerne mit Erde.“ Enttäuscht machte sich die Nachbarin auf den Rückweg. Was bildete sie sich überhaupt ein? Wir hatten einen Gärtner, da musste ich sowas nicht können. Schon wieder durchzuckte mich ein Schmerz. Diesmal an meinem Bein. Was war heute nur los? Humpelnd bewegte ich mich wieder ins Haus, aber in mein Zimmer wollte ich nicht. Und so kam es, dass ich zum ersten Mal auf dem Küchentisch einschlief…

Total müde und überfordert wachte ich um 5 Uhr am Dienstag auf. Mein Kopf brummte. Luisanna war noch nicht da. Immer wenn man sie brauchte! Ich hatte jedenfalls keine Lust mir selber einen Kaffe zu machen. Mühsam stand ich auf und schlurfte in mein Zimmer, aber wie gehabt mit einem unguten Gefühl…

Bereit für die Schule wartete ich in der Küche und las Magazine. Meine Eltern schliefen noch. Das Schloss knackte und ich schrak auf. „Jemand da?“, fragte Luisanna. „Musst du mich so erschrecken?“, pampte ich sie an. „Oh, tut mir leid“ Sie guckte mich entschuldigend an. „Bist du krank?“ „Wieso sollte ich krank sein? Mach mir lieber einen Kaffe!“ „Du bist so blass…“ „Ist wohl so, wenn man keinen Schlaf bekommt.“
Luisanna ließ mich in Ruhe. In der Schule war Caitlin komisch zu mir. Sie reagierte desinteressiert auf meine Neuigkeiten. Dabei sind die ja wohl total spannend?! Die folgenden Tage ging das so weiter. Am Freitag nach der Schule stellte ich sie zur Rede.
„Warum zickst du die ganze Zeit so rum, wenn ich mit dir rede?“ „Mach ich nicht.“, behauptete sie knapp. „Hältst du mich für blöd? Ich merk das doch.“ „Ich finde es eben nicht so toll, wie du mit dem Tod umgehst und wie du noch über ihn herziehst. Hast du vielleicht schon mal daran gedacht, dass er das wegen uns gemacht haben könnte?“ „Wieso sollte ICH damit was zu tun haben? Soviel Einfluss hatte ich auch nicht auf ihn…“ „Nein, gar nicht.“, sagte Caitlin ironisch. „Willst du mir jetzt etwa unterstellen, er hätte sich wegen mir umgebracht?“, fragte ich sie entsetzt. „Kann doch sein.“ Gleichgültig zuckte sie mit den Schultern. „Und sowas nennt sich Freundin?!“, schrie ich sie an. Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging nach Hause.

Vor mir lag ein riesiger Saal. An den Wänden hingen Spiegel. Den Saal kenn ich doch irgendwo her? Vorsichtig betrat ich den Holzboden. Er erschien unheimlich und mir schauerte es. „Du bist gekommen? Was anderes hätte ich auch nicht erwartet.“ Die Stimme lachte laut und es dröhnte in meinen Ohren. Okay, das war wieder nur ein Traum. Plötzlich konnte ich eine dunkle Gestalt erkennen, allerdings war der Körper komplett bedeckt und das Gesicht ebenso. Ich hielt meinen Mund und wartete ab. „Wenn ich nur eine Sekunde länger in dein Gesicht schauen muss“, zischte die Gestalt. „Rhys?“, flüsterte ich. „Genau, erraten.“ „Was suchst du in meinem Traum?“, wollte ich wissen. „Traum?!“ Er lachte höhnisch. Langsam kam es mir komisch vor. „Okay…“ Ich wich ein paar Schritte zurück. Die Tür, durch die ich vorhin gegangen bin, war zu. Der Saal war dunkel und nur das Mondlicht schimmerte leicht durch die großen Fenster, die sich über den Spiegeln befanden. „Du kommst hier nicht mehr weg, vielleicht sehen wir uns schon bald wieder“, meinte er noch und verschwand in der Dunkelheit. Es knackte. Ein Spiegel zerbrach und die Scherben flogen irgendwo weiter entfernt auf den Boden. Es klirrte und das Klirren hallte durch den ganzen Saal. Ich wusste nicht mal wie groß er war. Okay, so langsam ist es Zeit aufzuwachen. Aus Angst duckte ich mich. Mühsam versuchte ich was zu erkennen, aber es war zu dunkel. Wolken bedeckten den Mond und ich schloss die Augen um aufzuwachen und alles zu vergessen, doch dieser Traum war diesmal ziemlich realistisch. Auf einmal schwirrten Fledermäuse um meinen Kopf herum. Tausende. „Ih, haut ab!“, rief ich erschrocken. Langsam löste sich der Fledermausschwarm auf. Es war kühl. Ein Balken brach aus der Decke raus und fiel knapp neben mir runter. „Rhys, mach, dass das aufhört!“, schrie ich panisch und hetzte von dem Balken weg. Jetzt fing es erst richtig an. Der riesige, dunkle Saal fiel langsam in sich zusammen und die Spiegel gingen nach und nach kaputt. Das Glas flog um mich herum und meine Arme fingen heftig an zu bluten, durch die Splitter, die sich rein rammten. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich nicht mehr träumte. Ängstlich schrie ich herum und ich fühlte mich schwächer. Das Blut tropfte und tropfte. Auf meinem Arm stand blutverschmiert: Some day it stops beating. Und mit einem Mal wurde mir klar, was mit it gemeint war. Mein Herz. Ich guckte panisch umher, sah nur noch meine Arme, mein weißes Schlafshirt, das inzwischen auch rot war. Soviel Blut. Mir wurde schwindelig und ich merkte nur noch den Schlag auf meinem Kopf…


Ich öffnete meine Augen und tastete vorsichtig den Boden mit meiner Hand ab. War das ein Traum? Nirgendswo war Blut zu sehen. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Die Sekunden vergingen in Stunden. Jemand setzte sich zu mir und hielt die Hand gegen meine Stirn. „Rhys?“, fragte ich. „Was?“, wollte die Person wissen. Gedämpft hörte ich viele andere Stimmen. Unzählige… Plötzlich fühlte sich mein eben noch so schwerer Kopf total leicht an und auch der dunkle Raum wurde heller. Der Boden wurde neblig und es sah so aus, als ob ich auf Wolken stehen würde. Nicht mehr ganz sicher stand ich wackelnd auf dem Boden, der noch wie zuvor festen Halt bot. „Rhys, ich weiß, dass du hier irgendwo bist!“, rief ich verzweifelt. „Du hast fast dein Ziel erreicht…“, murmelte eine Stimme. „Welches Ziel?“, flüsterte ich ahnungslos. Kein Funken Ahnung von Tod und dem Entkommen…

Blinzelnd sah ich ins grelle Licht. Ich befand mich in einem weißen Raum und konnte mich kaum bewegen. Meine Arme schmerzten. „Sie ist wach“, wisperte meine Mutter. Ich versuchte mich in die Richtung zu drehen, woher die Stimme kam. „Wie geht’s dir?“ Das besorgte Gesicht meiner Mutter tauchte auf. Ermüdet brummte ich ein unverständliches: „Wo bin ich?“. Ich fühlte mich total schlecht und hatte irgendwie Schuldgefühle. Er hat sich wirklich wegen uns umgebracht. Langsam wurde mir klar, was wirklich passiert ist. Die ganze Zeit, seitdem er tot ist, verfolgte er mich, weil ich ihn grundlos beleidigt habe. Er wollte mich umbringen. Ich zitterte leicht, wenn ich nur daran dachte. Die ganzen Träume waren von ihm aus. Die letzte Nacht ist wirklich passiert. Ich schaute meine Arme an. Sie waren eingewickelt in weißen Verband. Er wollte mich in die richtige Richtung bringen, doch ich hab’s nicht verstanden. Die Krankenschwester kam. Nach einiger Zeit meinte sie zu mir und meinen Eltern, ich müsste nicht mehr allzu lange im Krankenhaus bleiben. Und ich war ihr dankbar. Ich war Rhys dankbar und merkte, wie ich mich verändert hatte… Denn jetzt wusste ich auch, wieso Caitlin so sauer auf mich war und ich schämte mich selbst über meine egoistische Art.
Nach einer Woche Krankenhausaufenthalt war das Erste, zum Friedhof gehen. Ja, ich ging. Ich wurde nicht gefahren. Vorm Grab blieb ich stehen und dachte:
I was terrified of him.
Aber jetzt hat er mich gerettet, vor meinem eigenen Untergang…



ENDE !


© by lillian


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Beschreibung des Autors zu "Terrified"

Leider kann man die Träume, Gedanken usw. von ihr nicht unterscheiden (war kursiv) Würde mich trotzdem über eure Meinungen freuen! (:




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