Ein reichlich abstraktes Märlein
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Es war einmal, da lebte der Rabe Rupf in einem irrealen Land, in welchem gerade realer Frühling war, genauer gesagt: es war April und der war zum Scherzen aufgelegt. Kalt war es auch noch. Rupf saß, völlig verrupft und zerfranst von den irreal kalten Winden, auf einer Wiese (ohne Liese) , wo er die nackten, die halbnackten und die bereits bekleideten Bäume betrachtete. Ihn schauderte. Er sehnte sich nach seinem Nest aus geklautem Rupfen, wo er es so warm hatte wie ein Mensch oder Unmensch, in einem geheizten Wohnzimmer. Dann krächzte er protestierend.

„Krah, krah, Ich bin verrupft, ich bin verzupft, niemand außer mir kann auch so sein, sei es denn in einem lieben, lieben Aprilchen“.
„Da lachen ja die Hühner“, antwortete ein schwarzer Gockel aus der lieben Nachbarschaft des Parks in dem die pudelnackten, die halbnackten und die bereits bekleideten Bäume standen und schüttelte sich vor Lachen. Rupf aber rief ihm ruppig (ohne F) zu: „Du bist mindestens genauso verrupft wie ich, denn er wusste, das würde den stolzen Gockel tief in seiner schwarzen Gockelseele treffen, woraufhin er hoffte, der Gockel würde ihn mit den Worten „Niemand ist verrupfter als ich“ trösten.

Aber es kam mal wieder alles ganz anders als man vernünftigerweise zu denken vermag, denn es kam ein pudelnasser Fuchs herbei – oder ist es ein fuchsnasser Pudel gewesen? (Das kam in einem irreal-kalten April keiner so genau sagen, wo alle wirklich ganz abstrakt verrupft aussehen). Der Fuchs oder Pudel jedoch, was auch immer, kam jedenfalls völlig durchnässt vorbei und lud den stolzen Gockel ein ihn in seine Küche zu begleiten, wo er ein Brathähnchen werden sollte.

Da schämten sich die nackten und die halbnackten Bäume für den nassen Pudel-Fuchs (der natürlich kein Vegetarier war) fremd und die bereits bekleideten Bäume schlugen ihre Äste in der Krone zusammen und weinten ritterlich, als der stolze Gockel, wie aus heiterem Himmel 3 x zu lügen begann! „Ich bin schwarz, mein Herz ist rein, möchte aber niemals ein Brathähnchen sein“. Offenbar gefiel ihm die Bezeichnung „Hähnchen“ überhaupt nicht. „Hahn“ hätte es heißen müssen, alles andere wäre eine kulturelle Aneignung gewesen – was immer das in diesem Fall zu bedeuten gehabt hätte).

Rupf fand das so lustig, daß er sich vor lauter Lachen sagenhaft irreal schütteln musste. Dabei verspritzte er mindestens Eintausend reale und einen irrealen Wassertropfen bis hinüber ins Morgenland, aus dem gerade (im kulturellen Austausch sozusagen) Sahara-Sand herübergeweht kam und wo im selben Augenblick Allah-Ding seine völlig verstaubte Wunderlampe putzte und froh über den wunderschönen Guss feinsten Regens war.
Im nunmehr blank geputzten Gefäß sah er den Raben Rupf, wie in der lieben Nachbarschaft, sitzen und er winkte ihm listig ab, aber auch grinsend zu. Da jubelten sofort alle in dem Land wo es soeben irrealer Frühling und dazu noch abstrakter April geworden war, nahmen ihre Feuerzeuge und fuchtelten damit friedenseifrig in der Luft herum.

Dem Raben Rupf verschlug es nicht nur die Sprache, sondern auch die Lust immer nur zu den Verrupften zu gehören. Er schwor sich hoch, noch höher, am höchsten, ja nahezu irreal-heilig – in seiner ureigenen Rabensprache „Krah krah“ – in Zukunft eines von Heidis Topmodels zu werden, also Alm-Öhli, oder dergleichen, damit er in jedem kommenden bzw. ausbleibenden Aprilchen das beste Figürchen (wie ein Ührchen) machen konnte, das Mann oder Frau sich nur vorstellen konnte – und so träumte er sich in den Abend hinein.

Dann wurde es Nacht und die irrealen Preußen kamen! Zum Glück konnte man ihn – verrupft oder nicht – dann gar nicht mehr sehen. Nur noch sein monotones „Krah, Krah und Krah“ war noch hörbar, als sich in der stock- und steinfinsteren Dunkelheit alles radikal abstrakt veränderte.
Ohne, daß es von auch nur irgendwem gesehen oder gespürt werden konnte war es vielleicht Mai geworden und die Temperaturen stiegen dem Raben bis über die Hutschnur.

Er legte seine besten Kleider an um sie zu begrüßen, die wunderschönen neuen Temperaturen, band sich eine Krah-Watte um den Hals und stolzierte mit dem Gockel in die weite Welt hinaus, da dieser, wie man sich denken kann, nicht mit dem pudelnassen Fuchs oder dem fuchsnassen Pudel gegangen war, um ein Brathähnchen zu werden…
An dieser Stelle des reichlich abstrakten Märleins sei es jedem obertänigst erlaubt, es stünde also jedermann und jeder Frau frei, auch einer Freifrau etwa, sich über die Klugheit der Tiere zu wundern – wären sie auch noch so verrupft.

Der Rabe Rupf

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der Rabe Rupf"

Re: Der Rabe Rupf

Autor: Karwatzki,Wolfgang   Datum: 23.04.2024 10:20 Uhr

Kommentar: Hallo Alf,
da sprudelt Deine Fantasie ja bis über den Sidepunkt hinaus. Herrlich,
LG
Wolfgang

Re: Der Rabe Rupf

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 23.04.2024 11:09 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
schöne Idee, gern gelesen, mit passendem Foto.
Liebe Grüße Wolfgang (S.)

Re: Der Rabe Rupf

Autor: Alf Glocker   Datum: 23.04.2024 15:16 Uhr

Kommentar: Danke dir lieber Wolfgang

Liebe Grüße
Alf

Re: Der Rabe Rupf

Autor: Alf Glocker   Datum: 23.04.2024 15:17 Uhr

Kommentar: Danke auch dir, lieber Wolfgang K
LG Alf

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