Liebe Studierende und Freunde abstruser aber zuweilen auch durchaus erhellender Gedankengänge,

über die Zustände im Paradies habe ich oft nachgedacht, vor allem darüber, wie Moralregeln am Anfang von Adam und Eva weitergegeben werden konnten, wenn sie diesen beiden von niemandem beigebracht worden waren. Schließlich waren sie ja – wie es uns allen vermittelt worden ist – elternlos.

Im heutigen Vortrag geht es jedoch um etwas anderes, nichts geringeres nämlich als die Entstehung der Menschheit und die Frage, ob Adam und Eva wirklich die Vorfahren des heutigen Menschen sind. Also auch die Urururururahnen von uns allen in diesem Hörsaal. Ich habe darüber neue Informationen aus erster Hand, auf meine zuverlässige Quelle komme ich später zu sprechen.
Doch zuerst möchte ich Ihnen wortgetreu berichten, was ich dieser Quelle entnommen habe:

Eva atmete schwer, auch Adam hatte eine Rötung im Brustbereich (für alle medizinisch nicht Vorgebildeten unter Ihnen auch postkoitaler flush genannt) und ließ sich erschöpft auf das gemeinsame Moospolster fallen. Beide sahen sich an, über ihnen spendete der Baum der Erkenntnis etwas Schatten. Was habe wir eigentlich da eben gemacht? Es war ehrlich gesagt voll super“, staunte Adam.
„Du hast irgendwie versucht, in mich reinzukriechen“ warf Eva ein.
„Ich habe es leider nur 10 Zentimeter weit geschafft“ ergänzte Adam mit Stirnrunzeln.
„Was hältst du davon, wir könnten das doch wieder machen“.
Da erscholl eine Stimme aus den Wolken: „Ich aber sage euch, ihr sollt das nie wieder machen!“ „Und warum nicht?“ erwiderten Adam und Eva unisono. „Wir dachten, das ist das Paradies, da soll’s einem doch gut gehen“. Die Stimme aus den Wolken aber rief donnernd: „Es ist Sünde, vor allem in der Öffentlichkeit!“. Jetzt wurde Eva etwas aufsässig: „Wieso Öffentlichkeit? Hier gibt’s doch keinen außer uns!“
„Das denkt ihr vielleicht, aber das stimmt nicht“, begann die Wolkenstimme zu argumentieren. Es gibt hier sehr wohl noch jemanden außer euch beiden“.
„Das würde mich jetzt aber brennend interessieren“, wendete Adam ein, „wen gibt’s denn noch außer uns, erst war ich da, dann hast du diesen Taschenspielertrick mit der Rippe durchgeführt und angeblich aus einer meiner Rippen Eva geschnitzt. Stimmt aber nicht, denn eben beim Reinkriechen in Eva hab ich gespürt, dass sie weich und warm ist, nicht starr und hart wie’n oller Knochen. Außerdem hätte ich ja Schwierigkeiten beim Atmen, wenn plötzlich eine meiner Rippen weg wäre“.
„Doch“, rief die Stimme von oben, „es gibt noch einen außer euch“. „Und wen bitte schön?“, war der etwas zickige Einwand von Eva. Prompt kam die Antwort von oben:„Es handelt sich um Klaus-Dieter! Er wohnt dort hinten allein in dem kleinen Paradieswäldchen, das zu betreten ich euch von Anfang an verboten habe“.

„Klaus? Dieter?“, wand Eva ein, „das wären nach Adam Riese aber zwei“. Antwort der Stimme:„Falsch Eva! Hast du noch nie was von Doppelnamen gehört? Und jetzt hört endlich auf, das nächste In-euch-reinkriechen zu planen! Ich hab mich doch hoffentlich klar ausgedrückt, es ist verboten! Basta!“
„Verboten, verboten“, du hast uns auch verboten, von dem Baum der Erkenntnis Äpfel zu klauen, haben wir aber doch gemacht. Und was ist passiert? Gar nichts! Nicht die Bohne! Nada!“.
„Doch, es ist wohl etwas geschehen“, wendete die Stimme laut ein, „du hast mit dem ersten Bissen Erkenntnis gewonnen“.
„Welche denn, werte Stimme von oben?“ fragte Eva, jetzt noch etwas aufsässiger.
„Zwei Erkenntnisse; erstens, woraus Apfelschorle besteht und zweitens, dass du mit der Stimme von oben diskutieren kannst“.
„Und was nützt mir das? Du willst ja doch immer Recht behalten.“
„Klar, weil ich recht habe“, nörgelte die Stimme von oben.

Jetzt wurde es Adam zu bunt: „Was soll diese dämliche Streiterei? Lass uns lieber in das Paradieswäldchen gehen, Eva, und diesen Klaus-Dieter besuchen“.
„Untersteht euch!“ donnerte die Stimme von oben.
„Und was willst du dagegen machen?“ Eva grinste, als sie das sagte und fügte hinzu: „Du kannst doch gar nichts machen, du bist doch mehr oder weniger noch nicht mal vorhanden“.
„Ich bin die Allmacht“.
„Und?“ kicherte Eva, „hat die Allmacht vielleicht Arme, um uns zurückzuhalten,“
„Mist!“ rief die Stimme, „Arme! Daran hab ich jetzt gar nicht gedacht“.
Doch das hörten Adam und Eva schon nicht mehr, denn sie hatten sich bereits auf den Weg gemacht, um Klaus-Dieter einen Besuch abzustatten. Die beiden brauchten nicht lange zu gehen. Das Paradieswäldchen war höchstens eine halbe Stunde Fußweg entfernt. Sie traten die Dunkelheit des Waldes ein. Steif und steil ragten die Fichten empor. „Wie vorhin bei dir“ kicherte Eva, „wenn wir zurück sind, können wir es ja wieder machen“.
In diesem Moment erblickten sie eine kleine, windschiefe, aus Bruchholz gezimmerte Hütte. Sie klopften an. Heraus trat Klaus-Dieter. Er war groß, blond, schlank aber muskulös, auf seinen Lippen lag ein freundliches Lächeln, als er sagte: „Na, wen haben wir denn da, ich dachte ich wäre alleine im Paradies, aber gleich noch zwei Gefährten, das hätte ich mir nicht träumen lassen! Vor allem keine so verdammt hübsche Frau“. Er schenkte Eva ein vielsagendes Lächeln.
Und so kam es, dass einige Wochen später, als Adam erwachte, das Mooslager neben ihm leer war. Erst dachte er, dass Eva etwas früher aufgestanden war, um Beeren für das morgendliche Müsli zu pflücken. Als sie aber weder am Abend noch am nächsten Tag auftauchte, machte er sich auf, um Klaus-Dieter für eine gemeinsamen Suchaktion zu gewinnen.
Er war wie vom Donner gerührt, als er Eva splitternackt in Klaus-Dieters Hütte auf dem breiten Moospolster vorfand.
Als er schweigend, mit hängenden Armen dastand, hörte er plötzlich ein Kichern aus den Wolken. „Hihi, das haste jetzt davon. Hab ich doch gleich gesagt, dass dieses ineinander Reinkriechen am Ende nichts bringt“.

–––––

Wäre noch hinzuzufügen, dass Eva das ineinander Hineinkriechen mit Klaus-Dieter dem mit Adam vorzog, wodurch die beiden eine nicht geringe Anzahl von Kinder zeugten, die wir – wenn wir die Sache einmal rein wissenschaftlich sehen – als unsere eigentlichen Vorfahren betrachten müssen.
Zwei der Kinder waren anders als der große, blonde Vater; nämlich untersetzt und weit kräftiger als die anderen, sie verabschiedeten sich eines Tages von ihren Eltern, um nach Düsseldorf auszuwandern. „Sorry! Aber hier ist es uns zu langweilig, außerdem finden wir das Kölsch widerlich, das hier aus den Quellen sprudelt“, meinten sie. Diese beiden waren die Ahnen des Neandertalers.
Der Rest der Kinder hielt sich für was besseres und entschloss sich, eine Familygang mit dem Namen „homo sapiens“ zu bilden. Irgend jemand hatte ihnen gesagt, dass „sapiens“ „klug“, villeicht sogar „clever“ heißt. Und als Clevere glaubten sie natürlich, etwas Besonderes zu sein. Das ist ja auch der Grund, warum Sie, liebe Studierende, sich in dieser Lehranstalt möglichst viel Wissen aneignen wollen.

Ein Stein, auf dem diese Geschichte in einer wundersamen schwer zu entziffernden Schrift eingegraben war, wurde vor einiger Zeit in Apolda beim Spargelstechen ausgegraben. Er galt als Sensation, und weltweit hätten die Theologen nun die Geschichte von der Erschaffung der Menschheit umschreiben müssen. Sie zogen es allerdings vor, den Stein in den Archiven der päpstlichen Bibliothek verschwinden zu lassen. Dort fand ihn dann die Putzfrau beim Staubwischen, hielt ihn für ein zufällig herumliegendes Trümmerstück und entsorgte ihn im päptlichen Mülleimer.
Ich habe ihn zum Glück dank meiner scharfen Augen und meiner Aufmerksamkeit bei einem Vatikanbesuch im Restmüll entdeckt und ihn unbemerkt meiner Privatsammlung hinzugefügt. Soviel zu meiner Quelle.

Sie wissen, dass ich nicht gläubig bin. Diese Geschichte enthält aber so viele glaubwürdige Details, dass sie gar nicht ausgedacht sein kann. Mittlerweile neige ich deshalb dazu, ihr Glauben zu schenken.
Ich hoffe sie ist auch auf Ihr Interesse gestoßen. Danke bis zum nächsten Mal!


© Peter Heinrichs


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