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Die Hochzeit sollte in einem Schloss stattfinden – natürlich, wo sonst?! Mots Eltern hatten es zu etwas gebracht! Sein Vater stammte aus Kanada, wo er als Professor für Germanistik unterrichtet hatte. Auch in Deutschland tat er das Gleiche – und so konnte er es sich leisten ein ganzes Schloss für seinen Sohn und die neue Schwiegertochter zu mieten.

Draußen im Hof stand ein respektabler Wagenpark, wo es vom edlen Rolls Royce bis zum schrottreifen Toyota-Kombi (mit dem der Troll gekommen war) alles gab was Rang oder keinen Namen hatte. Aber die meisten Gäste waren durchaus gut betucht.
Im Schloss gab es eine Art kleine Kapelle für Standesamtliche Trauungen, einige große Säle zum Feiern und Tanzen und natürlich eine Bar, an der man sich holen konnte wonach einem der (Un-)Sinn stand.

Verbunden war die ganze Pracht mit langen Gängen voller alter Möbel und Bilder und auch die eine oder andere Rüstung zierte das Gebäude, auf etwas unheimliche Weise.
Als der Troll zusammen mit der Braut diese Gänge durchschritt ahnten sie nicht die Gegenwart eines unseligen Geistes der eine seltsame Aura zu verbreiten schien...

Ein leises Stöhnen zog wie völlig transparenter Rauch durch Zimmer und Gewölbe: dicke Luft machte sich breit! Nimmich trieb hier ihr Unwesen. Der Troll wusste sofort was da auf ihn zukam: Die Schwiegerhexe arbeitete intensiv daran, daß er sich hier keine Sympathien würde erwerben können. Ekta hatte ihrem geliebten Troll erzählt warum der Professor ihn hochachtete: er hatte seine Gedichte gelesen, denn sie hatte alle, die er ihr schickte an den klugen Mann weitergegeben...und der verbeugte sich bei der Begrüßung sogar vor dem Troll.

Hier musste eingegriffen werden. Womöglich fiel es dem größenwahnsinnigen Olf und seinem mächtigen Troll-Geist noch ein das Tanzbein zu schwingen. Mot hatte eine wunderschöne Schwester, die Olf sofort angenehm aufgefallen war. Sie modelte wahnsinnig gerne. Die beiden durften sich also auf gar keinen Fall näher kommen.

Und so kriselte es bald in des Trolls Nervenkostüm! Er wusste auf einmal nicht mehr was er von diesem Tag und dem gewaltigen, lebensverändernden Anlass für Ekta auf sich hatte. Zudem beeindruckte ihn Mots Vater, der Professor gewaltig. Sein jugendliches Aussehen passte sehr gut zu seinem offenen Blick, seinen großen Augen und seiner immer noch schönen Frau – der Mutter Mots. Der Troll grübelte sehr lange nach wie alt dieser galant wirkende Supertyp wohl sein konnte, kam aber zu keinem befriedigenden Ergebnis. Nebenbei trank er aus kaum nachvollziehbaren Gründen eine Menge Alkohol!
Dann sprach ihn dieser beeindruckende Mensch auch noch direkt an! Leutselig erzählte er eine Anekdote aus seinem Leben und erwähnte nebenbei, daß er demnächst 70 werde.

Hier kam es dann auch schon zum ersten Fauxpas, denn benebelt wie der Troll nun einmal bereits war rief er verdutzt und laut: „Sie sind Siiiebzig? Sie sind Siiiebzig??“ Der Professor wandte sich sofort irritiert ab und ward den ganzen Abend nicht mehr beim Troll gesehen.
Dann überfielen Olf und den Troll Kaskaden von Phantasien, wo er mit Ekta tanzte, wo sie IHM das Jawort gab und er verfluchte seine „Vernunft“, seine „Umsicht“, wie auch die reinen Freundschaftsgefühle dem schönen Model gegenüber. Immerhin war sie die Beste gewesen, die er je gehabt hatte...
Dann bemächtigte sich seiner wieder die pure Angst! Niemals hätte er ihr gerecht werden können, dieser schlauen Frau mit ernsten Lebensabsichten, die weit über alles hinausgegangen wären was er ihr je hätte bieten können. Und die Gespenster kamen zurück!

Hätte der Troll vermutet daß Nimmich hinter der verfahrenen Situation steckte – er hätte sie geistig gepackt und zerschmettert! So aber sah er sich hilflos den Gezeiten des Schicksals ausgeliefert und im großen Vorraum der säkularen Kapelle sitzen und schwitzen...
„Noch einen Wein!“ riet ihm eine geheimnisvolle Stimme, die Stimmung ausnützend, die den armen Troll zu zerbrechen schien.
Zuhause brütete Nimmich über einem okkultistischen Blatt, auf dem seltsame Zeichen gekritzelt waren, die Hexen in die Lage versetzen können körperlose Reisen an die Orte ihrer Wahl vorzunehmen. Sie stand jetzt direkt hinter dem Troll und lenkte seine Gefühle in ein fatales Bockshorn aus dem es kein Entrinnen mehr gab.

Als plötzlich Mots Schwesterlein, das schönste der anwesenden weiblichen Geschöpfe, auf ihn zustrebte und ihn mit einem verführerischen Augenzwinkern zum Tanz auffordern wollte, lallte er nur noch unverständliches Zeug vor sich hin. Erschrocken ließ sie von ihm ab und wandte sich ihrem dicklichen Freund zu, der zwar weder klug, noch gutaussehend, aber einigermaßen wohlhabend daherkam.
Die beiden tanzten danach so lange, bis es dem Troll schon vom Zusehen schwindlig wurde.

Inzwischen verschwammen bereits die Bilder vor Olfs Augen, so daß auch der Troll die Kontrolle über ihren gemeinsamen Körper verlor. Sie umarmten noch einmal die glückliche Ekta, die, gestärkt durch die Festrede ihres nunmehr regulären Schwiegervaters, den Weg zum Flitterbett antreten konnte, dann war er verschwunden...aber nicht ohne einen katastrophalen Eindruck für die ganze Nacht zu hinterlassen!

Sie kamen noch mit vereinten, teils übersinnlichen Kräften bis zum Nachtlager, dann fingen sie an die nächtlichen Mauern zu beschallen! Er schnarchte!!
Die Gänge und Flure hallten so laut von seinen durchdringenden Tönen wider, daß kein Hochzeitsgast mehr Schlaf finden konnte – und niemand traute sich den mächtigen Troll zu wecken, denn seine Oberarme hatten einen furchteinflößenden Eindruck hinterlassen, und die Tatsache, daß er bei dem, die Feier abschließenden Portraitzeichnen des Brautpaares, trotz klar ersichtlicher Trunkenheit einen sicheren Eindruck gemacht hatte, schreckte die ganze Gesellschaft ab vor sein Bett zu treten um ihn wach zu schütteln, damit er aufhöre wie einst Stentor zu brüllen!

Am nächsten Morgen triumphierte Nimmich innerlich in den höchsten Schwingungen. War es ihr gelungen das Schlimmste abzuwenden? Nichts sprach dagegen...
Der Troll machte sich schleunigst aus dem Staube, nachdem er wenigstens auf seine Untat angesprochen worden war und Ekta schaute ein wenig traurig aus der Wäsche, als er sie in ihrem neuen Leben ohne große Verabschiedung zurückließ.
Erst im Lauf des Tages wurde Olf dann klar was geschehen war. Das war nicht seine Art gewesen! Da musste jemand nachgeholfen haben und wer sonst könnte das wohl gewesen sein als Wunderles übersinnlich veranlagte Mutter?!

Zuhause traf er trotz seiner Niederlage, die ganz sicher bereits die Runde gemacht hatte, auf ein eisiges Klima...denn seine Holde hatte die Zeit nicht ungenützt verstreichen lassen. Sie hatte zwei wundervolle Tage mit ihrem neuen, idealen Liebhaber verbracht, der ihr damit gedient hatte wonach ihr eben grade war.
Und sie hatte sich in ihren Rachegefühlen gesuhlt, die für sie die wohl größte Befriedigung von all dem erlebten Spaß darstellte. Der gute Egrog gab sich jedenfalls die größte Mühe mit dieser nach Dominanz und Kontrolle strebenden Frau.
Als sie wieder zurück zu ihrem geliebhassten Troll ging saß er noch lange auf seinem Sofa, unter der vom Troll gemalten Kopie von Van Goghs „Weizenfeld mit Raben“ und zerbrach sich den Kopf über die Erlebnisse der Nacht.

Wie viele Treffen würden ihm noch zur Verfügung stehen? Was würde noch alles auf ihn zukommen, fragte er sich. Und auch der Troll fragte sich allen Ernstes was er von den Eskapaden seines Weibes halten sollte, nachdem sie ihn zu einer Unterredung in den Wald gebeten hatte.
Was ihr auf dem Herzen lag konnte sie anscheinend nirgendwo anders als bei einem Spaziergang im Grünen ansprechen...

„Du wirst schon gemerkt haben“ fing sie an daß Egrog und ich einen Narren aneinander gefressen haben – aber das ändert nichts daran, daß ich dich ebenfalls mag und deshalb gerne auch wieder mit dir Sex hätte!“
Nun, das mit dem Narren hatte der Troll selbstverständlich kapiert! Dieses Aneinander-Fressen war ihm längst bewusst geworden, obwohl sie ihm immer noch verschwieg wohin genau sie ging wenn sie Egrog traf – im Gegensatz dazu hatte er schließlich immer genau angegeben wo er notfalls zu finden sei. Aber, daß sie nun gerne auch noch mit ihm Sex haben wolle das war ihm neu!
Deshalb konnte er keine geeignete Antwort auf diese Bemerkung formulieren. Dafür war er einfach zu platt! Also begnügte er sich mit einem schlichten Kopfnicken, ohne zu wissen ob ihr dieses kleine Geste nun genügen würde oder nicht.

Ob ihre Handlungsweise an einem Rat von Nimmich ausgerichtet war konnte er ebenfalls nicht einschätzen, er vermutete aber, daß er nunmehr genügend gedemütigt und verzweifelt sei um reumütig bei ihrer Tochter Zuflucht suchen zu wollen.
Die folgenden Abende jedenfalls trank er anstatt 2 Bieren deren vier, damit er sich nicht ruhelos im Bett herum wälzen musste. Mit den Alpträumen die ihn nun wieder verstärkt begleiteten beschäftigte er sich immer noch lieber als mit einigen gänzlich schlaflosen Nächten.


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 56"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 56

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 24.02.2023 10:19 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
bei viel Text verfahre ich oft so: Augen zu und durch. Bei dir ist es umgekehrt: Durch, und dann Augen zu, um sich alles noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen.
Mal wieder interessante Ideen. Vermisse das Bild.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 56

Autor: Alf Glocker   Datum: 24.02.2023 18:08 Uhr

Kommentar: Oha - bei mir gehts mal wieder drunter und drunter, deshalb hab ichs wohl vergessen...

Ich bedanke mich aber trotzdem herzlich

Liebe Grüße
Alf

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