Garry

Garry und ich kannten uns schon sehr lange. Und doch waren wir so verschieden, wie es verschiedener nicht sein kann.
Er entstammte einem gut situierten Elternhaus, in dem es von Geld und guter Erziehung nur so strotzte. Privatunterricht sowie maßgeschneiderte Klamotten waren für ihn die Norm.
Seine Eltern besetzten hohe Posten in einer Bank und es fehlte ihnen wahrlich an nichts. Garry war ein ausgemachter Charmeur, konnte sich sehr gewählt ausdrücken und hatte diese kultivierte Art an sich, die erahnen ließ, dass er im oberen Milieu ansässig war. Dieses lässig elegante, aber keineswegs protzige Benehmen ,ließ ihm die Herzen der schönsten Mädchen zufliegen. Obwohl er sonst so kultiviert war und seine vornehme Herkunft nicht unter den Tisch kehrte, nutzte er seinen Status hier schamlos aus. Reihenweise brach er mit seiner wachsenden Libido die ihm zufliegenden Herzen und sorgte gern für eine abnehmende Anzahl von Jungfrauen in unserer Stadt.
Nach seinem Studium begann auch er als Banker zu arbeiten und hatte dank seiner Eltern bald eine lukrative Position inne. Es schien, als sei seine Lebensbahn mehr als geebnet und für eventuelle Unebenheiten besaß er das Bügeleisen des Mammons.
Im Gegensatz zu Garry wurde ich als Einzelkind in eine ärmliche Familie hineingeboren. Mein Stiefvater war schwer alkoholkrank und meine Mutter ließ sich gehen, da sie keine Perspektive sah. Kettenrauchend und depressiv ,so sehe ich sie vor meinem inneren Auge.
Meinen leiblichen Vater bekam ich nie zu Gesicht, mein Stiefvater starb als ich fünf war und drei Jahre später folgte ihm meine Mutter.
So kam es, dass ich in das Kinder- und Jugendheim der Stadt befördert wurde. Dort bekam ich zum ersten Mal Garry zu Gesicht. Seine Eltern sponserten den dortigen Leichtathletikverein, dem auch ich zugehörte. Ich hatte sehr gute athletische Veranlagungen, stellte viele Rekorde mit links auf. Doch hatte ich nie richtige Lust ,mehr daraus zu machen. Des Öfteren zitierte mich Ron, Garrys Vater, zu sich nach Haus in die Villa, um mir dort mit Zuckerbrot und Peitsche zu erklären, wie überaus wichtig ich für seinen Verein wäre.
Doch meine geistige, genetische Veranlagung, ließen seine Worte nicht eindringen. Ich war schon immer gegen alles und jeden, ein Partisan an allen Fronten. Vermutlich lag es einfach an meiner sozialen Herkunft, die meine ersten Lebensjahre prägten.
In dem Maße, wie ich den ständig steigenden Überfluß in Garrys Leben sah, stieg auch mein Haß gegen ihn. Nie bekam ich das Mädchen, das ich wollte, Garry war schon da und machte sie unglücklich. Danach waren sie geschädigt und mißtrauisch gegen Männer wie mich.
Meine schulischen Leistungen waren auch nicht so berauschend, als dass ich irgend jemanden damit beeindrucken könnte. So blieb mir nach Abschluß der Schule nur eine Maurerlehre. Auch hier war ich nur mittelmäßig. Mein Lebensweg war also nicht geebnet ich wußte, dass ich etwas wollte, aber ich wußte nicht was.
Dann eines Tages, lernte ich Eva kennen. Eva war ein schönes, schlankes ,blondes Mädchen.
Ich glaubte, dass sie mich wirklich mochte . Dieses war eine so schöne Erfahrung in meinem Leben und ich dachte, dass sie meinem Dasein eine entscheidende Wende geben könnte.
Nachdem wir einige Zeit zusammen waren, glaubten wir dass es so weit wäre, für eine gemeinsame Wohnung. Ich arbeitete und arbeitete, doch ich bekam das Geld nicht zusammen um die Kaution für eine angemessene bezahlbare Wohnung zusammen zu bekommen. Da Eva noch studierte , hatte auch sie nicht viel.
Da kam mir die Idee, Garry nach einem Kredit zu fragen. Als ich vor der Tür seines Büros stand, kam ich mir wie eine Laus vor, eine Laus die kurz davor war zerdrückt zu werden. Doch meine aufgewühlten Gedanken glätteten sich als ich an Eva und eine gemeinsame Zukunft dachte.
Garry saß an seinem Mahagonitisch, die Füße auf ihm und musterte mich wölfisch. In meiner Gegenwart und das war schon immer so, vergaß er alle Regeln der Etikette und ließ mich spüren wer er war.
,,Hey Mike“, sprach er ,, Schön dass Du glaubst, dass ich Dir helfen kann. Wo drückt denn der Schuh?“
Ich blickte auf seine Seidenkrawatte und wünschte sie ihm ein wenig enger an den Hals.
Ich erzählte ihm , dass ich Eva an meiner Seite hätte und wir zusammenziehen wollten, ich aber kein Auskommen mit meinem Einkommen hätte.
Meine Papiere und Einkommensnachweise lagen vor ihm und ich wußte, dass mein Monatsverdienst nicht einmal ein Taschengeld für ihn war.
,,Ja Mike, damit kann man wirklich keine großen Sprünge machen, du hast nichts Erspartes und auch keinen Bürgen und ich muss sehr in mich gehen um dir deinen Wunsch zu erfüllen.“ Ich sah den Hohn in seinen Augen, auch wenn er ihn nicht offen rausließ.
,, Weißt du was?“, sprach er, ,, Ich rufe dich an, wenn ich mich entschieden habe, in welche Richtung auch immer.“ Damit zeigte er auf die Tür und ließ mich abtreten.
Nun stand ich draussen und war sauer, dass ich so abhängig war, von jemandem der alles besitzt.
In der darauffolgenden Woche ging ich wieder meiner Arbeit nach und erhielt am Mittwoch den Anruf, dass mein Kredit bewilligt wäre und ich ihn nur noch unterschreiben müsse.
Da ich aber in dieser Woche auf Montage war, konnte ich es leider nicht und rief Eva an, dass sie schon mal ihre Unterschrift in der Bank leisten solle.
Dann endlich war Freitag, ich war kaputt, müde und freute mich auf meine Eva.
Doch sie ging nicht an ihr Telefon, las ihre Nachrichten nicht und war seltsamerweise überhaupt nicht zu erreichen.
Ich wusste damals nicht,dass sie nie wieder zu mir kommen würde.
Ich stieg die alte schmierige Treppe meiner Behausung hoch und fand an der Tür einen Zettel , geschrieben von Eva.
> Mike < stand dort, > Ich war bei der Bank und wollte die Unterschrift leisten und habe dabei den wundervollsten Mann kennengelernt. Ich wusste gar nicht wie mir geschieht, er ist so unglaublich kultiviert , ein Geschäftsmann und er kann mir bieten was ich will. Es ging alles so schnell, ich habe mich Hals über Kopf verliebt in Garry. Bitte ruf mich nicht an, es hat keinen Sinn und nimm es bitte nicht so schwer. Du bist jung und fleißig und wirst bald jemand anderen kennenlernen.<
In mir brach eine Welt zusammen, gleichzeitig flackerte ein Flämmchen in meiner Brust, welches sich rasch von meinen Empfindungen nährte und sich zur lodernden Fackel der Rache entwickelte.
Garry! Ich hatte nur noch eines im Sinn, dieser Mann musste von der Erdoberfläche getilgt werden, damit er mir nie wieder mit irgendetwas in die Quere kommen konnte.
Ich war mir sicher, dass er der Teufel in Menschengestalt war und jede Seele über die er triumphieren konnte war sein… Eva besaß er nun auch und sie war verloren.
Ich konnte nicht mehr richtig schlafen, denn im Traum sah ich ihn mit Eva im Liebesspiel, sie sahen zu mir herüber und lachten mich aus. Garry hatte dabei Bocksbeine und rotglühende Augen, die sich in einem dämonischen Orgasmus verdrehten.
Halbherzig ging ich zur Arbeit und konnte an nichts anderes denken, als es Garry heimzuzahlen.
Eines Abends lauerte ich ihm auf, als er aus der Bank kam.
> Mike <, sagte er und diabolische Häme blitzte aus seinen Augen > Schön dich zu sehen , wie geht’s dir und warum holst du dir deinen Kredit nicht ab? <
> Ach weißt du Garry, ich habe es mir anders überlegt. Ich habe mir überlegt ausser Landes zu gehen, vorher habe ich aber noch etwas zu erledigen.<
Er sah mich abschätzend an und wieder lag ein wölfisches Grinsen in seinen Zügen. > Weißt du, seit Eva bei mir ist, geht es mir richtig gut. Endlich kann ich mein Geld mit einer Frau teilen, die es vorher nur mit Loosern zu tun hatte. Glaube mir, sie weiß es zu schätzen.<
Ich hatte mir ja eigentlich noch nicht überlegt wie ich ihm den Garaus machen wollte, doch es ging jetzt schneller als ich dachte. Ich sah rot, schlug ihm mit der Faust drei, vier mal auf´s Kinn und stieß ihn in mein Auto, welches direkt vor dem Eingang stand. Niemand hatte etwas gesehen. Ich fuhr in eine Nebenstraße und band ihn dort am Autositz fest, nahm sein Handy aus seiner Tasche und schaltete es aus. Das Gleiche machte ich mit meinem.
Dann fuhr ich aus der Stadt, in den Wald.
Das Moor war zur Dämmerstunde so schön friedlich. Der Mond hing schon über den Wipfeln der Tannen, die sich zu einem letzten Gebet zu versammeln schienen. Leichter Dunst stand über dem dunklen ,modrigen Wasser. Es war kein Laut zu hören. Kein Frosch, keine Grille, nicht mal Mücken. Ruhe… wie in einer Andachtshalle.
Ich ließ Garry zu sich kommen. Schließlich sollte er auch etwas von seiner namenlosen Bestattung haben.
Sein Stöhnen tat kund, dass es jetzt soweit war. Ich zerrte ihn aus dem Wagen, zog die Stricke um Arme und Beine etwas fester, während er laut um Hilfe schrie.
Niemand würde ihn hier hören, darum blieb ich ruhig. Garry hatte seine Lage richtig erkannt und seine vor Entsetzen weit geöffneten Augen schienen ihre Höhlen verlassen zu wollen.
> Garry< verkündete ich > Wenn du noch etwas zu sagen hast, dann sag es oder schweig für immer still.<
> Mike, auch wenn du meinem Dasein ein jetziges Ende bereitest, dann bleibe ich doch der, der ich immer war. An der Vergangenheit wird sich nichts ändern. Du aber wirst ein Mörder sein. Du ahnst wer ich bin und du hast Recht. Glaube mir, durch meinen jetzigen Tod wird es für dich nur schlimmer! <
Was faselte er nur immer von seinem JETZIGEN Tod. Irgendwie schien er sich seinem Schicksal ergeben zu haben, denn er hatte alles mit fester Stimme gesprochen.
Ich packte ihn und trug ihn ein Stück in den Sumpf hinein, denn hier kannte ich mich seit meiner Kinderzeit aus.
Dort befand sich ein kreisrundes Loch. Gerade groß genug für einen menschlichen Körper.
Ich warf ihn hinein. Einen Augenblick schien er zu verharren und sah mich mit seinen wölfischen Augen an. > Ich starb schon viele Tode ,Mike.<
Dann ging er unter wie ein Stein. Ein Schauer lief über das Moor. Plötzlich, ich wollte gerade ins Auto steigen, stieg eine gewaltige Blase von der Stelle auf, wo ich ihn versenkte. Als sie zerplatzte schien etwas in den Baumkronen zu verschwinden.

-
Ich habe das Land verlassen, arbeite immer noch auf dem Bau, niemand weiß was ich getan habe.
Dennoch quält er mich, oder ist es mein Gewissen? Schliesse ich Nachts die Augen sieht er mich an und sagt > Mike, nun wirst du den Rest deines Lebens Zinsen zahlen und danach gehörst du mir!<
Er hatte Recht, es war schlimmer geworden.
Denn selbst wenn ich tagsüber mit dem Mischer arbeite, dann hört es sich an als riefen die Zahnräder > Garry, Garry, Garry…..


© Picolo


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