Dafür war es wohl am besten 2 Klappen mit einer Fliege zu schlagen? Eine eklige Schmeißfliege musste her, koste es was es auch wolle...
Wusste sie was sie tat, als sie mit dem Troll einen Foto-Termin vereinbarte, bei dem sie sich so verlockend zeigen wollte wie es nur ging? Jedenfalls wurde ein solcher vereinbart. Olf wusste wozu er gut sein sollte: Sie wollte sich in einem einschlägigen Forum anbieten, wo es keine Tabus und auch keine gehobenen Ansprüche gab.
Dort wollte sie nehmen was kam und sich jedem geben der sie haben wollte. Ganz im Gegensatz zu sonst, wo sie ihren Ehemann zumeist verschmähte, wollte sie anziehend und willig wirken und jeden „Spaß“ mitmachen, den man ihr vorschlug.

Natürlich wusste der Troll was da auf ihn und dem von ihm Besessenen zukommen sollte, machte aber bereitwillig und freundlich mit. Wunderele war weder eine Schönheit, noch hatte sie Humor, noch Phantasie, noch großen Verstand. Das mussten die Männer erst einmal ertragen lernen – aber was ertragen Männer nicht alles für einen Fick?! Eine Gefahr bestand zunächst immerhin vorrangig darin, daß sie ihm niemals sagen würde wo sie sich mit wem zu treffen gedachte. Da konnte schließlich sonst was passieren. Dachte sie auch daran? Vermutlich nicht...aber Olf und sein Troll gaben sich alle erdenkliche Mühe aus der unausstehlichen Vettel ein verträgliches Kätzchen zu machen, das sich irgendwie sehen lassen konnte.

Das gelang selbstverständlich nicht wirklich, aber es kam ein Ergebnis zustande, welches Wunderle zumindest in die Lage versetzen würde ein paar Angebote zu bekommen. Und, oh Wunder, die Männerwelt zeigte sich nicht nur neugierig, sondern richtiggehend risikobereit. Nichtsahnend stürzten sich einige auf das taube Korn, wie auf dem Mist verirrte Hähne, die niemals zufriedenzustellen sind. Andere Frauen, andere Körperformen, andere Geschlechtsteile und andere Vorlieben. Daß Wunderele gar keine besonderen Vorlieben hatte würden sie dann schon merken – und Körper hatte sie ja praktisch auch (fast) keinen. Damit sind „keine Formen“ gemeint, doch offensichtlich gedachte sie diesen Umstand, sowie die Tatsache, daß sie zum Sex nur unter bestimmten Umständen bereit war, irgendwie anders wett machen zu wollen. Aber wie?

Der Troll war schon sehr gespannt. Wusste er doch, daß sich Wunderle die letzten Jahrzehnte praktisch gar keine Mühe mehr im Bett gegeben hatte. Darüber hinaus hatte sie keine Mühen gescheut möglichst unattraktiv auf den Troll zu wirken, damit der sich besinne sie allein wegen ihrer liebevollen Art (die sie zu haben annahm) zu lieben und zu begehren.
Für sie spielte es plötzlich keine Rolle mehr wenigstens auf irgendeine Weise attraktiv zu erscheinen und es spielte für sie auch keine Rolle beim Sex aktiv mitzuwirken.

Was für sie eine Rolle spielte lag für den Troll klar auf der Hand: Der Mann musste sich ihr geistig unterordnen, aber nicht weil sie ursächlich überlegen war, sondern weil sie eben einfach „wusste“ was zwischen Mann und Frau zu geschehen habe...und das durfte eben nichts Besonderes sein. Sonst kam sie in Schwierigkeiten!
Zunächst jedoch wollte sie, schon aus Gründen der Rache, mehr über sich ergehen lassen als sie bisher zu erleben bereit gewesen war.

Gleich die ersten Kandidaten belasteten ihr Toleranzvermögen aufs Äußerste! Der Erste wollte Sex in public! Das überstieg zwar ihr Fassungsvermögen, musste jedoch ertragen werden! Winnie vögelte sie direkt auf dem Bahnhofsklo, in der Frauentoilette, wo sie reichlich still sein musste, damit sie nicht entdeckt würden. Und das kam ihr auf gar keinen Fall entgegen, denn wenn sie schon einmal ihren Hausfrauensex praktizierte, dann wollte sie auch schreien, sich wild bewegen und sich sich energisch dabei winden.
Winnie aber hielt ihr den Mund zu und verbot ihr sich mehr als unbedingt nötig zu bewegen! Das machte sie in ihren Augen zu einem bloßen Objekt, zu einem Werkzeug fremder Lust...ein eigentlich unerträglicher Zustand, doch sie hatte eine Aufgabe und der wollte sie unbedingt gerecht werden.

Der Zweite war mehr auf Telefonsex scharf – das kam ihr ganz besonders entgegen, verhinderte jedoch ihre Einflussnahme auf die andere Person entscheidend und war von daher auf Dauer eher uninteressant.
Nach ein paar weiteren Versuchen tauchte endlich ihr Wunschpartner auf: Ein braver Mann, der zunächst ein Abenteuer suchte, auf lange Sicht aber eher an einer Bindung interessiert zu sein schien. Mit ihm würde sie sich eine ganze Weile lang vergnügen können, soviel war sicher!

Ihr zweites Standbein sollte eine diesmal faire psychiatrische Beratung werden. Es musste ihr doch gelingen eine geeignete Therapeutin zu finden, die ausschließlich IHRE Meinung vertrat. Vielleicht konnte dies dadurch zustande kommen, daß der offensichtlich sehr raffinierte und eloquente Troll nicht mit von der Partie war. Wenn er keinen Einfluss – wie auch immer gestaltet – auf den Gesprächspartner nehmen konnte, dann musste das doch zu verwirklichen sein was IHR vorschwebte.
Sie ging auf die Suche und hatte ausnahmsweise einmal Glück: Direkt an ihrem Wohnort fand sich eine durchaus klug, aber auch originell aussehende Ärztin, die sich einverstanden erklärte sie anzuhören.

Endlich konnte Wunderle einer befugten Fachkraft ihr ganzes Leid schildern und diese Fachkraft war auch noch eine Frau – das musste ja klappen!
Aber nachdem die arme, geplagte Frau eines Trolls ausgiebig aus ihrem Leben erzählt hatte – auch daß er, der Ehemann, sie betrog wo er nur konnte – blickte sie nur in ein amüsiertes, aber verständnisloses Gesicht. Doch die Psychotherapeutin ließ sich nichts anmerken, denn Wunderle war zwar vertrauensvoll, jedoch nicht taktisch versiert auf ihr Gegenüber zu- bzw. losgegangen: Sie hatte geschildert wie sie der Troll mit Zauberkraft 2x in den Selbstmord getrieben habe und wie er sie dazu gebracht hatte sich vielfach selber zu verletzen, als sie es nicht mehr aushielt was dieser Unmensch ihr antat. „Was ich auch unternahm, er reagierte einfach nicht wie ich wollte“, beschwerte sie sich und ihre ausgesuchte Erretterin kam aus dem Staunen nicht mehr heraus...

Als Wundere aber auch noch darüber zu wettern begann, daß sich dieser verkommene Troll, dem sie ihr missglücktes Leben zu verdanken hatte, auch noch für einen großen Künstler hielt, da konnte die für weise gehaltene Therapeutin nicht mehr an sich halten...vorher hatte sie sich aber noch überzeugt, warum sich Olf, der Troll sich für einen Künstler hielt – schließlich hatte sie auf ihrem PC ja auch Internetzugang.
Ihr stockte der Atem als sie sich unvorsichtigerweise mit den Werken des angeblich so sadistischen Trolls konfrontierte.
Sie sah Wunderle verwundert an, lächelte vielsagend und meinte dann trocken: „Könnte es nicht auch sein, daß sie und ihr Eheverhältnis eine Symbiose eingegangen sind?!“

Diese Verhaltensweise schien Wunderle jedoch verantwortungslos und darüber hinaus absolut ungeeignet Trost in der Rache zu finden!
Ihr blieb nichts weiter übrig als sich in eine Zweitbeziehung zu stürzen, in der sie auch, aus strategischen Gründen Pflichten übernehmen wollte. Sie fing an bei dem braven Mann den Haushalt neu zu organisieren: Putzen und kochen standen auf dem Programm! Beides konnte sie gut und was den Sex anging, so würde sie sich auf ihre einfache Art schon eine Grundlage schaffen können, die für beide Teile befriedigend war.
Man beschränkte sich zunächst auf die „Missionarsstellung“, dann auf ihre Lieblingsstellung, den Doggy-Style und als er schließlich anfing so seltsame Wünsche wie „Bondage“ zu äußern, da horchte sie zwar auf, fügte sich aber ins Unvermeidliche und machte treuselig mit.

Das Ganze musste sich allerdings unter völliger Geheimhaltung abspielen! Ehrlich zu verraten wo sie sich mit wem traf, erschien ihr zunächst unvertretbar. Es kam auch nicht in Frage zu sagen ob sie sich nun mit Winnie, dem Perversen traf oder mit ihrem „braven“ Gespielen, der sie jetzt auch noch fesseln wollte. Er hieß „Egrog“ und er avancierte mit der Zeit zu ihrem Favoriten.
Aber Egrog hatte nicht nur seltsame Vorlieben sondern auch außerhalb sexueller Lustbarkeiten komische Interessen, denn er war Kunstliebhaber. Da er zu Van Gogh tendierte, sich aber keinen echten leisten konnte, durchforschte er das Internet nach Malern deren bevorzugtes Metier das Kopieren alter Meister war. Der Troll hatte davon längst erfahren, denn die Eskapaden seiner Ehepartnerin waren ihm schon eine ganze Weile zu unheimlich geworden um einfach wegzusehen.

Er hatte heimlich ein Überwachungsprogramm auf Wunderles PC installiert, damit er wenigstens in Erfahrung bringen konnte wo sie sich ungefähr aufhielt. So konnte er im Extremfall wenigstens herausfinden wo er gegebenenfalls nach der Leiche seiner Frau zu suchen hatte, wenn sie eventuell gar nicht mehr nach Hause kam. Auf diese Weise wurde er aber leider auch Zeuge ihrer bewusst „erwachsen“ gehaltenen Konversation. Da war von „Zeitfernstern“ die Rede, von geschäftlichen Verpflichtungen, von erotischen Treffen und von seltsamen Praktiken die Egrog Wunderle vorschlug, damit ihre Dates sich von Mal zu Mal spannender gestalteten. Einmal erschrak der Troll sogar ein wenig als er Wunderles Kommentar zu Egrogs Vorschlägen las, der da lautete: „Aber richtig wehtun sollte es besser nicht!“.

Eine Ablenkung von seiner stetigen Sorge um die Sorglosigkeit seiner Frau erfuhr der Troll dann dadurch, daß Egrog im Internet nur mangelhafte Kopisten für alte Meister gefunden hatte und er damit nicht zufrieden war. Hier sah sich Wunderle dann veranlasst zu erwähnen, daß ihr verrückter Troll ein guter Maler sei und man es ihn doch einmal versuchen lassen sollte...
Gesagt, getan, der Liebhaber seiner Frau erteilte den Auftrag und der Troll erstellte eine, bis aufs kleinste Detail genaue Kopie von Van Goghs „Weizenfeld mit Raben“, das bei Egrog, der es persönlich abholte, einen Ausruf des Erstaunens hervorrief.
In Zukunft würden sich die beiden also unter einem Ölgemälde des Trolls im Wohnzimmer vergnügen müssen.

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  54

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 54"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 54

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 12.02.2023 9:09 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
deine Lektüre am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen.
Kunstvolles Suchbild.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 54

Autor: Alf Glocker   Datum: 12.02.2023 15:14 Uhr

Kommentar: Man dankt... :-)

Liebe Grüße
Alf

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 54

Autor: Alf Glocker   Datum: 12.02.2023 15:14 Uhr

Kommentar: Man dankt... :-)

Liebe Grüße
Alf

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