Der Anfang eines seltsamen Endes 6


Was gab es denn noch zu lernen auf der Welt? Diese naiver Frage stellte ich mir, wenn auch ganz unnötig, denn wie ich mittlerweile wissen sollte, rutscht man in seine Erlebnisse hinein, ohne sie wirklich herbeizitiert zu haben. Wie Gozilla Gottshäuser darüber „dachte“ erfuhr ich umgehend, denn er machte sich anscheinend „Sorgen“ um mich!
Wieder einmal flimmerte die Luft in meinem Gesichtsfeld und viele schwarze und weiße Kügelchen setzten sich zu der, mir nun schon vertrauten Fata Morgana zusammen...Gozilla erschien! In seinen Händen trug er einen transparenten Zettel auf dem geschrieben stand: „Dummheit setzt sich in ihren wesentlichen Teilen aus dem Vertrauen des Menschen in sich selbst und in seine Zeit zusammen!“.

Ich war jedoch weder gewillt, nachdem sich die Nachricht in Wohlgefallen aufgelöst hatte, diesen scheinbaren Unsinn in mich aufzunehmen, noch ihn überhaupt bewusst wahrzunehmen. Ich war zur Abwechslung mal mit mir und meiner Welt zufrieden und schaute dümmlich nach vorne, wo ein neues Erlebnisglück auf mich zu warten schien.

Als Wunderle nach der Reha zurückkam hatte sie gleich 2 Überraschungen für mich: Einen Sex ohne besondere Bedingungen und die Meldung, daß sie nun einen platonischen Freund habe, den sie auf Reha kennengelernt hatte. Er war behindert und hieß Gigis. Sie hegte sehr viel Sympathien für ihn und offenbarte mir, daß sie ihn nun regelmäßig zu treffen gedenke.
Mir kam das nicht ganz unrecht, denn auch ich hatte ja praktisch ein Date – diesmal ohne jedes weitere Personal, ohne Hilfen und Mitarbeiter, nur Es und ich.

Als Wunderle ihren Gigis traf war ich mit Es verabredet...um einen ganzen Abend lang zu staunen! Worauf es Es wirklich ankam wusste ich noch nicht, ich wusste nur, daß ich mich vom Malunterricht mit Frau Restöv würde gut erholen können. Ausnahmsweise hatte ich sogar recht. Bereits sehr erfreulich war an diesem Tag gewesen, daß der Malunterricht ohne jedes Problem gut verlaufen war und die Restöv nicht einen einzigen Aussetzer gehabt hatte. Ich freute mich!
Ich kam gerade noch dazu das Atelier in ein Fotostudio umzubauen als es auch schon klingelte. Vor der Türe stand ein mich anlächelnder Engel?

Der Engel fackelte nicht lange, sondern zog sich ohne Zögern aus. Da wurde es hell im Raum. Die ganze Welt schien auf einmal so sehr zu strahlen, daß ich mich endlich einmal für ein paar Stunden mit ihr versöhnen konnte. Der Tanz war eröffnet: Die Fotolampen bestrahlten ein ganz besonderes Werk der Natur, welches ich bestaunen und fotografisch festhalten durfte. Ich befand mich im 6. Himmel, fühlte mich beschenkt und ich konnte mich nicht sattsehen!
Es bewegte sich dynamisch und geschmeidig, so als hätte sie in ihrem bisherigen Leben bereits oft als Model geglänzt. Aber sie verstand es mich noch mehr zu beglücken, indem sie jungmädchenhaft, ja beinahe kindlich und vertrauensvoll immer wieder fragte was sie jetzt genau machen solle.

Ein wenig nützte ich die Situation aus, ließ sie erotische, aufreizende Positionen einnehmen und war glücklich darüber wie sehr sie sich mir anvertraute. Sie tanzte bis zur Erschöpfung, ich knipste bis zur Erschöpfung, doch nach ca. 1000 Aufnahmen hatten wir beide genug weil wir einfach nicht mehr konnten. Immerhin hatte ich aus vielen Perspektiven fotografiert, Viele Kniebeugen mit der Kamera gemacht und sogar liegend auf den Auslöser gedrückt...
Doch irgendwann ist auch das schönste Ereignis erlebt!
Es zog sich wieder schüchtern an, dann sah wie mir mit ihren leuchtend blauen Augen tief in meinen, sofort verunsicherten Seelengrund schaute und einfach sagte: „Ich habe Hunger!“

„Wohin sollen wir gehen? Ich lade dich ein!“ entgegnete ich, immer noch von ihrem Äußeren verzaubert, das offensichtlich aus Milch und Honig bestand. Da blickte sie seltsam in sich gekehrt zu Boden und flüsterte „ich kann nicht“.
„Was kannst du nicht?“ wollte ich wissen. „Ich möchte nicht unter Menschen gehen, erklärte sie mir, da ist mir ganz elend zumute!“
Ich merkte daß ich blass wurde – was verbarg sie für ein Geheimnis? „Wir können doch auch was bestellen“, schlug sie vor. Natürlich nahm ich Rücksicht auf ihre Gefühle. Sie rief bei einem Chinesen an und flötete ins Handy: „Hier ist Schnatterata Engelland (ihr bürgerlicher Name), bitte liefern sie uns die Gerichte 25 und 26 an folgende Adresse“. Ich hörte ihr begeistert zu und schaute sie hypnotisiert an...
Geliefert sollte in einer Stunde werden...wir hatten also Zeit.

Wir setzten uns, sie war immer noch nackt. „Kannst du dich bitte neben mich setzen, nicht gegenüber“, fragte Es mit belegter Stimme. Ich rutschte samt Stuhl zu ihr hinüber. Wir sahen uns an! Dann erkundigte sich Es, ob sie nicht ihre Beine auf meinen Schoß legen dürfe. Natürlich gestattete ich das. „Würdest du mir bitte die Füße massieren?“ kam jetzt aus ihrem rosafarbenen Mund. Es schien als würde ihre blendend weiße Haut jetzt ein wenig durchscheinend zu werden... Nach 20 Minuten Fußmassage legte sie eine ihrer Hände in eine von mir.
Ich drückte diese ein wenig. Es seufzte!

Selbstverständlich wusste ich, daß nicht nur die Handinnenflächen des Mannes sehr sensibel sind, sondern auch die der Frau. Also schlug ich ihr vor sie soll die Hand öffnen und ich streichelte sie ganz leicht mit den Fingern. Schnatterta seufzte! Dann bekam sie eine Gänsehaut am ganzen Leib und sie suchte ihre Kleidung zusammen. Im Nur war sie wieder angezogen und sie musterte mich mit scheuen Blicken.
Dann kam auch schon das Essen – endlich...und gerade rechtzeitig.
Es aß ihre Portion rückstandslos auf und von meiner sogar auch noch die Hälfte! Ich staunte nicht schlecht. „Da passt aber ganz schön was rein“, lobte ich sie und berührte sanft ihren Bauch. Sie zuckte zurück.

Aber 10 Minuten nach dem Opulenten Mahl nahmen wir unsere angedeuteten Zärtlichkeiten wieder auf. Zu Beginn drückte ich sie an mich, bemerkte aber, daß sie sich in der Lendengegend nach hinten bog um einen Kontakt dort zu vermeiden.
Erneut setzten wir uns und ich fing wieder an ihre Füße zu massieren. Sie hatte extra dafür Schuhe und Socken ausgezogen.
Nach einiger Zeit entledigte sie sich ihrer Hose erneut und lud mich ein ihre Knie und die Oberschenkel zu massieren. Ich befasste mich nun aber hauptsächlich mit ihren Kniekehlen, was sie ganz besonders zu genießen schien.
Nebenbei erzählte sie mir aus ihrem Leben: „Hättest du gedacht, daß ich früher einmal magersüchtig war? Da hättest du keinen Gefallen an mir gefunden. Wie war ich übrigens??“

„Du warst phänomenal!“ antworte ich wahrheitsgemäß. Nebenei intensivierte ich meine Bemühungen in der Kniekehle. Ich spürte jedoch plötzlich zweierlei: Erstens, daß ihr meine Komplimente höchst angenehm waren und zweitens ein unbestimmtes Gefühl der Angst bei ihr. Inzwischen war sie fast schon astralleibig geworden. Ich zweifelte an meinem Verstand – hatte ich einen geistigen Aussetzer, war ich von einem Glas Wein, das wir zum Essen getrunken hatten, sturzbetrunken, oder blickte ich gerade tief in eine entlegene psychische Schlucht? Mein innerer Troll, meine Intuition riet mir, ab jetzt ganz besonders vorsichtig zu sein, sie keinesfalls irgendwie einzuengen, oder sie auch nur beruhigen zu wollen.

Und damit hatte ich richtig gelegen. Als es ihr ganz besonders zu gefallen anfing was ich tat, sprang sie auf einmal auf, raffte ihre Sachen zusammen und stürmte zur Ateliertüre hinaus. Auf ihrer Flucht hatte sie sogar vergessen das Geld für das schöne Shooting mitzunehmen.
Ich rannte ihr nach! Ich rief ihr zu sie solle doch bitte stehenbleiben. Sie drehte sich um, aber die Furcht in ihrem Blick war nicht zu übersehen...mit ausgestrecktem Arm nahm sie von meinem ausgestreckten Arm ihre Belohnung entgegen, dann stöhnte sie hörbar auf und weg war sie.

Hatte ich halluziniert? War ich alleine im Atelier, auf dem Holodeck gewesen? Gab es einen Grund mir um mich Sorgen zu machen?
Und was hatten Wunderle und Gigis während meines Phantasie-Treffens gemacht? Erst jetzt kam mir wieder ins Bewusstsein, daß mein verrücktes Weib fast einen ganzen Tag mit ihrem neuen Bekannten unterwegs gewesen war!
Sicher, Schlaudia, Nanana und Nimmich würden mich schelten und Wunderle loben. Sie stand fraglos, über alle Zweifel erhaben, auf dem Elfenbeinturm der bürgerlichen Vorzeigemoral und winkte von dort oben dem einfachen Fußvolk in der Ebene der primitiven Triebmenschen, die gewöhnliche Männer und ungewöhnliche Trolle nun mal sind, versöhnlich zu. Dann aber würde sie sie in den Hades stoßen und genießen was ihr ihre geistige Überlegenheit und die Klarheit ihrer Ansprüche beschert hatten: ganz einfach eine kluge Frau zu sein!

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 43

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 43"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 43

Autor: Sonja Soller   Datum: 17.10.2022 12:12 Uhr

Kommentar: Mitreißend geschrieben!!!

Herzliche Grüße aus dem mitgerissenen Norden, Sonja

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 43

Autor: Alf Glocker   Datum: 17.10.2022 16:56 Uhr

Kommentar: Danke dir herzl.
Grüße aus dem zurückgelassenen Süden
Alf

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