Der Wurm der Träume

In einer fernen Zukunft...


Gelangweilt saß Dan an diesem schönen Nachmittag auf einer alten von grünem Moos überwachsenen Holzbank am Rande eines total verwilderten Parks. Er spielte mit dem Gedanken den Rest des Tages ganz ohne Arbeit zu verbringen, weil er einfach seine Ruhe haben wollte - mehr nicht.

Außerdem konnte er wegen seiner momentan schlechten finanziellen Lage sowieso nirgendwo anders hin und musste deshalb zwangsläufig den größten Teil seiner Freizeit hier in einem der langweiligsten und schmutzigsten Wohnbezirke weit draußen am Stadtrand von City One verbringen.

In dieser futuristisch aussehenden Wolkenkratzerstadt, die scheinbar zum Greifen nah direkt vor Dans Füßen lag und mit ihren schier unübersichtlich ineinander verzweigten Verkehrssystemen an eine gigantische Krake erinnerte, war man ohne Schwebegleiter hilflos verloren. Diese technisch hochentwickelten Wunderfahrzeuge stellten eine Mischung aus Auto und Flugzeug dar und wurden hauptsächlich wegen ihrer hohen Geschwindigkeit vollautomatisch gesteuert.

Um sich einen dieser Ein-Mann-Kombinationsgleiter überhaupt leisten zu können, musste man schon ein ziemlich nettes Sümmchen hinblättern. Dan gehörte zur armen Unterschicht von City One, die sich so ein Ding nicht leisten konnten. Sein Leben fristete er in einem der zahlreichen Elendsviertel, die weit weg vom Zentrum lagen und wo der tagtägliche Kampf ums Überleben nicht selten tödlich endete.

Leider hatten die üblichen klassischen Verkehrsmittel nicht die geringste Chance in diesem gewaltigen Labyrinth aus schmalen und breiten Fahrbahnen, das außerdem noch überall mit Zubringern und Abzweigungen aller Art nur so gespickt war. Darüber hinaus wurde der unablässig strömende Verkehr von einem bis in die letzten Stadtwinkel hinein verzweigten Computersystem vollelektronisch überwacht und geregelt. Natürlich waren auch überall großzügig angelegte Park- und Umsteigestationen, so genannte Decks, installiert worden auf denen wegen des hohen Verkehrsaufkommens Tag und Nacht was los war.

Genau genommen gelangte man nämlich nur von hier aus in das Innere der gigantischen Wolkenkratzer, die in ihrer Gesamtheit den atemberaubenden Stadtkern von City One bildeten und alles zu bieten hatten, was man zu einem angenehmen Leben in einer hochmodernen Stadtzivilisation so benötigte.

Eine Doppelformation von unterirdisch angelegten Kernfusionsreaktoren stillte den nie nachlassenden Energiehunger dieses urbanen Ungeheuers, dessen weithin sichtbares Lichtermeer sogar am Tag aussah wie ein sternenübersäter Kosmos.

Dan betrachte sehnsuchtsvoll und mit einer gewissen Faszination die pulsierende Megastadt aus der Ferne. Er konnte förmlich ihre unermüdlich vibrierende Geschäftigkeit spüren. Zusätzlich wurde das gesamte Panorama von einem gleichmäßig lauten Hintergrundgeräusch untermalt, das man sogar noch in den weit abgelegenen Außenbezirken von City One wahrnehmen konnte.

Doch hier draußen in den verdreckten Randbezirken war man von dem schönen Leben in der Stadt abgeschnitten, einsam und allein sich selbst überlassen. Hier, wo Dan jetzt war, in der öden Weite ineinander verschachtelter seelenloser Betonklötze, kam es ihm so vor, als lebte er in einem Gefängnis.

Müdigkeit kroch langsam in Dans Gehirn. Sein Körper war plötzlich schwer wie ein Sack Blei und es dauerte nicht mehr lange, da übermannte ihn der Schlaf. Es begann dunkel um ihn herum zu werden. Die Zeit schien still zu stehen.

Wie lange?

Dan öffnete schlagartig die Augen. Das helle warme Licht einer unsichtbaren Sonne strömte vom blauen Himmel herunter, einem Himmel, der so blau war, dass man glaubte hineinzufallen wenn man nur lange genug hinaufsah. Nicht eine einzige Wolke war zu sehen. Dan hatte das komische Gefühl, als würde er eine Ewigkeit geschlafen haben. Seine Benommenheit wich nur langsam aus seinem dumpfen Schädel, doch allmählich wurde er die Dinge um sich herum gewahr. Er spürte auf einmal die weichen Kleider auf seiner Haut, er spürte das Heben und Senken seiner leise atmenden Brust, den harten Boden unter seinem kraftlosen Körper.

Dan riss sich zusammen und mit einem Mal war er wieder hellwach. Tausend Dinge gingen ihm gleichzeitig durch den Kopf, Sinneseindrücke flossen zusammen und wurden zu einem vollständigen Bild zusammengesetzt, das aber nicht lange hielt und gleich wieder auseinander fiel. Dann sah er sich mit breit ausgestreckten Beinen im Gras liegen, den möglichen Gefahren eines seltsam stillen Ortes ausgeliefert, der ihm völlig unbekannt war. Sein Gehirn pochte, seine Nerven vibrierten und seine Muskeln waren angespannt wie die Sehnen eines Bogens.

Er richtete sich vorsichtig auf und fragte sich:

“Wo bin ich?“


Dan saß auf einem leichten mit spärlichem Rasen überwachsenen Felsvorsprung, der sich beängstigend nahe dem Horizont zuneigte. Er wandte den Kopf nach allen Seiten und schaute schließlich über seine Schulter hinweg. Hinter ihm lag ein schmaler Kiesweg, der zu einem weiter oben liegenden Haus führte. Behutsam stand Dan auf, bewegte sich von dem Felsüberhang weg und marschierte auf das einsam da liegende Gebäude zu. Vor dem Eingang blieb er stehen, der nur durch einen leicht surrenden Energievorhang von der Außenwelt geschützt wurde, wahrscheinlich um Staub und Dreck abzuhalten. Vorsichtig streckte Dan seine Hand aus. Aber er spürte nur ein weiches, elastisches Nachgeben, gerade so, als wenn seine Hand durch eine überdimensionale Seifenblase hindurch gleiten würde. Zum Glück war es auf der anderen Seite angenehm warm. Dan zog deshalb seine Hand erleichtert zurück und betrat – allerdings mit größter Vorsicht – das Innere des Hauses.

Kurz darauf stand er in einem schmalen Gang. Hinter ihm schloss sich der schwach aufleuchtende Energievorhang mit einem blubbernden Geräusch. Dan ging ein paar Schritte weiter, bis er in einem Raum ankam, dessen Deckenlichter wie von Geisterhand eingeschaltet wurden. Er sah sich neugierig um. Ihm gegenüber befand sich eine Sitzgarnitur aus braunem Leder mit einem flachen Rauchtisch davor. Ein breiter Plasmabildschirm hing an der hellen Wand auf der anderen Seite.

Dan betrachtete seine Umgebung etwas näher. Das TV-Gerät war eines dieser supermodernen Modelle, die zusätzlich mit einem Filmrecorder und eingebauter Phonothek ausgestattet waren. Dann durchquerte er das geräumige Zimmer und betrat durch einen weiteren Durchgang den hinteren Teil des Hauses.

Hier fand er noch zwei weitere Räume – ein Schlafzimmer und eine gut eingerichtete Küche. Das Bett war ebenfalls durch ein Kraftfeld geschützt, ziemlich kostspielig und luxuriös ausgestattet. In der Küchenmitte gab es einen Tisch und zwei Stühle, im hinteren Bereich befanden sich eine Anzahl breiter Vorratsschränke durch deren blanke Scheiben man eine große Menge Lebensmittel liegen sah.

Erst jetzt kam Dan auf den Gedanken, dass das Haus bewohnt sein könnte.

Mit hastigen Schritten ging er wieder zurück und trat hinaus ins Freie, wo er von dem hellen Sonnenlicht geblendet wurde. Wieder blickte Dan um sich. Durch seine zusammengekniffen Augen erblickte er einen gepflegten Rasen, der sich nach allen Seiten hin von ihm weg erstreckte. Hier und da ragten große Bäume aus dem üppig wuchernden Rasenmeer. Trotz der Schönheit der Landschaft erschien Dan alles irgendwie unberührt und künstlich. War er vielleicht ganz allein hier?

„Hallo!“ rief Dan.

Sein Rufen brachte nichts. Es verhallte ohne Echo. Keine Antwort.

Er versuchte es noch einmal. Jetzt klang seine Stimme etwas lauter.

„Hallo! Jemand da? Hallo! Ist hier jemand?“

Alles blieb unheimlich still. Nur ein leichter Wind säuselte durch die Blätter der vereinzelt am Rande des Kiesweges stehenden Büsche und Bäume, der auf der anderen Seite vom Haus weg führte und irgendwo im nahen Horizont verschwand.

Dan begann zu laufen. Eine unterschwellige Angst hatte von ihm Besitz ergriffen, eine Angst, die immer mehr zur abgrundtiefen Furcht wurde und die sein heftig pochendes Herz schmerzen ließ.

Das Gras wurde höher zu beiden Seiten des steinernen Weges. Dans Füße schlugen hämmernd und knirschend im gleichen Takt auf den harten Rollkies. Er rannte, bis seine Lungen keuchten und er fasst keine Luft mehr bekam. Sein Herz schien die Brust sprengen zu wollen. Als er nicht mehr konnte, blieb er erschöpft stehen und blickte um sich.

Das Haus war nicht mehr zu sehen. Dan stand plötzlich am Rand eines dichten Waldes von riesenhaften Bäumen. Dreißig Meter schätzte er sie hoch oder sogar noch mehr. Wie eine gewaltige Barrikade versperrten sie ihm den weiteren Weg, der allerdings jetzt immer mehr zu einem schmalen Pfad wurde und mitten ins Unterholz führte. Er fürchtete sich davor, den Pfad zu betreten, der sich irgendwo in der bedrohlich wirkenden Finsternis des Waldes verlor. Trotzdem ging er mutig weiter, denn zurückkehren wollte er auch nicht.

Inmitten der Bäume verlor Dan plötzlich jegliches Gefühl für Raum und Zeit. Der Wurzelboden ließ ihn ein paar Mal stolpern. Als ihn die Furcht erneut einholte, lief er schneller und schneller, doch der Weg durch das dunkle Unterholz nahm einfach kein Ende. Sein Atem ging pfeifend, seine Lungen schmerzten. Dan gab aber dennoch nicht auf. Er rannte einfach solange weiter, bis er fast zusammengebrochen wäre.

Mit einem Schlag endete der Wald wieder. Eben noch hatten sich die Bäume dicht um ihn gedrängt, und im nächsten Augenblick stand er am Rand des Waldes vor einem weitläufig angelegten grünen Rasen, durch den abermals ein Kiesweg führte, von dem er meinte, den gleichen schon mal gesehen zu haben. Dan blieb stehen und blinzelte. Mit einem erleichterten Seufzer trat er aus dem Schatten der Bäume hervor und setzte seinen Weg mit knirschenden Schritten fort.

Er brauchte nicht weit zu gehen. In wenigen Augenblicken war er auf dem Kamm eines kleinen Hügels angelangt. Als er leicht nach vorne gebeugt vorsichtig von der Anhöhe hinunter schaute, lag das gleiche Haus unmittelbar direkt unter ihm, jenes also, das er zuvor hastig verlassen hatte.

Mit schleppenden Schritten ging er darauf zu. Er klammerte sich insgeheim an die Hoffnung einer Selbsttäuschung zu unterliegen.

Doch je näher er kam, desto mehr wurde er von der Wahrheit eingeholt. Erst sah er den Eingang mit dem durchsichtigen Energievorhang, dann dahinter die Tür zum Schlafzimmer und die andere, die in die Küche führte.

Wie ein Traumwandler bewegte sich Dan auf das verlassene Gebäude zu, trat ohne Halt in das Innere ein und ließ sich schließlich erschöpft in einem der braunen Ledersessel fallen, die im Wohnzimmer standen.

Nach einer Weile hatte Dan sich soweit erholt, dass er endlich über seine absurde Situation in Ruhe nachdenken konnte. Plötzlich fiel ihm das Vorratslager wieder ein, das ihm anfangs wegen seiner überreichen Fülle an Lebensmittel aufgefallen war. Mit einem Ruck erhob er sich aus dem gemütlichen Sessel, ging hinüber zu den Schränken des Lebensmittellagers, schnappte sich dort eine Flasche mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit, öffnete sie und setzte die Öffnung anschließend behutsam an seine trockenen Lippen.

Der erste Schluck brannte fürchterlich in seiner Kehle. 40 Prozent Alkohol stand auf dem Etikett der bauchigen Flasche. Tränen quollen aus Dans Augen und fast wäre ihm die Luft weggeblieben. Der zweite und dritte Schluck dagegen waren schon viel angenehmer und wesentlich wohltuender. Dann verließ er das Haus wieder.

Draußen nahm er nochmals einen kräftigen Schluck, hockte sich auf den weichen Rasen und murmelt vor sich hin: „Ich kann trinken, also bin ich! - Aber was mache ich jetzt? Wie bin ich hier eigentlich hingekommen?“ Die Fragen hingen vor ihm wie die reifen Früchte eines Obstbaumes. Dan versuchte sich zu erinnern, aber seine Erinnerungen verloren sich jedes Mal in einem Irrgarten schattenhafter Bilder. Fast hätte er manchmal die Antworten gewusst, aber dann waren sie ihm doch wieder entflohen. Dan schüttelte verzweifelt den Kopf.

Er trank von neuem einen kräftigen Schluck aus der bauchigen Flasche.

Etwas an diesem Ort, an dem er sich jetzt befand, dachte er so für sich, war nicht ganz geheuer. Irgendwie kam ihm alles unnatürlich vor. Aber dieses unbestimmte Etwas ließ sich nicht in Worte fassen, was Dan ziemlich beunruhigte.

Vielleicht lag der Grund dafür aber auch einfach nur ganz woanders.

Er sah ein, dass er nur abwarten konnte. Sonst nichts.

Dan runzelte die Stirn. Je länger er nämlich darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass er sich in einer verzwickten Situation befand. War er überhaupt auf der Erde? Ganz sicher war er sich da auf einmal nicht mehr.

Er schaute sich suchend um. Er betrachtete jetzt seine unmittelbare Umgebung etwas genauer. Und wie ein Donnerschlag traf ihn plötzlich die Erkenntnis, dass es zwar überall hell und warm war aber dennoch keine Sonne gab. Sie war einfach weg! Doch der Himmel strahlte so blau wie eh und es gab auch keine Wolken, die man vorbeiziehen sah. Nirgends hörte man einen Vogel zwitschern oder konnte man irgendeine andere Tierstimme vernehmen, wo doch der Wald ganz in seiner Nähe lag. Und der Wind? Wo war der Wind geblieben? Gab es ihn überhaupt? Bewegten sich vielleicht nur die Blätter, um das Vorhandensein eines lauen Lüftchens vorzutäuschen?

Dan sprang auf. Seine Hand umklammerte krampfhaft den schlanken Flaschenhals, gerade so, als könne er sich in seiner Verzweiflung daran fest halten. Ein überaus schlimmer Verdacht stieg langsam in ihm auf.

Dann griff er instinktiv nach seiner Armbanduhr. Tatsächlich, sie war da. Er schaute auf das Ziffernblatt und bemerkte voller Schrecken, dass sich die Zeiger der Uhr nicht bewegten. Es gab keine Zeit.

Dan dachte nach. War er möglicherweise allein in dieser Welt, von der er nicht wusste, wo sie sich befand? Ihre Schönheit beeindruckte ihn, aber sie war auch eine seltsam stille Welt, die unter einem strahlend blauen Kunsthimmel lag, mit einer herrlich weiten Landschaft, die in der Ferne im leuchtend roten Horizont versank, der ebenfalls nur reine Illusion zu sein schien. Dan kam sich vor wie ein Gefangener und er fragte sich, wer oder was ihn hier hingebracht hatte. Er wusste darauf keine schlüssige Antwort und gab es schließlich auf, weiter darüber nachzudenken.

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Neue Szene...

„Hey Mann, wachen sie auf! Wollen sie vielleicht die ganze Nacht hier auf der Bank im Park verbringen?“

Erschreckt und verstört zuckte Dan zusammen. Er wusste überhaupt nicht wie ihm geschah.

Der schwarzgekleidete Streifenpolizist rüttelte jetzt heftig an seinem rechten Arm und sagte mit eindringlicher Stimme: „Sie können hier nicht bleiben! Stehen sie auf! In dieser Gegend treibt sich allerlei Gesindel in der Nacht herum. Es ist besser, sie gehen jetzt gleich nach Hause, mein junger Freund. Befolgen sie meinen Rat! Es ist zu ihrer Sicherheit!“

Dan stand auf, entschuldigte sich vorsichtshalber beim Polizisten, der mit seiner schwarzen Uniform und der schweren Laserpistole in der Hand wie ein drohend aufgerichteter Fels vor ihm stand, argwöhnisch jede seiner fahrigen Handbewegungen beobachtend.

Dan versuchte einen harmlosen Eindruck zu machen und schlug mit wackeligen Beinen schließlich den Weg zu seiner Wohnung ein, die ganz in der Nähe einer tristen Einheitssiedlung hinter einer hohen Mauer lag, irgendwo am Rande dieser gigantischen Mega-Millionenstadt.

Draußen war es mittlerweile schon dunkel geworden, als Dan die schäbig aussehende Haustür seiner kleinen Wohnung erreichte und den elektronischen Türöffner mit einer ganz bestimmen Zahlenkombination surrend in Gang setze. Die Tür glitt geräuschvoll zur Seite. Dan betrat seine Wohnung, die jetzt vollautomatisch mit hellem Licht ausgeleuchtet wurde. Zielstrebig ging er ins Badezimmer, stellte sich vor den breiten Spiegel und entfernte mit dem schmalen Saugschlauch einer Mini-Vakuumpumpe einen etwa ein Zentimeter dicken und etwa fünf Zentimeter langen grauweißen Wurm aus dem rechten Nasenloch, legte ihn vorsichtig in eine wohltemperierte Metallbox mit einer speziellen Nährflüssigkeit darin und stülpte schnell den Deckel darüber. Anschließend wischte er sich mit einem feuchten Lappen das herausquellende Blut von Nase und Lippen und legte sich anschließend schlafen.

Der Wurm, eigentlich ein Parasit, begann sofort damit, begierig die eigens für ihn zubereitete Nährflüssigkeit in sich aufzunehmen, die er aber nur für die ersten Monate seines Wachstums benötigte. Später ernährte er sich ausschließlich vom Blut seines Wirtes. Man hatte diesen Wurm auf einem fremden Planeten entdeckt und einige verblüffende Fähigkeiten an ihm festgestellt.

Er konnte sich irgendwie in das Nervensystem eines Menschen problemlos ein- und wieder ausklinken. Angedockt verursachte er im Gehirn die unglaublichsten Halluzinationen, welche jede Person als so real und plastisch empfand, als wäre es die Wirklichkeit selbst.

Als bester Platz für den Wurm hatten sich dabei die Nasenlöcher des Menschen herausgestellt, weil der Wurm von hier aus ziemlich nah am Gehirn platziert werden konnte. Nach einigen Experimenten hatte man etwas ganz ungewöhnliches herausbekommen. Je länger nämlich jemand seinen Wurm benutzte, desto besser passte er sich seinem Besitzer an und erfüllte ihm seine tiefsten Wünsche, Träume und Begierden, sofern man ihn natürlich gut behandelte und ausreichend mit seiner Lieblingsnahrung versorgte, dem menschlichen Blut.

Dan hatte seinen Wurm erst seit ungefähr drei Wochen und bisher nur ein paar Mal ausprobiert. Seine ganzen Ersparnisse hatte er für dieses noch junge Exemplar auf dem Schwarzmarkt dafür hergeben müssen. Das Ergebnis konnte sich dennoch sehen lassen, wenngleich seine Halluzinationen noch ziemlich unvollkommen waren. Aber das würde sich legen und irgendwann würden sich auch die Angstgefühle unter Kontrolle bringen lassen, die seine immer plastischer werdenden Träume bisher hier und da eingetrübt hatten.

Mit Hilfe des Wurms konnte sich Dan seine eigenen Wünsche und Vorstellungen von einer für ihn besseren Welt erfüllen, die jedes Mal realistischer wurde, je öfters er ihm seinen Körper als Wirt anbot. Noch war diese Welt im Zustand der Unvollkommenheit, aber irgendwann würde der Wurm das ändern, spätestens dann, wenn er Dan ganz in seinen Besitz genommen hat.


ENDE



(c)Heiwahoe


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Beschreibung des Autors zu "Der Wurm der Träume"

Eine Geschichte über einen jungen Mann, der sich mit Hilfe eines außergewöhnlichen Wurmes, der ganz besondere Fähigkeiten besitzt, eine neue Welt schafft, um aus seiner zu fliehen.

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