Der Himmel hat sich zugezogen. Der Sonnenuntergang ist ein gelber Fleck zwischen den dunklen Wolken, durch die sich rote und violette Streifen ziehen. Ich kann die Nuancen nicht zählen, so viele sind es. Auf der anderen Seite ist der Mond aufgegangen am Horizont. Außer dem leisen Rauschen der Wellen ist es ruhig. Auf der Insel sind ein paar kleine Lichter in der Ferne, wie Punkte im Dunkeln. Ich treibe im schwarzen Wasser auf dem Rücken. Bleierne Gedanken im Kopf weiten die Leere aus, wie oft wenn ich etwas kaputt gemacht hab, sie sich abwandte.
„Hallo meine Herrin… “
Sie ist wie aus dem nichts erschienen. So plötzlich, das die Spannung welche sie auslöst, wie ein Schock ist. Wie soll ich mich verhalten, ohne direkt die Stimmung zu zerstören, mit meiner Taktlosigkeit? Ich sollte mich hinknien. Doch so schnell wie sie ist, finde ich keinen Punkt.
„Hallo mein Hund.“
Wie mit schwarzen Schwingen sitzt sie unvermutet auf mir. Ihre weißen Haare reichen offen bis zu den Schultern und ihr Blick richtet sich gnadenlos auf mich herab. Und ich bin hilflos.
Durch ihre eng anliegende Hose spüre ich ihre Schenkel und ihren Hintern.
„Ich bin überrascht das du hier bist.“, meint sie.
Das Schuldbewusstsein steht mir wahrscheinlich ins Gesicht geschrieben. Ebenso die Überraschung. Das sie so nahe ist... womöglich der Moment, wo ich anfange zu träumen. Mit einer Hand hält sie meine Kette auf Spannung. Die andere stützt sich auf mich, die Peitsche zwischen ihren manikürten Fingern.
„Es beruhigt. Diese Atmosphäre, meine Herrin.“
„Empfinde ich auch so. Darum bin ich hergekommen.“
Ich will es ihr recht machen. Nicht länger dieses Schweigen und dieses Unverständnis. Nähe, diesen süßen Schmerz von ihr… ich sehne mich so sehr danach. Eine Erinnerung, an die Konflikte im Frühling. Eine klare Frage, eine klare Antwort. Wenn das der wesentliche Grund für für jede Differenz ist, warum, kann man diese nicht lösen? Es ist sicher das Asp, das in mir spricht. Dennoch denke ich, das es korrekt ist.

Einen Moment rutscht mein Blick in ihren tiefen Ausschnitt.
„Ich vermisse dich zu küssen…“, sage ich geistig etwas verwirrt.
„Du hast bisher keine Anstalten gemacht, mir wieder näher zu kommen.“
Ich bemühe mich die ganze Zeit, meine Herrin, will ich sagen. Ich reiße mir den Arsch auf. Ich verstehe nicht, wie du das nicht siehst. Es zerreißt mich. Das alles würde doch wieder anders wirken, wenn ich es sag.
Wie gebannt sehe ich sie an. Ich habe mich auch in ihren Blick verliebt, der jeden in Frage stellt. Jedem die Hosen runterlassen kann. Etwas zu wissen, das sie spannend findet, kann sich als dezent schwer darstellen. Vor allem, wenn man sich für langweilig hält. Ich will es dennoch schaffen.
Und bei ihr um Entschuldigung zu bitten, ist ebenso herausfordernd. Verzweifelt suche ich Worte, um zu vermitteln was ich meine. Und es sollten besser welche sein, die nur eine klare Bedeutung haben.
„Und?! Hast du mal wieder nichts zu sagen?“, fährt sie mich an.
„Doch ich…“ Ich verstumme wieder. Es sind Dinge, die ich erklären will, gefühlt tausend Worte, die ich ihr sagen möchte. Aber in ein gewöhnliches Satzkonstrukt, passen sie nicht. Ich platze nahezu davon.
Ihre Peitsche mit welcher sie meine Haut streift, ist wie eine Drohung und zugleich Verlockung.
„Das sehe ich.“ Die Ironie färbt ihre Stimme ein, metallisch wie eine neun Millimeter Kugel.
„Bitte meine Herrin…“
Ich ringe um Worte. Vielleicht gefällt es ihr, wie sie mich sprachlos macht, hoffe ich in diesem Moment noch. Aber damit liege ich falsch.
Schwarze gebogene Hörner trägt sie auf ihrem Kopf. Ob sie enttäuscht ist, vermag ich nicht auszumachen. Ihr Tonfall und ihre Mimik zeigen keine Regung. Sie ist erbarmungslos. Eine kühle Schönheit, die nicht jedem das Feuer zeigt, welches in Wahrheit in ihr brennt.
„Es ist meine Schuld, meine Herrin?“, frage ich frustriert.
Wirkt es schwach zuzugeben, wie sehr es schmerzt wenn sie geht? Sie ist dann, wie die Sonne, die hinter dem Horizont verschwindet. Und ich bleibe allein. Wandere ziellos leere Straßen entlang.
Es ist dann grau. Ein Abschiedsgruß kann wehtun. Aber wenn sie grußlos geht… dafür habe ich keine Worte.
„Ja mit einem Hund der keine Worte findet, was soll ich damit?“, erwidert sie mitleidlos.

Dafür kann ich nichts, du löst das manchmal aus, will ich antworten. Aber im selben Gedankengang wird mir klar, was sie darauf antworten wird. Aha. Jetzt ist es also meine Schuld.
Das mein ich doch nicht, meine Herrin, wäre darauf meine Antwort. Und ich bekäme ein Brennen in meiner Kehle. Weil ich so verzweifelt versuche und nicht schaffe es geradezurücken. Weil ich die richtigen Worte nicht finde und jede Erklärung sie nervt.
Mir reicht dieses unnötige Gelaber, meint sie dann hart. Und damit hätte ich versagt. Ich wünschte so, zu wissen wie man dann richtig sagt, denn ich möchte sie berühren. Um alles, möchte ich das es so ankommt, wie ich es mein. Und sie ebenso trifft.

Es ist eigentlich bereits eine Zurückweisung, denke ich bitter. Aber danach will ich sie nicht fragen. Ich habe Angst noch mehr zurückgewiesen zu werden.
„Entschuldige bitte, meine Herrin.“, bitte ich sie nach einigen Sekunden Denkprozess schließlich.
Es tut verdammt weh. Diese Entschuldigung kann das nicht ausdrücken. Sie wirkt wie eine Floskel. Ich hab mich früher kaum entschuldigt, doch wenn ich es tat, kam es umso ernster an.
Generell scheint der Blickwinkel auf Worte bei der Bedeutung derer, einen enormen Unterschied zu machen.
„Das ist alles?! Eine schwache Entschuldigung!“
„Du sagtest gerade, das du das nicht gebrauchen kannst… und mir fällt nichts ein, demnach hast du dich schon entschieden meine Herrin.“, meine ich zögerlich, und merke währenddessen wie blöd das bei ihr ankommt.
„Klar. Na dann.“
Warum reagiert sie so? Warum kommt es negativ an? Ich meine es nur wörtlich. So, wie es da steht. Wörtlich und logisch. Ich beziehe mich auf das, was sie sagte. Was habe ich folglich falsch gemacht? Es macht mich nachdenklich. Dergleichen passiert mir letztlich bei jedem, mit dem ich rede.
Mir ist bewusst, das es anders bzw. unglücklich bei ihr ankommt, aber nicht wieso genau sie sich dann verschließt. Es war doch ehrlich. Und ist die Folge dann ein "Dann ist es halt so" ihrerseits, so will ich das nicht mehr sagen. Nichts davon. Denn ich will nicht, das sie geht.

Bin ich sozial derart unfähig? Ich will es verstehen. Dieser schmerzliche Drang wiegt sehr schwer, und zugleich ist er ein Orkan. Ich spanne eisern den Kiefer an. Was davon jetzt rauskommen würde, wäre ein armseliges Jaulen.
„Das hast du doch gerade selbst gesagt, meine Herrin.“, meine ich verwirrt und verzweifelt.
„Ich habe keine Lust meine Zeit damit zu vergeuden. Da mache ich lieber Sinnvolleres.“, meint sie knapp.
„Warum nicht… wieso…“, schießen mir Tränen in die Augen.
Verzweiflung und hilfloses Gestammel wirken ja sehr selbstbewusst. Nichts kann ausdrücken, was ich meine. Sie hat mich derart an den Eiern, das ich weder vor noch zurück kann.
Da scheint etwas in meinem Gehirn zu sein, das meinen Ausdruck hässlicher macht. So hässlich, das keiner darauf eingehen will.
Ein wenig Hoffnung bliebt, so lange sie noch da ist.

Du kannst dieses warum nicht leiden, sage ich.
Ja genau, mein Hund.
Aber… ich mein, das geht doch nur so. Wie soll man sonst konstruktiv reden?, frage ich matt und resigniert. Bitte erkläre es mir.
Ein schwachen Köter brauche ich nicht, stellt sie vernichtend fest.
Die Szene zu scripten wird nichts bringen.

„Sag einfach was du denkst, mein Hund.“
Ich blinzele. Ihre Hände liegen auf meiner Brust. Langsam zieht sie ihr langen schwarz lackierten Nägel über meine Haut. Der dezente Schmerz bereitet mir eine Gänsehaut.
Was davon ist jetzt passiert? Ich wünschte meine Fehler rückgängig machen zu können. Alle, über die Zeit hinweg. Diese scheint sich ohnehin zu drehen. So schräg wie sie kreiselt, trotzt es der Physik. Ich denke immer, das es diesbezüglich nicht heftiger geht, aber dann passiert es doch.
„Du bist unberechenbar schön, meine Herrin.“
Die Peitsche in ihrer Hand drückt gegen meinen Kehlkopf. Zugleich zieht sie die Kette eng zu.
„Mehr nicht?“, erkundigt sie sich.
„Ein Engel…“
Vielleicht ist es nicht real.
„Nicht der Teufel?“
„Beides, meine Herrin.“
Sie scheuert mir eine.
„Warum hast du das getan?“, frage ich erstaunt.
„Brauch ich ein Grund dafür?! Das ist sehr frech!“
„Nein meine Herrin… “
Die Liste an Bedingungen die ich auf meine Äußerungen anwenden will, fällt wie ein Metallladen vor meinen Mund. Ich sollte es mir gut überlegen. Es sollte interessant sein, höflich und brav, aber nicht langweilig. Nicht zu nahe, nicht oberflächlich, nicht normal, nicht zu ausgefallen, nicht zu viel und nicht zu lang. Es muss Qualität sein. Es sollte zu ihrer Stimmung passen, zur Uhrzeit. Es sollte vorausahnend sein, und gleichzeitig spontan. Es sollte nachgebend sein, aber ideenreich und kreativ. Nicht großmäulig und nicht zu sehr zurückhaltend, angemessen respektvoll, aber dennoch mit anzüglichem Funkenflug.
Ich kann den Funkenflug bildlich sehen in diesem Moment, während ich das schreib und assoziiere die Nacht. Ein meterhohes Feuer auf offenem Feld, welches Funken weit in den schwarzen Himmel speit.
„In der Nacht wirst du noch wacher, meine Herrin.“
„Wenn ich einen Gesprächspartner finde der passt und interessant ist. Bis später dann.“, meint sie jäh und verlässt den Raum.
„Bis später meine Herrin.“, antworte ich leise.


© D.M.


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