Die ewig Gestrigen - aus meiner Märchenkiste

© Alf Glocker

Auf der anderen Seite der alten Erde liegt das Land der Gestrigen. Dort leben Opa Gestrig, Oma Gestrig, Papa Gestrig und Mama Gestrig, oder anders herum Oma Gestrig, Opa Gestrig, Mama Gestrig und Papa Gestrig, zusammen mit den Kindern Alpha Gestrig, Beta Gestrig, Cecilia Gestrig, Dussel Gestrig, usw. Dazu kommen aber auch noch die Enkel Aschmar Gestrig, Bella Gestrig, Creszenia Gestrig, Daniela Gestrig, usw. Alle Gestrigen Kinder aufzuzählen wäre sinnlos, da es einfach zu viele sind, noch schlimmer ist es bei den Enkeln! Denn die Gestrigen sind eine Größtfamilie, die sich nicht scheut sich frank und frei zu den Ansichten der ewig Gestrigen zu bekennen, die da lauten: Ich bin leise, hab `ne Meise, aber das ist wirklich weise!

Soweit so irgendwie auch gut, zumindest nicht ganz schlecht, also direkt ausreichend. Und so waren auch, seit vielen Generationen, die Noten der ewig Gestrigen – unteres Mittelmaß. Was so viel besagt wie: Gut gelernt, ein wenig gewusst, auf alle Fälle jedoch anwendbar, wenn man es einmal nicht so ganz genau nimmt. Es kommt immer auf den Standpunkt an, es kann nicht jeden Tag so oder so sein, oder aber ich fall' um und steh wieder auf wie ein Stehaufmännchen auf und ab, nachdem sich niemand dafür interessiert hat wie ich bin, weil es nicht anders geht. Die ewig Gestrigen lebten auf diese Weise bis in alle Ewigkeit, oder besser gesagt sie hätten auf diese Weise bis in alle Ewigkeit gelebt und wären auch glücklich darüber gewesen, daß sie schließlich den ganzen Erdkreis besiedelt hätten, wenn sie nicht, ja wenn sie nicht...

Eines Tages ganz unvermittelt in ein seltsames Morgen geraten wären. Und das kam so... Eines schicksalhaften Tages wurden sie in Versuchung geführt! Nachdem sie seit ungefähr 6000 Jahren keinen Tropfen Alkohol getrunken und sich nur an sich selbst berauscht hatten, geriet einer von ihnen von der einen geraden auf die andere gerade Bahn und er kam auf die Idee, als ewig Gestriger, sozusagen ein Morgiger zu werden – und das beim Heurigen! Keiner wusste warum es ihn urplötzlich in den Wiener Prater verschlagen hatte, wo es eine Heurigen-Wirtschaft nach der anderen gab. Dort aber waren nicht nur die Vorgestrigen, die Morgensterne, die Abendträumer und sogar die Naschkatzen und Kater beliebt, sondern eben auch die ewig gestrigen. Für jedermann war schlichtweg alles vorhanden und jeder durfte sagen was ihm gerade einfiel.

„Mein Haus ist vorhin eingefallen“ jammerte da ein komischer Rupfbratschenfritzel und ein langjähriger Zellist, der gestern erst, also nicht vor ewig langer Zeit, auf die Menschheit losgelassen worden war, meinte „du mich auch!“ Daraufhin lachten alle herzlich und erzählten sich solange Geschichten, bis der versammelten Gemeinde der Fröhlichen auffiel, daß einer unter ihnen ein ewig Gestriger war. Es war einfach nicht zu überhören gewesen wie er unaufhörlich wiedergab, was er und alle schon einmal irgendwo, oder auch im Nirgendwo gehört hatten. Seine Witze zeichneten sich durch einen Bart aus, der so lang und weise war wie der seines Urgroßvaters. Die durch ihn vom Stapel gelassenen Redensarten hätten also durchaus auch von seiner Urgroßmutter stammen können.

Und nachdem schließlich alle einen der vielen ewig Gestrigen persönlich kannten, konnte Das kein Geheimnis bleiben: Ein ewig Gestriger ist aus voller Überzeugung, bei allem, auch bei der Zeugung, ein ewig Gestriger, keiner von Morgen und auch kein Heuriger! Deshalb baten sie, das begeisterte Publikum, den ewig Gestrigen zuerst auf ein Podest, dann in Hessen, wo die ewig Gestrigen natürlich auch, durch einen großen Zweig der Familie der gestrigen in der Mehrheit sind, in die Bütt, schließlich einen der vielen Gestrigen in eine Schule, als Lehrer, und last not least wurde einer der vielen gestrigen sogar Bürgermeister, Bundespräsident und überhaupt zum Kanzler der Nation(en), wie auch zum Vorsitzenden im Aufsichtsrat und in der UN!

Natürlich wäre das ohne den Heurigen nie passiert, denn beim Heurigen gelingt es nicht einmal Vorgestrigen zurückzubleiben, Morgige werden ausgebremst und inoffiziell verlacht oder verschunkelt, aber die ewig Gestrigen finden sich hochverehrt, in die Gemeinschaft der Unwissenden aufgenommen und dort rückstandslos zu Helden verdaut, die ihresgleichen nicht einmal finden würden wenn sie danach gesucht hätten. Da wurde ganz plötzlich die andere Seite der Erde zur diesseitigen und das ewig gestrige Wissen zum Maßstab aller Dinge, an die man sich halten sollte, wenn man nicht rückstandslos verdaut werden wollte. Doch das verstanden zunächst nur die Märchenerzähler aus Dingsda von Gottes Gnaden.

Wie dem auch gewesen sein mag – die ganze Welt war zu einer Welt der ewig Gestrigen geworden und zwar zu Gestrigen, deren Gedanken schon ewig nicht „in“ waren. Überall bildeten sich Größtfamilien heraus, die aus Opa Gestrig, Oma Gestrig, Papa Gestrig und Mama Gestirg, sowie aus den Kindern Alpha Gestrig, Beta Gestrig, Cecilia Gestrig, Dussel Gestrig, usw. bestanden. Dazu kamen dann natürlich auch noch die Enkel Aschmar Gestrig, Bella Gestrig, Creszenia Gestrig, Daniela Gestrig, usw. Alle Gestrigen Kinder aufzuzählen wäre sinnlos, da es einfach zu viele davon gab, noch schlimmer war jedoch es bei den Enkeln! Denn die Gestrigen sind ein Riesenvolk, das sich nicht scheut sich frank und frei zu den Ansichten der ewig Gestrigen zu bekennen, die da lauten: Ich bin leise, hab `ne Meise, aber das ist wirklich weise!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Die ewig Gestrigen - aus meiner Märchenkiste"

Re: Die ewig Gestrigen - aus meiner Märchenkiste

Autor: ulli nass   Datum: 03.02.2022 15:24 Uhr

Kommentar: Überleg grad,ob ich auch einer bin von denen . . .
Gruß
ulli

Re: Die ewig Gestrigen - aus meiner Märchenkiste

Autor: Alf Glocker   Datum: 03.02.2022 16:41 Uhr

Kommentar: Harharr... ich denke das bist du nicht!

Gruß
Alf

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