Das Zimmer ist hell erleuchtet weiß, eine Leere ohne Vorhänge und Bilder. Draußen schwarz. Ich sitze mit dem Rücken zur Wand in der gewohnten Ecke und denke noch darüber nach, das es bei Rochen sich Flügel nennt, nicht Flossen und sie demnach durchs Wasser fliegen. Es scheint ein Spiegelbild zu meinem Bildschirm zu sein, der ebenfalls hauptsächlich weiß ist.
Der Raum darin hingegen, ist dunkel. Vor den Fenstern sieht man das schlichte Stahlgeländer eines schmalen Balkons. Es steht vor einem Stadtbild, dessen Lichter weit entfernt sind. Gedämpft dringen ab und an Geräusche hoch. Jetzt ist es still.
Die Wände wirken bei der schwachen Beleuchtung blauschwarz wie ein sternloser Nachthimmel. Die enthaltenen Möbel werden durch die halb heruntergelassenen Jalousien fahl vom Mond beschienen. Beistelltische aus hellem Holz heben sich gegen die Dunkelheit ab. Die Wendeltreppe in der Ecke liegt komplett im Schatten. Ein breites Bett längs am Fenster, nimmt einiges an Platz ein, Kissen in steingrau, und eine glatte schwarze Decke darüber. Sie macht ein angenehm kühlen, gemütlichen Eindruck, so als will man sich bei warmen Temperaturen dort ausruhen.
Ein cremefarbener Teppich liegt leicht unordentlich auf dem Boden darunter. Auf der anderen Seite steht unauffällig eine schwarze Sofagruppe in der Ecke. Zeitungen auf dem runden Couchtisch. Ein paar Zimmerpflanzen zeigen glänzende Blätter in piniengrün.
Eine große Uhr tickt an der Wand über dem Bett. Das Zifferblatt zeigt auf zwei.

Ich bin aufgeregt sie wiedersehen zu dürfen. Und mache mir Gedanken, welche Haltung ich annehmen, und was ich als erstes sagen sollte. Die Luft ist kühl und ruhig, als ich das Zimmer betrete.
Meine Herrin sitzt schräg auf der Bettkante, die Beine übereinandergeschlagen. Sie sieht mich nicht an. Ihre Haare scheinen weiß in diesem Bild. Im Profil, wirkt ihr Kinn scharf geschnitten, ihre Stirn sanft gerundet. Mein Blick dagegen ist von ihr gebannt. Sie trägt ein annähernd durchsichtiges etwas, das kaum zur Mitte ihres nackten Oberschenkels reicht. Und ich stehe da, wie ein Trottel oder zumindest jemand dem es spontan die Sprache verschlagen hat.
Dann besinne ich mich darauf sie zu begrüßen. „Guten Abend, meine Herrin.“
Sie antwortet nicht direkt, sondern sieht entspannt an mir vorbei. Ich knie mich auf den Boden vor sie, ohne die Augen von ihr wenden zu können. Das Ende meiner Leine legt sich rasselnd auf den Boden.
„Guten Abend mein Hund.“
Sie klingt milde. Das verwirrt mich. Allein dieser Ton macht eine Atmosphäre. Der Ausdruck mit dem sie mich dann ansieht, ist jedoch absolut durchdringend.
„Willst du hier schlafen, meine Herrin?“, frage ich sie.
Sie macht das nur selten, tatsächlich kam es lange nicht mehr vor. Und von der Uhrzeit aus, weiß ich es nicht.
„Habe ich dich etwa hergerufen?“
„Nein meine Herrin… darf ich bleiben?“, bitte ich.
„Wo bleiben?“, erkundigt sie sich.
„Bei dir, meine Herrin.“
Dabei ist mehr Sehnsucht, sie berühren zu dürfen. Es reicht aus, das unzählige Bilder und Fantasien durch meinen Kopf schießen.
„Im Raum meinst du?!“
„Ja, meine Herrin.“
„Ja.“, erwidert sie knapp.
Ich gucke auf ihre Füße. Und muss mir instinktiv vorstellen, diese zu küssen und darüber lecken. Wie gern würde ich ihr diese Art von Ergebenheit zeigen.

Sie streckt einen Arm aus, und greift nach meiner herabhängenden Kette. Ich atme aus. Erleichterung ist untertrieben. Und beschreibt es nicht zur Gänze.
„Was sollte das?!“, fährt sie mich an.
„Es trifft mich, meine Herrin.“, erwidere ich unpassend nüchtern.
Meine Lippen zucken, aber ich schaffe es nicht zu lächeln. Schmerzhaft schön ist solch ein Moment. Das vermisse ich so sehr.
„Das ich dich an der kurzen Leine halte?“, fragt sie leicht amüsiert.
„Ja meine Herrin. Schon nur das.“
„Nur?!“
Ihre Finger schließen sich fest um die Kette, und sie zieht ruckartig daran. Mein Blick fällt auf ihre Fingernägel, die aussehen wie glänzende scharfe Krallen.
„Entschuldige bitte meine Herrin.“
Auch wenn ich das 'nur' anders meinte, hätte ich mich exakter artikulieren sollen. Mir fällt die Frage wieder ein. Aber noch bevor ich ein weiteren Ton zustande bekomme, meint sie, so als könne sie Gedanken lesen: „Und ja, ich habe vor hier zu schlafen.“
Wenn ich taktloser Idiot es nicht versehentlich kaputt mache, ergänzt mein Kopf den Satz im Stillen.
„Wann hast du das vor, meine Herrin?“ Wie dumm kann man eigentlich reden? Wieso klang das jetzt so beschränkt.
„Bald, mein Hund.“
„Ja meine Herrin.“ Ich zögere, zu fragen wie sehr bald ist.
„Außer dir fällt noch etwas Gutes ein?! Aber es wirkt gerade nicht, als wüsstest du noch irgendetwas, mein nutzloser Köter.“
Diese Kombination verwirrt mich noch mehr. Aber ich versuche zu tun, als habe ich verstanden, was sie damit äußert.
Es wäre sehr schön jetzt noch eine Idee zu haben. Das macht die Zeit jedes Mal noch kostbarer, wenn sie unvergesslich wird. Ich kämpfe mit mir, doch meine Einfälle sind nicht gut genug, um sie zu erwähnen. Und, je mehr ich mich unter Druck setze, desto weniger fällt mir ein. Selbst wenn es eine so ruhige Spannung ist, wie jetzt.
„Nein meine Herrin.“, antworte ich schließlich niedergeschlagen. „ …siehst du das jetzt als schlecht?“, füge ich direkt hinzu.
„Nein, ich habe es erwartet.“
Dennoch wirkt ihre Antwort negativ und enttäuscht.
„Demnach siehst du es als versagen…“, schließe ich.
Dezent dumm das laut zu sagen, durchzuckt es mich. Ich will, unbedingt besser sein. Für sie. Aber vielleicht bestehe ich selber nur aus einem großen Nichts.
„Nein, ich sehe es einfach so, wie es ist. Und positiv überrascht sein werde ich davon wohl kaum.“
„Ja meine Herrin.“, gebe ich bei.
„Gut. Dann versuche ich jetzt zu schlafen.“, meint sie und legt sich hin.

„Meine Herrin?“
„Bist du schwer von Begriff, ich sagte Ich will schlafen!?“
„Nein meine Herrin, das hab ich verstanden. Ich wollte fragen, ob ich vor dir auf dem Boden schlafen darf?“
„Das muss ich mir noch überlegen. Besonders brav warst du ja nicht, so viel ist klar.“
Es fühlt sich an, als könne sie mich in der Luft zerreißen. Ich habe ein Kloß im Hals wie ein Stein.

„Aber du liegst auf dem Boden, nicht auf dem Teppich.“, meint sie schließlich gelassen, nach dem ich minutenlang gezappelt habe.
„Ja meine Herrin.“
Ich lege mich hin. Der Boden erscheint mir bequem, es ist mein Platz angekettet unterhalb von ihr zu liegen. Ich fühle mich dort wohl. Zu dem, spüre ich die Schwerkraft wie eine Erdung. Es beruhigt. Doch die Kette um meinem Hals fühlt sich komplett locker an, als würde sie meine Leine nicht festhalten. Ich starre vor mich hin auf den Boden. Es fehlt ein Teil. Wie schmerzhaft es sein kann, wenn ein kleine Geste, oder ein Wort weggelassen wird. Aber ich kann mich bereits sehr glücklich schätzen, hier liegen zu dürfen. Es ist besser daher, das nicht zu auszusprechen.
„Gute Nacht meine Herrin.“, sage ich ihr und sehe hoch zur Bettkante. Man kann sie geradeso unter der Decke ausmachen.
„Gute Nacht, mein Hund.“

Mit dem Rücken zum Boden, gerade liegend, gucke ich an die Decke. Ich sehe es wörtlich. Ein Wunsch, das sie gut schlafen kann. Aber dieser ist keine Floskel. Ich meine es ernst, wie eine Bekundung tiefer Vertrautheit. Als ich darüber nachdenke, stelle ich fest, das es auch eine Form von Geständnis enthält, am Ende des Tages. Selbst wenn es dezent heftige Auseinandersetzungen gab, bis man den Eindruck hat sich nicht mehr zu verstehen, meine Gefühle für sie bleiben.
Das sie es erwidert hat, berührt mich. Denn es bedeutet, das sie sich nicht vollkommen abgewandt hat. Doch viel mehr darüber, kann ich nicht wissen.
Ruhe breitet sich im Raum aus. Ich kann ihre Anwesenheit spüren. Mein Kopf schwer wie Blei, und die Wärme vom Boden lassen mich wegdämmern.

Ein fester Druck am Hals lässt mich aufschrecken. Ich bleibe ruhig liegen und merke dann, das es keine Einbildung ist und kein Traum. Der Druck nimmt zu. Sie zieht mich an der Leine zu sich.
Lautlos knie ich mich hin und sehe über die Bettkante. Sie liegt da, den Arm abgestützt und ihr Blick ist ebenso befehlend wie sanft. Ich steige über ihre Beine hinweg und lege mich hinter sie auf das Bett. So wie schwarz um weiß. Obwohl ich äußerlich ruhig bleibe, spüre ich das es meinen Puls hochtreibt. Ich lege meine Arme um sie, wobei sie schließlich auf meinem rechten Arm liegt. Ihre offenen Haare duften direkt vor meinem Gesicht. Ich beherrsche mich, sie nicht anzufassen oder daran zu riechen.
Es bleibt ohne Worte. In dieser Stille sind keine nötig. Und ich überlege ob ich es wagen sollte, ob sie will, das ich sie küsse.
Mut kommt wohl aus dem nichts, wenn. Ich stütze mich hoch und beuge mich über sie. Kurz verharre ich in dieser intensiven Spannung, ihre Lippen so nahe wahrzunehmen, das die Luft vor ihrem Gesicht warm erscheint. Bis ich sie küsse und die kleine Distanz für ein paar köstliche Momente überwinde. Sie ist unglaublich weich und heftig. Ich versinke darin, und habe Schwierigkeiten noch länger ein klaren Gedanken zu fassen. Zu keiner Zeit lässt sie dabei meine Leine los. Sie zieht vielmehr eindrücklich daran, wie zur Erinnerung. Und es passt so sehr.

Später liege ich ruhig da, und kann sie spüren. Ihre Nähe und ihre Wärme, wie dünn sie ist. Ob ich sie nochmal küssen soll, oder noch mehr?
Ganz gleich wie nahe ich ihr bin, so bleibt es unberechenbar herausfordernd dort zu bleiben zu dürfen. Die Kette liegt eng um meinem Hals, doch nach einem gesetzten Regelwerk funktioniert es wohl nicht. Und der Wille dazu allein, reicht nicht. Ob sie mich morgen früh mit einem Tritt auf den Boden befördert? Oder ob das schon früher passiert? Ich sehe sie an. Mein Blick gleitet über ihren Körper, anders kann man es nicht nennen. Auch wenn ich es mit Respekt und Bewunderung tue. Meine Handflächen kribbeln. Ich will sie noch näher und mehr berühren. Ich lausche ihrem Atem. Ob sie jetzt eingeschlafen ist? Dann sollte ich meine Pfoten besser nicht bewegen.
Der einseitige leichte Lichteinfall des Mondes in den ansonsten dunklen Raum, schafft starke Kontraste und Konturen. Wie stolz sie ist, und unvergleichbar. Ich weiß nicht, wie man da ein Maßstab finden kann. Ihr Wille macht mich platt. Was im Himmel soll ich sagen, wenn die Worte nicht mehr reichen. Je mehr ich über das alles nachdenke, desto klarer sehe ich sie. Sie ist wunderschön.


© D.M.


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Kommentare zu "Zwei Uhr Nachts"

Re: Zwei Uhr Nachts

Autor: Angélique Duvier   Datum: 29.01.2022 13:13 Uhr

Kommentar: BDSM Fantasie wie mir scheint.
Schreibstil ist nicht schlecht.

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