Der arme Teufel ist los  (Märchen)

© Alf Glocker

Der arme Teufel namens Fell von Bollermann hatte einmal das große Los gezogen, uns, die Menschheit, besuchen zu dürfen. Bevor er jedoch seine lange Reise antrat, holte er sich aus der Kleidersammlung der Hölle verschiedene Gewänder. Da stand beispielsweise der Hosenanzug einer Bundeskanzlerin zur Verfügung, der Ärztekittel eines Gesundheitsministers, in den eine Spritze eingenäht war, die Sutane eines Geistlichen, die Uniform eines Diktators samt Orden sowie das Brautkleid eines Ehemanns. Außerdem waren da noch viele andere Outfits gelagert, die für alle denkbaren Gegebenheiten hätten dienen können.

Bollermann war jedoch leider grundsätzlich talentfrei und so ergab es sich, dass er immer nur dann Talent bewies, wenn er in eine Verkleidung der besonderen Art schlüpfte. Eine Verkleidung als Landstreicher hätte ihm dabei reichlich wenig genutzt.
Sein einziges, angeborenes Talent war – wie es in der Hölle so üblich ist – lediglich größtmöglichen Schaden anzurichten. Kaum hatte er sich jedoch in ein besonderes Kleidungsstück gehüllt, fiel keinem mehr auf, wer er wirklich war.

So gelang es ihm immer wieder aufs Neue, Unheil in die Welt zu tragen. Als Bundeskanzlerin konnte er somit beispielsweise Millionen gedungene Mörder in ein friedliches Boomerland schleusen, ohne das der gravierende Nachteil überhaupt auffiel.
Trotz vieler Erfolge reduzierte sich die angestammte Bevölkerung aber nur sehr langsam. Zu langsam, wie Bollermann feststellen musste. In dieser Phase schlüpfte er in den Arztkittel eines Gesundheitsministers, um der Bevölkerung Angst zu machen.
Zu seinem Vorteil hatte gerade rechtzeitig zum Beginn eines neuen Zeitalters ein teuflischer, aber nicht untalentierter Kollege ein fantastisches Viruslein erfunden, das halbjährlich zu einer ganz neuen von sämtlichen 666 Arten mutieren konnte.

Voller Inbrunst zückte Bollermann seine Spritze und sprach: „Du sollst dich nicht gegen eine Impfung wehren, sondern lieber den Reichtum aller Reichen mehren!“
Mit dieser Äußerung hatte er mehrere Fliegen mit einer großen Klappe geschlagen, denn eine Mehrheit schafsgläubiger Guter stand hinter ihm und rief: „Das schaffen wir auch noch!“ Und siehe da, ein Toter nach dem anderen wurde vom Winde verweht.

Nachdem sein Vernichtungsplan am Aufgehen war, erfüllte sich einer seiner allergrößten Wünsche, in der Robe eines hochwürdigen Geistlichen tätig zu werden. Letzte Ölungen
wurden zu seiner Spezialdisziplin. Er salbte auf Teufel komm raus und erfreute sich gar sehr an den großzügigen Nachlässen der Todgeweihten. Seine Predigten waren bei dem einfachen Volk von großem Erfolg gekrönt. Diese Verkleidung gefiel Bollermann so gut, dass er sie beinahe nicht mehr ablegen wollte. Nie zuvor war das Böse derartig als gut verkannt worden und so nahm es auch nicht weiter wunder, dass der arme Teufel in die göttliche Kunst der Selbsttäuschung eingeweiht wurde. Nur schwer konnte er sich vom heiligen Gewande trennen, denn wer konnte schon einem Pfarrer widersprechen?!

Um sich nicht allzu weit von der Materie zu entfernen, zog er sich schließlich die Uniform eines Generals an und konnte nahezu dort ansetzen, wo er als Geistlicher aufgehört hatte.
Der ultimative Spaß am Menschen besteht schließlich und endlich darin, ihn mit niederträchtigen Erniedrigungen auszubilden, um ihn anschließend gegen andere Ausgebildete fröhlich ins Gefecht zu schicken. Hierbei erwies sich der Wirkungsgrad seiner kreativen Pläne als äußerst anschaulich. Da purzelten Leiber und Köpfe und die Seelen verließen reihenweise ihre Körper.

Die Wohltaten in Gestalt der Kanzlerin, des Gesundheitsministers, des Pfarrers und last not least des Generals ergaben jetzt schon ein erfreuliches Gesamtbild der Vernichtung.
In jedem seiner ausgeübten Ämter erhielt Bollermann für seine klugen und des Menschen durchaus würdigen Amtshandlungen unzählige Orden und Urkunden, die er sich stolz über
sein Himmelsbett hängte. Fast jede Nacht schwelgte er wachend und träumend in dem Genuss, sich außerordentliche Verdienste erworben zu haben.

Dies schlug dem Fass die Krone ins Gesäß und der arme Teufel wurde sich plötzlich einer Sache bewusst: Die Liebe ist universell und kann daher verschieden ausgelegt werden. Somit bleibt ein Brautkleid nicht nur aufs Blaukraut beschränkt, sondern kann getrost von „Jedermann“ getragen werden. Nicht nur Fischers Fritze, Lieschen Müller, und Onkel Heidi, sondern auch Mamas Liebling sollten alle zu Verfügung stehenden Variationen des Lebens ernaschen dürfen. Geschwind schlüpfte Bollermann in das Brautkleid des Ehemannes, um seine Attraktivität für die bevorzugte Moral der Gegenwart zu präsentieren. Damit ließ sich sogar in der hohen Politik gut repräsentieren, was bisher unterprivilegiert war. Da wurde ihm plötzlich klar, dass alles, was bislang geschah, dem globalen 'Great Reset' zuträglich war.

Bollermann fing nun langsam an, sich für sich selbst zu schämen. Er warf alle seine Verkleidungen auf den Mithaufen der Nation und zündete sie an. Daraus ward ein Licht, so hell und warm geworden, dass sogar der Herr der Herrlichkeit darauf aufmerksam wurde.
Er verbannte unseren armen Teufel in das stille Kämmerlein einer anderen Dimension, wo er heute noch sitzt und über sein Leben nachdenken darf.

Manchmal kann man des Nachts, wenn man ganz besonders gut aufpasst, noch seine Stimme hören, die in unendlichen Wiederholungen trällert:

„Aber dennoch hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert.“

„Aber dennoch hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert.“


© Alf Glocker u Roland Walter


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Kommentare zu "Der arme Teufel ist los (Märchen)"

Re: Der arme Teufel ist los (Märchen)

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 18.01.2022 11:27 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
deine Geschichte wäre eine schöne Predigt sonntags in der Kirche von der Kanzel :-)
Und mit der Teufelin auf deinem Bild würde ich mich auch mal gern unterhalten ...
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Der arme Teufel ist los (Märchen)

Autor: Sonja Soller   Datum: 18.01.2022 11:56 Uhr

Kommentar: Man kennt das doch, zieh einem Esel einen Frack an, der Esel wird immer ein Esel bleiben!!!!!

Schönes reales Märchen!!!!

Herzliche Grüße aus dem durchblickenden Norden, Sonja

Re: Der arme Teufel ist los (Märchen)

Autor: Alf Glocker   Datum: 18.01.2022 14:34 Uhr

Kommentar: haha, vielen Dank liebe Freunde! Freut mich daß es gefallen hat!

LieGrü
Alf

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